Welche Beschwerden treten bei Multipler Sklerose auf? Wie hoch ist die Lebenserwartung bei Betroffenen und was gibt es für Behandlungsmöglichkeiten? Diese und viele weitere Fragen zum Krankheitsbild der Multiplen Sklerose beantworten wir in folgendem Beitrag für Sie.
Einführung
Was bedeutet Multiple Sklerose?
Die Multiple Sklerose (MS) ist eine Nervenerkrankung, bei der es an verschiedenen Stellen des Nervensystems im Gehirn und im Rückenmark zu entzündlich bedingten Schäden an den Nervenscheiden kommt. Die Nervenscheiden sind die Hüllen, die die Nervenfasern ummanteln.
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Die Nervenscheiden verändern sich und verhärten, daher der Name Sklerose. Es handelt es sich um eine chronische Erkrankung in meist mehreren (multiplen) Bereichen des zentralen Nervensystems, die häufig, jedoch nicht immer in Schüben verläuft. Die Krankheit gilt als Autoimmunerkrankung, d.h. Immunzellen des Körpers richten sich gegen körpereigenes Nervengewebe.
Multiple Sklerose: Das steckt hinter der Nervenerkrankung
Was passiert bei einer Multiplen Sklerose im Körper?
Bei der Multiplen Sklerose (MS) greifen körpereigene Abwehrzellen des Immunsystems (T-Zellen) die Nervenscheiden (Myelinscheiden) an. Die Myelinscheiden sind im Prinzip die Hüllen, die die Nervenfasern von außen schützen.
Es kommt zu Entzündungsreaktionen mit der Folge, dass die Nervenscheiden fleckartig zerstört werden. Dadurch wird der Nerv stellenweise nicht mehr gut mit Nährstoffen versorgt und die Impulsleitung des betroffenen Nervs wird gestört. Die Nervenscheiden können sich wieder erholen oder aber weiter geschädigt werden, so dass sich auch die Nervenfaser verändert. Im letzteren Fall kommt es zu bleibenden Schäden.
Sind bei der Multiplen Sklerose alle Nerven im Körper betroffen?
Nein, bei der Multiplen Sklerose (MS) beschränkt sich der Krankheitsprozess auf die Nervenscheiden und Nerven des zentralen Nervensystems (Gehirn und Rückenmark).
Das periphere Nervensystem ist nicht unmittelbar von der Krankheit betroffen, auch das autonome Nervensystem nicht. Da jedoch alle Teile des Nervensystems zusammenspielen, gibt es indirekte Auswirkungen.
Welche Nerven sind bei der Multiplen Sklerose betroffen?
Bei der Multiplen Sklerose (MS) ist der ursächliche Krankheitsprozess im zentralen Nervensystem lokalisiert. Also im Rückenmark und im Gehirn. Gehirn und Rückenmark sind wichtige Schaltzentralen, die für Bewegung, Sprechen, Hören, Sehen, Fühlen und vieles mehr unabdingbar sind.
Die anderen Teile des Nervensystems sind das periphere und autonome Nervensystem. Das periphere Nervensystem steuert vor allem die Motorik (Bewegungsabläufe), das autonome Nervensystem die Organfunktionen.
Bei der Multiplen Sklerose werden nicht die Nerven selbst, sondern deren Hüllen (Myelinscheiden) angegriffen.
Was bedeutet Demyelinisierung?
Die Multiple Sklerose (MS) ist eine demyelinisierende Erkrankung. Demyelinisierung bedeutet, dass die Schutzhüllen der Nerven angegriffen werden.
Angriffspunkt ist dabei das Myelin. Beim Myelin handelt es sich um eine biologische Membranstruktur, die die Nervenfaser in Form einer Spirale umhüllt und schützt.
Wenn dieses Myelin wie bei der Multiplen Sklerose durch autoimmune Prozesse angegriffen wird, ist die eigentliche Nervenfaser nicht mehr optimal geschützt und kann deshalb Schaden nehmen. Die nervale Weiterleitung und damit die Verarbeitung von Nervenreizen ist beeinträchtigt, ähnlich wie wenn bei einem Stromkabel die schützende Kunststoffschicht defekt ist.
Können auch Kinder und Jugendliche eine Multiple Sklerose entwickeln?
Ja, aber das ist vergleichsweise selten. In den allermeisten Fällen liegt der Erkrankungsbeginn bei Multipler Sklerose (MS) im jungen Erwachsenenalter zwischen 20 und 40 Jahren.
Ein Erkrankungsbeginn vor dem 20. Lebensjahr oder in höherem Lebensalter ab dem 60. Lebensjahr ist möglich, aber beides ist sehr selten. Dennoch gibt es diese Fälle und man muss bei neurologischen Beschwerden deshalb auch bei jüngeren und älteren Menschen die Möglichkeit einer MS in Betracht ziehen.
Ist die Multiple Sklerose eine psychische Krankheit?
Nein, mit einer "Geisteskrankheit" hat die Multiple Sklerose (MS) nichts zu tun. MS ist eine körperliche Erkrankung, bei der Nervenzellen des zentralen Nervensystems (Gehirn, Rückenmark) entzündlich geschädigt werden.
Die körperlichen Veränderungen lassen sich auch mit modernen Bildgebungsverfahren sichtbar machen. Durch eine Untersuchung des Liquor cerebrospinalis (Gehirn- und Rückenmarksflüssigkeit) lässt sich die Entzündung des zentralen Nervensystems nachweisen. Das bedeutet aber nicht, dass die Krankheit nicht psychische Auswirkungen haben kann. Gerade zu Beginn der Erkrankung, kurz nach der Diagnosestellung, haben viele Betroffene sehr stark mit der emotionalen Belastung zu kämpfen. Die Gewissheit, mit der Krankheit leben zu müssen, ist zu Beginn nicht leicht zu akzeptieren. Im weiteren Verlauf wird es dann häufig leichter, wenn man merkt, dass das Alltagsleben gar nicht so dramatisch beeinträchtigt ist wie man dachte.
Ursachen
Was ist die Ursache der Multiplen Sklerose?
Warum habe ich MS? Das ist eine Frage, die sich fast alle Menschen mit Multipler Sklerose stellen. Leider gibt es darauf aber keine befriedigende Antwort. Die genauen Ursachen der Multiplen Sklerose (MS) sind nach wie vor ungeklärt.
Der Fehlsteuerung des Immunsystems bei der Krankheit liegt auch eine erbliche Komponente zugrunde. Doch folgt eine mögliche Vererbung nicht einfachen Vererbungsregeln, so dass man automatisch erkrankt, wenn Elternteile bereits MS haben.
Als weiterer Faktor werden Virusinfektionen etwa mit dem Epstein-Barr-Virus oder Herpesviren diskutiert, die das Immunsystem beeinflussen. Wahrscheinlich spielt eine Vielzahl bislang auch noch unbekannter Faktoren für den Ausbruch der Krankheit eine Rolle.
Geschlecht, Vererbung & Co.: Wer erkrankt an Multipler Sklerose?
Warum sind Frauen häufiger von einer Multiplen Sklerose betroffen als Männer?
Warum Frauen häufiger an einer Multiplen Sklerose (MS) erkranken als Männer, ist trotz intensiver Forschung zu diesem Thema bislang nicht eindeutig geklärt.
Möglich sind hormonelle Faktoren und damit zusammenhängende Unterschiede im Stoffwechsel oder andere Faktoren. Man weiß, dass Hormone das Immunsystem beeinflussen. So könnte die Hormonlage einiger Frauen für die Erkrankung empfänglich machen. Allerdings taugen die Hormone auch nicht als alleinige Erklärung, denn erstens erkranken ja auch Männer und zweitens längst nicht jede Frau, obwohl sich deren Hormonwerte in der Regel nur geringfügig unterscheiden. Sichere Erkenntnisse zu diesem Thema gibt es leider einfach nicht.
Wird die MS vererbt?
Die Multiple Sklerose ist keine Erbkrankheit im klassischen Sinne, aber genetische Faktoren spielen bei der Entstehung eine Rolle. Allerdings müssen offensichtlich immer mehrere Faktoren zusammenkommen – neben einer genetischen Veranlagung auch Umweltfaktoren –, damit die Erkrankung entsteht.
Bei MS-Fällen in der Familie ist das Risiko selbst zu erkranken je nach Nähe des Verwandtschaftsgrades unterschiedlich stark erhöht. Bei eineiigen Zwillingen liegt es bei 35%, bei Verwandten ersten Grades (wenn z.B. Geschwister oder Eltern an MS erkrankt sind), liegt das eigene Risiko bei 3-4%.
Vererbt wird also eher die Neigung zu der Krankheit. Doch sind bei der Krankheitsentstehung offenbar viele Faktoren beteiligt, die längst nicht alle erforscht sind, so dass die Vererbung allein nicht ausschlaggebend ist.
Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit an Multipler Sklerose zu erkranken, wenn MS bereits in der Familie aufgetreten ist?
Das hängt von der Enge des Verwandtschaftsgrades ab. Sind Geschwister an MS erkrankt, liegt die Wahrscheinlichkeit, selbst an Multipler Sklerose zu erkranken, bei 4%.
Multiple Sklerose ist aber keine Erbkrankheit. Sie ist eine komplexe, durch viele Faktoren beeinflussbare Erkrankung. Seit vielen Jahren schon wird als Ursache u. a. das Zusammenwirken von genetisch bedingter Veranlagung, Umweltfaktoren, Wohnort und chronischen Infektionen vermutet.
"Das eine MS-Gen" gibt es nicht
Trotz zahlreicher internationaler Forschungsarbeiten ist das Rätsel um die Entstehung der MS leider immer noch nicht vollständig gelöst. Dennoch weiß man, dass die genetische Veranlagung eine MS begünstigen kann. Wissenschaftler gehen davon aus, dass mehr als 150 genetische Merkmale im Zusammenhang mit der MS stehen, wobei jedes einzelne nur minimal zur Entstehung der Erkrankung beiträgt.
Außerdem tritt MS nicht gleichmäßig in allen Bevölkerungsgruppen und Ländern auf. Auch hierzu gibt es verschiedene Theorien wie beispielsweise die Vitamin-D- oder die Hygiene-Hypothese.
Das sagt die Statistik
Wer allerdings gerne mit Zahlen jongliert, für den haben wir auch einiges im Angebot. Ermittelte Wahrscheinlichkeiten, an MS zu erkranken, wenn bereits Familienmitglieder betroffen sind:
- Bei einem Elternteil mit MS liegt die eigene Erkrankungswahrscheinlichkeit bei 3 %.
- Sind beide Eltern von der Multiplen Sklerose betroffen, liegt das Erkrankungsrisiko für die Kinder mit 20 % deutlich höher.
- Am höchsten ist das eigene MS-Risiko, wenn ein Zwillingsgeschwister erkrankt ist. 35 % der Geschwister erkranken dann ebenfalls.
- Bei Verwandten zweiten oder dritten Grades mit Multipler Sklerose liegt das eigene Risiko bei nur noch etwa 1 % oder darunter.
Warum erkranken Menschen mit Geschwistern seltener an MS als Einzelkinder?
Vermutet wird, dass die gehäuften Infektionskrankheiten bei Geschwisterkindern (durch das gegenseitige Anstecken) das Abwehrsystem "abhärten" und so einen Schutz gegen die Multiple Sklerose aufbauen.
Warum erkranken Menschen in den Industrienationen häufiger an MS als Menschen in Entwicklungsländern?
Das ist noch nicht endgültig geklärt. Neben genetischen Ursachen gehen viele Experten davon aus, dass die Entstehung der Multiplen Sklerose dadurch begünstigt werden könnte, dass die Kindheit gewissermaßen "zu hygienisch" verläuft. Dass also eine unhygienischere Umwelt in der Kindheit und die damit einhergehenden gehäuften Infektionskrankheiten das Abwehrsystem "abhärten" und so einen Schutz gegen die Multiple Sklerose aufbauen.
Was für diese These spricht: Kinder mit Geschwistern erkranken deutlich seltener an MS als Einzelkinder. Das wird damit erklärt, dass Geschwisterkinder durch die gegenseitige Ansteckung auch deutlich häufiger Infektionskrankheiten durchmachen.
Für Allergien (auch seltener in "ärmeren und schmutzigeren" Verhältnissen) wird übrigens ein ähnlicher Zusammenhang vermutet.
Vitamin-D-Hypothese
Eine alternative Hypothese geht von einem anderen Zusammenhang aus. Menschen in der Äquatorialregion (und damit überproportional in den Entwicklungsländern) erleben von Kind an eine intensivere Sonneneinstrahlung. Das Sonnenlicht wiederum fördert die körpereigene Produktion von Vitamin D. Entsprechend haben Menschen in sonnenverwöhnten Ländern meist höhere Vitamin-D-Spiegel. Einige Experten vermuten, dass hohe Vitamin-D-Spiegel das MS-Risiko senken.
MS: was senkt und was erhöht das Risiko zu erkranken?
Woher kommt die Vermutung, viel Vitamin D könnte vor MS schützen?
Die "Vitamin-D-Hypothese" kam auf, als man feststellte, dass Menschen in der Äquatorialregion seltener an Multipler Sklerose erkranken als in den nördlicheren und südlicheren Ländern. Menschen in diesen sonnenverwöhnten Regionen haben meist auch höhere Vitamin-D-Spiegel.
Denn um Vitamin D selbst herzustellen, benötigt der Körper Sonnenlicht. Zwar kann man Vitamin D auch über die Nahrung aufnehmen, aber die Sonne ist der beste Motor zur Vitamin-D-Produktion.
So kam es zur Vermutung, dass das hohe Vitamin D Ursache der geringeren MS-Häufigkeit in diesen Ländern sein könnte. Zu dieser Hypothese passt auch, dass die Eskimos in Grönland auffällig selten an MS erkranken. Deren Sonneneinstrahlung ist zwar eher mäßig, die Eskimos nehmen aber sehr viel Vitamin D mit der Nahrung zu sich.
Der Vitamin-D-Zusammenhang wurde durch weitere Studien untermauert, als endgültig gesichert gilt aber nicht.
Gegenmeinung: Hygiene-Hypothese
Eine alternative Hypothese geht davon aus, dass die niedrigere MS-Häufigkeit in den Äquatorialregionen weniger auf Vitamin D als vielmehr auf die größere Häufung von Entwicklungsländern in diesen Breiten zurückgeht. Sie vertreten die sogenannte "Hygiene-Hypothese", nach der eine mangelnde Hygiene (und damit gehäufte Infektionskrankheiten in der Kindheit) sozusagen "abhärtet" und vor dem Entstehen einer MS schützt.
Erhöht Rauchen das MS-Risiko?
Dieser Frage ist in den vergangenen Jahren gleich in mehreren Studien nachgegangen worden, und die bisherigen Ergebnisse legen nahe, dass Rauchen tatsächlich das Risiko, an Multipler Sklerose zu erkranken, erhöht. Die Gründe dafür sind aber noch unklar.
Je nach Studie ergaben sich für Raucher gegenüber Nichtrauchern erhöhte Erkrankungsraten um den Faktor 1,2 bis 1,8. Auch die Ausprägung der MS, also der Krankheitsverlauf und die Progression, war bei Rauchern im Schnitt ungünstiger.
Nicht nur Nikotin ist schuld
Nikotin ist ein bekanntes Nervengift und schwächt das Immunsystem, allein deshalb kann man sich vorstellen, dass Rauchen ein Risikofaktor sowohl für die Entwicklung der Multiplen Sklerose als auch für einen schwereren Verlauf ist. Verantwortlich sind nicht allein das Nikotin, sondern andere schädliche Stoffe des Zigarettenrauchs, die die Nervenhüllen (Myelinscheiden) direkt schädigen.
Erhöhen Impfungen das Risiko, an Multipler Sklerose zu erkranken?
Nein, zumindest nicht nach den aktuell vorliegenden Studien zu dieser Thematik. Im Verdacht stand aufgrund von Einzelfallberichten zeitweise vor allem die Impfung gegen Hepatitis B.
Doch weder für die Hepatitis-B- noch für andere Impfungen konnte in mehreren großen Studien ein derartiger Zusammenhang festgestellt werden.
Können Infektionen in der Kindheit eine MS verursachen?
Das ist umstritten. Die normalen Kinderkrankheiten haben mit der Multiplen Sklerose auf jeden Fall nichts zu tun.
Für einige seltenere Viren-Erkrankungen (u.a. Infektionen mit dem Epstein-Barr-Virus und dem Humanen Herpesvirus 6) und auch bakterielle Infektionen (u.a. in Diskussion: Chlamydien, Spirochäten, Rickettsien, Streptococcus mutans) wird aber ein Zusammenhang mit der Entstehung einer Multiplen Sklerose seit Jahrzehnten diskutiert. Denkbar wäre nach Ansicht der Vertreter dieser Hypothese, dass die Abwehrzellen gegen diese Infektionen später fälschlicherweise auch die eigenen Nervenzellen bzw. die umgebenden Nervenscheiden angreifen.
Die Befürworter der "Infektions-Theorie" verweisen oft auf eine auffällige Zunahme an MS-Fällen auf den Faröer Inseln, nachdem dort 1943 britische Truppen stationiert waren. Allerdings konnte bisher keine Studie tatsächlich nachweisen, dass ein solcher Zusammenhang mit Viren oder Bakterien besteht.
Ist die Multiple Sklerose ansteckend?
Nein. Da seit Jahrzehnten von einigen Experten (nicht allen) vermutet wird, dass die Entstehung der MS mit bestimmten, seltenen Infektionskrankheiten in der Kindheit zusammenhängen könnte, ist diese Frage aber gar nicht so abwegig.
Allerdings haben Studien mit an MS erkrankten Eltern und ihren Stief- oder Adoptivkindern (bei denen also keine genetische Ursache im Spiel war) keinen Hinweis darauf geliefert, dass die Kinder häufiger an Multipler Sklerose erkranken als die Normalbevölkerung.
Hätte ich die Multiple Sklerose verhindern können?
Viele Menschen, die eine Multiple Sklerose bekommen haben, stellen sich die Frage "Bin ich schuld?" oder "Was habe ich falsch gemacht?". Die Antwort lautet: "Nichts. Es gibt keine Schuld."
Da die Risikofaktoren und Ursachen der Entstehung der Multiplen Sklerose (MS) nicht eindeutig geklärt sind, finden sich auch wenig Ansätze, um die Krankheit zu vermeiden. Niemand kann mehr versuchen als ein möglichst gesundes Leben zu führen und zu hoffen, keine schwerere Krankheit zu entwickeln. Aber auch das gesündeste Leben ist keine Garantie für Gesundheit.
Venenschwäche im Gehirn als Auslöser für MS?
Stimmt es, dass die MS durch eine Venenschwäche im Gehirn verursacht wird?
Ein solcher Zusammenhang wird schon sehr lange diskutiert, und es gibt Experten, die diesen auch heute noch vermuten. Gesichert ist er aber nicht, und der überwiegende Teil der Fachwelt steht dieser These eher skeptisch gegenüber.
Die Hypothese lautet, dass eine sogenannte "chronisch cerebrospinale venöse Insuffizienz" mit der Entstehung einer Multiplen Sklerose in Zusammenhang stehen könnte. Also auf deutsch, ein gestörter Abfluss des venösen Blutes im Gehirn. In der Folge entstehen Flüssigkeitsansammlungen (Ödeme) im Gewebe und Entzündungen.
Insgesamt umstritten und von fraglicher Relevanz
Entstanden ist die Vermutung wegen der engen Nachbarschaft der typischen MS-Herde ("Entmarkungsherde") mit den ableitenden Venen. Und zumindest in Einzelstudien wurden bei MS-Patienten in Ultraschalluntersuchungen der Hirngefäße tatsächlich häufiger Hinweise auf Venenabfluss-Störungen gefunden.
Aber sicher ist das alles nicht. Und auch die Relevanz dieser Diskussion ist zumindest fraglich. Wenn sich dieser Zusammenhang in den kommenden Jahren bestätigen würde, wäre noch völlig unklar, ob und wie sich daraus vorbeugende oder therapeutische Maßnahmen ableiten ließen.
Was ist eine chronische cerebrospinale venöse Insuffizienz (CCSVI)?
Die chronische cerebrospinale venöse Insuffizienz (CCSVI) ist die Bezeichnung für eine Theorie zur Entstehung der Multiplen Sklerose (MS). Sie ist nicht nur sprachlich eine Zumutung, sondern auch höchst umstritten.
Demnach soll eine venöse Abflussstörung im Kopf-Hals-Bereich Ursache der Entzündungen im zentralen Nervensystem sein. Zu diesem Thema gibt es einige Forschungsarbeiten. In der derzeitigen MS-Behandlung findet die Theorie noch keinen Eingang, wenn auch v.a. in den USA bereits spezielle Behandlungszentren operative Eingriffe zur Korrektur venöser Abflussstörungen vornehmen. Allgemein akzeptiert ist die Krankheitstheorie nicht.
Häufigkeit
Wie häufig kommt die Multiple Sklerose vor?
Die Multiple Sklerose (MS) ist keine seltene Erkrankung und in Deutschland nach der Epilepsie die häufigste neurologische Krankheit. Nach Schätzungen sind weltweit 2,5 Millionen erkrankt. In Deutschland leben über 130.000 Manchen mit der Diagnose.
Jährlich ist hierzulande mit etwa 2.500 bis 4.500 neuen MS-Fällen zu rechnen. Dabei ist zu bedenken, dass es viele leichte Erkrankungen gibt, die nie festgestellt werden, weil sich die Betroffenen kaum beeinträchtigt fühlen.
Die meisten Menschen mit MS erkranken im Alter zwischen 20 und 40 Jahren. Es gibt jedoch auch solche, die in jüngeren Jahren oder erst in fortgeschrittenem Alter die Diagnose erhalten. Frauen sind von MS etwa doppelt so häufig wie Männer betroffen.
Ist die Häufigkeit der MS überall auf der Welt gleich?
Nein, es gibt Regionen und Völker, bei denen die Krankheit kaum vorkommt und andere, bei denen die Multiple Sklerose (MS) deutlich häufiger auftritt.
Mittlerweile weiß man, dass die Häufigkeit der MS mit dem Abstand zum Äquator zunimmt. In nördlichen Regionen wie Skandinavien kommt MS häufiger vor als etwa in Afrika. Menschen weißer Hautfarbe sind außerdem häufiger betroffen als Menschen mit dunkler Haut.
Warum das so ist, ist nicht endgültig geklärt. Im Fokus der Vermutungen stehen der Einfluss des Sonnenlichts, erbliche Komponenten, Umweltfaktoren und der moderne Lebensstil insgesamt.
Symptome
Sehstörungen, Missempfindungen und Taubheitsgefühl: Wie äußert sich MS typischerweise?
Was sind typische Symptome und Beschwerden bei Multipler Sklerose?
Das ist schwierig zu beantworten. Die möglichen Symptome einer Multiplen Sklerose sind sehr vielfältig und abhängig davon, an welcher Stelle im Körper sich die MS-Herde entwickelt haben.
Kann, muss aber nicht
Nicht umsonst wird die häufigste chronisch-entzündliche, neurologische Erkrankung auch als "Chamäleon" oder als die "Krankheit mit den 1000 Gesichtern" betitelt.
Bevor Sie jetzt bei den folgenden langen Listen möglicher Beschwerden erschrecken, ist es wichtig, sich folgendes klarzumachen: In der Regel hat kein Betroffener mit Multipler Sklerose alle diese Symptome. Oft treten nur einzelne Beeinträchtigungen auf. Bei manch einem ist es auch mal eine wechselnde Kombination verschiedener Störungen, geprägt von unterschiedlicher Intensität und Dauer.
Meist fängt es so an…
Zu den häufigeren Anfangsbeschwerden bei Multipler Sklerose gehören z. B.:
- Entzündungen des Sehnervs mit wechselnden Sehstörungen (Sehunschärfe, milchiger Schleier, Doppelbilder, eingeschränktes Farbensehen)
- Augenschmerzen bei Blickbewegungen
- Lähmungen oder Schmerzen im Gesicht (Trigeminusneuralgie)
- Sensibilitätsstörungen bzw. Missempfindungen (beispielsweise Kribbeln, Jucken, gestörtes Kälte- oder Wärmegefühl) an bestimmten Hautstellen
- Müdigkeit bzw. rasche Ermüdbarkeit und Antriebslosigkeit (Fatigue)
- Taubheitsgefühl und/oder Schmerzen bestimmter Körperareale
Unscheinbare Vorboten
Manche Krankheitszeichen sind so unspezifisch, milde und von so kurzer Dauer, dass viele zunächst gar keine bestimmte Grunderkrankung dahinter vermuten, sondern sie vielmehr "unter ferner liefen" abhaken.
Es ist also nicht ungewöhnlich, dass Betroffene bestimmte Erstsymptome erst im Nachhinein (Monate oder sogar Jahre später) mit der Diagnose MS in Verbindung bringen. Andererseits darf man sich von den vielfältigen, häufig sehr "schwammigen" Symptomen auf keinen Fall dazu verleiten lassen, sich sogleich eine MS anzudichten.
Weiterer möglicher Krankheitsverlauf
Bei eher länger bestehender Erkrankung können vermehrt folgende Beschwerden auftreten:
- Muskelkrämpfe bzw. spastische Bewegungshemmungen mit Beeinträchtigung der Kraft und Koordination
- Muskelschwäche bis hin zu Lähmungserscheinungen
- Intentionstremor (Zittern der Hände bei Beginn einer Bewegung)
- Schluck- und Sprechstörungen (oft etwas abgehackte und verwaschene Sprache)
- Schwindel und Gleichgewichtsprobleme mit Gangataxie (schwankender, unsicherer Gang)
- Blasenstörungen (u. a. erhöhter Harndrang, Inkontinenz, unvollständige Blasenentleerung)
- Magen-Darm-Beschwerden (z. B. Verstopfung, Durchfall, Stuhlinkontinenz)
- Störungen der Sexualfunktion wie Impotenz oder vermindertes Lustgefühl (Libido)
- kognitive Störungen (Konzentration, Denken, Aufmerksamkeit, Merkfähigkeit)
- Depressionen
Wissenswert & interessant
Ergänzend zu den oben genannten Aufzählungen möchten wir Ihnen noch einige Informationen zu einzelnen Beschwerden bzw. Beeinträchtigungen rund um die MS geben.
Wussten Sie beispielsweise, dass…
- bei den Sensibilitätsstörungen besonders häufig die Hände, die Unterschenkel und die Füße betroffen sind?
- Sie bei einer Entzündung des Sehnervs mit erhöhter Lichtempfindlichkeit auch im Winter eine Sonnenbrille tragen sollten?
- man sich im Falle von Doppelbildern (unter fachmännischer Kontrolle) zeitweise ein Auge abdecken lassen kann?
- Sie Ihre Blasen- und Darmstörungen sehr gut mit einer Kombination aus Medikamenten und nicht-medikamentöser Behandlung (Physiotherapie, diverse Hilfsmittel) in den Griff bekommen können?
- regelmäßiges Spielen (u. a. Karten, Gesellschaftsspiele, Ball- und Tanzspiele, Lego und vor allem moderne Spielekonsolen) ein sehr gutes Training bei kognitiven Störungen ist?
- sich die meisten Beschwerden (ggf. mithilfe einer medikamentösen Therapie) zu Beginn der Erkrankung wieder vollständig zurückbilden?
Lassen Sie sich bei der Diagnose MS also nicht entmutigen, sondern blicken Sie positiv in die Zukunft. Heutzutage lassen sich die meisten Beschwerden durch ein individuelles, mehrsäuliges Therapiekonzept gut unter Kontrolle bekommen. So können Sie auch mit MS ein erfülltes Leben mit hoher Lebensqualität führen.
Sind die Beschwerden bei Multipler Sklerose so charakteristisch, dass man sie sofort erkennt?
Leider nein. "Leider" deshalb, weil das oft eine längere Zeit der Ungewissheit bedeutet, in der man von Untersuchung zu Untersuchung rennt, bis endlich klar ist, ob es sich um eine Multiple Sklerose (MS) oder etwas anderes handelt.
Das Chamäleon MS weiß sich zu tarnen
Es gibt zwar typische Beschwerden und Funktionsbeeinträchtigungen bei der MS. Aber das bedeutet nicht, dass diese auch auftreten müssen oder gar alle Betroffenen gleichsam unter ihnen leiden. Außerdem gibt noch einige andere (neurologische) Erkrankungen, die dieselben oder ähnliche Beschwerden verursachen können.
Die Symptome oder Ausfälle sind zudem individuell sehr verschieden, weil sie vom Ort der Entzündungen im zentralen Nervensystem abhängen. Auch im Krankheitsverlauf können sich die Krankheitszeichen und Beschwerden verändern. Einige Symptome lassen sich nur schwer einordnen, andere wecken rasch den Verdacht auf MS.
Die Multiple Sklerose hat nicht zu Unrecht die Bezeichnung "das Chamäleon" oder "die Erkrankung mit den 1000 Gesichtern" – sie ist unberechenbar, sowohl hinsichtlich ihres Erscheinungsbildes als auch, was den Verlauf betrifft.
Stufenweise zur richtigen Diagnose
Was man bei der Diagnosefindung übrigens nie vergessen darf: Bei Verdacht auf MS müssen parallel immer auch andere in Frage kommende Krankheiten sicher ausgeschlossen werden. Die Diagnose Multiple Sklerose darf niemals gestellt werden, wenn die ermittelten krankhaften Befunde von einer anderen Erkrankung besser erklärt werden können.
Um möglichst "sicher" die Diagnose MS stellen zu können, empfiehlt sich deshalb folgende Vorgehensweise:
- ausführliches (Anamnese-)Gespräch bei Ihrem Hausarzt oder idealerweise bei einem Neurologen mit detaillierter Darstellung Ihrer Beschwerden
- körperliche Untersuchung mit gezielter Testung der Nervenfunktionen
- breitgefächerte Analyse Ihrer Blutwerte
- Kernspintomographie (MRT bzw. Magnetresonanz-Aufnahmen des Gehirns)
- Liquordiagnostik (Untersuchung des Nervenwassers durch Lumbalpunktion)
Nächster Schritt: McDonald-Kriterien
Sind alle Informationen gesammelt, müssen sie miteinander in Beziehung gesetzt und anhand der sogenannten McDonald-Diagnosekriterien objektiv ausgewertet werden. Es geht also letztendlich um die Verknüpfung von Krankengeschichte, individueller Symptomatik, diversen Labortests und dem Ergebnis der bildgebenden Verfahren (MRT).
Laut McDonald-Kriterien müssen hierbei einige Diagnoseparameter (Anzahl der Schübe und Entzündungsherde bzw. Läsionen, zeitliche und räumliche Verteilung der Läsionen, Liquor-Befund) jeweils in einer bestimmten Konstellation vorliegen. Nur so kann dann am Ende die Diagnose "sichere", "mögliche" oder doch "keine MS" stehen.
Ziel dieser aufwendigen Prozeduren ist vor allem folgendes: eine MS so früh wie möglich zu erkennen, um zeitnah eine effektive, krankheitsverändernde Therapie in die Wege leiten zu können.
Gibt es Symptome, die sicher auf eine Multiple Sklerose hinweisen?
Nein, die gibt es nicht. Jedes mögliche Symptom der Multiplen Sklerose (MS) kann für sich betrachtet meist auch eine Vielzahl anderer Ursachen haben. Sämtliche möglichen Beschwerden sind also zunächst einmal nicht spezifisch für die MS.
Oft vergehen Jahre bis zur Diagnose
Keinesfalls kann demnach ein einzelnes Symptom die Krankheit beweisen, und auch mehrere "typische" Symptome zusammen sind kein Beweis für MS. Weil die Krankheitssymptome so unspezifisch sind und häufig erst die Beobachtung der Beschwerden über Jahre den Verdacht auf MS aufkommen lässt, vergehen nicht selten einige Jahre bis zur Feststellung der Krankheit.
Eine "sichere" Diagnose ist nur anhand von (röntgenologischen) Bildgebungsverfahren und der sogenannten Lumbalpunktion (Untersuchung der Rückenmarksflüssigkeit) möglich. Sind im Rahmen dieser Untersuchungen bestimmte Kriterien (McDonald-Kriterien) erfüllt, kann die MS-Diagnose gestellt werden.
Schrittweise vorgehen
Wenn Sie also den Verdacht haben, dass mit Ihnen bzw. Ihrem Körper in letzter Zeit etwas nicht stimmt, sollte der erste Schritt der Gang zu Ihrem Hausarzt sein. Anhand eines ausführlichen Gesprächs (Anamnese) kann er sich einen Überblick über Ihre bisherigen Beschwerden verschaffen und Sie ggf. zum Neurologen weiterleiten.
Bei Verdacht auf MS müssen parallel vor allem auch andere in Frage kommende Erkrankungen ausgeschlossen werden. Für einen aussagekräftigen Befund sind deshalb zur Diagnosestellung der Multiplen Sklerose zunächst folgende Untersuchungen erforderlich:
- intensive körperliche Untersuchung
- spezielle Überprüfung der Nervenfunktionen
- breite Blutanalyse
- Untersuchung des Nervenwassers (Liquordiagnostik)
- Magnetresonanz-Aufnahmen (MRT, Kernspintomographie
Wenn sich der Verdacht erhärtet
Sollten diese Untersuchungen den dringenden Verdacht einer MS untermauern, kann dann abschließend mittels der sogenannten McDonald-Kriterien eine recht zuverlässige Diagnose gestellt werden. Sie bestätigen eine Multiple Sklerose, wenn sich sowohl MS-typische Entzündungsherde an verschiedenen Stellen des ZNS (zentralen Nervensystems) feststellen lassen als auch zeitlich versetzte Episoden von Krankheitsaktivität (Krankheitsschübe) auftreten.
Was ist das häufigste Erstsymptom der Multiplen Sklerose?
Die häufigsten Erstsymptome der Multiplen Sklerose (MS) sind im Folgenden aufgelistet. Allerdings treten diese bei weitem nicht immer auf.
Es kann sogar passieren, dass manche Symptome nur kurz und recht milde in Erscheinung treten, so dass Betroffene diese ersten Beschwerden erst im Nachhinein mit der späteren Diagnose MS in Verbindung bringen.
Häufige Erstsymptome
Die "Krankheit mit den 1000 Gesichtern" oder "MS, das Chamäleon" – nicht umsonst trägt die Autoimmunerkrankung Multiple Sklerose diese Bezeichnungen. Das Krankheitsbild ist sehr vielseitig und kann sich durch wechselnde Symptome mit unterschiedlicher Intensität immer wieder neu definieren.
Die am häufigsten auftretenden ersten Symptome bei der MS sind u. a.:
- Gefühlsstörungen bzw. Missempfindungen der Haut (mit Kribbeln, Jucken, gestörtem Temperaturempfinden)
- Taubheitsgefühl bestimmter Körperareale
- Müdigkeit bzw. rasche Ermüdbarkeit
- Entzündung des Sehnervs mit Sehstörungen (Doppelbilder, Sehunschärfe, Schmerzen)
- Lähmungen oder Schmerzen im Gesicht (Trigeminusneuralgie)
Oft handelt es sich zu Beginn eher um eine diffuse Mischung aus einigen der hier aufgeführten Beschwerden. Hinsichtlich der Sensibilitätsstörungen sind besonders häufig die Hände, die Unterschenkel und Füße betroffen.
Weitere mögliche Auswirkungen
Bei jedem MS-Schub können sich wechselnde Regionen im Gehirn und Rückenmark entzünden, sodass folglich auch immer wieder andere Körperfunktionen (zeitweise) in Mitleidenschaft gezogen werden.
Im Verlauf der Erkrankung kann es verstärkt u. a. auch zu folgenden Beschwerden kommen:
- Beeinträchtigung der Kraft, Koordination und Bewegung
- Zittern (vor allem der Hände)
- Gleichgewichtsprobleme
- Sprech- und Schluckstörungen
- Probleme bei der Blasenentleerung
- Magen-Darm-Beschwerden
- kognitive Störungen (Konzentration, Denken, Aufmerksamkeit, Merkfähigkeit)
- Depressionen
Wie fühlen sich die Sensibilitätsstörungen bei der Multiplen Sklerose an?
Es gibt ganz unterschiedliche Arten von Sensibilitätsstörungen bei der Multiplen Sklerose. Recht häufig berichten Betroffene von strumpfartigen Kribbelgefühlen in den Füßen und am Unterschenkel oder handschuhartigen Missempfindungen an den Händen.
Ein Chaos an Gefühlsstörungen
Die Multiple Sklerose hat hinsichtlich der möglichen Empfindungsstörungen aber noch einiges mehr anzubieten – nicht umsonst wird sie schließlich die Erkrankung mit den "1000 Gesichtern" oder auch "das Chamäleon" genannt.
Neben Störungen der Oberflächen- und Tiefensensibilität unterscheidet man Störungen, bei denen z. B. das Temperatur- und/oder das Schmerzempfinden abgeschwächt oder fehlgesteuert ist, ggf. zeitweise sogar komplett ausfällt. Es kann im Rahmen der MS sowohl zu einer generell gesteigerten Wahrnehmung von Reizen als auch nur zu scharf begrenzten, fleckförmigen Missempfindungen kommen.
Fakt ist: Je nachdem, wie ausgeprägt und aktiv die MS-bedingten Entzündungsherde in Gehirn und Rückenmark sind, so verschieden können sich die damit zusammenhängenden Störungen manifestieren.
Jeder empfindet es anders
Entsprechend diesen Variationsmöglichkeiten können Betroffene ihre Sensibilitätsstörungen somit sehr unterschiedlich empfinden und beschreiben. Dennoch gibt es Parallelen, wo der eine oder andere sich vielleicht wiedererkennt. Deshalb möchten wir Ihnen an dieser Stelle auch einige der möglichen Gefühls- bzw. Empfindungsstörungen aufzeigen.
MS-bedingte Sensibilitätsstörungen können wie folgt in Erscheinung treten:
- Man hat das Gefühl, wie auf Watte zu laufen.
- Einige Hautbereiche sind so überempfindlich, dass bereits der Kontakt mit Kleidung oder eine leichte Berührung auf der Haut schmerzt.
- Bestimmte Körperteile fühlen sich pelzig oder auch taub an.
- Es kribbelt und krabbelt, wie wenn "1000 Ameisen über die Haut laufen".
- Man hat z. B. plötzlich das Gefühl, einen Sonnenbrand am Arm zu haben, obwohl dieser sich bei Berührung völlig normal und nicht überhitzt anfühlt.
- Die Haut brennt wie Feuer.
- Der Unterschied zwischen kalt und warm wird nicht mehr richtig wahrgenommen.
Vom "Panzergefühl" bis zum Lhermitte-Zeichen
Im Gegensatz zu den oberflächlichen Missempfindungen werden Tiefensensibilitätsstörungen nicht selten erst im Verlauf der MS-Erkrankung auch als solche wahrgenommen. Wenn das unbewusste Vibrationsempfinden beeinträchtigt ist, kann das u. a. zu Unsicherheiten beim Gehen und Stehen führen. Auch die Feinmotorik kann betroffen sein und zu Einschränkungen im Alltag führen (z. B. bei der Essenszubereitung, beim Schneiden, Umgang mit Werkzeugen).
Eine Missempfindung im Bereich des Brustkorbs ist das sogenannte Panzergefühl. Die Betroffenen fühlen sich eingeschnürt und wie von einem Panzer umgeben. Ähnliche Empfindungen können auch an den Gelenken wie Knöchel und Knie vorkommen. Auch Schwellungsgefühle an Gelenken sind möglich.
Entsteht beim Beugen des Nackens ein elektrisierendes Gefühl, das häufig in die Beine, aber auch in die Arme ausstrahlen kann und wie ein Stromschlag empfunden wird, handelt es sich um das Lhermitte-Zeichen. Es spricht für Entzündungen im Bereich des Rückenmarks.
Missempfindungen bei MS: Kribbeln, Pelzigkeit und mehr
Welche Formen von Missempfindungen oder Sensibilitätsstörungen lassen sich bei der MS unterscheiden?
Oberflächliche Missempfindungen (Parästhesien) kommen am häufigsten vor. Dies sind vor allem Kribbelgefühle und das Gefühl des "Ameisenlaufens".
Es gibt aber noch weitere typische Beispiele für oberflächliche Empfindungsstörungen bei MS, wie z. B.:
- strumpf- oder handschuhartige Missempfindungen an Händen und Füßen
- Missempfindungen bei Hautkontakt (Kleidung oder normale Berührungen werden als sehr unangenehm oder gar schmerzhaft empfunden.)
- pelziges oder taubes Gefühl bestimmter Körperteile
- das Gefühl, "wie auf Watte zu laufen"
- brennendes Empfinden an der Haut
- Juckreiz an wechselnden Körperstellen
Störungen der Tiefe und Temperatur
Als Tiefensensibilitätsstörungen bezeichnet man beispielsweise Missempfindungen im Bereich des Brustkorbs (sogenanntes Panzergefühl). Betroffene beschreiben hierbei, dass sie sich eingeschnürt und wie von einem Panzer umgeben fühlen. Ähnliche Missempfindungen, zum Teil mit Schwellungsgefühl, treten auch gerne im Bereich der Gelenke (u. a. Knie, Knöchel) auf.
Störungen der Tiefensensibilität werden übrigens häufig zunächst nicht bemerkt, können aber z. B. zu einem unsicheren Gehen und Stehen beitragen oder auch leichter zum Stolpern führen.
Temperatur-Missempfindungen kommen ebenfalls häufiger vor. Die Betroffenen haben das Gefühl, ein Fuß oder Bein sei ganz kalt, merken bei Berührung aber selbst, dass das nicht stimmt. Zudem können Kältereize stellenweise übermäßig bis zur Schmerzhaftigkeit empfunden werden.
Was dahintersteckt
Bei den Sensibilitätsstörungen handelt es sich letztendlich um Empfindungs- bzw. Gefühlswahrnehmungsstörungen, die durch die MS-bedingten Entzündungsherde in Gehirn und Rückenmark entstehen. Genau diese Entzündungs- bzw. Entmarkungsherde im Bereich der Nervenfasern sind u. a. dafür verantwortlich, dass Empfang, Verarbeitung und Weiterleitung verschiedener Reize gestört sind. Folglich werden beispielsweise Kälte, Wärme, Druck, Schmerz, leichte Berührungen etc. (je nach Krankheitsaktivität) zeitweise verändert oder gar nicht mehr wahrgenommen.
Ein Potpourri an Sensibilitätsstörungen
Ob und in welcher Form, wie oft und mit welcher Intensität oben genannte Missempfindungen oder Sensibilitätsstörungen bei Ihnen im Rahmen der MS auftreten, kann Ihnen keiner prophezeien. Die Multiple Sklerose ist und bleibt ein Chamäleon unter den neurologischen Erkrankungen.
Lassen Sie sich davon aber nicht verunsichern oder gar entmutigen. Die meisten Betroffenen kommen sehr gut mit diesen Störungen zurecht bzw. arrangieren sich irgendwann mit Ihnen.
Trainieren Sie Ihre Sinne
Eine Option ist, manche Gefühlsstörungen einfach zu ignorieren. Eine andere Möglichkeit besteht darin, die Sensibilität zu trainieren, indem Sie die Hautsensoren durch eine äußere Reizgebung stimulieren.
Hierbei können Ihnen auch Anwendungen aus der Physio- und Ergotherapie helfen, wie z. B.:
- das vorsichtige Massieren und Bürsten betroffener Körperstellen
- leichtes bis mittelstarkes Klopfen betroffener Areale mit einem kleinen Holzhammer
- der Einsatz von Kühlpacks/Wärmekissen zum Trainieren der Temperatursensibilität
- Materialbäder (mit Linsen, Reis oder Sand) zur Sensibilisierung von Händen und Füßen
Natürlich helfen diese Methoden nicht bei allen Beschwerden, aber einen Versuch ist es zumindest wert. Fragen Sie doch einfach mal Ihren behandelnden Physio- oder Ergotherapeuten nach entsprechenden Tipps.
Verschwinden die Missempfindungen bei Multipler Sklerose wieder?
Zu Beginn der Krankheit verschwinden die Missempfindungen nach einiger Zeit meist wieder - genauso wie sie gekommen sind. Vor allem in einem späteren Stadium der Multiplen Sklerose kann es aber auch zu bleibenden und damit chronischen Missempfindungen kommen.
Ein Wechselbad an Gefühlsstörungen
Die meisten Menschen mit Multipler Sklerose kennen nach längerer Zeit meist eine Vielzahl verschiedener und auch wechselnder Missempfindungen. Manchmal sind sie mit einem Schub assoziiert, manchmal treten sie aber auch in einer Ruhephase der Erkrankung auf.
Neben Störungen der Oberflächen- und Tiefensensibilität kann auch das Schmerz- und/oder das Temperaturempfinden fehlgesteuert sein und zeitweise eventuell sogar komplett ausfallen. Die Sensibilitätsstörungen im Rahmen der Multiplen Sklerose sind nicht nur vielfältig, sondern individuell auch sehr variabel und unterschiedlich intensiv. Während hin und wieder beispielsweise nur scharf begrenzte, fleckförmige Missempfindungen auftreten, steht zu einem anderen Zeitpunkt vielleicht eher eine generell gesteigerte Wahrnehmung von Reizen im Vordergrund.
Basistherapie schafft bessere Voraussetzungen
Die Empfindungs- bzw. Gefühlswahrnehmungsstörungen entstehen, wie die anderen MS-bedingten Symptome auch, durch wechselnde Entzündungsherde in Gehirn und Rückenmark. Die Beschwerden können zum Teil von allein wieder verschwinden oder durch eine gezielte Therapie gebessert bzw. sogar ganz beseitigt werden.
Die individuelle Verlaufsform der MS ist leider nicht vorhersehbar. Somit kann man auch nichts Genaues zur Beständigkeit bestimmter Symptome sagen. Was man inzwischen allerdings aus Erfahrungswerten und Studien weiß: Eine adäquate, frühzeitige Basistherapie mit den heute zur Verfügung stehenden Behandlungsoptionen führt insgesamt zu einem besseren Krankheitsverlauf der MS mit weniger Beschwerden und Funktionseinschränkungen.
Kann, muss aber nicht
Ob, wie oft, welcher Art und über welchen Zeitraum bei Ihnen MS-bedingte Missempfindungen auftreten können, steht in den Sternen. Dennoch möchten wir Ihnen nachfolgend die häufigsten Sensibilitätsstörungen vorstellen, die bei dieser chronisch-neurologischen Autoimmunerkrankung vorkommen können.
Klassische Empfindungsstörungen, die bei Multipler Sklerose beschrieben werden:
- Kribbeln, "Ameisenlaufen" an wechselnden Körperstellen
- Pelzigkeits- und Taubheitsgefühl, "wie Watte zwischen den Fingern oder unter den Füßen"
- brennende, stechende und hitzige Missempfindungen
- schmerzendes Kälte- oder Wärmegefühl
- fehlendes bzw. gestörtes Temperaturempfinden
- Gefühl des Eingeschnürtseins (um den Brustkorb, an den Gelenken)
- elektrisierende Missempfindungen (z. B. Lhermitte-Zeichen mit Ausstrahlung vom Nacken aus)
- Schwellungs- und Druckgefühl
Kann es sein, dass sich Missempfindungen bei der MS immer weiter ausbreiten?
Ja, es ist möglich, dass eine Missempfindung sich zunächst auf ein kleineres Hautareal beschränkt, sich dann aber innerhalb von Tagen und Wochen weiter ausbreitet, etwa auf das Bein oder den Arm.
Unzählige Varianten möglich
Das ist jedoch nur eine Variante der im Rahmen der MS möglichen Darbietungen von Sensibilitätsstörungen. Auch am Rumpf, im Gesicht oder am Gesäß können sich Missempfindungen entwickeln und ausbreiten.
Es gibt aber auch Betroffene, die selbst im Laufe der Jahre immer nur ganz lokalisierte, fleckförmige Missempfindungen haben und andere wiederum, die lediglich strumpf- oder handschuhartige Empfindungsstörungen an Händen und Füßen kennen. Dann besteht natürlich auch die Option, dass Missempfindungen (entweder von allein oder durch eine Therapie) für immer ganz verschwinden.
Es ist, wie es ist. Die Multiple Sklerose kann sich bei jedem Erkrankten auf sehr unterschiedliche Art und Weise zeigen und selbst im individuellen Krankheitsverlauf ihr Erscheinungsbild nochmal komplett verändern.
Nicht zwangsläufig mit einem Schub assoziiert
Übrigens, Zunahme und Ausbreitung der Beschwerden können, müssen aber nicht für einen MS-Schub sprechen. Ob die Ausbreitung der Sensibilitätsstörungen letztendlich durch neue Läsionen im zentralen Nervensystem (Gehirn und Rückenmark) entstanden ist, lässt sich aber in der Regel mit Hilfe der Magnetresonanzuntersuchung (MRT) feststellen.
Können bei der Multiplen Sklerose auch mehrere Symptome gleichzeitig auftreten?
Ja, das ist sogar meistens der Fall. Eher seltener kommt es bei der Multiplen Sklerose (MS) nur zu einem einzigen Symptom wie z.B. einer Entzündung des Sehnervs.
Die MS macht, was sie will
Es gibt dabei aber kein feststehendes Muster von Symptomen oder Beschwerden. Vielmehr sind sie individuell sehr unterschiedlich und können sich zudem auch mit der Zeit verändern.
Manche MS-Kranke können zwar einige Symptome teilen, sich aber in anderen stark unterscheiden. Ein einheitliches Beschwerdebild oder einen einheitlichen Ablauf gibt es demnach nicht. Das macht die Diagnose zu Beginn der Erkrankung "mit den 1000 Gesichtern" ja auch oft so schwierig.
MS-Symptome von A bis Z
Um Ihnen dennoch einen Überblick zu den häufigsten MS-Symptomen zu geben, haben wir Ihnen eine kleine, alphabetisch geordnete Liste zusammengestellt. Unabhängig von der inter- und intraindividuellen Variabilität der einzelnen Beeinträchtigungen stehen bei vielen Betroffenen anfangs oft Seh- und Sensibilitätsstörungen im Vordergrund.
Mögliche Beschwerden und Beeinträchtigungen bei MS (in alphabetischer Reihenfolge):
- Augenschmerzen bei Blickbewegungen
- Blasenstörungen (erhöhter Harndrang, Inkontinenz etc.)
- Depressionen
- Fatigue (Müdigkeit bzw. rasche Ermüdbarkeit mit Antriebslosigkeit)
- Gleichgewichtsprobleme mit einem oft unsicheren, schwankenden Gang
- Intentionstremor (Zittern der Hände bei Beginn einer Bewegung)
- kognitive Störungen (Denken, Aufmerksamkeit, Konzentration, Merkfähigkeit)
- Magen-Darm-Beschwerden (Durchfall, Verstopfung, Stuhlinkontinenz)
- Missempfindungen bzw. Sensibilitätsstörungen (Kribbeln, Pieksen, Jucken, gestörtes Temperaturempfinden)
- Muskelkrämpfe bzw. Spastik mit Beeinträchtigung von Kraft und Koordination
- Muskelschwäche bis hin zu Lähmungserscheinungen
- Schluck- und Sprechstörungen
- Schmerzen allgemein
- Schwindel
- Sehnerv-Entzündungen mit wechselnden Sehstörungen
- Störungen der Sexualfunktionen (Impotenz, vermindertes Lustgefühl/Libido)
- Trigeminusneuralgie (Lähmungen oder Schmerzen im Gesicht)
- Taubheitsgefühl wechselnder Körperareale
- usw.
Müdigkeit, Anfälle und weitere Beschwerden bei Multipler Sklerose
Macht Multiple Sklerose müde?
Sehr viele Menschen mit Multipler Sklerose haben im Verlauf der Erkrankung mit vermehrter Müdigkeit zu kämpfen. Meistens nimmt diese im Verlauf des Tages zu und ist weitgehend unabhängig von der körperlichen und seelischen Belastung.
Fatigue – erschöpft, nicht faul
Eines der häufigsten Symptome bei Multipler Sklerose ist die Fatigue, eine chronische krankheitsbedingte Müdigkeit, kombiniert mit Erschöpfung und Antriebslosigkeit. Dieses unsichtbare Symptom ist für viele Betroffene sehr belastend, vor allem wenn es sie im normalen Alltag oder in der Ausübung der Berufstätigkeit zunehmend behindert.
Die Ursachen dieser extremen Müdigkeit sind bis heute zwar noch nicht vollständig geklärt, allerdings kommt man dem komplexen Phänomen stückchenweise immer näher. So scheint es bei der Fatigue zu Funktionsveränderungen in unterschiedlichen Hirnarealen zu kommen – einerseits lässt die Gehirnaktivität nach, andererseits nimmt sie zum Ausgleich an anderer Stelle zu. Das kostet Kraft und erschöpft.
Das können Sie selbst beitragen
Grundsätzlich gilt: Um die Fatigue in den Griff zu bekommen, muss die MS als Ursache behandelt werden. Wird die medikamentöse Therapie durch weitere Behandlungssäulen (z. B. Physio-, Ergo-, Trainings- und psychologische Therapie) ergänzt, kann diese Kombination durchaus zu einer deutlichen Besserung der Symptome führen.
Einige Tipps, um Ihren Alltag trotz Fatigue besser zu bewältigen:
- Legen Sie wichtige Arbeiten auf den Vormittag, solange Sie noch leistungsfähig sind, und heben Sie sich Routineaufgaben eher für den Nachmittag auf.
- Planen Sie regelmäßige Ruhepausen in Ihren Alltag ein.
- Trinken Sie ausreichend. Flüssigkeitsmangel kann zusätzlich zu vermehrter Müdigkeit und Antriebslosigkeit führen.
- Finden Sie ein gesundes Mittelmaß zwischen Überlastung und Unterforderung – wichtige Aufgaben zeitig und selbst erledigen, weniger Wichtiges einfach delegieren oder verschieben.
- Bauen Sie gezielt Bewegung in Ihren Alltag ein, am besten an der frischen Luft (längere Spaziergänge, Radfahren, Treppe statt Aufzug etc.).
- Sport: Besonders wirksam ist eine Kombination aus Ausdauertraining (2 bis 3 mal pro Woche) und Krafttraining (1 bis 2 mal pro Woche) unter professioneller Anleitung.
- Lassen Sie sich von Fachleuten (Ergo- oder Physiotherapeuten) zeigen, wie Sie Ihren Alltag ggf. effektiver und somit weniger kraftraubend gestalten können – z. B. durch den Gebrauch von Hilfsmitteln oder durch eine bessere Organisation von Abläufen.
- Vermeiden Sie Hitze. Wie andere MS-Symptome auch kann sich die Fatigue im Rahmen des Uhthoff-Phänomens (Beschwerdezunahme durch Temperaturerhöhung) verstärken.
Klären Sie Ihre Mitmenschen auf
Da die Fatigue zu den unsichtbaren Symptomen der MS gehört, ist es für Betroffene oft nicht leicht, Ihre teilweise sehr gravierenden Einschränkungen anderen Menschen gegenüber plausibel zu vermitteln.
Damit es im Alltag und vor allem auch im Beruf nicht zu unnötigen Missverständnissen und Kommentaren kommt ("Der faule Sack hat bloß keine Lust zu arbeiten.", "Wohl mal wieder zu viel gefeiert, was?", "Dieses ständige Auf und Ab nehme ich Dir nicht mehr ab!"), sollten Sie Ihr Umfeld aufklären.
Nur, wenn Sie offen und ehrlich über die MS und ihre Begleiterscheinungen sprechen, können andere Sie verstehen und richtig einschätzen. Woher sollen Ihre Mitmenschen und Kollegen sonst auch wissen, wieso Sie nicht immer das leisten können, was man vielleicht von Ihnen erwartet? Die wenigsten können mit der Erkrankung selbst, geschweige denn mit dem Symptom Fatigue überhaupt etwas anfangen.
Was ist das Uhthoff-Phänomen?
Als Uhthoff-Phänomen bezeichnet man eine zunehmende Müdigkeit und Symptomverstärkung bei Temperaturerhöhung. Dieses Phänomen kommt bei Multipler Sklerose relativ häufig vor.
Es kann auch die Augen betreffen
Auch eine vorübergehende Verschlechterung der Sehschärfe bei körperlicher Anstrengung wird unter dem Begriff Uhthoff-Phänomen geführt. Gemeint ist jedoch vor allem die Zunahme neurologischer Ausfallerscheinungen bei hoher Umgebungs- oder auch Körpertemperatur (heiße Bäder, Sauna, Fieber etc.).
Man spricht in diesem Zusammenhang übrigens auch von einem "Pseudoschub", da sich im Vergleich zu einem "echten" Schub die Symptome schnell wieder verbessern, sobald die Körpertemperatur sinkt. Angeblich sollen 80 % aller Menschen mit MS das Uhthoff-Phänomen hin und wieder erleben.
Keine Gefahr von Dauerschäden
Beim Uhthoff-Phänomen handelt es sich um vorübergehende neurologische "Kurzschlüsse", neue Schäden an den Nerven entstehen folglich nicht. Man vermutet eher, dass der Anstieg der Körpertemperatur dazu führt, dass die Reizweiterleitung in den durch die MS vorgeschädigten Nerven zusätzlich verzögert wird.
Können alle Bereiche des zentralen Nervensystems von der Multiplen Sklerose betroffen sein?
Ja, innerhalb des zentralen Nervensystems, also im Gehirn und Rückenmark kann es in allen Bereichen zu Entzündungen im Rahmen der Multiplen Sklerose (MS) kommen.
Die Entzündungen finden sich verteilt, deshalb auch die mitunter verwendete alternative MS-Bezeichnung Encephalitis disseminata (Encephalitis = Hirnentzündung ; disseminata = verteilt). Die Variationsbreite ist enorm groß. Menschen mit Multipler Sklerose leiden unter mehr oder weniger größeren oder kleineren Entzündungsherden an den verschiedensten Stellen. Deshalb sind die Beschwerden auch individuell sehr unterschiedlich.
Bekommt man bei der Multiplen Sklerose Anfälle?
Nein, Anfälle gibt es bei der Multiplen Sklerose in der Regel nicht (abgesehen von einem seltenen Symptom mit sogenannten Hirnstammanfällen). Es gibt aber sogenannte Schübe, bei denen neue Entzündungsherde auftreten und deshalb mehr oder minder ausgeprägte Symptome und Beschwerden bestehen.
Ein Schub entwickelt sich meist über mehrere Stunden, wenige Tage bis hin zu einem Anrollen über mehrere Wochen und klingt dann langsam wieder ab. Manchmal heilen die Entzündungsherde im zentralen Nervensystem wieder vollständig ab. Es können aber auch bleibende Schäden bestehen bleiben und zu anhaltenden Beeinträchtigungen führen.
Diagnostik
Wie wird festgestellt, ob ich eine MS habe?
Ob bei Auftreten bestimmter Verdachtsmomente tatsächlich eine Multiple Sklerose vorliegt oder nicht, ist oft nicht einfach festzustellen. Von Medizinern wurden deshalb diagnostische Kriterien entwickelt, die die Aussage objektivieren sollen.
Der Weg zur "sicheren" Diagnose
Bei den McDonald-Kriterien werden im Prinzip zwei Dinge miteinander kombiniert:
- das klinische Erscheinungsbild (Anzahl und Art der Schübe, neurologische Beeinträchtigungen) und
- der objektive Nachweis von Läsionen in bildgebenden Verfahren wie der Magnetresonanztomographie (MRT)
Ist es z. B. zu mehreren Schüben gekommen, genügen schon wenige weitere Nachweise im MRT, um die Diagnose Multiple Sklerose zu stellen. Ist das klinische Erscheinungsbild hingegen weniger eindeutig (z. B. nur ein Schub und kaum neurologische Ausfälle), müssen im MRT und anderen Untersuchungen entsprechend mehr eindeutige MS-Zeichen vorliegen.
Andere Ursachen ausschließen
Was man in diesem Zusammenhang allerdings nie vergessen sollte: Die Diagnose einer MS darf nicht gestellt werden, wenn die erhobenen pathologischen (krankhaften) Befunde von einer anderen Erkrankung besser erklärt werden können.
Im Klartext: Wenn der dringende Verdacht einer Multiplen Sklerose besteht, jedoch nicht alle McDonald-Kriterien vollständig erfüllt sind, darf die Diagnose lediglich "mögliche MS" lauten. Letztendlich ist die MS also eine Ausschlussdiagnose, die erst gestellt werden darf, wenn alle anderen möglichen Differentialdiagnosen sicher ausgeschlossen werden konnten.
Bluttest, MRT oder Lumbalpunktion: Wie wird MS nachgewiesen?
Gibt es einen Bluttest auf Multiple Sklerose?
Nein. Eine Multiple Sklerose kann nur anhand von bildgebender Diagnostik (v.a. Magnetresonanztomographie) in Kombination mit dem neurologischen Beschwerdebild gestellt werden. Blutuntersuchungen dienen - wenn überhaupt - eher dazu, andere Erkrankungen auszuschließen.
Zukunft klingt vielversprechend
Das ist zumindest der derzeitige Stand (04/2019). Seit Jahren arbeiten Wissenschaftler jedoch mit Hochdruck an neuen Testverfahren, um sowohl den MS-Verdacht früher und präziser zu bestätigen als auch akute MS-Schübe frühzeitiger (noch bevor sich Symptome zeigen) zu erkennen oder um zu sehen, wie gut das Ansprechen auf eine bestimmte Therapie ist.
Aktuell ist die Rede von einem neuen Biomarker mit dem Namen NfL (Neurofilament-light-chain-protein). Biomarker sind messbare Parameter, die auf krankhafte Abläufe oder Reaktionen im Körper hindeuten können. Mit der Bestimmung von NfL soll es zukünftig möglich sein, eine zuverlässige Aussage darüber zu treffen, wie weit fortgeschritten die Nervenschädigung bei den Betroffenen ist.
Es bleibt also weiterhin spannend.
Verdacht auf Multiple Sklerose: Was bringt die Magnetresonanztomographie (MRT)?
Mit der Magnetresonanztomographie (MRT) lassen sich MS-Entzündungsherde im Gehirn oder Rückenmark nachweisen. Die MRT gilt deshalb als wichtigstes bildgebendes Verfahren in der MS-Diagnostik bzw. der Abklärung, ob eine Multiple Sklerose vorliegt.
Da mit der Magnetresonanztomographie auch akute Entzündungsherde identifiziert und von älteren Herden unterschieden werden können, kann mit der MRT-Untersuchung nicht nur die räumliche, sondern auch die zeitliche Streuung der Entzündungsherde (und damit eines der wichtigsten Diagnosekriterien der MS) ermittelt werden.
In der Regel werden Schichtbilder vom Kopf (Gehirn) und vom Rückenmark erstellt. Die Untersuchung kommt ohne Röntgenstrahlen aus, ist also nicht gesundheitsschädlich.
Wozu dient bei Verdacht auf Multiple Sklerose eine Lumbalpunktion?
Bei der Lumbalpunktion wird eine kleine Nadel in den Rückenmarkskanal gestochen und Rückenmarksflüssigkeit bzw. Hirnflüssigkeit entnommen. Diese Flüssigkeit wird auch Liquor genannt.
Charakteristischer Befund
Im Gegensatz zu Blutuntersuchungen, die bei Multipler Sklerose nur beschränkt weiterhelfen, findet sich im Liquor fast immer ein auffälliger Befund, wenn eine Multiple Sklerose vorliegt.
Zum einen lässt sich in ca. 50% der Fälle eine Erhöhung sogenannter lymphozytärer Zellen (gehören zu den weißen Blutkörperchen) nachweisen. Zum anderen zeigen sich bei 95 % der Betroffenen mit nachweislich neurologischen Ausfällen (oft erst im späteren Verlauf der MS-Erkrankung) oligoklonale IgG-Banden. Das sind ganz bestimmte Antikörper, die aufgrund ihrer Größe nur im Liquor und nicht im Blut zu finden sind.
Dennoch kein Beweis für MS
Obwohl beide o. g. Liquor-Befunde typischerweise bei der Multiplen Sklerose vorkommen, sind sie nicht beweisend für diese Autoimmunerkrankung. Neben der MS kommen differentialdiagnostisch auch andere ZNS-Erkrankungen bzw. -Infektionen in Frage. Umgekehrt kann ein komplett unauffälliger Liquor eine MS nicht vollständig ausschließen.
Die Liquor-Untersuchung ist dennoch ein unverzichtbarer Baustein in der Diagnosefindung der MS, der ergänzend zu den anderen Untersuchungsverfahren wertvolle diagnostische Hinweise liefern kann.
Ablauf der Lumbalpunktion
Die Vorstellung, sich für diese Untersuchung eine Nadel in den Rücken stechen zu lassen, ist sicherlich für die meisten Betroffenen erstmal abschreckend. Um Ihnen etwas die Angst vor diesem Eingriff zu nehmen, haben wir nachfolgend kurz für Sie den Ablauf bei einer Lumbalpunktion zusammengefasst.
Mögliche Vorgehensweise einer Lumbalpunktion bei Verdacht auf Multiple Sklerose:
- Sie können selbst entscheiden, ob Sie die Liquor-Entnahme im Sitzen oder im Liegen vornehmen lassen möchten.
- Beide Positionen erfordern ein starkes Vorbeugen der Wirbelsäule – als würden Sie einen Katzenbuckel machen.
- Durch die Beugung vergrößert sich der Abstand zwischen den Wirbelfortsätzen, so dass der Arzt die dünne, hohle Punktionsnadel leichter einführen kann.
- Keine Angst vor einer Rückenmarksverletzung! Die Entnahme des Liquors erfolgt normalerweise im Bereich der unteren Lendenwirbelsäule (lumbal) zwischen dem 4. und 5. Lendenwirbel und somit unterhalb des Rückenmarks.
- Das Einführen der Punktionsnadel kann von manch einem als sehr unangenehm empfunden werden. Es besteht die Möglichkeit, sich die Punktionsstelle vorher lokal betäuben zu lassen, wobei sich eine bemerkbare Reizung der Hirnhäute dadurch dennoch nicht verhindern lässt.
- Nachdem das tröpfchenweise gewonnene Nervenwasser (etwa 10 bis 15 ml) in einem Röhrchen aufgefangen wurde, wird die Hohlnadel wieder herausgezogen und die kleine Wunde mit einem Pflaster versorgt.
- Es wird empfohlen, nach der Lumbalpunktion noch ca. 30 bis 60 Minuten liegenzubleiben und ausreichend zu trinken. Das beugt auch den oft begleitenden Kopf- und Rückenschmerzen vor.
Was findet sich bei MS bei der Lumbalpunktion?
Bei der Lumbalpunktion wird Rückenmarksflüssigkeit (Liquor) entnommen und untersucht. Bei Multipler Sklerose lässt sich in etwa 50% der Fälle eine Erhöhung lymphozytärer Zellen (im weitesten Sinne weiße Blutkörperchen) nachweisen.
Oligoklonale Banden im Liquor
Bei 95 % der Betroffenen mit nachweislich neurologischen Ausfällen (meist erst im späteren Verlauf der MS-Erkrankung) zeigen sich zudem sogenannte oligoklonale IgG-Banden Bei diesen Banden handelt es sich um bestimmte Antikörper, die aufgrund ihrer Größe nur im Liquor und nicht im Blut zu finden sind.
Der Liquor umspült und schützt als wasserklare Flüssigkeit Gehirn und Rückenmark. Antikörper sind wiederum Eiweißmoleküle, die vom Immunsystem gebildet werden und Krankheitserreger sowie andere Fremdstoffe bekämpfen. Oligoklonale Banden im Nervenwasser sprechen also für eine Entzündung, die ihren Ausgangspunkt im zentralen Nervensystem (ZNS, Gehirn und Rückenmark) hat.
Hinweis, aber kein Beweis
Zusammenfassend lässt sich also sagen: Durch den ständigen Kontakt mit den dortigen Nervenzellen lassen sich über den Liquor krankhafte Veränderungen im Gehirngewebe erkennen.
Das Problem ist allerdings, dass diese oligoklonalen Banden keiner bestimmten ZNS-Erkrankung zuzuordnen sind. Neben der Multiplen Sklerose kommen beispielsweise auch virale oder andere ZNS-Infektionen differentialdiagnostisch in Frage.
Beide Befunde (lymphozytäre Zellen und oligoklonale Banden) sind somit zwar nicht beweisend, aber dennoch typisch für eine MS. Die Liquor-Untersuchung kann also wertvolle diagnostische Hinweise liefern, wenn noch unklar ist, ob eine Multiple Sklerose besteht oder nicht.
Ablauf der Lumbalpunktion
Sicherlich fragen Sie sich jetzt, wie so eine Lumbalpunktion denn nun genau vonstattengeht, oder? Wir möchten Ihnen stichpunktartig den Ablauf dieser "einfachen", jedoch sehr effektiven Untersuchungsmethode vorstellen.
Ablauf einer Lumbalpunktion bei Verdacht auf MS:
- Die Entnahme des Liquors erfolgt im Bereich der unteren Lendenwirbelsäule (lumbal) entweder sitzend oder liegend.
- Die untere Wirbelsäule wird dabei stark nach vorne gebeugt, damit der Abstand zwischen den hinteren Wirbelfortsätzen möglichst groß ist und die Punktionsnadel so leichter eingeführt werden kann.
- Die Punktionsnadel ist eine dünne Hohlnadel, die in der Regel zwischen dem 4. und 5. Lendenwirbel in den Rückenmarkskanal (unterhalb des Rückenmarks) eingeführt wird.
- Nach der Desinfektion der Einstichstelle kann auf Wunsch auch eine lokale (örtliche) Betäubung erfolgen.
- Nun wird die Punktionsnadel eingeführt. Der Arzt entnimmt über die Hohlnadel tröpfchenweise Nervenwasser (10 bis 15 ml) und sammelt es in einem Röhrchen.
- Anschließend wird die Punktionsnadel wieder herausgezogen und die kleine Wunde mit einem Pflaster abgedeckt.
- Nach dem Eingriff sollten Sie noch etwa eine halbe bis eine Stunde flach liegen und ausreichend trinken.
Gibt es etwas, was die Diagnose Multiple Sklerose "beweist"?
Es gibt keinen einzelnen Befund, der eine Multiple Sklerose beweist. Zur Diagnosesicherung werden stattdessen verschiedene Befunde kombiniert betrachtet. Näher definiert ist das in den McDonald-Kriterien.
Befunde sammeln, auswerten, kombinieren
Bei einem berechtigten Verdacht auf Multiple Sklerose werden Sie zunächst einmal von oben bis unten untersucht und begutachtet. Die ausgiebige Untersuchung bei einem Neurologen kann u. a. folgende Punkte umfassen:
- ausführliches (Anamnese-)Gespräch zu Ihren aktuellen bzw. früheren Beschwerden, zu Vorerkrankungen, Medikamenteneinnahme und familiärer Krankengeschichte
- allgemeine körperliche Untersuchung inkl. spezieller neurologischer Tests
- breit angelegte Blutwert-Analyse
- MRT (Magnetresonanz- bzw. Kernspintomographie des Gehirns)
- Untersuchung des Nervenwassers über eine Lumbalpunktion (Liquordiagnostik)
Im Anschluss an die doch sehr umfangreichen Testungen werden dann alle gesammelten Informationen miteinander verglichen und anhand der sogenannten McDonald-Diagnosekriterien objektiv ausgewertet.
Räumliche und zeitliche Dissemination
Den McDonald-Kriterien entsprechend müssen hierbei einige der Parameter (zeitliche und räumliche Verteilung der Entzündungsherde bzw. Läsionen, Anzahl der Schübe und Läsionen, Liquor-Befund) jeweils in einer bestimmten Beziehung zueinander stehen, um am Ende die "sichere" Diagnose MS stellen zu können.
Am ehesten "beweisend" für eine MS ist z. B. das Vorliegen einer sogenannten räumlichen und zeitlichen Streuung (auch Dissemination genannt) von MS-typischen Entzündungsherden. Räumliche Streuung meint dabei, dass die Entzündungsherde an verschiedenen Orten im Nervensystem aufgetreten sind. Mit zeitlicher Streuung sind verschiedenen Zeitpunkte gemeint, an denen sich Entzündungen bilden, also der schubartige oder langsam fortschreitende Verlauf.
Sicherung der Diagnose sehr schwierig
Allerdings gibt es auch andere Erkrankungen, die für eine räumliche und zeitliche Streuung von Entzündungsherden verantwortlich sein können. Deshalb wird in den McDonald-Kriterien ausdrücklich betont, dass nur dann von einer Multiplen Sklerose auszugehen ist, wenn die Befunde nicht durch eine andere Erkrankung besser zu erklären wären.
Wem das alles etwas theoretisch und schwammig erscheint, dem geben wir recht. Im Prinzip beweisen die McDonald-Kriterien vor allem eines: wie schwierig die Diagnosesicherung einer MS ist.
Verlaufsformen der MS
Ist es zu Beginn der Multiplen Sklerose möglich, den weiteren Verlauf einzuschätzen?
Leider nein. Es gibt zum Zeitpunkt der Diagnosestellung einer Multiplen Sklerose in den meisten Fällen so gut wie keine sicheren Anhaltspunkte, wie sich die MS weiter entwickeln wird.
Beobachtungsstudien der letzten Jahre haben aber gezeigt, dass die Multiple Sklerose bei weitem nicht immer einen so schweren Verlauf nimmt, wie häufig angenommen und befürchtet wird.
Nichts ist wirklich vorhersehbar
Es gibt Betroffene, die einen MS-Schub haben und dann eine nahezu stumme Krankheitsphase über Jahre oder sogar Jahrzehnte. Und dann gibt es diejenigen, die von vornherein regelmäßig unter häufigen milderen oder auch aggressiveren Krankheitsschüben leiden. Oder Sie gehören zu den 10-15 %, die die primär progrediente Verlaufsform der MS (PPMS) haben, mit einer langsamen, aber kontinuierlichen Verschlechterung der Krankheitssymptome von Beginn an.
Was den Verlauf und die damit einhergehenden Beschwerden angeht, ist das "Chamäleon" MS unberechenbar und eine Prognose, insbesondere zu Beginn der Erkrankung, praktisch unmöglich. Sicherlich, es gibt bestimmte Faktoren, die eher für einen ungünstigen bzw. schweren Krankheitsverlauf der MS sprechen. Aber auch das ist reine Statistik und sagt über den individuellen Fall wenig aus.
Krankheitsverlauf zum Teil veränderbar
Tatsache ist aber auch, dass es inzwischen sehr gute und effektive verlaufsmodifizierende bzw. krankheitsverändernde MS-Therapien gibt. Studien konnten nachweisen, dass mit einer frühzeitigen immunmodulatorischen (das Immunsystem verändernde) Behandlung durchaus die Chance besteht, den Verlauf der MS zu "korrigieren".
Je nach vorherrschendem MS-Typus stehen heutzutage verschiedenste Arzneimittel-Gruppen zur Verfügung, die Ihnen ein nahezu "normales" Leben trotz der MS ermöglichen können. Und dank intensiver Forschung kommen permanent neue Möglichkeiten dazu.
Gezielterer Angriff, bessere Wirkung
Der Erfolg dieser großenteils sehr wirksamen Substanzen beruht vor allem darauf, dass sie viel gezielter genau die Prozesse im Körper ansteuern bzw. bekämpfen, die für die fehlgeleiteten Immunreaktionen bei der Multiplen Sklerose verantwortlich sind.
Je nach Wirkstoff haben verlaufsmodifizierende Arzneimittel u. a. folgende Wirkungen:
- einen dämpfenden oder verändernden Effekt auf das Immunsystem
- Das Auftreten von MS-Schüben wird weniger wahrscheinlich.
- Betroffene weisen weniger Anzeichen an Krankheitsaktivität auf (Abnahme der neurologischen Behinderungen, weniger sichtbare Gehirnschädigungen im MRT).
- Das Fortschreiten der Erkrankung wird insgesamt verlangsamt.
"Schattenseiten" beachten
Bei aller Euphorie hinsichtlich der modernen Arzneimitteltherapie darf man in diesem Zusammenhang jedoch eines nicht vergessen: Wo Licht ist, ist auch Schatten. Viele der modernen Substanzen haben nicht selten ein ebenso großes Wirkungs- wie Nebenwirkungsprofil, das bei einer möglichen Therapieentscheidung unbedingt mitberücksichtigt werden sollte. Deshalb ist auch bei den verlaufsmodifizierenden Medikamente immer ganz genau das persönliche "Nutzen-Risiko-Verhältnis" abzuwägen.
Krankheitsverlauf: schubförmig, primär- oder sekundär-progredient
Was versteht man unter der schubförmig remittierenden MS (RR-MS)?
Als schubförmig remittierende MS bezeichnet man eine bestimmte Ausprägung der Multiplen Sklerose. Wie der Name schon andeutet, verläuft die Erkrankung dabei in einzelnen Schüben, die sich vollständig oder unvollständig wieder zurückbilden. (Remission = Rückbildung ; remittieren = zurückbilden).
Die körperlichen Schäden während eines Schubes verschwinden nach Abklingen des Schubes also komplett oder zumindest zu einem großen Teil wieder.
Von der schubförmig remittierenden MS abgegrenzt wird die sekundär progrediente MS. Dabei kommt es zu einer langsamen Zunahme der neurologischen Schäden, d.h. die Rückbildung dieser Schäden (die Remission) bleibt aus. Eine schubförmig remittierende MS kann nach 10-15 Jahren in eine sekundär progrediente MS übergehen. Das ist bei ungefähr jedem zweiten Patienten mit MS der Fall.
Was versteht man unter der sekundär progredienten MS (SP-MS)?
Als sekundär progrediente MS bezeichnet man eine bestimmte Ausprägung der Multiplen Sklerose. Dabei kommt es "sekundär", also hervorgehend aus einem milderen Krankheitsstadium, zu einer langsamen Zunahme der neurologischen Schäden. Diese Schäden bilden sich dann nicht mehr zurück.
Von der RRMS zur SPMS
Von der sekundär progredienten MS (SPMS) abzugrenzen ist die schubförmig remittierende MS (RRMS), bei der sich die neurologischen Schäden nach einem Schub vollständig oder zumindest zu einem großen Teil wieder zurückbilden. Die sekundär progrediente MS geht häufig aus einer schubförmig remittierenden MS hervor, ist also gewissermaßen eine Spätform der Multiplen Sklerose.
Allerdings muss das nicht passieren. Statistiken besagen, dass etwa 30-40 % der RRMS-Betroffenen nach 10 bis 15 Jahren in die sekundär chronisch progrediente Verlaufsform übergehen. Nach mehr als 20 Jahren soll die Häufigkeit dieser Verlaufsform schon bis zu 90 % betragen.
SPMS mit oder ohne Schübe?
Treten in der Übergangsphase zwischen RRMS und SPMS noch weiter Schübe auf, sprechen Experten übrigens von einer rSPMS (SPMS mit aufgesetzten Schüben). Diese zusätzliche Unterteilung hat vor allem therapeutische Konsequenzen.
Bis heute ist die Behandlung der sekundär progredienten Multiplen Sklerose nämlich nicht ganz einfach und weiterhin Gegenstand intensiver Pharmaforschung. Abhängig davon, ob es sich um eine SPMS ohne oder mit aufgesetzten Schüben handelt, gibt es derzeit sehr unterschiedliche Therapieempfehlungen bzw. Medikamentenzulassungen.
Varianten immunmodulatorischer Therapien
Während sich die Behandlungsoptionen für die SPMS ohne aufgesetzte Schübe vor allem auf Mitoxantron beschränken und nur in Einzelfällen auf Cyclophosphamid oder intravenöse Immunglobuline ausgewichen wird, sieht es bei der der SPMS mit aufgesetzten Schüben schon anders aus.
In der Behandlung der rSPMS stehen den Betroffenen zunehmend mehr Möglichkeiten zur Verfügung. Derzeit gelten in Deutschland für die SPMS mit aufgesetzten Schüben folgende Therapieempfehlungen:
- Interferone beta-1b (Betaferon®, Extavia®)
- Interferon beta-1a (Rebif®)
- Ocrelizumab (Ocrevus®)
- Mitoxantron (Mittel der 2. Wahl)
- Cyclophosphamid (in Einzelfällen im Sinne eines individuellen Heilversuchs)
In der Pipeline ist derzeit (04/2019) noch der Wirkstoff Siponimod. Dieser hat in den USA bereits seit Ende März 2019 die Zulassung u. a. zur Behandlung der rSPMS erhalten. Eine EU-Zulassung wird noch für dieses Jahr erwartet.
Mögliche Risikofaktoren für SPMS
Falls Sie sich fragen sollten, ob es bestimmte Faktoren gibt, die die Entwicklung einer sekundär progredienten MS begünstigen, so möchten wir erstmal betonen, dass die Abgabe einer Verlaufsprognose bei MS natürlich nicht wirklich sinnvoll ist. Dafür ist die Erkrankung leider zu unberechenbar.
Dennoch gibt es selbstverständlich auch dazu wissenschaftliche Untersuchungen, die wir Ihnen nicht vorenthalten möchten. So konnte beispielsweise eine recht aktuelle statistische Auswertung von Forschern der Universität Padua in Italien zeigen, dass das Risiko für die SPMS umso stärker anstieg,
- je älter die Betroffenen zu Beginn der MS waren,
- je höher die Anzahl der früheren Schübe war,
- je mehr anfängliche Schäden sie in der Hirnrinde hatten und
- je ausgeprägter die Hirnsubstanz insgesamt geschädigt war.
Wie bereits erwähnt sind dies alles nur Wahrscheinlichkeiten, die nicht auf den Einzelfall übertragbar sind. Letztendlich geht es bei solchen Untersuchungen aber vor allem darum, mögliche "Risikopatienten" frühzeitig zu identifizieren und ihnen dadurch eventuell eine gezieltere, effektivere Behandlung zukommen zu lassen.
Was versteht man unter der primär progredienten MS (PP-MS)?
In der Regel verläuft eine Multiple Sklerose in Schüben, zwischen denen längere beschwerdefreie Intervalle liegen. Man spricht dann auch von einer schubförmig remittierenden MS.
Bei etwa 10-15% aller Menschen mit Multipler Sklerose verläuft die Erkrankung dagegen nicht in Schüben, sondern zwar langsam, aber kontinuierlich fortschreitend. Dieser Verlauf wird primär progrediente MS (PPMS) genannt.
Was kommt, bleibt meist auch
Im Gegensatz zum schubweisen Verlauf, bei dem die neurologischen Probleme während des Schubes erheblich sein können, nach dem Schub aber häufig wieder komplett abklingen, ist das Fortschreiten bei primär progredienter MS zwar deutlich langsamer und "unauffälliger"; allerdings bilden sich die einmal entstandenen neurologischen Schäden nicht mehr zurück.
Ganz selten können auch bei der primär progredienten MS Schübe vorkommen, die dann den ansonsten eher schleichenden Verlauf kurzzeitig überlagern.
Schwer zu therapieren
Die PPMS ist schwierig zu behandeln. Über Jahrzehnte gab es keine zugelassene Therapie, die den Krankheitsverlauf dieses MS-Typus hätte beeinflussen können. Behandlungsversuche mit Kortison-Präparaten (Glukokortikoiden), Mitoxantron (Ralenova®) oder Cyclophosphamid sind kaum von Erfolg gekrönt und ohne jeglichen Einfluss auf den Erkrankungsverlauf.
Seit Anfang 2018 steht nun Betroffenen mit primär progredienter MS im Frühstadium erstmalig ein "verlaufsmodifizierendes" Medikament zur Verfügung. Laut Studiendaten soll der Antikörper Ocrelizumab (Ocrevus®) bei der PPMS sowohl die Abnahme der Gehgeschwindigkeit als auch insgesamt das Fortschreiten der Erkrankung verlangsamen – ein hoffnungsvoller Lichtblick für viele Betroffene.
Wie wahrscheinlich ist es, dass ich eine primär progrediente MS habe?
Die primär progrediente MS ist eher selten. Bei etwa 15% aller Menschen mit Multipler Sklerose kommt es zu dieser Verlaufsform. Dabei nimmt die Wahrscheinlichkeit für eine primär progrediente MS mit höherem Erkrankungsalter leicht zu.
Die primär progrediente MS ist durch ein langsames, aber kontinuierliches Fortschreiten der Erkrankung gekennzeichnet. Sie verläuft also ohne die sonst typischen Schübe, aber auch ohne die Beschwerderückbildungen nach den Schüben.
MS-Schub
Was genau ist ein Schub bei der Multiplen Sklerose?
Typisch für die Multiple Sklerose ist das Fortschreiten in sogenannten Schüben. Der Schub ist dabei eine relativ plötzlich einsetzende Phase, in der die Krankheit aktiver wird und der Zustand sich verschlechtert.
Laut Definition spricht man dann von einem Schub, wenn die für die MS charakteristische Schädigung der Nervenbahnen (erneut) einsetzt, dies zu einem Wiederaufflammen der Symptome führt, und wenn dieser Zustand länger als 24 Stunden andauert.
Von wenigen Tagen bis mehrere Wochen
Das Einsetzen eines Schubes kann innerhalb von Stunden passieren, er kann sich aber auch langsam über mehrere Tage aufbauen. Wie lange ein einzelner Schub dauert, ist unterschiedlich. Meistens hält er zwischen einigen Tagen bis zu wenigen Wochen an.
Von einem neuen Schub spricht man übrigens erst dann, wenn der vorangegangene mindestens 30 Tage vorüber ist. Nachdem ein Schub abgeklungen ist, kann auch eine lange Phase der Ruhe folgen, in der die MS sich kaum bemerkbar macht und zumindest nicht weiter verschlechtert. Bei manch einem liegen nicht selten sogar viele Jahre zwischen den einzelnen Schüben.
Für 3 bis 5 Tage an den Tropf
Die häufig eingesetzte Kortison-Pulstherapie soll den akuten MS-Schub so schnell wie möglich eindämmen. Ziel der Therapie ist allerdings, nicht nur die Dauer des Krankheitsschubs zu verkürzen bzw. die akuten Beschwerden zu lindern, sondern vor allem auch, mögliche Folgeschäden abzuwenden, die durch die Entzündungen entstehen könnten.
Zum Einsatz kommt meist das Kortison-Präparat Urbason® mit dem Wirkstoff Methylprednisolon. Das Medikament wird in der Regel als Infusion über die Vene gegeben, und zwar in einer Dosierung von täglich 1000 mg über drei bis fünf Tage.
Beschwerden sind sehr vielfältig
Welche Beschwerden im Rahmen eines akuten MS-Schubes auftreten können und wann sie ggf. mit einer Kortison-Stoßtherapie behandelt werden sollten, haben wir Ihnen nachfolgend aufgelistet.
Typische Symptome eines MS-Schubs, bei denen eine Kortison-Stoßtherapie empfohlen wird:
- ausgeprägte Bewegungsstörungen und spastische Lähmungen
- Entzündungen des Sehnerven mit starken Sehstörungen (u. a. Doppelbilder, Sehunschärfe, milchiger Schleier, Augenschmerzen)
- einschränkende Schluck- und Sprechstörungen
- akute Störungen der Blasen- und Darmfunktion
- starke Schmerzen
Behandlung des Schubs je nach Beschwerden
Neben den aufgeführten funktionellen Beeinträchtigungen und Bewegungsstörungen können im Rahmen eines MS-Schubes auch (entweder isoliert oder begleitend) Sensibilitätsstörungen bzw. Missempfindungen auftreten. Je nachdem, wie ausgeprägt sie sind, sollte abgewogen werden, ob eine Kortisontherapie bei reinen Sensibilitätsstörungen gerechtfertigt erscheint oder nicht.
MS-Schub: Anzeichen, Dauer und besondere Merkmale
MS: Wie erkenne ich einen Schub?
Ein Schub bei der Multiplen Sklerose bezeichnet das Entstehen eines oder mehrerer Entzündungsherde im Gehirn oder Rückenmark. Gleichzeitig kommt es zu körperlichen Beschwerden oder neurologischen Funktionsbeeinträchtigungen.
"MS-Schub" genau definiert
Ein Schub kann innerhalb von Stunden, Tagen oder Wochen entstehen, um nach einiger Zeit wieder abzuklingen. Kommt es also zu neuen Beschwerden, die sich über Stunden oder Tage verschlimmern, kann es sich um einen akuten MS-Schub handeln. Damit sollten Sie auf jeden Fall zu Ihrem Arzt gehen. Er kann dann zusammen mit Ihnen entscheiden, ob und welche therapeutischen Möglichkeiten ggf. in Betracht gezogen werden müssen.
Übrigens, laut Definition muss dieser relativ plötzlich einsetzende Zustand, in dem die Multiple Sklerose (wieder) aktiver wird, länger als 24 Stunden andauern, um überhaupt als MS-Schub zu gelten. Von einem neuen Schub spricht man wiederum erst dann, wenn der vorangegangene mindestens 30 Tage vorüber ist.
Beschwerden von A bis Z
Die doch sehr vielfältigen Symptome, die während eines MS-Schubes auftreten können, hängen vor allem vom Entstehungsort der Entzündungsherde ab. Außerdem spielt die Krankheitsdauer eine Rolle.
Während die akuten Schübe bei der noch "jungen" MS z. B. eher durch Sensibilitäts- und Sehstörungen charakterisiert sind, kommt es im Verlauf der Erkrankung vermehrt zu Schüben mit Bewegungsstörungen oder anderen funktionellen Beeinträchtigungen.
Doch auch darauf ist natürlich kein Verlass. Die Erkrankung mit den "1000 Gesichtern" ist immer für eine Überraschung gut und kann sich individuell sehr unterschiedlich zeigen.
MS, die große Unbekannte
Es kann sogar sehr gut sein, dass Sie das eine oder andere Symptom im Rahmen eines ersten MS-Schubes gar nicht richtig wahrnehmen und erst im Nachhinein mit der MS in Verbindung bringen können. Auch gibt es Betroffene mit einem recht milden Verlauf der Erkrankung, deren Schübe immer "nur" mit leichten Sensibilitätsstörungen einhergehen.
Bei vielen MS-Erkrankten ist es jedoch nicht selten eine wechselnde Kombination verschiedener Störungen, geprägt von unterschiedlicher Intensität und Dauer, die die Schübe selbst und die Multiple Sklerose insgesamt ausmachen.
Beschwerden, die häufiger bei einem anfänglichen MS-Schub auftreten:
- Sehstörungen (u. a. Sehunschärfe, gestörtes Farbsehen, Doppelbilder)
- Augenschmerzen
- Sensibilitätsstörungen bzw. Missempfindungen (u. a. Kribbeln, Juckreiz, Brennen, gestörtes Kälte- und Wärmeempfinden, Schmerzen)
- Taubheitsgefühl an bestimmten Körperstellen
Schub-Beschwerden, die eher bei länger bestehender MS auftreten, sind z. B.:
- Schluck- und Sprechstörungen
- Störungen der Blasen- und Darmfunktion
- Bewegungsstörungen und spastische Lähmungen
- starke Schmerzen
Den Schub therapeutisch rasch eindämmen
Körperliche Störungen und Funktionsbeeinträchtigungen, die während eines Schubes auftreten, können sich entweder vollständig zurückbilden oder im ungünstigeren Fall bei entsprechenden Nervenschäden teilweise auch über den Schub hinaus bestehen bleiben.
Um sowohl die Schubdauer zu verkürzen als auch die akuten Beschwerden zu lindern sowie mögliche Folgeschäden der MS-Entzündungen zu verhindern, wird deshalb oft frühzeitig eine Kortison-Pulstherapie empfohlen.
Diese Kurzzeit-Behandlung mit einem entzündungshemmenden Kortison-Präparat (z. B. Urbason®) wird lediglich im Rahmen des akuten MS-Schubs für etwa drei bis fünf Tage durchgeführt. Sie ist kein Ersatz für die individuelle verlaufs- bzw. krankheitsmodifizierende MS-Basistherapie.
Setzt ein neuer Schub bei MS schlagartig ein?
Nein, der Schub kann zwar aus heiterem Himmel auftreten, baut sich dann aber eher nach und nach auf. Das kann nur einige Stunden dauern, der Schub kann sich aber auch über mehrere Tage langsam aufbauen.
Zeichen richtig deuten
Dieser relativ plötzlich einsetzende Zustand, in dem die Multiple Sklerose (wieder) aktiver wird und die Entzündungsherde im Gehirn und Rückenmark zunehmen, macht den klassischen MS-Schub aus. Laut Definition dauert er länger als 24 Stunden an.
Wichtig ist, dass Sie die Anzeichen eines Schubes richtig deuten und sich zeitnah bei Ihrem behandelnden Arzt vorstellen, um das weitere therapeutische Vorgehen zu besprechen.
Rechtzeitig mit Behandlung beginnen
Ob ein akuter Schub der Multiplen Sklerose behandelt werden muss oder nicht, hängt vor allem von den auftretenden Beschwerden ab. Während reine Sensibilitätsstörungen ggf. auch mal "ausgesessen" werden können, sollte man Bewegungs- und Funktionsstörungen (z. B. von Darm oder Blase) nicht auf die leichte Schulter nehmen.
Bei schwerwiegenderen Beeinträchtigungen kann z. B. der frühzeitige Einsatz von kurzfristig hochdosierten Kortison-Präparaten (sogenannte Pulstherapie) sinnvoll sein. Diese entzündungshemmenden Medikamente sind in der Lage, nicht nur Ihre Beschwerden rasch zu lindern bzw. die Schubdauer zu verkürzen, sondern auch mögliche Folgeschäden durch die Entzündungen erfolgreich abzuwenden.
MS: Wie kann man abschätzen, ob es sich bei neuen Beschwerden um einen Schub handelt?
Es ist nicht immer leicht, bei neu auftretenden Beschwerden anhand der Symptome zu beurteilen, ob es sich um einen neuen Krankheitsschub handelt. Es gilt eine grobe Faustregel, die allerdings auch nicht sonderlich eindeutig ist: Bestehen Beschwerden länger als 24 Stunden, kann es sich um einen Schub handeln.
Von einem neuen Krankheitsschub spricht man übrigens erst dann wieder, wenn der vorangegangene MS-Schub seit mindestens 30 Tagen vorüber ist.
Vom Neurologen abklären lassen
Ein neuer Krankheitsschub kann sich bei der MS innerhalb von Stunden, Tagen oder aber auch Wochen entwickeln und danach wieder (un)vollständig abklingen. Sollten Sie also ungewöhnliche Beschwerden bzw. funktionelle Beeinträchtigungen bemerken, die sich zunehmend verschlimmern, kann es sich durchaus um einen akuten MS-Schub handeln.
Im Zweifel sollten Sie bei neu aufgetretenen Symptomen zu Ihrem Neurologen gehen und sich beraten lassen. Gemeinsam kann dann entschieden werden, ob zugewartet oder der mögliche Schub näher untersucht wird. Bei Bedarf ist für eine gewisse Zeit die Einnahme zusätzlicher antientzündlicher Medikamente (u. a. Kortison) sinnvoll. Ggf. kommen ergänzend auch noch weitere therapeutische Maßnahmen in Betracht.
Vielfältige Symptome möglich
Unverwechselbare Schub-Symptome, an denen Sie einen "echten" MS-Schub ausmachen können, gibt es leider nicht. Schließlich hängen die Beschwerden, die mit einem neuen Krankheitsschub einhergehen, vor allem vom Entstehungsort der Entzündungsläsionen in Gehirn und Rückenmark ab.
Ein weiterer Einflussfaktor, der bei der Art der Beschwerden eine Rolle spielen kann, ist die Krankheitsdauer der Multiplen Sklerose. Während eine seit vielen Jahren bekannte MS zunehmend durch Schübe charakterisiert ist, die mit Bewegungsstörungen oder anderen Funktionsbeeinträchtigungen einhergehen, imponiert eine noch "frische" MS eher durch Seh- und Empfindungsstörungen.
Doch auch das kann natürlich von Fall zu Fall variieren und die Schub-Diagnose erschweren.
Wie lange dauert ein Schub bei der Multiplen Sklerose?
Das ist unterschiedlich. Im Mittel dauern Schübe zwischen einigen Tagen bis zu wenigen Wochen an. Wirklich vorhersagen lässt sich das aber nicht.
Schub oder nicht?
Um aber überhaupt von einem MS-Schub zu sprechen, muss man ihn erstmal erkennen – und das ist manchmal gar nicht so einfach. Denn je nachdem, wo eine Entzündung (im Gehirn oder Rückenmark) auftritt, können die Anzeichen für einen Schub ganz unterschiedlich sein.
Mal ist die Bewegungsfähigkeit der Arme oder Beine beeinträchtigt, ein anderes Mal ist vielleicht die Blasen- oder Darmfunktion eingeschränkt, oder Sie haben plötzlich Probleme mit dem Sehen oder Sprechen. Erst wenn die Beschwerden länger als 24 Stunden anhalten, spricht man von einem MS-Krankheitsschub.
Des Weiteren sollte man einen "echten" MS-Schub von solchen Symptomen unterscheiden, die eindeutig durch eine Veränderung der Körpertemperatur (Uhthoff-Phänomen) oder durch eine Infektion zu erklären sind.
Sehr individuelle Verläufe
In der Regel bessern sich die Symptome nach einem Schub deutlich oder bilden sich sogar vollständig zurück. Manchmal verschwinden sie von allein, manchmal nur mit Hilfe von Medikamenten (meist Kortison). So können Schübe nicht nur von unterschiedlicher Dauer, sondern auch von wechselnder Intensität sein.
Es gibt Betroffene, bei denen zwischen den einzelnen Schüben oft Jahre liegen, bei anderen sind es vielleicht nur Monate. Um allerdings von einem erneuten MS-Schub reden zu können, müssen zwischen zwei Ereignissen mindestens 30 Tage liegen.
Während sich der Gesundheitszustand zwischen den Schüben anfangs oft nicht verschlechtert, bilden sich schubbedingte Beeinträchtigungen bzw. Funktionsverluste im Verlauf der Erkrankung leider oft nicht mehr vollständig zurück.
Erhöhen Stress oder Kummer das Risiko für einen MS-Schub?
Das ist nicht endgültig geklärt. Viele frühere Untersuchungen zu dieser Fragestellung hatten methodische Mängel. Neuere Studien deuten darauf hin, dass Stress und emotionale Belastungen das Risiko, einen MS-Schub zu bekommen, tatsächlich erhöhen, allerdings nur leicht.
Mögliche Auslöser für einen MS-Schub
Können Infektionen einen MS-Schub auslösen?
Ja. Infektionen gelten als sogenannte Triggerfaktoren, das heißt, sie erhöhen das Risiko für einen Schub der Multiplen Sklerose.
Das bedeutet zum Glück nicht, dass Sie bei jeder Infektion mit einem neuen Schub der Erkrankung rechnen müssen. Aber die Wahrscheinlichkeit ist statistisch erhöht. Vor allem in der Zeit kurz nach einem Infekt, z.B. einer Grippe oder einer Magen-Darm-Virus-Infektion, nimmt die Schubhäufigkeit zu. Warum das so ist, ist noch nicht endgültig geklärt.
Beugen Sie Infekten vor
Um das Ansteckungsrisiko zu minimieren und somit einem potenziellen MS-Schub vorzubeugen, sollten Sie deshalb etwas vorsichtiger sein als andere Personen und z. B. offensichtlichen Ansteckungsquellen möglichst aus dem Weg gehen.
Einige Tipps, die Ihnen helfen können, sich vor Infektionskrankheiten zu schützen:
- Meiden Sie den direkten Kontakt zu erkälteten bzw. infektiösen Menschen.
- Verzichten Sie in der Erkältungszeit möglichst auf öffentliche Verkehrsmittel wie Bus oder Bahn.
- Waschen Sie regelmäßig und gründlich Ihre Hände. Verwenden Sie, wenn Sie unterwegs sind, ggf. ein Händedesinfektionsmittel.
- Versuchen Sie, sich möglichst wenig ins Gesicht zu fassen. Bakterien und Viren gelangen sonst leichter in Ihre Mund- und Nasenschleimhäute.
- Sorgen Sie für regelmäßige und ausreichende Bewegung an der frischen Luft.
- Ernähren Sie sich gesund, ausgewogen und vollwertig. Trinken Sie ausreichend ungesüßten Tee oder Wasser.
- Informieren Sie sich bei Ihrem Arzt über die jährliche Grippeschutzimpfung.
- Sorgen Sie für ausreichend erholsamen Schlaf und vermeiden Sie Stress.
Alles eine Frage des Maßes
Wie bei vielen anderen Dingen gilt auch bei der Infektionsprophylaxe: Übertreiben Sie es bitte nicht. Es ist keinem damit geholfen, wenn Sie sich vollkommen zurückziehen und sämtliche sozialen Kontakte meiden, nur um damit einer vermeintlichen Infektion aus dem Weg zu gehen.
Zum einen gibt es sowieso keinen kompletten Schutz vor Erkältungen und ähnlichen Infekten, zum anderen führt natürlich auch nicht jeder Infekt zu einem MS-Schub – lediglich das Risiko ist erhöht.
Seien Sie also einfach nur etwas achtsamer und verzichten Sie ggf. vorübergehend mal auf das Geknuddel mit den erkälteten Liebsten.
Kann eine Grippe einen MS-Schub auslösen?
Ja. Infektionen gelten als sogenannte Triggerfaktoren, das heißt, sie erhöhen das Risiko für einen Schub der Multiplen Sklerose. Das gilt insbesondere für virale Infektionen wie die Grippe.
Das bedeutet zum Glück nicht, dass Sie bei jeder Grippe mit einem neuen Schub der MS rechnen müssen. Aber vor allem in der Zeit kurz nach einem Infekt ist die Schubhäufigkeit statistisch erhöht. Warum das so ist, konnte bislang allerdings noch nicht vollständig geklärt werden.
Seien Sie umsichtig, aber entspannt
Sie haben eine chronische Erkrankung, die zeitweise und unter bestimmten Umständen mit Krankheitsschüben bzw. verstärkten Funktionseinschränkungen einhergehen kann. Das ist unschön, aber definitiv kein Grund, sich deswegen von Ihrer Umwelt, Ihren Bekannten oder gar Freunden abzuschotten. Das gilt selbstverständlich auch im Zusammenhang mit der in unseren Breitengraden oft mehrere Wochen anhaltenden Erkältungszeit.
Seien Sie als MS-Erkrankter in bestimmten Situationen einfach etwas achtsamer und vorsichtiger als Ihre Mitmenschen, ohne sich jedoch dabei zu distanzieren oder gar völlig zu isolieren. Denn, so wie natürlich nicht jede exzessive Party, jeder Stressfaktor oder jede Zigarette zwangsläufig zu einem MS-Schub führt, so ist auch bei Infekten lediglich das Risiko diesbezüglich etwas erhöht.
Das Ansteckungsrisiko reduzieren
Beim Umgang mit Infektionskrankheiten (v. a. Magen-Darm-Erkrankungen, grippale Infekte) geht es also vor allem darum, offensichtlichen Ansteckungsquellen aus dem Weg zu gehen. Nachfolgend haben wir deshalb für Sie einige Ratschläge zum Thema Infektion und Prophylaxe zusammengestellt, die Sie vielleicht zukünftig (falls Sie es nicht sowieso schon machen) beherzigen könnten.
Tipps, um sich bei MS besser vor viralen Ansteckungen zu schützen:
- Meiden Sie (vorübergehend) den direkten Kontakt zu infektiösen bzw. erkälteten Menschen.
- Waschen Sie (vor allem in der Erkältungszeit) regelmäßig und gründlich Ihre Hände mit Seife.
- Wenn Sie unterwegs sind, verwenden Sie ggf. ergänzend ein Desinfektionsmittel für die Hände.
- Da Krankheitserreger (Viren, Bakterien) sehr leicht über die Hände in Ihre Mund- und Nasenschleimhäute gelangen können, sollten Sie darauf achten, sich möglichst wenig ins Gesicht zu fassen.
- Meiden Sie in der Erkältungszeit öffentliche Verkehrsmittel.
- Bewegen Sie sich regelmäßig und ausreichend im Freien. Achten Sie dabei auch auf eine gesunde, vollwertige Ernährung sowie auf ausreichenden Schlaf.
- Lassen Sie sich über die jährliche Grippeschutzimpfung beraten.
- Lassen Sie sich nicht ärgern und meiden Sie unnötigen Stress.
Können auch während einer Schwangerschaft MS-Schübe auftreten?
Ja, allerdings kommt das eher selten vor. Vor allem im letzten Schwangerschaftsdrittel ist die Wahrscheinlichkeit für MS-Schübe deutlich reduziert. Hier schützt sich der Körper offenbar instinktiv selbst bzw. das Baby.
Risiko steigt erst nach Entbindung
In den drei Monaten nach der Geburt nimmt das Risiko, einen MS-Schub zu bekommen, dagegen zu. Danach pendelt es sich statistisch wieder dort ein, wo es vor der Schwangerschaft lag.
Gut in diesem Zusammenhang zu wissen: Laut Studien kann sich ein zweimonatiges Vollstillen wiederum günstig auf die Schubrate der MS auswirken. Allerdings wird davon abgeraten, länger als zwölf Monate zu stillen, auch wenn die MS positiv verläuft.
Kortison-Therapie möglich
Sollte es während der Schwangerschaft oder in der Stillzeit doch zu MS-Schüben kommen, besteht durchaus die Möglichkeit, sie kurzzeitig mit (hochdosiertem) Kortison zu behandeln. Letztendlich ist es immer ein Abwägen von Nutzen und Risiko für Mutter und Kind.
Wiederholte Kortison-Gaben während der Schwangerschaft erfordern allerdings engmaschige (Ultraschall-)Kontrollen des Ungeborenen. In der Stillzeit sollte man bei einer wiederholten Gabe hoher Dosen von Kortison möglichst auf die Einhaltung der vorgeschriebenen Stillpausen achten.
Behandlung im Überblick
Was bedeutet Basisbehandlung bzw. Basistherapie bei der MS?
Die Basisbehandlung der Multiplen Sklerose (MS) ist eine Dauertherapie mit dem Ziel, dass neue Schübe der MS seltener oder weniger heftig auftreten. Die dabei angewandten Medikamente sind entweder Immunsuppressiva oder Immunmodulatoren.
Lesen Sie auch: Fortschritt durch neue MS-Medikamente: alles nur ein Märchen?
Zielobjekt: Immunsystem
Die Basisbehandlung der Multiplen Sklerose wird heutzutage auch als verlaufs- bzw. krankheitsmodifizierende Therapie bezeichnet. Die dabei eingesetzten Medikamente sollen langfristig den Verlauf der Autoimmunerkrankung verändern, indem sie in das überschießende Immunsystem eingreifen.
Die Gruppe der Immunsuppressiva unterdrückt hierbei die Abwehrzellen des Körpers so, dass sie das Nervensystem nicht weiter angreifen können. Dabei können die Medikamente entweder unspezifisch fast alle Zellen oder aber gezielt nur einzelne Zellen des körpereigenen Abwehrsystems hemmen.
Die Immunmodulatoren beeinflussen hingegen als Botenstoffe die Kommunikation der Abwehrzellen untereinander, ohne das Immunsystem generell zu schwächen. Sie haben die Aufgabe, das gestörte Gleichgewicht zwischen immunstimulierenden und immundämpfenden Mechanismen wiederherzustellen.
Optimale Therapie wählen
Welcher Wirkstoff letztendlich für Ihre ganz persönliche Basisbehandlung in Frage kommt, hängt von vielen Faktoren ab. Neben der MS-Form und dem individuellen Krankheitsverlauf sind u. a. Vor- und Grunderkrankungen, Lebensalter, Geschlecht sowie bestehende Begleitmedikationen zu berücksichtigen.
Leider müssen viele dieser Medikamente gespritzt werden, was die Behandlung nicht gerade angenehm macht. Außerdem sind einige der zur Verfügung stehenden Wirkstoffe auch nicht ohne Nebenwirkungen. Aber schenkt man den gängigen Expertenrichtlinien Glauben, lässt sich mit einer solchen Behandlung nachweislich die Anzahl der Schübe und der entzündlichen Stellen im zentralen Nervensystem reduzieren.
Basisbehandlung von MS: wichtig zu wissen
Wann sollte mit einer Basisbehandlung der Multiplen Sklerose begonnen werden?
Heutzutage wird empfohlen, mit der Basisbehandlung der MS möglichst früh zu beginnen, d.h. bereits meist nach dem ersten MS-Schub. Früher wartete man damit länger, nämlich bis ein zweiter Schub auftrat.
Je früher, desto besser
Aufgrund der verbesserten Diagnoseverfahren kann die Multiple Sklerose heute früher als noch vor einigen Jahren festgestellt werden. Auch lässt sich bei nicht gesicherter Diagnose und einmaligem Schub (klinisch isoliertes Syndrom, CIS) mit Hilfe der Behandlung der Beginn einer tatsächlichen MS verzögern.
Die langjährige Erfahrung mit dieser chronisch-neurologischen Autoimmunkrankheit hat gezeigt, dass es umso schwieriger ist, den Verlauf der Multiplen Sklerose zu beeinflussen, je weiter fortgeschritten die Erkrankung bereits ist. Deshalb gilt unter den MS-Experten heutzutage generell die Auffassung: Je früher mit der Immuntherapie begonnen wird, desto besser kann sich das auf die MS auswirken.
Weniger Schübe und Beeinträchtigungen
Die auch als "verlaufsmodifizierende Therapie" bezeichnete Basisbehandlung zielt vor allem darauf ab, Schwere und Häufigkeit von MS-Schüben zu verringern und somit das Ausmaß einer fortschreitenden Behinderung zu begrenzen.
Eingesetzt werden hierbei Arzneistoffe, die entweder eine Immunmodulation (Veränderung des Immunsystems) oder eine Immunsuppression (Dämpfung des Immunsystems) bewirken. Die Wahl des "richtigen" Basismedikaments hängt dabei von vielen, sehr individuellen Faktoren ab und kann im Verlauf der Behandlung ggf. auch mal umgestellt werden.
MS-Verdacht: Sollte man auch dann mit einer Basisbehandlung beginnen, wenn die Diagnose nicht gesichert ist?
Ja. Zumindest wird das von vielen Experten so empfohlen. Es geht dabei primär um diejenigen, die wiederholt MS-typische Schübe entwickeln, ohne dass eine Multiple Sklerose bisher nachgewiesen werden konnte, für die sich aber auch keine andere Erklärung finden lässt.
Frühe Diagnose durch moderne Technik
Heutzutage muss man ergänzend folgendes erwähnen: In den letzten Jahren hat sich nicht nur in der Therapie der Multiplen Sklerose einiges getan, sondern vor allem auch im Bereich der Diagnostik.
Durch die innovativen Gehirn- und Rückenmark-MRT-Scans ist es inzwischen möglich, frühzeitig Personen zu identifizieren, die eventuell eine MS entwickeln könnten, wenn bereits ein CIS (klinisch isoliertes Syndrom) vorliegt. Mit anderen Worten: Die Kombination aus CIS, entzündlichen Läsionen (Gewebeverletzungen) im MRT und auffälligem Befund im Nervenwasser (Liquor) spricht für ein hohes Risiko, früh eine manifeste MS zu entwickeln.
Zeitig mit Behandlung beginnen
Wenn Sie also zur Risikogruppe gehören, ist es ratsam, sich über eine zeitnahe krankheitsverzögernde bzw. verlaufsmodifizierende Therapie Gedanken zu machen.
Eine Basisbehandlung mit Interferon-Beta-Präparaten oder Glatirameracetat hat in diesen Fällen gleichwohl einen nachgewiesenen Nutzen. Die immunmodulierende Behandlung senkt nicht nur die Häufigkeit und Intensität weiterer Schübe, sie scheint auch das Fortschreiten der Erkrankung selbst zu verzögern.
Ist die Basistherapie der MS eine Dauerbehandlung?
Ja, bei der Behandlung mit Basismedikamenten handelt es sich um eine Dauerbehandlung, die sich oft über viele Jahre erstreckt. Deshalb ist es durchaus von Bedeutung, welches der verfügbaren Arzneimittel man auswählt.
Nehmen Sie sich Zeit
Um sich richtig zu entscheiden, ist mitunter auch eine "Probierphase" notwendig. Empfehlenswert ist es, aus den verschiedenen zur Verfügung stehenden Medikamenten dasjenige auswählen, das am besten zu einem selbst und dem persönlichen Tagesablauf passt.
Relevant können z.B. Art und Häufigkeit der Verabreichung, aber auch die Lagerung der Medikamente sein. Auch mögliche Nebenwirkungen spielen natürlich eine Rolle für die Frage, ob man bei einem Medikament bleibt.
Weitere relevante Faktoren
Abgesehen von diesen Einflussfaktoren gibt es noch einige andere Parameter, die man bei der Auswahl der Basismedikation beachten muss.
Vor Beginn einer MS-Basistherapie sollten deshalb ergänzend u. a. folgende Fragestellungen berücksichtigt werden
- Welche MS-Verlaufsform liegt vor?
- Welches Lebensalter und Geschlecht hat der Betroffene?
- Besteht noch Kinderwunsch?
- Gab es bereits eine Behandlung mit einem Basismedikament?
- Bestehen weitere chronische Erkrankungen?
- Werden noch andere Medikamente regelmäßig eingenommen?
- Wie ist die aktuelle Krankheitsaktivität?
Wie lange sollte die Langzeittherapie der MS fortgeführt werden?
Die offiziellen Richtlinien sagen: Im Prinzip so lange, wie sich ein positiver Effekt auf die MS bzw. auf den Verlauf feststellen lässt. Lediglich bei Mitoxantron gibt es Beschränkungen bei der Langzeitbehandlung: Wegen der Gefahr von Herzschäden muss hier nach zwei bis fünf Jahren so oder so auf einen anderen Wirkstoff umgestiegen werden.
Kommt es unter der Langzeitbehandlung zu einem Fortschreiten der Erkrankung oder zu inakzeptablen Nebenwirkungen, wird meist versucht, die Behandlung mit einem anderen Wirkstoff fortzuführen. Besprechen Sie Wechsel-Zeitpunkt und Wahl des Wirkstoffs mit Ihrem Arzt und lassen Sie sich hier gut beraten.
Auch die persönliche Einschätzung ist wichtig
Viele Menschen mit MS entwickeln mit der Zeit ein sehr gutes Gefühl dafür, was ihnen gut tut und was nicht. Mit einer Ausnahme: Eine lange schubfreie Phase als Anlass zu nehmen, ganz auf Medikamente zu verzichten, sollte man sich zumindest zweimal überlegen. Denn gerade weil die Medikamente eingenommen wurden, kam es möglicherweise zu keinen Schüben.
Andererseits bekommen natürlich auch einige Betroffene erhebliche Zweifel an den sehr teuren und zum Teil nebenwirkungsreichen Langzeit-Medikamenten, vor allem dann, wenn es trotzdem zu Schüben kommt. Da bei der MS niemand weiß, was eigentlich ganz genau passiert, wird wahrscheinlich jeder zwischendurch mal die Frage im Kopf bewegen, zu welchem Ergebnis ein anderes therapeutisches Vorgehen geführt hätte – möglicherweise auch ein nicht-etabliertes.
Unterschiedliche MS-Formen, unterschiedliche Behandlungen:
Wie wird die schubweise verlaufende MS auf Dauer behandelt?
Schaut man auf die aktuellen Behandlungsrichtlinien, lautet die generelle Empfehlung: Bei einer schubweise verlaufenden Multiplen Sklerose sollte die Langzeitbehandlung so früh wie möglich begonnen werden.
Denn gerade im Frühstadium der Erkrankung besteht oft eine recht hohe Entzündungsaktivität. Ein früher Beginn mit einer immunmodulatorischen Therapie kann Schädigungen am Nervengewebe in dieser Phase effektiv eingrenzen.
Stufenweise & individuell vorgehen
Nach den aktuell geltenden Therapieleitlinien für MS (2019) sollte die schubweise verlaufende MS mit einem der folgenden Medikamente behandelt werden:
- Glatirameracetat (Copaxone®)
- Beta-Interferon-Präparat (Betaferon®, Avonex®, Rebif®)
- Dimethylfumarat (Tecfidera®)
- Teriflunomid (Aubagio®)
Weitere Medikamente in petto
Wenn etwas gegen diese Wirkstoffe spricht (Unverträglichkeiten etc.), sind Azathioprin (Imurek®) und intravenöse Immunglobuline (Gamunex®, Octagam®) Mittel der zweiten Wahl.
Schreitet die MS unter dieser Basisbehandlung fort, muss auf andere Wirkstoffe umgestiegen werden. Dazu gehören u. a. Mitoxantron (Ralenova®), Natalizumab (Tysabri®), Alemtuzumab (Lemtrada®), Fingolimod (Gilenya®), Cladribin (Mavenclad®) und Ocrelizumab (Ocrevus®).
Wie wird die sekundär progrediente MS behandelt?
Als Langzeitbehandlung der sekundär progredienten Multiplen Sklerose gilt Mitoxantron (Ralenova®) als Mittel der ersten Wahl. Dieses Medikament kann wegen der Gefahr von Herzschäden allerdings nicht lebenslang eingenommen werden.
Ist hier die Langzeit-Höchstdosis erreicht und ist die Erkrankung nach wie vor aktiv, wird u. a. auf intervallartige Stoßtherapien mit Glukokortikoiden oder Cyclophosphamid gewechselt.
Mit oder ohne Schübe?
Die Behandlung der sekundär progredienten Multiplen Sklerose (SPMS) ist nicht ganz einfach und aktuell auch Gegenstand intensiver Pharmaforschung. Je nachdem, ob es sich um eine SPMS ohne oder mit aufgesetzten Schüben handelt, gibt es derzeit unterschiedliche Therapieempfehlungen.
Verlaufsmodifizierende Therapie der SPMS ohne aufgesetzte Schübe:
- Mitoxantron
- Cyclophosphamid (in Einzelfällen)
- ggf. intravenöse Immunglobuline als Alternative
Verlaufsmodifizierende Therapie der SPMS mit aufgesetzten Schüben:
- Interferone beta-1b (Betaferon®, Extavia®)
- Interferon beta-1a (Rebif®)
- Ocrelizumab (Ocrevus®)
- Mitoxantron (Mittel der 2. Wahl)
- Cyclophosphamid (in Einzelfällen im Sinne eines individuellen Heilversuchs)
Schwerpunkt: symptomatische Therapie
Im Falle der SPMS sollte der Schwerpunkt der Behandlung jedoch vor allem auf der symptomatischen Therapie liegen. Neben der Physio-, Ergo- und ggf. auch Psychotherapie gehören dazu unter Umständen auch Medikamente bei urologischen Problemen, Spastiken, Depressionen etc.
Wie wird die primär progrediente MS behandelt?
Die primär progrediente Multiple Sklerose ist leider nur schwierig zu behandeln. Die üblichen Langzeit-Medikamente haben nur geringen Einfluss auf den Verlauf.
PPMS (primär progrediente MS) ist die schwerwiegendste Form der Multiplen Sklerose und macht etwa 10 bis 15 % aller Fälle aus. Typisch für diese Form der MS ist eine kontinuierliche Verschlechterung der Krankheitssymptome von Beginn an, wobei akute Schübe in der Regel ausbleiben.
Behandlungsansätze oft frustrierend
Jahrzehntelang konnte man bei der PPMS je nach Beschwerdebild lediglich Behandlungsversuche mit Kortison-Präparaten (Glukokortikoiden), Mitoxantron (Ralenova®) oder Cyclophosphamid unternehmen. Ein oft frustrierendes Unterfangen.
Als sogenanntes "Off-Label Use"-Präparat (Fertigarzneimittel, das außerhalb des zugelassenen Gebrauchs verordnet wird) stand einigen Betroffenen zusätzlich Rituximab zur Verfügung. Ein Antikörper, der hauptsächlich in der Krebsimmuntherapie und zur Behandlung der rheumatoiden Arthritis eingesetzt wird.
Erstes Arzneimittel mit Zulassung
Anfang 2018 dann die revolutionäre Nachricht: Mit Ocrelizumab (Ocrevus®) wird erstmalig ein "krankheitsmodifizierendes" Medikament für Menschen mit PPMS im Frühstadium auf dem europäischen Markt zugelassen. Ocrelizumab soll bei der PPMS die Abnahme der Gehgeschwindigkeit und das Fortschreiten der Erkrankung verlangsamen – eine vielversprechende neue Therapieoption.
Doch so neu ist dieser Wirkstoff eigentlich gar nicht. Genau wie Rituximab greift Ocrelizumab gezielt B-Lymphozyten (spezielle weiße Blutkörperchen) an, und zwar nur solche, die das CD20-Antigen tragen und bei der Entzündungsreaktion der MS eine große Rolle spielen. Im Gegensatz zu Rituximab soll Ocrelizumab aufgrund der veränderten Antikörperstruktur aber besser verträglich sein.
MS: Was versteht man unter Eskalationstherapie?
Eine Eskalationstherapie bei der Multiplen Sklerose bedeutet eine Erweiterung der Immunbehandlung. Das kommt immer dann in Betracht, wenn die üblichen Basismedikamente (vor allem Interferon oder Glatirameracetat) nur unzureichend wirksam sind oder ihre Wirksamkeit über die Jahre nachgelassen hat.
Dank der modernen Wissenschaft werden in der MS-Therapie laufend neue Medikamente entwickelt. So profitieren MS-Betroffene auch in der Basisbehandlung inzwischen (Stand 2019) von weiteren Wirkstoffen wie beispielsweise Tecfidera® (Dimethylfumarsäure) und Aubagio® (Teriflunomid).
Einsatz bei (hoch)aktivem Verlauf
Zur Eskalationsbehandlung stehen verschiedene Substanzen zu Verfügung. Je nach Verlaufsform der MS bzw. unter Berücksichtigung anderer Faktoren (z. B. Geschlecht, Alter, Begleiterkrankungen) kommen derzeit u. a. folgende Arzneimittel zum Einsatz
- Alemtuzumab (Lemtrada®)
- Cladribin (Mavenclad®)
- Fingolimod (Gilenya®)
- Mitoxantron (Ralenova®)
- Natalizumab (Tysabri®)
- Ocrelizumab (Ocrevus®)
Dabei handelt es sich um verschiedene immunwirksame Substanzen, die den Krankheitsverlauf verlangsamen. Dass diese Mittel nicht primär eingesetzt werden, liegt entweder daran, dass sie noch sehr neu sind und wenig gesicherte Daten vorliegen, oder dass sie für die Anfangsbehandlung als zu intensiv und vor allem zu nebenwirkungsreich angesehen werden.
Gibt es auch kritische Stimmen zur Langzeittherapie der MS?
Ja. Es gibt MS-Patienten und auch einige Ärzte, die den Sinn der Langzeitbehandlung mit sogenannten Immunmodulatoren (v.a. Beta-Interferon und Glatirameracetat) anzweifeln.
Einer der immer wieder angeführten Gründe ist, dass diese Medikamente massiv auf das Immunsystem einwirken, ohne die Erkrankung im Kern zu bekämpfen. Ein kurzfristiger Erfolg im Sinne seltenerer Schübe könnte damit auch um den Preis langfristiger nachteiliger Effekte auf Körper und Seele erkauft werden. Dieselben Betroffenen stehen auch oft einer Behandlung mit Kortison sehr kritisch gegenüber. Und auch dafür gibt es gute Gründe.
Solange niemand weiß, wie die Multiple Sklerose eigentlich entsteht, bleibt immer auch Raum für gehörige Zweifel an dem heute meist eingeschlagenen Behandlungsweg. Aber es ist natürlich auch immer eine Frage der Alternativen. Die Wenigsten haben die innere Überzeugung, einfach ganz auf eine Behandlung zu verzichten.
Was ist wahr?
Wir selbst kennen die Wahrheit nicht. Tatsache ist, dass keines der Medikamente, die in der Langzeittherapie eingesetzt werden, die Multiple Sklerose heilen kann. Tatsache ist aber auch, dass sie die Schub-Wahrscheinlichkeit senken und das Voranschreiten der Erkrankung verlangsamen. Das zumindest ist das wesentliche Ergebnis der entsprechenden Studien dazu. Und der überwiegende Teil aller Experten und Ärzte rät zu dieser Behandlung.
Dass diese Medikamente meist sehr teuer sind und damit auch viel Geld verdient wird, kann niemand leugnen. Und dass die oben genannten Experten, die die offiziellen Behandlungsrichtlinien bei der MS vorgeben, fast alle in irgendeiner Form von den Herstellerfirmen finanziell unterstützt werden, ist auch unstrittig. Daraus allein lässt sich aber nicht der Schluss ableiten, dass diese Mittel nicht wirken. Insofern bleibt das letztlich auch eine sehr individuelle Einschätzung jedes Einzelnen.
Medikamente: Langzeittherapie
Lesen Sie auch: Fortschritt durch neue MS-Medikamente: alles nur ein Märchen?
Medikamente und Ablauf der Basistherapie
Welche Medikamente gehören zur MS-Basisbehandlung?
Zu den Basismedikamenten gehören zum einen die sogenannten Beta-Interferone. Für diese Substanzklasse ist nachgewiesen, dass sie den Krankheitsverlauf positiv beeinflusst.
Die Interferone Beta-1a und -1b senken die Schubrate und reduzieren die Schwere auftretender Schübe. Es stehen jeweils zwei Präparate für Interferon Beta-1a (Avonex® und Rebif®) und Interferon Beta-1b (Betaferon® und Extavia®) zur Verfügung.
Alternative Möglichkeiten
Ein weiteres Basismedikament zur Behandlung von MS ist Glatirameracetat (Copaxone®). Es handelt sich um einen Immunmodulator anderer Art, der aber ähnlich erfolgreich die Schubrate senkt wie die Interferone. Copaxone® wird, wie die meisten Interferone auch, subkutan (unter die Haut) gespritzt.
Seit einigen Jahren stehen für die Therapie der schubförmig verlaufenden MS auch orale Arzneimittel als Tabletten bzw. Kapseln zur Verfügung. Für manch einen, der gerne einen großen Bogen um Spritzen macht, sicherlich eine angenehmere Alternative.
Orale MS-Basistherapeutika sind (Stand 2019):
- Tecfidera® (Dimethylfumarat): wird in Form von Hartkapseln zweimal täglich eingenommen
- Aubagio® (Teriflunomid): wird einmal täglich als Tablette eingenommen
Beide Wirkstoffe wirken entzündungshemmend. Sie reduzieren sowohl die Schubrate als auch das Fortschreiten des Behinderungsgrades sowie die Anzahl von Hirnläsionen im MRT (Kernspintomographie).
MS: Welches Medikament ist das richtige für mich?
Bei der Therapie der Multiplen Sklerose gibt es eigentlich weder "falsch" noch "richtig". So individuell die Erkrankung auftritt, so unterschiedlich sind die denkbaren (medikamentösen) Behandlungsoptionen.
Deshalb gilt: Bevor Sie sich zu irgendetwas "überreden" lassen, informieren Sie sich vorher ausgiebig über Ihre aktuelle Krankheitssituation und den zu erwartenden Verlauf. Verschaffen Sie sich einen Überblick über die derzeitig eingesetzten Arzneimittel, lassen Sie sich fachkundig beraten und entscheiden Sie erst dann, welche Therapie möglicherweise für Sie in Frage kommen könnte.
Immer stufenweise vorgehen
Auch wenn die Multiple Sklerose bislang nicht heilbar ist, gibt es immer modernere und effektivere Medikamente, die sowohl Erkrankungsaktivität als auch Krankheitsverlauf deutlich abmildern können. Die behandelnden Ärzte orientieren sich hierbei weiterhin an dem etablierten dreistufigen Therapiemodell zur MS.
Das Modell berücksichtigt den spezifischen Verlauf der MS und gliedert sich in:
- akute Schubtherapie (v. a. hochdosiertes Kortison, sonst Plasmapherese)
- verlaufsmodifizierende Therapie (Medikamente, die ins Immunsystem eingreifen)
- symptomatische Therapie (z. B. über physio-, ergo- und psychotherapeutische sowie logopädische oder medikamentöse Maßnahmen)
Die Frage nach dem richtigen Arzneimittel bzw. nach der besten medikamentösen Behandlungsstrategie bezieht sich in diesem Zusammenhang vor allem auf die krankheitsmodifizierende Therapie, die den Verlauf der Erkrankung positiv beeinflussen soll.
Das große Ganze sehen
Jeder Mensch ist anders, jede MS verhält sich anders. Somit ist auch die Behandlung immer individuell. Um eine optimale Therapieentscheidung zu treffen, ist es deshalb durchaus sinnvoll, sämtliche Beteiligte (MS-Erkrankte, Familie, Ärzte, Therapeuten) mit in die Beratungsgespräche einzubeziehen.
Beim Entscheidungsprozess über eine mögliche MS-Immuntherapie ist grundsätzlich folgendes zu beachten:
- Um welche Verlaufsform der MS (RRMS, SPMS, PPMS) handelt es sich?
- Wie hoch ist die momentane Erkrankungsaktivität?
- Wie alt ist der Betroffene?
- Bestehen andere Grunderkrankungen?
- Gab es in den letzten 12 Monaten eine spezifische medikamentöse Behandlung?
- Existiert aktuell eine verlaufsmodifizierende Therapie?
- Was möchte der MS-Erkrankte selbst? Wünscht er überhaupt eine Therapie?
- Hat der Betroffene evtl. Angst vor den Nebenwirkungen einer Immuntherapie? Ist er bereit, sich regelmäßig engmaschigen ärztlichen Kontrollen zu unterziehen?
- Welche Darreichungsform der medikamentösen Behandlung ist dauerhaft umsetzbar? Infusion, Spritzen, Tabletten?
Wie war das nochmal?
Wahrscheinlich kennen Sie das bereits zu Genüge aus anderen, ähnlichen Situationen. Man hat einen Termin ausgemacht, sich auf das anstehende Gespräch vorbereitet, Fragen überlegt, Gedanken sortiert – um dann im entscheidenden Moment alles zu vergessen, was man so dringend wissen wollte.
Insbesondere im Rahmen ärztlicher Gespräche tritt dieses Phänomen regelmäßig auf. Nicht selten ist es die Kombination aus ungewohnter Umgebung und medizinischem Kauderwelsch, die manch einen überfordert und verunsichert. Folge ist, dass man aus dem Therapiegespräch kommt und immer noch nicht weiß, wie man sich "richtig" entscheiden soll.
Bereiten Sie sich gut vor
Damit Ihnen das möglichst nicht passiert, gibt es sogenannte Entscheidungshilfen in Form von Ratgebern bzw. Broschüren für Betroffene. Sie enthalten aktuelle, wissenschaftlich fundierte Gesundheits- bzw. Medikamenteninformationen in allgemeinverständlicher Sprache.
So bietet beispielsweise das Krankheitsbezogene Kompetenznetz Multiple Sklerose (KKNMS) gemeinsam mit der Deutschen Multiple Sklerose Gesellschaft (DMSG) eine solche Entscheidungshilfe speziell für MS-Erkrankte an. Den Betroffenen stehen hierfür derzeit vier Handbücher mit neutralen, anschaulichen und gut nachvollziehbaren Informationen zu den gängigsten MS-Immuntherapeutika (Alemtuzumab, Cladribin, Dimethylfumarat, Teriflunomid) zur Verfügung.
Wissen schafft Sicherheit
Vorrangiges Ziel dieser Informationsbroschüren ist es, Ihnen dabei zu helfen, sich präziser und somit besser auf das Arztgespräch vorzubereiten. Also, nur zu. Lesen und fragen Sie, seien Sie kritisch und scheuen Sie nicht die Konfrontation.
Ein gutes Basiswissen zu den MS-Immuntherapeutika kann Ihnen die Kompetenz verschaffen, die Sie im ärztlichen Beratungsgespräch vielleicht brauchen, um sich selbstsicher und überzeugt für den "richtigen" Behandlungsweg zu entscheiden.
Muss man sich die MS-Medikamente selbst spritzen?
Man muss nicht, aber es macht viel Sinn. Es ist empfehlenswert, sich das Selbstspritzen in einer Schulung beibringen zu lassen, denn es handelt sich ja meist um eine langfristige Behandlung mit manchmal mehrmaligen Injektionen pro Woche.
Verschaffen Sie sich Flexibilität
Der Vorteil des Selbstspritzens ist, dass man auf diese Art eine größtmögliche Selbstständigkeit und Unabhängigkeit erreicht.
In Einzelfällen ist das Selbstspritzen vielleicht nicht möglich. Dann kann auch ein Angehöriger oder Freund im Rahmen einer Schulung lernen, das zu übernehmen. Aber auch nach der Schulung gibt es immer die Möglichkeit, doch das Praxispersonal Ihres betreuenden Arztes oder ambulante MS-Dienste in Anspruch zu nehmen, z. B. wenn es zu Problemen kommt.
Tabletten als Alternative
Neben den altbewährten MS-Basismedikamenten wie Beta-Interferone und Glatirameracetat, die man allesamt spritzen muss, gibt es inzwischen aber auch oral einzunehmende Wirkstoffe. Insbesondere für Menschen, die Angst vor Injektionen haben, stellen die neueren Arzneimittel Tecfidera® (Dimethylfumarat) und Aubagio® (Teriflunomid) eine alternative Therapieoption dar. Beide Medikamente werden täglich entweder als Tablette (Aubagio®) oder als Hartkapsel (Tecfidera®) eingenommen.
Basisbehandlung der MS mit Spritzen: Kommt es häufig zu Hautreaktionen?
Leider ja. Bei der Injektion von Betaferon®, Rebif® oder Copaxone® kommt es häufiger zu Hautreaktionen wie Rötung, Schwellung, Juckreiz und Brennen.
Bei längerer Anwendung kann es manchmal auch zu Gewebeverhärtungen kommen. Allerdings muss man klar sagen, dass die meisten Anwender recht gut mit diesen Spritzen zurechtkommen. Generell nehmen die Hautreaktionen bei längerer Anwendung der Medikamente auch meist ab.
Bei Reizzuständen hilft oft Kühlung
Gegen Rötungen und Schwellungen hilft oft eine Kühlung der betreffenden Hautpartie rund um die Injektionsstelle.
Sind hingegen Verhärtungen aufgetreten, muss man damit vorsichtig umgehen. Man darf in diese Region erst wieder spritzen, wenn sie sich zurückgebildet haben.
Wie man auf die Hautreaktionen reagieren soll, lernt man auch in einer sogenannten Spritzenschulung. Sie wird oft bei der erstmaligen Verschreibung der Medikamente mit angeboten und soll einem helfen, sich die Injektionen selbst zu setzen.
MS: Kann es als Nebenwirkung bei den Medikamenten zu grippeähnlichen Beschwerden kommen?
Ja, unter den Interferonen Avonex®, Betaferon® und Rebif® kann es zu Symptomen kommen, wie sie auch bei Beginn einer Grippe auftreten. Typische Beschwerden sind Unwohlsein, Schüttelfrost und Gliederschmerzen.
Symptome meist vorübergehend
Allerdings kommt es zu diesem Grippe-Syndrom – wenn überhaupt – vorwiegend zu Beginn der Behandlung, in den ersten drei bis sechs Monaten. Danach lassen die Beschwerden in aller Regel nach. Das Immunsystem braucht einfach seine Zeit, sich an die "Immunmodulatoren" zu gewöhnen.
Aus diesem Grund empfiehlt es sich jedenfalls, sich das Interferon eher abends zu spritzen. Dann kann man diese möglichen Nebenwirkungen "verschlafen". Die Beschwerden lassen sich übrigens recht gut mit Schmerzmitteln wie Paracetamol oder Ibuprofen lindern, also Medikamenten, die auch bei einem tatsächlichen grippalen Infekt hilfreich sind.
Für Jeden das richtige Medikament
Wovon hängt es ab, welches Medikament in der Langzeittherapie der MS geeignet ist?
Welche Medikamente auf lange Sicht am besten helfen und am verträglichsten sind, ist individuell unterschiedlich und kann pauschal nicht beantwortet werden. Ein entscheidender Faktor bei der primären Wahl der Behandlung ist aber, um was für einen Verlauf der Multiplen Sklerose es sich handelt.
Verlaufsform entscheidend
Handelt es sich um eine schubweise verlaufende MS (RRMS), sind Immunmodulatoren die erste Wahl. Diesbezüglich hat sich in den letzten Jahren erfreulicherweise viel getan. Betroffenen stehen inzwischen sehr unterschiedliche und auch effektive Arzneimittel in der verlaufsmodifizierenden Behandlung der Multiplen Sklerose zur Verfügung.
Bei der sekundär progredienten Verlaufsform (SPMS, ohne aufgesetzte Schübe) wird dagegen mangels Alternativen immernoch gerne Mitoxantron (Ralenova®) eingesetzt. Bei einer SPMS mit aufgesetzten Schüben werden vorzugsweise Beta-Interferone wie Rebif® und Betaferon® verordnet. Allerdings scheinen momentan auch bei der SPMS einige vielversprechende innovative Wirkstoffe in den Startlöchern zu stehen.
Erste Arzneimittel-Zulassung für PPMS
Die primär progrediente Verlaufsform der Multiplen Sklerose (PPMS) gestaltet sich in der Behandlung ebenfalls schwierig. Jahrzehntelang konnte man lediglich mit Kortison-Präparaten (Glukokortikoiden), Mitoxantron oder Cyclophosphamid jonglieren.
Seit Anfang 2018 steht nun erstmalig mit dem Antikörper Ocrelizumab (Ocrevus®) ein krankheitsveränderndes Medikament für die Frühform der PPMS zur Verfügung. Bleibt abzuwarten, wie sich diese Therapie langfristig etabliert.
MS: Was kann man tun, wenn die Basismedikamente nicht (mehr) wirken?
Wenn es trotz der Interferon-Spritzen oder anderer Basismedikamente zu häufigen Schüben kommt oder die körperlichen Einschränkungen zunehmen, ist es nach Ansicht der meisten Experten sinnvoll, etwas am Behandlungsschema zu verändern. Folgende Möglichkeiten kommen dann – zumindest gemäß den offiziellen Richtlinien – in Betracht:
- Dosierung der Medikamente steigern
- Wechsel auf ein anderes Basismedikament
- Kombination mehrerer Basismedikamente
Eskalationstherapie bei (hoch)aktivem Verlauf
Darüber hinaus kann bei Fortschreiten der MS eine sogenannte Eskalationsbehandlung versucht werden. Die Eskalationsbehandlung bedeutet eine Erweiterung der Immunbehandlung z. B. mit folgenden Arzneimitteln:
- Gilenya® (Fingolimod)
- Lemtrada® (Alemtuzumab)
- Mavenclad® (Cladribin)
- Ocrevus® (Ocrelizumab)
- Ralenova® (Mitoxantron)
- Tysabri® (Natalizumab)
Zu beachten ist in diesem Zusammenhang u. a., dass diese zum Teil noch sehr innovativen Medikamente nicht ganz ohne Nebenwirkungen sind und man sich vorher gut informieren und beraten lassen sollte.
Jeder muss für sich entscheiden
Soweit zu den offiziellen Empfehlungen. Einige Betroffene kommen bei einem Scheitern der Basistherapie für sich zu einem anderen Schluss. Nämlich, dass diese Therapie von vornherein nicht die richtige Methode war. Eine "Eskalation" dieses möglicherweise ohnehin falschen Vorgehens lehnen sie daher ab.
Wir erwähnen das hier, um deutlich zu machen, dass es bei der Behandlung einer Erkrankung, von der auch die Ärzte nicht genau wissen, warum sie überhaupt entsteht, keine absoluten Wahrheiten gibt.
Gibt es in der Basistherapie Alternativen zu Interferon oder Glatirameracetat?
Ja. Die schubförmig verlaufende Multiple Sklerose kann in der Basistherapie auch mit anderen Medikamenten außer Beta-Interferonen und Glatirameracetat (Copaxone®) behandelt werden.
Derzeit stehen Ihnen in der Basisbehandlung der MS zusätzlich die oral (als Kapsel oder Tablette) einzunehmenden Arzneimittel Tecfidera® (Dimethylfumarat) und Aubagio® (Teriflunomid) als Alternative zur Verfügung – Stand 2019.
Nur in Ausnahmefällen
Wenn die zuvor genannten Basismedikamente nicht wirksam sind oder nicht vertragen werden, gibt es unter Umständen noch die Option, Azathioprin (Imurek®) oder auch Immunglobuline einzusetzen.
Bei Azathioprin handelt es sich um ein Immunsuppressivum (unterdrückt das körpereigene Abwehrsystem), das wegen seines Gesamtbildes (Wirksamkeitsnachweise, Nebenwirkungen) jedoch lediglich als Reservepräparat gilt.
Immunglobuline sind für die Therapie der MS nicht zugelassen und müssen somit von den Krankenkassen auch nicht bezahlt werden. Aufgrund der Alternativen in der Basisbehandlung der Multiplen Sklerose kommen diese doch sehr teuren Ausweichpräparate heutzutage kaum noch in Betracht.
MS: Was muss ich beim Wechsel eines Medikaments beachten?
Auch nach jahrelanger erfolgreicher Therapie kann es aus verschiedenen Gründen plötzlich erforderlich sein, ein MS-Medikament umzustellen. Hierbei ist vor allem bei den Immuntherapeutika auf die unterschiedlich langen Sicherheitsabstände zu achten.
Wartezeiten einhalten
Die zur langfristigen Behandlung der Multiplen Sklerose eingesetzten Medikamente haben alle eine ungleich lange Wirkdauer. Auch wenn ein Arzneimittel schon lange abgesetzt wurde, kann es noch bis zu einem Jahr nachwirken und zu Wechselwirkungen mit neu verordneten Therapeutika führen.
Deshalb muss man bei der Umstellung von einem Immunmodulator (z. B. Ocrelizumab) auf einen anderen (z. B. Cladribin) einen ausreichend langen Sicherheitsabstand berücksichtigen. Im Falle dieser beiden Wirkstoffe beträgt die Wartezeit beispielsweise mindestens sechs Monate.
Gründe für einen Wechsel
Doch warum stellt man die Behandlung überhaupt um? Dafür gibt es eine Vielzahl an Gründen. Das Behandlungskonzept bei der Multiplen Sklerose beruht auf drei Therapiesäulen (langfristige verlaufsmodifizierende Therapie, akute Schubtherapie, symptomatische Therapie), die sowohl unterschiedlich gewichtet als auch entsprechend kombiniert werden können.
In Abhängigkeit von der bestehenden Krankheits- und Lebenssituation des Betroffenen kann es sein, dass die Behandlung gelegentlich optimiert bzw. generell geändert werden muss. Hierbei können sowohl Fortschritte in der MS-Forschung, ein neuer Partner als auch intolerable Nebenwirkungen oder ein unzureichender Therapieerfolg eine entscheidende Rolle spielen und zu einem Medikamentenwechsel führen.
Mögliche Einflussfaktoren in der individuellen MS-Behandlung:
- Krankheitsstadium und -verlauf
- vorherrschende Beschwerdesymptomatik
- Alter und Geschlecht
- bestehende Begleiterkrankungen
- möglicher Kinderwunsch
- inakzeptable Arzneimittelwirkungen
- vielversprechende innovative Wirkstoffe
- vom Markt genommenes Medikament
Ergänzende Untersuchungen
Grundsätzlich gilt: Vor jeder neuen Therapie sind selbstverständlich erneut alle dazu erforderlichen Vor- bzw. Kontrolluntersuchungen durchzuführen. Man spricht auch von einer sogenannten Basiserhebung vor Umstellung auf ein anderes Medikament. Damit möchte man u. a. sogenannte Carry-Over-Effekte vermeiden. Das sind Übertragungseffekte von vorherigen Behandlungen, die noch fortbestehen und nachfolgend (negativ) beeinflussen können.
Bei manchen Immuntherapeutika müssen diesbezüglich zusätzliche Vorsichtsmaßnahmen berücksichtigt werden. Das können z. B. spezielle Antikörper-Bestimmungen, MRT-Aufnahmen des Kopfes oder auch eine Rückenmarkspunktion sein.
Auf eine Auflistung aller zu beachtenden Sicherheitsfaktoren möchten wir an dieser Stelle allerdings verzichten, da sie den Rahmen sprengen würden. Ihr behandelnder Arzt wird sie, falls erforderlich, individuell mit Ihnen besprechen.
Welche Medikamente gegen MS dienen der Immunmodulation?
Die Langzeitbehandlung der Multiplen Sklerose zielt darauf ab, das Fortschreiten der Erkrankung zu verhindern und die Wahrscheinlichkeit weiterer Schübe zu reduzieren. Erste Wahl sind dabei Wirkstoffe, die nicht einfach nur generell die Abwehrbereitschaft unterdrücken, sondern etwas spezifischer in die Reaktionskaskade eingreifen. Der Oberbegriff lautet Immunmodulation.
Im Prinzip geht es darum, das überaktive Immunsystem an bestimmten Stellen ganz spezifisch zu hemmen und die Neigung, körpereigenes Nervengewebe anzugreifen, soweit wie möglich zu unterdrücken. Derzeit stehen folgende immunmodulierende Wirkstoffe zur Verfügung:
- Interferon (Betaferon®, Avonex®, Rebif®)
- Glatirameracetat (Copaxone®)
- Natalizumab (Tysabri®)
- Alemtuzumab (Lemtrada®)
- Ocrelizumab (Ocrevus®)
- Cladribin (Mavenclad®)
- Dimethylfumarsäure (Tecfidera®)
- Teriflunomid (Aubagio®)
- Immunglobuline (Gamunex®, Octagam®)
Daneben werden je nach Situation auch sogenannte Immunsuppressiva eingesetzt, die also das Abwehrsystem generell (unspezifisch) hemmen. Dazu gehören:
- Azathioprin (Imurek®)
- Cyclophosphamid (Endoxan®)
- Mitoxantron (Ralenova®)
Immunbehandlungen: Was muss ich beachten?
Welche Medikamente gegen MS dienen der Immunsuppression?
Immunsuppressiva unterdrücken per definitionem die Immunabwehr. Die bei der MS eingesetzten Immunsuppressiva sollen vor allem die Produktion weißer Blutkörperchen eindämmen.
Insgesamt wirken Immunsuppressiva nicht so spezifisch wie Wirkstoffe der sogenannten Immunmodulation und werden deshalb eher als zusätzliche oder alternative Medikamente eingesetzt, wenn die Immunmodulation allein nicht zum Erfolg führt.
Immunsuppressiva gegen Multiple Sklerose sind:
- Azathioprin (Imurek®)
- Cyclophosphamid (Endoxan®)
- Mitoxantron (Ralenova®)
Zu den Wirkstoffen der Immunmodulation gehören:
- Interferon (Betaferon®, Avonex®, Rebif®)
- Glatirameracetat (Copaxone®)
- Natalizumab (Tysabri®)
- Immunglobuline (Gamunex®, Octagam®)
Wie unterscheiden sich die verschiedenen Medikamente in Lagerung und Zubereitung?
Die Art und die Häufigkeit der Verabreichung der Basismedikamente zur MS-Behandlung unterscheiden sich. Neben der individuellen Verträglichkeit kann das durchaus ein Kriterium bei der Auswahl des geeigneten Arzneimittels sein.
Avonex®
Das Interferon Avonex® ist in zwei Darreichungsformen erhältlich. Als Fertigspritze muss Avonex® im Kühlschrank aufbewahrt und vor der Injektion auf Raumtemperatur erwärmt werden. Eine Spritze kann aber auch für sieben Tage bei Raumtemperatur aufbewahrt werden.
Außerdem ist Avonex® als sogenanntes Lysophilisat erhältlich, bei der vor jeder Anwendung die Trockensubstanz mit Lösungsmittel frisch zubereitet werden muss. Die Lagerung vor der Zubereitung kann bei Raumtemperatur erfolgen, nach der Zubereitung kann das Medikament maximal sechs Stunden gekühlt gelagert werden.
Die Injektion von Avonex® erfolgt in den Muskel, vorzugsweise in den Oberschenkelmuskel, aber auch Arm- und Gesäßmuskel sind möglich. Es gibt eine Injektionshilfe.
Rebif®, Betaferon® und Copaxone®
Rebif® (ebenfalls ein Interferon) ist als Fertigspritze in den Dosierungen 22 µg und 44µg erhältlich. Die Aufbewahrung ist bei Zimmertemperatur möglich. Es gibt Injektionshilfen.
Betaferon® ist als eine mit Lösungsmittel zu mischende Fertigsubstanz erhältlich und wird alle zwei Tage unter die Haut (subkutan) gespritzt. Die Lagerung erfolgt bei Zimmertemperatur.
Copaxone® (Glatirameracetat) wird täglich als Fertigspritze subkutan gespritzt. Bei über 30-tägiger Lagerung gehören die Spritzen in den Kühlschrank.
Tecfidera® und Aubagio®
Im Falle der neueren, oral zu verabreichenden Basistherapeutika Aubagio® (Teriflunomid) und Tecfidera® (Dimethylfumarat) ist sowohl die Einnahme als auch die Lagerung deutlich einfacher im Vergleich zu den Beta-Interferonen und zu Glatirameracetat.
Tecfidera® wird als Hartkapsel von 120 oder 240 mg zweimal täglich vorzugsweise zu einer Mahlzeit eingenommen. Besondere Maßnahmen hinsichtlich der Aufbewahrung sind nicht zu berücksichtigen.
Aubagio® (Teriflunomid) wird in einer Dosierung von 14 mg einmal täglich als Tablette eingenommen. Auch bei diesem Medikament sind keine besonderen Lagerungsbedingungen erforderlich.
MS: Wann kommt eine Behandlung mit Immunglobulinen in Betracht?
Immunglobuline sind gereinigte Antikörper der Klasse IgG aus Spenderserum. Sie wirken über eine Beeinflussung des Immunsystems entzündungshemmend. In Einzelfällen von schubförmiger MS können Immunglobuline die Häufigkeit und Schwere der Schübe senken.
Immunglobuline gelten als Reservemedikamente in der Basisbehandlung. Sie sind eine Alternative in bestimmten Krankheitskonstellationen, wenn andere Basismedikamente versagen oder Nebenwirkungen hervorrufen. Eine Behandlung mit Immunglobulinen sollte nur von MS-Spezialisten verordnet und durchgeführt werden.
Ist eine Immunglobulin-Behandlung in der Schwangerschaft und Stillzeit möglich?
Ja, Immunglobuline sind in der Schwangerschaft und Stillzeit erlaubt. Da in dieser Zeit wenig andere Behandlungsoptionen zur Verfügung stehen, sind Immunglobuline hier auch häufiger eine Alternative.
Definitive Wirksamkeitsbelege fehlen zwar noch immer. Jedoch sind die Erfahrungen mit Immunglobulinen, insbesondere in der Zeit nach der Geburt, in der die Schubrate häufig erhöht ist, positiv. Die Krankenkassen übernehmen die Kosten allerdings nur in geprüften Einzelfällen.
Schubtherapie mit Kortison
Wann muss ein MS-Schub mit Kortison behandelt werden?
Wenn ein akuter Schub der Multiplen Sklerose "nur" mit Sensibilitätsstörungen einhergeht, kann auf Kortison-Präparate (und auch andere starke Entzündungshemmer) in aller Regel verzichtet werden. Bei Bewegungsstörungen oder anderen funktionellen Beeinträchtigungen können Glukokortikoide dagegen als Pulstherapie (kurzfristig hochdosiert) sinnvoll sein.
Schnell und effektiv
Oberstes Ziel der akuten Schubtherapie bei Multipler Sklerose ist es, den Krankheitsschub schnellstmöglich einzudämmen. Es geht dabei nicht nur darum, seine Dauer zu verkürzen bzw. die akuten Beschwerden zu lindern, sondern auch, mögliche Folgeschäden durch die Entzündungen erfolgreich abzuwenden.
Typische Beschwerden eines MS-Schubs, bei denen eine Kortison-Pulstherapie angezeigt ist:
- Entzündung des Sehnervs (bzw. weiterer, das Auge mitversorgender Hirnnerven) mit starken Sehstörungen
- ausgeprägte spastische Lähmungen und Bewegungsstörungen
- einschränkende Schluck- und Sprechstörungen
- starke Schmerzen
- akute Störungen der Blasen- und Darmfunktion
Fällt die Entscheidung für eine Kortison-Pulstherapie, kommen meist Präparate mit dem Kortison-Wirkstoff Methylprednisolon (Urbason®) zum Einsatz. Der Wirkstoff wird üblicherweise morgens intravenös (als Infusion) in einer Dosierung von 1000 mg über drei bis fünf Tage verabreicht. Es können aber auch andere Substanzen gewählt werden, deren Dosis je nach Wirkstärke variiert.
Falls die Therapie nicht anspricht
Kommt es darunter binnen zwei Wochen nicht zu einer deutlichen Besserung, empfehlen MS-Experten einen zweiten Versuch in etwas höherer Dosierung.
Sollte auch dieser Behandlungsversuch fehlschlagen und Sie weiterhin unter erheblichen funktionellen Beschwerden (z. B. Lähmungserscheinungen) leiden, kommt die sogenannte Plasmapherese (auch "Blutwäsche" genannt) in Betracht. Hierbei wird das körpereigene Blutplasma (Anteil des Blutes ohne die Blutzellen) gegen von außen zugeführtes Plasma ausgetauscht und so quasi "reingewaschen".
Leider ist das Verfahren recht aufwändig und muss in speziell ausgestatteten Praxen oder Kliniken erfolgen. Es führt in etwa jedem zweiten Fall zum Erfolg.
Wirkung und Vorteile der Kortison-Stoßtherapie
Was bewirkt Kortison im akuten Schub?
Geht ein akuter Schub der Multiplen Sklerose mit Bewegungsstörungen oder anderen funktionellen Beeinträchtigungen einher, wird oft eine kurzfristige Behandlung mit hochdosierten Glukokortikoiden empfohlen. In der Regel wird dabei der Wirkstoff Methylprednisolon eingesetzt.
Kortison-Präparate (Glukokortikoide) wirken grundsätzlich entzündungshemmend. Im Prinzip werden alle Prozesse, die mit der Immunabwehr zu tun haben, gehemmt. Auch bei der MS vermögen Glukokortikoide, die Entzündungsaktivität einzudämmen. Zudem bremsen sie den Einstrom weißer Blutkörperchen in die Entzündungsherde des Nervengewebes und tragen damit zu einer Beruhigung bei. Insgesamt können Kortison-Präparate damit die Rückbildung des MS-Schubs einleiten bzw. beschleunigen.
Den Verlauf der Grunderkrankung können Glukokortikoide nach aktuellem Kenntnisstand hingegen nicht beeinflussen.
Lässt sich mit Kortison ein MS-Schub verkürzen?
Ja, zumindest bei einem Teil der Betroffenen kann Kortison die Schub-Dauer bei der Multiplen Sklerose verkürzen. Das ließ sich mittlerweile in einer kontrollierten Studie belegen.
Demnach profitiert eine von vier behandelten Personen von der Kortison-Behandlung nicht nur im Sinne einer Symptomlinderung, sondern auch im Sinne eines insgesamt kürzeren Schubes. Gemessen wurden dabei die Beschwerden vier Wochen nach Beginn des MS-Schubes.
Multiple Sklerose: Kann Kortison die Beeinträchtigungen nach dem Schub reduzieren?
Diese Frage lässt sich derzeit nicht beantworten, weil dazu keine eindeutigen Studiendaten vorliegen. Es gibt zwar zahlreiche individuelle Erfahrungen dazu (und einige durchaus positiv), aber das erscheint uns zu unsicher, um hier eine verlässliche Antwort zu geben.
Die Kortison-Behandlung im akuten Schub der Multiplen Sklerose soll Entzündungsreaktionen unterdrücken und den Schub verkürzen. Ob Beeinträchtigungen, die nach dem Schub bestehen bleiben, ohne Kortison-Behandlung größer wären als mit der Behandlung, kann nicht beurteilt werden.
MS: Kann die Stoßtherapie mit Kortison neue Schübe verhindern oder verzögern?
Nein, wahrscheinlich nicht, auch wenn diese Frage nicht eindeutig geklärt ist. Zusammenfassende "Meta-Analysen" früherer Studien ergaben bislang jedenfalls keine Hinweise darauf, dass die Kortison-Behandlung die Wahrscheinlichkeit des Auftretens neuer Schübe beeinflusst.
Allerdings sind solche gemixten Analysen älterer Studien häufig nur eingeschränkt aussagefähig, weil die Messparameter unterschiedlich und damit schwierig zu vergleichen sind.
Wie dem auch sei, bis auf weiteres gilt: Die hochdosierte Kortison-Stoßtherapie ist eine reine Akutbehandlung, die die Zeit bis zum Abklingen des Schubes verringern und damit die Symptomzeit verkürzen soll.
Kann Kortison den Langzeitverlauf der MS beeinflussen?
Nein, nach aktuellem Kenntnisstand können Kortison-Wirkstoffe (Steroide, Glukokortokoide) das nicht. Im akuten Schub einer Multiplen Sklerose können Kortison-Präparate aber als Entzündungshemmer sehr hilfreich sein, um den Schub schneller abklingen zu lassen.
MS-Schub: Wie lange dauert eine sogenannte Stoßtherapie mit Kortison?
Üblicherweise dauert eine Hochdosis- oder Ultrahochdosisbehandlung mit Kortison gegen einen akuten Schub der Multiplen Sklerose drei bis fünf Tage. Anschließend wird die Dosis entweder Schritt für Schritt reduziert und somit "ausgeschlichen" oder sie wird abrupt abgesetzt.
Man spricht bei dieser Art der Behandlung auch von Stoß- oder Pulsbehandlung. Wenn die Entscheidung für eine niedrig dosiertere Kortison-Behandlung fällt (Niedrigdosisbehandlung), erstreckt sich die Therapie über einige Wochen und wird dann ebenfalls ausgeschlichen.
Wie lange im Einzelfall die Behandlung andauert oder ob etwa eine Hochdosisbehandlung wiederholt wird, hängt von der individuellen Entwicklung des Schubes und vom eigenen Befinden nach der ersten Therapiephase ab.
Kortison-Stoßtherapie: Was gilt es zu beachten?
MS-Schub: Sollte man lieber sofort mit einer Kortison-Behandlung beginnen?
Von den meisten Ärzten wird die frühe Behandlung mit Kortison empfohlen, wenn sich ein Schub ankündigt. Aber eine Wirksamkeit ist häufig auch noch gegeben, wenn man mit dem Kortison erst mehrere Wochen nach Beginn der Beschwerden beginnt. Vergleichende Studien konnten jedenfalls keine großen Unterschiede belegen.
In der Regel handhabt es die Mehrzahl der Neurologen aber so, dass sie bei ausgeprägten Symptomen möglichst schnell, also innerhalb von zwei bis fünf Tagen nach Beginn des MS-Schubes, mit einer Kortison-Pulstherapie starten.
Folgeschäden abwenden
Ziel einer Kortison-Hochdosistherapie im Rahmen eines MS-Schubes ist es, den akuten Entzündungsprozess und somit das überschießende Immunsystem zu hemmen. Die Kurzzeit-Behandlung soll dabei aber nicht nur akute Beschwerden und somit die Dauer des Krankheitsschubes verkürzen, sondern vor allem auch potenzielle Folgeschäden durch die Entzündungen verhindern.
Deshalb ist genau abzuwägen, ob man als Betroffener auf Kortison verzichten möchte oder lieber doch nicht. Denn natürlich ist auch ohne Kortison normalerweise mit einem Rückgang der akuten Beschwerden zu rechnen. Vor allem bei reinen Sensibilitätsstörungen muss man nicht unbedingt gleich zur Medikamentenkeule greifen. Aber das gilt wie gesagt nicht für alle Beeinträchtigungen und Beschwerden.
Klassische Einsatzgebiete fürs Kortison
Um Ihnen einen besseren Überblick über die Störungen oder funktionellen Beeinträchtigungen im Rahmen eines MS-Schubes zu geben, bei denen u. a. Folgeschäden zu erwarten sind bzw. eine antientzündliche Therapie dringend indiziert ist, haben wir nachfolgend eine kleine Liste zusammengestellt.
Typische Beschwerden eines MS-Schubs, die eine Hochdosisbehandlung mit Kortison rechtfertigen:
- akute Störungen der Blasen- und Darmfunktionen
- einschränkende Schluck- und Sprechstörungen
- ausgeprägte Sehstörungen durch Entzündungen des Sehnervs bzw. mitversorgender Hirnnerven
- starke spastische Lähmungen, Bewegungsstörungen
- starke Schmerzen
Stimmt es, dass das Kortison bei einer MS-Stoßtherapie gespritzt werden muss?
Ja, meistens. Besonders bei einer Hochdosis- und Ultrahochdosisbehandlung mit Kortison wird das Medikament über die Vene als Infusion verabreicht. Anders als beim Interferon spritzt man hier also nicht selbst.
Bevor die Infusion beginnt, muss von der Ärztin oder vom Arzt ein venöser Zugang gelegt werden. Das ist aber halb so schlimm. Wer schon mal in einem Krankenhaus war, kennt das vielleicht. Eine Kortison-Infusionsbehandlung bei der Multiplen Sklerose dauert etwa 30 Minuten bis zu einer Stunde.
Niedrigere Kortison-Dosen lassen sich auch in Tablettenform verabreichen. Das ist natürlich angenehmer. Aber dann gelangt der Wirkstoff erst nach der Magen-Darm-Passage ins Blut, weshalb eine schlechtere Verfügbarkeit des Medikaments im Vergleich zur Infusion eintreten kann.
Wie hoch muss Kortison bei der Schubtherapie der Multiplen Sklerose dosiert werden?
In der Schubtherapie der MS spricht man nicht ohne Grund von einer Kortison-Hochdosisbehandlung. Gängig sind z.B. 500 bis 1.000 mg Methylprednisolon am Tag.
Es sind auch niedrigere Dosierungen (weniger als 100 mg pro Tag) oder aber eine Dosis von mehr als 1500 mg pro Tag möglich (Ultrahochdosisbehandlung). Am besten bewiesen ist jedoch die Wirksamkeit der (normalen) Hochdosisbehandlung, weshalb sie sich als Standardbehandlung durchgesetzt hat.
Drei Tage an den Tropf
Wie bereits erwähnt verwenden die Neurologen in der Kortison-Pulstherapie der MS meist Präparate mit dem Kortison-Wirkstoff Methylprednisolon (Urbason®). In der Regel wird das Medikament in der Praxis oder im Krankenhaus morgens über die Vene (als Infusion) in einer Dosierung von 1000 mg über drei bis fünf Tage verabreicht.
Falls es unter der Kortison-Hochdosisbehandlung binnen zwei Wochen nicht zu einer deutlichen Besserung der Schubbeschwerden kommen sollte, wird nicht selten ein zweiter Therapieversuch mit einer etwas höheren Dosierung gestartet. Eine Plasmapherese (Blutwäsche) wird dagegen eher in Ausnahmefällen bei weiterhin bestehenden, ausgeprägten Funktionsbeeinträchtigungen (z. B. Lähmungen) eingesetzt.
Übrigens, wenn andere Kortison-Präparate als das Methylprednisolon gegeben werden, kann die tägliche Dosierung des gewählten Medikaments durchaus von der o. g. Menge abweichen.
Mögliche Nebenerscheinungen
Die hochdosierte Kurzzeittherapie mit Kortison kann verstärkt mit Schwindel und Übelkeit einhergehen. Auch Magenschleimhautreizungen bzw. -entzündungen kommen vor. Dem kann allerdings gut mit sogenannten Protonenpumpenhemmern (z. B. Omeprazol, Pantoprazol) als "Magenschutz" vorgebeugt werden.
Schwere Blutzuckerentgleisungen sind eher nicht zu erwarten, es sei denn, Sie sind Diabetiker. Zuckerkranke Menschen haben unter einer Kortisontherapie ggf. einen erhöhten Bedarf an Insulin oder oralen Antidiabetika. Da in solchen Fällen häufig eine engmaschigere Überwachung und Therapieanpassung erforderlich ist, wird die MS-Kortisontherapie bei Diabetikern auch gerne stationär im Krankenhaus durchgeführt.
Anders als bei der Kortison-Langzeitbehandlung im Rahmen anderer Erkrankungen treten die klassischen Glukokortikoid-Nebenwirkungen (Bluthochdruck, Wassereinlagerungen, grüner Star (Glaukom), Osteoporose, neu diagnostizierter Diabetes, Fettstoffwechselstörungen etc.) in der Kurztherapie des MS-Schubes normalerweise nicht auf.
MS-Stoßtherapie: Ist es zwingend erforderlich, die Kortison-Dosis nur langsam zu reduzieren?
Nein. Lange Zeit ging man davon aus, dass die Kortison-Dosis nur langsam reduziert werden sollte, um keine nachteiligen Effekte zu haben. Dieses sogenannte "Ausschleichen" ist aber nach einer jüngeren Studie nicht besser (aber auch nicht schlechter) als ein abruptes Absetzen der Infusionen (Neurology 2003; 60:477-478).
Da das Kortison bei einer solchen Stoßtherapie oder Pulstherapie nur kurzzeitig verabreicht wird, hat sich der Körper noch nicht daran gewöhnt. Heute wird daher der Abschluss der Hochdosisbehandlung mit Kortison recht unterschiedlich gehandhabt. Ob man "ausschleicht" und wenn ja in welchem Tempo, sollten Sie vorab mit Ihrem Arzt zu besprechen. Die Entscheidung hängt auch von Ihrer persönlichen Einschätzung ab.
Was passiert, wenn die Pulstherapie mit Kortison nicht hilft?
Führt die drei- bis fünftägige hochdosierte Kortisonbehandlung nicht zum erhofften Erfolg und sind die Schub-Beschwerden auch nach zwei Wochen noch vorhanden, wird meist ein zweiter Versuch mit etwas höher dosierten Kortison-Wirkstoffen (Glukokortikoiden) unternommen.
Wenn auch dieser zweite Versuch der Kortisontherapie erfolglos bleibt und die funktionellen Beschwerden nach wie vor erheblich sind (z.B. anhaltende Lähmungserscheinungen), kommt eine sogenannte Plasmapherese in Betracht. Dabei wird das körpereigene Blutplasma (der nicht-zelluläre Teil des Blutes) gegen von außen zugeführtes Plasma ausgetauscht und quasi "reingewaschen". Das Plasma wird durch eine Eiweißlösung ersetzt und mit den Blutzellen wieder in die Blutbahn gegeben. Denn es konnte festgestellt werden, dass in den entzündlichen Herden einiger Menschen mit MS lösliche Bestandteile des Immunsystems (Antikörper) vorkommen, die unschädlich gemacht werden können, wenn sie vom Plasma getrennt werden.
Das Verfahren führt in etwa jedem zweiten Fall zum Erfolg, ist allerdings auch recht aufwändig. Es muss in dafür speziell ausgestatteten Praxen oder Kliniken durchgeführt werden.
Kortison-Stoßtherapie: besondere Situationen
MS-Schub: Was passiert, wenn ich die Kortison-Behandlung abbreche?
Der Abbruch einer Kortison-Behandlung ist jederzeit möglich, ohne dass mit einer Zunahme von Beschwerden zu rechnen ist. Allerdings bilden sich bestehende Beeinträchtigungen möglicherweise langsamer zurück als dies mit einer fortgeführten Kortison-Behandlung der Fall gewesen wäre.
Aber wissen tut man das nie, weil man nie den Vergleich hat. Entweder man bricht ab oder man zieht durch, was passiert wäre wenn, ist im Einzelfall nie zu ermitteln.
Kortison ist immer ein zweischneidiges Schwert
Insgesamt muss man zur Kortison-Behandlung des akuten Schubs folgendes sagen: In den gängigen Experten-Richtlinien wird eindeutig zu diesem Vorgehen geraten. Es gibt aber unter den Menschen mit Multipler Sklerose auch solche, die ein Bekämpfen der MS mit Kortison (und auch mit anderen Immunblockern wie Interferon) komplett ablehnen. Entweder aus sachlichem Zweifel an der Wirksamkeit heraus, manchmal womöglich aber auch eher aus emotional gefärbten Gründen.
Tatsache ist, dass Kortison entzündliche Prozesse im Körper unterdrücken und die damit einhergehenden Beschwerden lindern kann. Das ist bei Asthma so, bei der MS so und auch bei vielen "ähnlichen" Erkrankungen so. Tatsache ist aber auch, dass Kortison das Problem nie an der Wurzel packt. Es ist immer nur ein Symptom-Bekämpfer, teilweise um den Preis recht heftiger Nebenwirkungen.
Was wir empfehlen? Lassen Sie sich von Ihrem Arzt dazu gut beraten. Wenn Sie unsicher sind, holen Sie sich eine Zweitmeinung. Und entscheiden Sie bitte selbst mit! Sobald eine Kortison-Schubbehandlung begonnen wurde, macht es aus unserer Sicht schon Sinn, sie dann auch durchzuziehen. Nur dann hat man im Wiederholungsfall eine wirkliche Erfahrung damit gemacht.
Wie wird ein MS-Schub in der Schwangerschaft behandelt?
Schwangere Frauen sollten insbesondere in der Frühschwangerschaft möglichst kein hochdosiertes Kortison erhalten, da es zu gesundheitlichen Problemen führen kann. Die Entzündungsaktivität und damit die Schubfrequenz der Multiplen Sklerose sind in der Schwangerschaft aber zum Glück auch deutlich geringer als davor und danach.
Dennoch ist das Auftreten eines Schubes in der Schwangerschaft nicht völlig ausgeschlossen. Besonders in der Frühschwangerschaft sollte dann auf eine Kortison-Stoßtherapie verzichtet werden. Aber auch in späteren Abschnitten der Schwangerschaft sollte man anderen Behandlungsmethoden wie Physio- oder Ergotherapie den Vorzug geben. Nur wenn es gar nicht anders geht, kann eine hochdosierte Kortison-Therapie auch in der Schwangerschaft erwogen werden.
Welche Vor- und Nachteile haben Kortison-Spritzen in den Rückenmarkskanal?
Spezialisierte Kliniken und Fachärzte bieten manchmal eine Kortison-Behandlung bei Multipler Sklerose an, bei der das Kortison direkt in den Nervenwasserraum (Liquor-Raum) gegeben wird. Wie bei der Lumbalpunktion wird eine Stelle der Lendenwirbelsäule punktiert und das Medikament eingespritzt.
Die Behandlung wird von Ärzten als intrathekale Kortison-Therapie bezeichnet. Die Verabreichung des Medikaments dauert nur einige Minuten.
Der Vorteil der Methode ist, dass das Kortison direkt am Ort des entzündlichen Geschehens wirken kann. So können Beschwerden wie Spastiken und verminderte Gehfähigkeit manchmal effektiver gelindert werden als mit Tabletten oder intravenösen Spritzen. Bei einer Spastik ist die intrathekale Kortison-Gabe vor allem dann eine Option, wenn andere Behandlungsversuche scheiterten. Offiziell empfohlen wird die Methode aber nicht.
Komplikationsgefahr muss bedacht werden
Das Rückenmark kann bei der Methode nicht verletzt werden, denn die punktierte Stelle liegt unterhalb des letzten Abschnitts des Rückenmarks. Allerdings können – abgesehen von Nebenwirkungen wie Kopfschmerzen und Übelkeit – durch die Punktion in seltenen Fällen Nervenwurzeln gereizt oder geschädigt werden. Auch Entzündungen im Bereich des Rückenmarkskanals sind als Komplikation möglich. Nicht wenige Patienten lehnen den Eingriff aus diesem Grund ab.
Welche Nebenwirkungen können unter einer intrathekalen Kortison-Behandlung auftreten?
Bei der intrathekalen Kortison-Behandlung wird das Medikament direkt in den Rückenmarkskanal gespritzt. Davon erhofft man sich eine bessere Wirkung.
Relativ häufig kommt es dabei zu Übelkeit und Kopfschmerzen. Dem kann man zwar vorbeugen, in dem man nach der Punktion mindestens eine Stunde lang liegt und sehr viel trinkt. Aber immer hilft das nicht.
Schwere Nebenwirkungen: Selten, aber keine Bagatelle
Bei fachgerechter Verabreichung des Kortisons treten zwar nur selten schwerere Nebenwirkungen auf. Doch ausschließen kann man auch das nicht, weshalb diese Behandlung insgesamt mit Vorsicht zu betrachten ist. Möglich sind:
- Reizung oder Verletzung von Nervenwurzeln.
- Bei wiederholter intrathekaler Kortison-Behandlung: Entzündungen oder Verklebungen von Nervenwurzeln mit den Rückenmarks- bzw. Hirnhäuten. Das kann zu chronischen Schmerzen führen.
- Blutergüsse unter der harten Hirnhaut (subdurales Hämatom). Zwar sehr selten, aber wenn, dann kann im Falle eines großen Hämatoms eine Operation am Kopf notwendig werden.
- Infektionen der Rückenmarks- bzw. Hirnhäute.
Gibt es nicht eine nebenwirkungsärmere Alternative zur Kortison-Stoßtherapie?
Nein, nach dem aktuellen Wissensstand ist Kortison in hoher Dosis die beste Option im MS-Schub. Eine wirkliche Alternative hierzu gibt es momentan leider noch nicht. In Ausnahmefällen, wenn die Behandlung nicht anschlägt, wird aber auf die sogenannte Plasmapherese (Blutwäsche) ausgewichen.
Eine weitere Möglichkeit könnten eventuell Kortison-Tabletten statt Infusionen sein. Zwar lassen sich Nebenwirkungen hierdurch nicht reduzieren, aber zumindest kann auf einen Krankenhausaufenthalt für die Behandlung verzichtet werden. Einziger Nachteil: Es müssen sehr viele Tabletten des Methylprednisolons pro Tag eingenommen werden (zum Teil über 20 Stück). Vielleicht ist auch deshalb die orale Kortison-Therapie bisher eher die Ausnahme. Ob diese Behandlungsmethode dennoch für Sie in Betracht kommt, können Sie mit Ihrem behandelnden Arzt klären.
Kann Kortison auch bei nicht-schubförmigem Verlauf der MS helfen?
Besonders für die schubhaft verlaufende MS gibt es Belege, dass eine Kortison-Behandlung im Schub die Beschwerden lindern kann. Bei anderen Verlaufsformen wie dem primär und sekundär chronischen Verlauf sind die Wirksamkeitsbelege nicht erbracht.
Zum Hintergrund: Bei der sekundär progredienten MS geht die Erkrankung nach vorherigem schubartigen Verlauf in eine chronische Form über, bei der sich die auftretenden Beschwerden nicht mehr wie beim Schub wieder verflüchtigen. Bei der (seltenen) primär progredienten MS-Verlaufsform schreitet die Erkrankung von vornherein auf diese Weise voran.
Manchmal doch einen Versuch wert
Dennoch kann sich auch bei diesen Verlaufsformen ein Behandlungsversuch mit Kortison lohnen. Manche Betroffene sprechen zumindest zeitweise positiv auf die Therapie an. Sprechen Sie ggf. mit Ihrem Arzt darüber.
Manchmal wird auch eine sogenannte intrathekale Verabreichung von Kortison versucht. Dabei wird das Medikament direkt in den Wirbelkanal gespritzt. Diese intervallmäßig durchgeführte Behandlungsform kann besonders Menschen mit Entzündungsherden im Rückenmark helfen.
Behandlung der Spastik
MS: Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es gegen die Spastik?
Spastische Erhöhungen der Muskelspannung sind eines der häufigsten Symptome bei Multipler Sklerose. Prinzipiell können sie mit krankengymnastischen Übungen und mit Medikamenten behandelt werden.
In der Krankengymnastik ist vor allem die Methode nach "Bobath" von Bedeutung. Hierbei wird, etwas vereinfacht dargestellt, durch gezieltes Training versucht, die spastisch verkrampfte Muskulatur zu hemmen und die gegenläufige Muskulatur zu aktivieren. Das Gehirn lernt dabei gewissermaßen, seinen eigenen Körper zu überlisten.
Bei der medikamentösen Behandlung werden vor allem die Wirkstoffe Baclofen und Tizanidin eingesetzt. Sie können als Tabletten eingenommen oder, eher Ausnahme als Regel, direkt in den Wirbelkanal gespritzt werden. Auch das in der kosmetischen Medizin so beliebte Botulinumtoxin (Botox) ist eine therapeutische Option. Mit Injektionen von Botulinumtoxin direkt in die betroffenen Muskelbereiche lassen sich die spastischen Verkrampfungen manchmal lösen.
Stimmt es, dass die Muskelverkrampfungen bei MS auch mit Botox behandelt werden können?
Ja. Wenn es sich um begrenzte Muskelkrämpfe oder Spastiken handelt (also nur an einer bestimmten Stelle), kann auch eine Injektion mit Botulinumtoxin (Botox) helfen.
Der in der kosmetischen "Medizin" so populäre Wirkstoff führt auch zu einer Entspannung der umgebenden Muskulatur.
Alternativmedizin und Spezialbehandlungen
Multiple Sklerose: Kann man mit Vitamin D einem neuen Schub vorbeugen?
Dass der Vitamin-D-Spiegel im Blut bzw. Metabolite des Vitamins die Entstehung von Multipler Sklerose (MS) sowie die Schubrate beeinflussen, wird schon lange vermutet. Bislang ist der mögliche Zusammenhang aber nicht gut genug untersucht, um verlässliche Aussagen zu machen.
Eine kleine tasmanische Studie ergab, dass hohe Vitamindosen die Schubrate bei Multipler Sklerose deutlich senken können. Allerdings bleiben die Ergebnisse größerer Untersuchungen abzuwarten. Eine Empfehlung zur Behandlung mit Vitamin D gibt es deshalb noch nicht.
Wer auf Nummer sicher gehen möchte, macht mit einer ausreichenden Zufuhr an Vitamin D aber nichts verkehrt. Das ist ja auch unabhängig von der MS zu empfehlen. Da Vitamin D in Abhängigkeit vom Sonnenlicht gebildet wird, empfiehlt es sich besonders in den Wintermonaten häufiger an die frische Luft zu gehen. Außerdem lohnt sich immer eine Vitamin-D-reiche Ernährung.
Vitamin D, Cannabis und Kurkuma bei MS
Sind niedrige Vitamin D-Werte zu Beginn schlecht für die Aktivität und Progression einer Multiplen Sklerose?
Ein internationales Forscherteam aus Harvard hat herausgefunden, dass die Vitamin-D-Blutwerte, die Patienten ganz zu Beginn ihrer MS-Erkrankung aufweisen, signifikant mit deren Verlauf korrelieren. Und damit gegebenenfalls sogar Vorhersagen über einen langsameren bzw. schnelleren Krankheitsfortschritt möglich seien.
Ein Laborparameter von mehr als 50 nmol pro Liter 25-Hydroxyvitamin D resultierte dabei in einem deutlich milderen Krankheitsverlauf als ein Blutwert von weniger als 50. Basis für eine Beurteilung des Krankheitsbildes war hierbei die Anzahl der Schübe, der Behinderungsfortschritt auf der international gebräuchlichen EDSS-Skala sowie Veränderungen in der Magnetresonanztomographie (MRT).
Grundlage dieser Untersuchung waren die Daten von 799 Patienten, die an der sogenannten BENEFIT-Studie teilgenommen hatten. In dieser Untersuchung wurde getestet, ob bei Menschen, die ein erstes neurologisches Ereignis (clinically isolated syndrome/ CIS) durchgemacht hatten, durch die frühe Gabe von Interferon ein definitiver Ausbruch der Erkrankung noch verhindert werden könnte. Von all diesen Patienten lag mindestens ein Blutwert ihres Vitamin-D-Niveaus vor, der in der vorliegenden Untersuchung nachträglich mit dem individuellen Verlauf über die nächsten fünf Jahre abgeglichen wurde.
Interessanterweise spielte der damals jeweilig niedrige bzw. hohe Vitamin-D-Wert eine große Rolle – ganz unabhängig davon, ob die Patienten während der Studie nun mit Interferon beta-1b behandelt wurden oder nicht.
Hintergrund-Info: Vitamin D wird vom Körper selbst produziert – ist aber in entscheidendem Umfang von der Zufuhr von Sonnenlicht über die Haut abhängig. In kleinerem Umfang ist auch die Aufnahme über die Nahrung (z.B. durch fetten Seefisch) relevant.
Zugrundeliegende Studie:
Vitamin D as an Early Predictor of Multiple Sclerosis Activity and Progression. JAMA Neurol. Published online January 20, 2014
Kommentar: Vitamin D-Blutwert zu Beginn einer MS-Erkrankung lässt Aussage über Verlauf zu
Diese Studiendaten liefern ein weiteres Mosaiksteinchen in der mittlerweile nicht mehr wirklich neuen Debatte um die Relevanz von Vitamin D-Mangel bei der Entstehung von MS – auch wenn die genauen Mechanismen und weitere zugrunde liegende Trigger immer noch unbekannt sind…
Immer wieder erfährt man aus renommierten Fachkreisen von der Wichtigkeit von Vitamin D zur Vermeidung einer Vielzahl von Krankheiten – eben nicht nur der (meist alte Damen betreffenden) Osteoporose/ Knochenschwund. Mittlerweile gilt ein Mangel dieses Vitamins als Mitursache für diverse Krebsarten, einige Herz-Kreislauf-Leiden sowie eben eine Vielzahl von Autoimmunerkrankungen. Bedauerlich ist, dass jahrzehntelang in der Laienpresse und Gesundheitsdebatten immer nur die Gefahren des Sonnenlichts im Vordergrund standen. Auch wenn Sonnenbrand und Melanomrisiko sicher ebenso wichtige Themen sind – die öffentliche Wahrnehmung lag über einen viel zu langen Zeitraum sehr einseitig auf diesen negativen Auswirkungen der Sonne!
Wer weiß, ob nicht so mancher gesundheitsbewusste Mensch aus unseren eh lichtarmen Breiten, hier nicht allzu vorsichtig war – und somit letztlich tatsächlich sehr schlecht beraten war….
Hilft Cannabis bei Multipler Sklerose?
Betroffene sagen ja. Allerdings ist in Deutschland bislang lediglich das Cannabis-Mundspray Sativex® (Nabiximol) bei MS zugelassen und somit erstattungsfähig – und zwar auch nur bei therapieresistenter Spastik.
Nabiximol ist eine Cannabispflanzenextrakt-Mischung, die etwa zu gleichen Teilen CBD (Cannabidiol) und THC (Tetrahydrocannabinol) enthält. Der Arzneistoff fällt unter das Betäubungsmittelgesetz und bedarf einer speziellen ärztlichen Verordnung.
Einfach unter die Zunge sprühen
Nabiximol wird als Spray über die Mundschleimhaut aufgenommen. Es sollte möglichst zu den Mahlzeiten jeweils immer auf eine andere Stelle im Mund aufgesprüht werden. Diese Anwendungsweise sorgt für eine bessere Wirkstoffaufnahme in den Körper und reduziert gleichzeitig mögliche Überempfindlichkeitsreaktionen.
Nabiximol (Sativex®) zeigt bei MS-Betroffenen folgende Wirkung:
- Reduktion bestehender Spastiken (krankhafte Erhöhung der Muskelspannung, Muskelverkrampfungen)
- Verbesserung der Motorik (Fähigkeit, die willkürlichen Muskeln gezielt und koordiniert zu bewegen)
- Linderung der mit der Spastik einhergehenden Muskelschmerzen
- angstlösend, ausgleichend, lindert neuropathische Schmerzen (hierfür besteht in Deutschland keine Zulassung)
Die Sache mit dem neuen Gesetz
Mit Spannung und Freude wurde von vielen chronisch kranken Menschen das im März 2017 in Kraft getretene neue "Gesetz zur Änderung betäubungsmittelrechtlicher und anderer Vorschriften" begrüßt. Schnell kam jedoch die Ernüchterung, denn im Alltag sehen Theorie und Praxis ja bekanntermaßen oft anders aus.
Das Gesetz erlaubt nun Ärzten aller Fachrichtungen in Deutschland die Verordnung von
- getrockneten Cannabisblüten,
- standardisierten Cannabisextrakten,
- Arzneimitteln mit den Wirkstoffen Dronabinol (THC) und Nabilon (künstlich hergestellter THC-Abkömmling),
und zwar auch außerhalb der bisher zugelassenen Anwendungsgebiete (off-label).
In der Konsequenz sollten die Kosten für diese Verordnungen "unter bestimmten Voraussetzungen" von den gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV) erstattet und somit eine "reale Erweiterung des Therapiespektrums" erreicht werden. Leider werden aber weiterhin viele Anträge auf Kostenerstattung abgelehnt – sogar in Fällen, bei denen Betroffene bereits jahrelang (über eine Ausnahmeerlaubnis) Cannabis zu medizinischen Zwecken erhalten haben.
Pro und Contra
Aber was bedeutet das alles nun konkret für Sie? Das Gute ist, dass Sie als MS-Betroffener jetzt die Möglichkeit haben, sich Cannabis als Medizin legal auch für andere Beschwerden außer der krankheitsbedingten Spastik verordnen zu lassen. Rein theoretisch stehen Ihnen zur Behandlung der MS-Symptomatik nun folglich auch Cannabisblüten oder beispielsweise Dronabinol zur Verfügung. Voraussetzung ist natürlich, dass Ihr Arzt eine medizinische Begründung für die Verordnung von Cannabis sieht.
Ärgerlich ist, dass Sie die (oft hohen) Kosten dafür wahrscheinlich immer noch selbst tragen müssen, da Cannabis ja bisher nur für die mittelschwere bis schwere Spastik zugelassen ist.
Nicht entmutigen lassen
Dennoch, es kommt immer auf einen Versuch an. Wenn Ihnen Cannabis als Medizin (egal in welcher Darreichungsform) nachweislich bzw. ärztlich begründet hilft, stellen Sie einen Antrag auf Kostenübernahme. Vieles ist reine Ermessenssache und stark von den einzelnen Krankenkassen bzw. vom MDK (Medizinischer Dienst der Krankenversicherung) abhängig. Außerdem laufen Untersuchungen rund um das Thema "Cannabis als Medizin", die hoffen lassen, dass sich das Therapiespektrum zukünftig weiter ausweiten wird.
Geben Sie also nicht auf und halten Sie sich fortwährend auf dem Laufenden, es bleibt sicherlich spannend.
Wie wirken Cannabinoide bei Multipler Sklerose?
Cannabinoide wie THC (Tetrahydrocannabinol) und CBD (Cannabidiol) sind Extrakte der Hanfpflanze. Sie wirken u. a. regulierend auf die bei der MS gestörten Nervenimpulse.
Das Arzneimittel Nabiximol (Sativex® Spray) enthält beide Pflanzenstoffe und ist zur Behandlung der Spastik bei Multipler Sklerose zugelassen.
Unser Signalsystem verstehen
Ohne zu sehr in die wissenschaftlichen Details zu gehen, möchten wir Ihnen dennoch einen kleinen Einblick in unser körpereigenes "Endocannabinoid-System" geben und Ihnen nahebringen, warum bestimmte Erkrankungen wie die MS so gut auf Cannabinoide reagieren.
Das Endocannabinoid-System ist Teil unseres Nervensystems, es umfasst:
- Endocannabinoide (Cannabis-ähnliche Substanzen, die von unserem Körper selbst produziert werden. Sie steuern z. B. Botenstoffe, die wiederum die Erregung von einer Nervenzelle auf andere Zellen übertragen.)
- Cannabinoid-Rezeptoren (Andockstellen für Cannabinoide, die sich u. a. an den Nervenenden befinden)
- Enzyme (Eiweißstoffe, die bestimmte Vorgänge steuern bzw. beschleunigen und so für ein optimales Zusammenspiel im Endocannabinoid-System sorgen)
Mangel wird ausgeglichen
Es ist seit langem bekannt, dass bei spastischen Störungen, wie sie bei der MS vorkommen, das Endocannabinoid-System verändert ist. Das liegt offenbar daran, dass es an körpereigenen Cannabinoiden mangelt.
Die Cannabinoide der Hanfpflanze (THC und CBD) können dieses Defizit bei vielen MS-Betroffenen wieder ausgleichen, indem sie einfach stellvertretend an die Rezeptoren andocken. Durch diesen Einfluss von außen wird die zuvor noch gestörte Weitergabe von Nervenimpulsen wieder reguliert, die Spastik lässt nach und die Motorik (Fähigkeit, die willkürlichen Muskeln gezielt und koordiniert zu bewegen) verbessert sich.
Hoffnung für die Zukunft
Trotz vieler Erkenntnisse auf dem Gebiet der Cannabinoide ist noch lange nicht alles erforscht und somit erklärbar. Es bleibt abzuwarten, inwiefern zukünftige Studien die Einsatzgebiete für "Cannabis als Medizin" und hierbei insbesondere das Therapiespektrum bei chronischen Erkrankungen wie der Multiplen Sklerose noch erweitern können.
MS: Kann Kurkuma etwas dagegen ausrichten?
Einen guten Ruf genießt Kurkuma bereits in der Behandlung von Krankheiten wie Alzheimer, Rheuma sowie bei Problemen des Verdauungs- und des Herz-Kreislauf-Systems. Aber auch bei der Multiplen Sklerose ist Kurkuma ein Hoffnungsträger.
Bei Kurkuma (Curcuma longa) ist – wenn es um die heilende Wirkung geht – vor allem die goldgelbe Wurzel von Interesse. Die Pflanze an sich ist ein Ingwergewächs und hat ihren Ursprung in Südostasien.
Schutz für die Myelinscheiden
Studien haben gezeigt, dass Kurkuma die Nerven schützt. Zum einen hält es offenbar die Demyelinisierung auf, also den Prozess, bei dem das Myelin zerstört wird. Myelin umhüllt die Nervenfasern und sorgt dafür, dass Nervenimpulse zügig weitergeleitet werden.
Abgesehen davon scheint Kurkuma einen positiven Einfluss auf die sogenannten Astrozyten (das sind Zellen des Nervensystems) zu haben, sodass sich das Nervensystem zum Teil regenerieren kann.
Laut Wissenschaftlern bremst Kurkuma Entzündungen
Außerdem hat Kurkuma Forschungen zufolge antientzündliche Fähigkeiten. Sie beruhen demnach darauf, dass der Pflanzenstoff die Produktion eines wichtigen Eiweißes namens GILZ (das ist die Abkürzung für Glucocorticoid-induzierter Leuzin-Zipper) unterstützt. GILZ kann im Idealfall Entzündungsreaktionen verhindern. Wenn aber eine Entzündung schon einmal im Gange ist, wird GILZ mehr und mehr verdrängt. Indem Kurkuma dafür sorgt, dass mehr GILZ gebildet wird, wirkt es also Entzündungen entgegen.
Spannend dabei ist, dass Kurkuma in dieser Hinsicht letztlich einen ähnlichen Effekt hat wie Kortison – mit dem Vorteil, dass Kurkuma in der Regel weniger Nebenwirkungen hat.
Wohl auch antioxidative Eigenschaften
Der gelbe Pflanzenstoff kann laut Studie auch "oxidativen Stress" mindern. Freie Radikale, die unter anderem Gehirn und Nerven schaden und bei der Multiplen Sklerose eine Rolle spielen könnten, werden also abgefangen. Es sieht so aus, als könnten die Beschwerden, Schmerzen und Einschränkungen in der Beweglichkeit, die bei MS-Betroffenen häufig auftreten, so ein Stück weit gemindert werden.
Schädliche Immunreaktion wird eventuell durchkreuzt
Noch ein weiterer Aspekt: Sogenannte Th17-Zellen sollen an den Krankheitsvorgängen im Rahmen der Multiplen Sklerose beteiligt sein und dabei erheblichen Schaden anrichten. Bei den Th17-Zellen handelt es sich um eine Untergruppe der T-Helferzellen des körpereigenen Abwehrsystems.
Kurkuma wiederum ist Untersuchungen zufolge in der Lage, hier einzugreifen und die negativen immunologischen Vorgänge zu unterbrechen. Letztlich bedeutet das, dass Kurkuma möglicherweise die überschießenden Immunantworten und die Attacken auf das Immunsystem bremsen kann.
Kurkuma bei MS: als ergänzendes Mittel lohnenswert
Da Kurkuma offenbar kaum oder keine unerwünschten Wirkungen hat, sich dabei vielmehr günstig auf den Verlauf eine MS-Erkrankung auswirken kann, könnte der Einsatz entsprechender Präparate durchaus hilfreich sein. Zumindest dürfte es einen Versuch wert sein.
Falls Sie sich dafür entscheiden, es mit Kurkuma zu probieren, sollten Sie unbedingt darauf achten, dass Sie qualitativ hochwertige Extrakte nehmen.
Helfen Antibiotika bei MS?
Ja, das ist durchaus möglich – zumindest deuten einige Studien auf die Wirksamkeit verschiedener Antibiotika bei Multipler Sklerose (MS) hin.
In einer kleinen Studie, die 2007 in der renommierten Fachzeitschrift "Archives of Neurology" veröffentlicht wurde, konnte z.B. Doxycyclin die Schubrate von MS-Patienten reduzieren und sogar bestehende Läsionen im zentralen Nervensystem nahmen ab. Die 15 Patienten hatten das Antibiotikum zusätzlich zu ihrer MS-Basistherapie mit Beta-Interferon erhalten. Die Autoren vermuteten, dass Doxycyclin Entzündungszellen aus dem Blut (Leukozyten) daran hindert, in das Hirngewebe zu gelangen.
Aufsehenerregende Studiendaten mit Minocyclin
Auch das Antibiotikum Minocyclin zeigte bereits eine Wirksamkeit und konnte die MS abschwächen. Es ist somit sogar denkbar, dass sich eine Antibiotikabehandlung günstig auf den gesamten MS-Verlauf auswirkt.
Im Jahre 2015 machte dann eine kanadische Studie von sich reden: Sie ergab, dass Minocyclin bei Patienten mit Erstsymptomen einer möglichen MS (erstes klinisches demyelinisierendes Ereignis, kurz CIS), also einer Art MS-Vorstadium, das Risiko einer tatsächlichen MS-Entstehung um 45% reduzieren konnte. CIS wird im Prinzip als erster Schub einer möglichen MS betrachtet. Die Diagnose gilt aber erst nach einem zweiten Schub als gesichert. Allerdings war auch diese Studie zu klein, um die Wirksamkeit als bewiesen ansehen zu können.
Wer hat woran Interesse?
In den vergangenen Jahren wurden zunehmend die entzündungshemmenden und neuroprotektiven Eigenschaften von Minocyclin unter die Lupe genommen. Das letzte Wort ist hier sicher noch nicht gesprochen.
Wer nicht nur an das Gute im Menschen glaubt oder sogar Gier für ein gängiges Prinzip unserer Gesellschaft hält, könnte allerdings zu der Vermutung kommen, dass zumindest die Pharmakonzerne keine größeren Anstrengungen unternehmen, der Antibiotika-These nachzugehen. Die erwähnten Antibiotika sind nämlich schon alle seit Jahrzehnten auf dem Markt, damit lässt sich also kein Geld verdienen.
Sollte man vor Beginn einer MS-Basistherapie vielleicht erst einmal Antibiotika probieren?
Meiner Ansicht nach kann ein Versuch, die Multiple Sklerose (MS) mit Antibiotika zu behandeln, sinnvoll sein – zumindest für einen begrenzten Zeitraum wie einigen Wochen. Ich bin Ärztin und Betroffene, und habe mit diesem Ansatz gute Erfahrungen gemacht.
Kommt es unter der Antibiotika-Behandlung zu einer Verbesserung der Beschwerden, könnte dies ein Hinweis auf eine infektiöse Ursache der neurologischen Symptome sein. Dies könnte also sogar die MS-Diagnose in Frage stellen.
Keine einfache Entscheidung
Allerdings ist das in der Praxis gar nicht so einfach. Wer eine neue MS-Diagnose erhalten hat, ist in der Regel zunächst sehr verunsichert – verständlicherweise. Schon die Wahl einer der zu Verfügung stehenden Basistherapien ist für viele Betroffene sehr schwer. Noch schwieriger ist da die Entscheidung für einen alternativen Weg mit Antibiotika, den viele Ärzte auch gar nicht unterstützen.
Eine Entscheidung für eine vorgeschaltete Antibiotikatherapie ist in jedem Fall seriöser, wenn Sie sich mit der MS und ihren möglichen Ursachen – wozu auch eine infektiöse Genese zählt – bereits ausreichend auseinandergesetzt haben. Das sollten Sie beherzigen, bevor Sie vorschnell eine Basistherapie ablehnen oder verschieben.
Ginko, grüner Tee & Co.: Hilfe aus der Natur gegen MS
Hilft Grüner Tee bei Multipler Sklerose?
Bisherige Untersuchungen deuten jedenfalls darauf hin. Der vorwiegend im grünen Tee enthaltene Wirkstoff EGCG (Epigallocatechin-3-Gallat) scheint den für die MS typischen chronischen Entzündungsprozess im zentralen Nervensystem bremsen zu können.
Doch warum hört und sieht man nichts Konkretes zu dieser vielversprechenden Therapieoption? Und wie könnte eine mögliche Behandlung mit EGCG überhaupt aussehen? Wäre jeder MS-Betroffene ein geeigneter Kandidat für diesen natürlichen Wirkstoff?
Aktueller Stand der Forschung
Obwohl die antientzündlichen und nervenzellschützenden Eigenschaften von EGCG seit über zehn Jahren bekannt sind, fehlen leider bis heute die lang angekündigten weiterführenden Studien zur Wirksamkeit bei Multipler Sklerose. Warum das so ist, bleibt unklar.
Zum einen scheint EGCG nach der oralen Einnahme (zum Beispiel in Kapselform) chemisch sehr instabil zu sein und nur geringfügig in den Blutkreislauf aufgenommen zu werden. Zum anderen wird es wohl recht schnell abgebaut, ohne dabei ein klar definiertes Zielobjekt anzusteuern. Das seien demnach nur einige Faktoren, die aussagekräftige klinische Testungen am Menschen mit dem Wirkstoff EGCG erschweren würden, so die Wissenschaftler.
"Zaubermittel" oder nicht?
Grüner Tee wird schon seit einigen tausend Jahren in der chinesischen Heilkunde eingesetzt. Seit jeher werden dem aromatischen Getränk gesundheitsfördernde Wirkungen nachgesagt, auch hierzulande. Nicht ungewöhnlich also, dass die detaillierte Analyse seiner Inhaltsstoffe in den letzten Jahrzehnten zunehmend in den Fokus der Wissenschaft gerückt ist.
Inzwischen weiß man, dass Grüner Tee mehr als 300 biochemisch aktive Substanzen enthält, zu den wichtigsten gehört das Flavonoid EGCG. Weltweit untersuchen Forscher derzeit vor allem seine speziellen Wirkungen und Nebenwirkungen auf die unterschiedlichsten Krebs-, Herz-Kreislauf-, neurologischen und autoimmunen Erkrankungen.
Bei der Multiplen Sklerose werden dem EGCG offenbar folgende Wirkmechanismen zugeschrieben:
- EGCG greift auf unterschiedliche Weise regulierend in die bei der MS fehlgeleiteten Prozesse des Immunsystems ein.
- Der Wirkstoff hemmt T-Lymphozyten (weiße Blutkörperchen) an deren Ausbreitung und unterdrückt damit die autoimmune Entzündungsreaktion bei der MS.
- EGCG zeigt außerdem eine neuroprotektive Wirkung (es schützt Nervenzellen im Zentralnervensystem vor Schädigungen).
- Durch EGCG wird die Blut-Hirn-Schranke stabilisiert und infolgedessen die MS-Schubrate reduziert.
- Der Schweregrad der Multiplen Sklerose wird durch EGCG insgesamt abgemildert.
Wissenschaftler mahnen zur Vorsicht
Trotz der Verlockung, jetzt einfach loszugehen, um sich die vielversprechenden, überall erhältlichen Tee-Extrakte zu holen, sollten Sie laut Experten zurückhaltend sein. Vor dem Hintergrund, dass noch keine zuverlässigen Daten zur Wirksamkeit und Verträglichkeit von EGCG vorliegen, raten die Wissenschaftler weiterhin dringend davon ab, frei verkäufliche Grüner-Tee-Extrakte in unkontrollierter Selbstmedikation einzunehmen.
Problematisch seien u. a. die in den Präparaten enthaltenen, sehr unterschiedlichen Konzentrationen an EGCG oder auch an Zusatzstoffen (z. B. Koffein). Man könne derzeit auch keine klaren Aussagen darüber treffen, wieviel EGCG für eine positive Wirkung bei MS gegeben werden müsste, ohne gleichzeitig ggf. schwere Nebenwirkungen (u. a. Leberschädigungen, Bluthochdruck) oder Arzneimittelwechselwirkungen in Kauf zu nehmen.
Abwarten und Tee trinken…
Wenn jemand dennoch ein Nahrungsergänzungsmittel mit dem verheißungsvollen Flavonoid EGCG zu sich nehmen möchte, sollte er eine maximale Tagesdosis von 300 mg möglichst nicht überschreiten. Höhere Dosierungen gelten als potenziell lebertoxisch und sollten daher nur in Absprache mit Ihrem Hausarzt bzw. Neurologen erfolgen. Wirkstoffmengen von über 800 mg EGCG pro Tag wirken nachweislich leberschädigend.
Es bleibt also eigentlich, wie so oft, nur die hoffnungsvolle Aussicht auf ein zeitnah erscheinendes, effektives und nebenwirkungsarmes Grüntee-Präparat. Bis dahin heißt es wohl: Abwarten und (maßvoll) Grünen Tee trinken.
MS: Ist die Einnahme von Weihrauchpräparaten sinnvoll?
Weihrauch hat nicht nur in Religion und Kirche eine lange Tradition, sondern auch im Bereich der Medizin. Recht neu ist dagegen die Erkenntnis, dass Weihrauchpräparate möglicherweise auch ein schlagkräftiges Mittel gegen die Multiple Sklerose sind.
Einige Untersuchungen zumindest haben in dieser Hinsicht durchaus positive Ergebnisse gebracht. Eine Studie unter der Leitung der deutschen Neurologin Klarissa Hanja Stürner erforschte die Effekte von Weihrauch auf Menschen mit Multipler Sklerose. Rund 30 Betroffene mit schubförmiger MS blieben bis zum Schluss dabei. Fast ein dreiviertel Jahr lang bekamen sie statt Kortison oder Interferon Weihrauch-Kapseln.
Weniger Schübe und Entzündungsherde
Und siehe da: Die Schübe wurden weniger. Außerdem gingen die Zahl und die Größe der Entzündungsherde deutlich zurück, wie MRT-Aufnahmen zeigten. Darüber hinaus wurde der Verlust von Hirnsubstanz gebremst. Die Forscher rund um Klarissa Hanja Stürner gehen davon aus, dass Weihrauch vor allem Menschen helfen kann, die noch nicht sehr lange an MS leiden und bei denen sich die Symptome in Grenzen halten.
Nebenwirkungen traten bei den Probanden kaum auf, und wenn, dann in recht milder Ausprägung. Zu den häufigsten unerwünschten Wirkungen zählten Beschwerden des Magen-Darm-Traktes. Auch leichte Infektionen kamen vor. Insgesamt gilt Weihrauch – zumindest, wenn Qualität und Dosis stimmen – aber als sicher und gut verträglich.
Heilsame Boswelliasäuren
Noch ein paar Worte darüber, was Weihrauch überhaupt ist. Gewonnen wird er aus dem Harz des Weihrauchbaumes. Für die gesundheitsfördernden Wirkungen sind hauptsächlich die darin enthaltenen Boswelliasäuren verantwortlich.
Belege gibt es vor allem dafür, dass sie in Entzündungsprozesse eingreifen. So hemmen die Boswelliasäuren ein Enzym, das sogenannte Leukotriene produziert. Leukotriene wiederum sind Botenstoffe, die bei Entzündungsreaktionen zum Vorschein kommen. Etwas verkürzt ausgedrückt bedeutet das: Je weniger Leukotriene herumschwirren, desto geringer fällt die Entzündung aus.
Fertigarzneimittel bisher kaum verfügbar
Etwas schwierig ist es, überhaupt an solide Weihrauchpräparate heranzukommen. Angeboten werden vor allem Nahrungsergänzungsmittel. Zugelassene Fertigarzneimittel aus Weihrauch, die höhere Standards erfüllen müssen, gibt es dagegen in der EU bisher nicht. Das hat aber vor allem damit zu tun, dass es teuer und aufwendig ist, entsprechende Zulassungsstudien durchzuführen.
Was bringt die Einnahme von Ginkgo bei Multipler Sklerose?
Extrakte der Ginkgo-Blätter werden für verschiedene Krankheiten, Beschwerden und Probleme genutzt, die im weitesten Sinne mit dem Gedächtnis und der Durchblutung zu tun haben. Auch bei der Multiplen Sklerose kann der Einsatz von Ginkgo in bestimmten Fällen offenbar sinnvoll sein.
Der Ginkgo (Ginkgo Biloba) ist eine beeindruckende und kräftige Baumart, die ursprünglich aus China und Japan stammt, heute aber auch in Europa zu finden ist. Der Baum ist sehr widerstandsfähig und kann uralt werden (über 1000 Jahre!).
Richtlinien in den USA zu Ginkgo-Extrakt bei MS
Die größte Neurologen-Gesellschaft der USA (American Academy of Neurology, kurz AAN) spricht in ihren Richtlinien, veröffentlicht im Jahr 2014, dem Extrakt des Ginkgo Biloba durchaus Potenzial zu, wenn es um die Behandlung der Multiplen Sklerose geht. Allerdings sieht die AAN die Chancen nicht etwa darin, durch entsprechende Extrakte die Gedächtnisleistung zu verbessern. Vielmehr punktet der Ginkgo demnach im Kampf gegen die oft bleierne und lähmende Müdigkeit (Fatigue), die im Zuge einer MS-Erkrankung auftreten kann.
In US-Studie reduzierte Ginkgo die Fatigue bei MS
Mit dem Thema "Ginkgo und MS" befassten sich beispielsweise Forscher an der Universität in Charlotte im US-Bundesstaat North Carolina. Die Studie berücksichtigte 22 MS-Erkrankte und lief einen Monat lang. Eine Hälfte der Teilnehmer bekam viermal pro Tag eine Tablette mit jeweils 60 mg eines Ginkgo-Extraktes (also eine Tagesdosis von 240 mg), die andere Hälfte erhielt ein Scheinmedikament (Placebo).
Die Erhebung war so angelegt, dass weder die Betroffenen selbst noch die Forscher wussten, wer in der Ginkgo- und wer in der Placebo-Gruppe war. Gemessen wurde das Ausmaß von Depressionen, Angstzuständen, Müdigkeit und weiteren Symptomen.
Die Ergebnisse wurden 2006 publiziert: Unter anderem die Fatigue besserte sich in der Ginkgo-Gruppe signifikant.
Verschiedene Ergebnisse zur Wirkung aufs Gedächtnis
Größer angelegt war eine Studie in den USA einige Jahre später. Diesmal waren es 120 Teilnehmer, die wieder in eine Ginkgo- und in eine Placebo-Gruppe aufgeteilt wurden. Die Tagesdosis an Ginkgo-Extrakt lag auch hier bei 240 mg, allerdings erstreckte sich die Erhebung über einen Zeitraum von drei Monaten.
Im Mittelpunkt stand die Frage nach den kognitiven Fähigkeiten der Betroffenen. In ihrem Bericht zogen die Forscher das Fazit, dass Ginkgo darauf keinen positiven Einfluss hatte. Interessant dabei: In einer vorherigen Studie hatte die "Ginkgo-Gruppe" im Hinblick auf Aufmerksamkeit und Gedächtnisleistung sehr wohl besser abgeschnitten als die Placebo-Teilnehmer. Die Untersuchung war jedoch mit insgesamt 40 Probanden deutlich kleiner.
Fazit: gute Verträglichkeit, mögliche positive Wirkungen
Aus den genannten Erhebungen lässt sich also folgern: Offenbar kann Ginkgo-Extrakt zumindest die Müdigkeit bei Menschen mit MS lindern, aber nicht unbedingt die Gedächtnisfähigkeiten. Die Studienlage ist insgesamt nicht ganz eindeutig.
Klar scheint aber zu sein, dass es keine gravierenden Nebenwirkungen und keine Verschlechterungen gibt. Insofern ist es durchaus eine Option, es einmal mit einem Ginkgo-Extrakt zu versuchen.
Kann Schafgarbe die MS-Beschwerden lindern?
Die Schafgarbe (Achillea millefolium) wächst bei uns auf Wiesen, außerdem ist sie häufig am Wegesrand zu sehen. Sie blüht den Sommer hindurch bis in den Herbst hinein. Als Heilpflanze kommt sie bei verschiedenen Krankheiten und Beschwerden zum Einsatz.
Dazu gehören z.B. Migräne und Verdauungsprobleme sowie Menstruationsschmerzen. Positive Wirkungen hat die Schafgarbe nun auch bei der Multiplen Sklerose gezeigt, sodass der Pflanze hier noch eine größere Karriere bevorstehen könnte.
Flavonoide der Schafgarbe gegen neurologische Beschwerden
Der Wortteil "garbe" kommt übrigens aus dem Althochdeutschen: Da heißt es "garawa" und bedeutet in etwa "Gesundmacher" oder "Heiler". Kein Wunder also, dass die Schafgarbe in diesem Bereich einiges zu bieten hat.
Zu verdanken ist das den Flavonoiden namens Apigenin und Luteolin, die in der Pflanze vorkommen. Diese Substanzen sollen – so Studien – bestimmte MS-Beschwerden lindern. Konkret geht es unter anderem um Schlafprobleme und Neuralgien (Nervenschmerzen).
Studie: Ein Jahr lang Schafgarbe oder Placebo
Die Schafgarbe gibt es als Heilmittel in verschiedenen Formen: beispielsweise als Tee, Tinktur, Öl, Salbe oder Extrakt. Letzteres testeten Forscher einer iranischen Universität bei Menschen mit Multipler Sklerose. Insgesamt 75 Probanden machten mit (wobei am Ende die Daten von 65 Teilnehmern tatsächlich ausgewertet werden konnten). Sie wurden per Zufall in drei Gruppen aufgeteilt.
Zwei Gruppen bekamen in jeweils unterschiedlichen Dosierungen ein Schafgarben-Extrakt (250 mg sowie 500 mg pro Tag), in dem Luteolin und Apigenin enthalten waren. Die Teilnehmer der dritten Gruppe erhielten ein Scheinmedikament. Die Studie erstreckte sich über einen Zeitraum von einem Jahr. Alle Probanden durchliefen vor, während und nach der Studie verschiedene Tests, die ihre neurologischen und kognitiven Fähigkeiten auf die Probe stellten. Außerdem wurden MRT-Untersuchungen durchgeführt.
Weniger Rückfälle durch Schafgarbe
Das Ergebnis: Das Schafgarben-Extrakt schnitt insgesamt besser ab als das Placebo-Präparat. Diejenigen, die das Extrakt bekommen hatten, erlebten weniger bzw. seltener Rückfälle. Vor allem in der höheren Dosierung schrumpften Zahl und Volumen der Entzündungsherde im Gehirn. Auch die Stimmung und die Gedächtnisleistungen fielen bei den Gruppen mit dem Schafgarben-Extrakt positiver aus als in der Placebo-Gruppe.
Klar ist: Es sind mehr Studien, mehr Untersuchungen und Tests notwendig, um die mögliche Wirkung der Schafgarbe bei der Multiplen Sklerose wirklich nachweisen zu können. Es scheint aber so zu sein, dass diese Pflanze eine vielversprechende Ergänzung zur herkömmlichen MS-Therapie bietet.
Geringe Nebenwirkungen, evtl. Allergien
Was die unerwünschten Wirkungen anbelangt, so kommt die Schafgarbe recht gut weg. Schwerwiegende Nebenwirkungen gab es gar nicht; allenfalls leichte allergische Reaktionen der Haut traten auf, aber auch das nur vereinzelt.
Trotzdem ist es wichtig, im Blick zu haben, dass die Schafgarbe Allergien auslösen kann. Hinzu kommt: Sollten Sie schwanger sein, dürfen Sie die Schafgarbe nicht auf eigene Faust nehmen, sondern sollten sich bei Ihrem Arzt oder der Hebamme rückversichern.
Sind Nahrungsergänzungsmittel bei der MS-Therapie sinnvoll?
Der Markt ist voll von Nahrungsergänzungsmitteln. Es gibt unzählige Tabletten, Pulver, Flüssigkeiten und Kapseln. Sie enthalten Vitamine oder Mineralstoffe, Eiweißbestandteile, probiotische Kulturen und dergleichen. Auch zur Behandlung der Multiplen Sklerose werden bisweilen Nahrungsergänzungsmittel empfohlen.
Hinweise, aber keine Beweise
Da wären beispielsweise verschiedene Vitamine, Omega-3-Fettsäuren und das Coenzym Q10. Tatsächlich scheint es durchaus positive Effekte auf die MS zu geben. Es könnte etwa sinnvoll sein, den Körper mit einer Extra-Portion Omega-3-Fettsäuren und Vitaminen zu versorgen, um schädliche freie Radikale von ihm fernzuhalten, Entzündungsprozesse zu mindern und die Nervenfunktionen zu unterstützen. Auch einige Studien untermauern die Vermutung, dass solche ergänzenden Mittel einen Nutzen haben.
Dennoch fehlen in diesem Bereich häufig eindeutige wissenschaftliche Beweise. Das liegt unter anderem daran, dass solide Studien kostspielig sind und gerade auf dem Gebiet der Nahrungsergänzungsmittel oft nicht genügend in die entsprechende Forschung investiert wird.
Produkte auf Qualität hin prüfen
Deshalb bleibt meist nur die Möglichkeit, empfohlene Mittel einfach einmal auszuprobieren. Bei einigen MS-Erkrankten haben sich Besserungen ergeben, zum Beispiel im Hinblick auf die krankheitsbedingte Müdigkeit (Fatigue), auf Schmerzen und Depressionen.
Wichtig ist, dass Sie dabei auf die Qualität der Präparate achten. Da Nahrungsergänzungsmittel frei verkäuflich sind, gibt es leider auch viele zweifelhafte Produkte. Am sichersten ist es nach wie vor, sich die Mittel in einer Apotheke vor Ort zu besorgen.
Generell sollten Sie einen kritischen Blick auf die Angaben auf der Verpackung werfen. Auf dem Etikett sollte klar zu erkennen sein, um welche Inhaltsstoffe es sich handelt und wie groß die maximale Verzehrmenge pro Tag ist. Es kann außerdem hilfreich sein, sich den Hersteller etwas eingehender anzusehen, den Namen in eine Internet-Suchmaschine einzugeben und zu prüfen, ob er hier seriös erscheint.
Menge und Einnahmeempfehlungen beachten
Die empfohlene Verzehrmenge sollten Sie einhalten und zumindest nicht eigenmächtig erhöhen. Denn auch Nahrungsergänzungsmittel können in zu großer Menge negative Auswirkungen haben. Wenn Sie sich unsicher sind, fragen Sie Ihren Arzt, Apotheker oder Heilpraktiker.
Keinesfalls sollten Sie Ihre MS-Medikamente einfach so absetzen. Nahrungsergänzungsmittel können möglicherweise hilfreich sein, aber – wie im Namen schon anklingt – ergänzend und nicht als Ersatz für eine bestehende Medikation.
Q-10, Omega-3 und mehr bei MS
Wirkt sich Coenzym Q10 positiv auf die MS aus?
Q10 ist ein Coenzym, also so etwas wie ein Enzym-Helfer. Die Körperzellen brauchen es, um Energie zu gewinnen. Q10 geht als sogenannter Radikalfänger gegen schädliche Sauerstoffverbindungen vor und ist somit antioxidativ.
Insbesondere bei Herzerkrankungen wurden positive Effekte von Q10 beobachtet, wenn ausreichende Mengen davon zugeführt wurden. Auch im Hinblick auf die Multiple Sklerose könnte das Coenzym von Nutzen sein. Allerdings gibt noch nicht genügend wissenschaftliche Belege.
Offenbar weniger oxidativer Stress
In einer iranischen Studie, deren Ergebnisse 2013 veröffentlicht wurden, bekamen MS-Erkrankte 500 mg Coenzym Q10 pro Tag. Insgesamt 45 Probanden schlossen die Studie ab. Die Untersuchung lief über einen Zeitraum von drei Monaten. Davor und danach wurde den Teilnehmern Blut abgenommen. Geprüft wurde es unter anderem auf bestimmte Biomarker für oxidativen Stress und Antioxidationsenzyme.
Die Erhebung legt nach Angaben der Autoren nahe, dass durch die Q10-Gabe der oxidative Stress reduziert und im Gegenzug die Aktivität antioxidativer Enzyme gesteigert werden kann. Eine weitere Veröffentlichung einige Zeit später untermauert die Einschätzung: Bei den Betroffenen, die das Coenzym Q10 nahmen, wurden auch niedrigere Spiegel der Entzündungsmarker Interleukin-6 (IL-6) und Tumornekrosefaktor (TNF)-alpha festgestellt.
Verzehrmenge und Wechselwirkungen beachten
Noch einige Informationen zu Q10: Das Coenzym gehört zur Klasse der Ubichinone. Sie sind an der Atmungskette beteiligt, die beim Energiestoffwechsel eine wichtige Rolle spielt. Q10 wird vom Körper selbst gebildet, steckt aber auch in vielen Lebensmitteln, vor allem in Fleisch, Fisch, Eiern, Butter sowie in Hülsenfrüchten, Nüssen und einigen Pflanzenölen. Abgesehen davon gibt es Q10-Nahrungsergänzungsmittel.
Ganz wichtig zu wissen ist, dass Wechselwirkungen mit bestimmten gerinnungshemmenden Mitteln möglich sind. Dabei geht es vor allem um Vitamin-K-Antagonisten. Da Q10 dem fettlöslichen Vitamin K ähnlich ist, besteht die Gefahr, dass Gerinnungshemmer in ihrer Wirkung abgeschwächt werden. In diesem Fall ist es also unerlässlich, mit dem Arzt Rücksprache zu halten.
Wer zu viel Q10 nimmt, muss außerdem mit unerwünschten Wirkungen wie Übelkeit und Durchfall rechnen. Deshalb sollte die empfohlene Verzehrmenge keinesfalls überschritten werden.
Positive Hinweise, aber weitere Studien nötig
Generell muss Q10 im Grunde nicht von außen zugeführt werden. Es gibt aber Hinweise darauf, dass eine Nahrungsergänzung mit dem Coenzym möglicherweise gesundheitsfördernd ist. Gerade wenn es um die Multiple Sklerose geht, ist die Studienlage noch zu dünn, um eine verlässliche Einschätzung abzugeben.
Sind Omega-3-Fettsäuren bei MS zu empfehlen?
Omega-3-Fettsäuren gehören zu den mehrfach ungesättigten Verbindungen, die für den Menschen lebensnotwendig sind. Wichtig dabei: Der Körper kann diese Fettsäuren nicht selbst herstellen. Er ist also darauf angewiesen, dass sie mit der Nahrung oder entsprechenden Nahrungsergänzungsmitteln aufgenommen werden.
Generell sollen Omega-3-Fettsäuren antientzündlich wirken. Außerdem spielen sie bei der Funktion von Gehirn und Augen eine bedeutende Rolle. Für viele dieser und anderer Wirkungen gibt es wegweisende Studien. Wenn es explizit um die Effekte auf die Multiple Sklerose geht, so sind die Ergebnisse allerdings sehr unterschiedlich.
Positive Trends
Bei rund 300 MS-Erkrankten in Großbritannien untersuchten Forscher den Einfluss von mehrfach ungesättigten Fettsäuren auf Dauer, Schwere und Häufigkeit von MS-Rückfällen. Nach einer zweijährigen Behandlung gab es zwar keine signifikanten Unterschiede zwischen der Gruppe, die mit ungesättigte Fettsäuren versorgt worden war, und der Gruppe, die ein Scheinmedikament (Placebo) erhalten hatte; immerhin zeigte sich aber ein positiver Trend zugunsten der Omega-3-Fettsäuren-Gruppe. Diese Ergebnisse wurden im Jahr 1989 veröffentlicht.
Auch eine – mit 16 Teilnehmern allerdings eher kleine – Studie in Norwegen brachte gute Resultate. Die Probanden bekamen eine Ernährungsberatung und dann sowohl Fischöl als auch Vitamine als Nahrungsergänzung. Sie wurden zwei Jahre lang in Bezug auf ihre Blutwerte und auf neurologische Aspekte hin beobachtet. Das Fazit der Wissenschaftler im Jahr 2000: Eine Nahrungsergänzung mit Fischöl und Vitaminen könne die Situation bei Personen mit neu diagnostizierter MS vermutlich verbessern.
US-Neurologen-Gesellschaft kritisch
Andere Studien und Publikationen sind nicht ganz so vielversprechend. Die American Academy of Neurology (AAN), die größte Neurologen-Gesellschaft der USA, hat 2014 Richtlinien herausgegeben, in denen es um den Einsatz von Komplementärmedizin bei Multipler Sklerose geht. Omega-3-Fettsäuren werden darin im Hinblick auf die MS-Therapie folgendermaßen eingestuft: Sie seien nicht in der Lage, die Lebensqualität deutlich zu verbessern, Schübe oder das Fortschreiten der Erkrankung zu verhindern.
Krankheitsaktivität und Psyche nicht verbessert
Ähnlich fiel das Ergebnis von Forschern aus, die an verschiedenen Zentren in Norwegen die Effekte von Omega-3-Fettsäuren auf den Krankheitsverlauf bei mehr als 90 Betroffenen testeten. Die Studie lief von 2004 bis 2008. Insgesamt hatten die ungesättigten Fettsäuren keine positiven Auswirkungen auf die Krankheitsaktivität. Weder hinsichtlich der Müdigkeit noch der Lebensqualität gab es signifikante Unterschiede zwischen der "Omega-Gruppe" und der "Placebo-Gruppe". Auch die Rückfallquote war in beiden Gruppen ähnlich. MRT-Aufnahmen zeigten ebenfalls keine deutlichen Vorteile durch die Einnahme von Omega-3-Fettsäuren.
Einige Forscher in den USA legten ihr Augenmerk speziell auf psychische Probleme bei MS-Erkrankten. Konkret ging es um behandlungsresistente Depressionen. Nach drei Monaten mit jeweils 6 g Omega-3-Fettsäuren als Nahrungsergänzung pro Tag zeigten sich keine signifikant besseren Ergebnisse als in der Gruppe, die ein Scheinmedikament bekommen hatte.
Linolensäure könnte etwas ausrichten
Umgekehrt scheint es so zu sein, dass eine eher ungesunde Ernährung mit vielen gesättigten und weniger ungesättigten Fettsäuren das Risiko, an Multiple Sklerose zu erkranken, nicht wesentlich erhöht. Das zumindest ergab eine mehrjährige Studie mit mehr als 90.000 Frauen. Zwar zeigte sich bei denjenigen mit einer erhöhten Zufuhr von Linolensäure (das ist eine Omega-3-Fettsäure) ein etwas geringeres MS-Risiko. Allerdings war dieses Ergebnis nicht signifikant. Demnach hat also die Zusammensetzung der Fette, die wir zu uns nehmen, keinen eindeutigen Einfluss auf die Entstehung einer Multiplen Sklerose.
Fazit: Keine Beweise, aber mögliche Chancen
Sie sehen also: Wie so oft im Bereich der Ernährung und der Nahrungsergänzungsmittel gibt es keine eindeutigen Beweise dafür, dass eine Extra-Portion an Omega-3-Fettsäuren etwas an der MS-Erkrankung, an Entstehung, Symptomen und Verlauf ändert.
Andererseits ist bekannt, dass Omega-3-Fettsäuren antientzündliche Effekte haben, schädliche freie Radikale abfangen und generell von Bedeutung sind. Insofern könnte man auf dem Standpunkt stehen: Es gibt zwar keine endgültigen wissenschaftlichen Nachweise speziell für positive Wirkungen von Omega-3-Fettsäuren bei MS; dennoch besteht eine gewisse Chance, dass die ungesättigten Fettsäuren dem Körper guttun.
Omega-3-Fettsäuren in Algen, Pflanzenölen und Fisch
Wie kommt man aber nun an die Omega-3-Fettsäuren? Sie stecken in bestimmten Algen, Ölen (v.a. Leinöl, Chiaöl, aber auch Hanf-, Walnuss- und Rapsöl) und Fischsorten wie Lachs, Sardinen und Hering. Außerdem sind sie als Nahrungsergänzungsmittel in Form von Kapseln oder Algen- bzw. Fischöl auf dem Markt.
Wichtig sind aber nicht nur die Omega-3-Fettsäuren an sich. Vielmehr geht es darum, dass das Verhältnis von Omega-6-Fettsäuren zu Omega-3-Fettsäuren stimmen sollte. Am besten scheint nach derzeitigem Stand ein Omega-6-zu-Omega-3-Fettsäuren-Verhältnis von 4:1 bis 6:1 zu sein.
MS: Was bewirkt die Gabe bestimmter Enzympräparate?
Grundsätzlich lassen sich Enzyme in zwei Gruppen einteilen – je nachdem, ob sie einen pflanzlichen oder einen tierischen Ursprung haben. Gemeinsam ist ihnen, dass sie Eiweiße spalten. Für die Bekämpfung verschiedener Krankheiten wie der Multiplen Sklerose ist aber vor allem von Bedeutung, dass sie Entzündungen regulieren können.
Enzyme tierischen und pflanzlichen Ursprungs
Zu den tierischen Enzymen gehören Trypsin, Chymotrypsin und Pankreatin. Für die Herstellung von Nahrungsergänzungsmitteln werden sie meistens von Schweinen oder Rindern gewonnen, und zwar aus deren Bauchspeicheldrüsenextrakt.
Papain und Bromelain sind dagegen pflanzlich. Papain ist ein Extrakt der Papaya-Frucht; Bromelain wird aus der Ananas bzw. dem Stamm der Ananaspflanze extrahiert. Es gibt Einzel-, aber auch Kombinationspräparate.
Verschiedene Kombinationen
Die selbst an MS erkrankte Ärztin Christine Neuhofer hat die Enzymtherapie bei sich und hunderten Betroffenen angewandt, insbesondere die Mittel Phlogenzym® und Wobe-Mucos®. Beide enthalten sowohl tierische als auch pflanzliche Enzyme und weisen eine recht hohe Aktivität auf.
Phlogenzym® ist eine Kombination aus den Enzymen Bromelain und Trypsin. Mit dabei ist noch das Bioflavonoid Rutosid, ein Radikalfänger mit ebenfalls anti-entzündlichen Eigenschaften. In Wobe-Mucos® stecken Papain, Trypsin und Chymotrypsin.
Unterschiedliche Erfahrungen und Studienergebnisse
Nach Angaben von Christine Neuhofer berichteten die Betroffenen, dass sich bei ihnen durch die Einnahme der Enzyme unter anderem die Blasen-, Mastdarm-, Sensibilitäts- und Sehstörungen gebessert hätten. Das gilt demnach besonders bei schubförmigen Verläufen.
US-Forscher in Ohio fanden wiederum im Tiermodell heraus, dass beispielsweise Trypsin und Papain die Aktivität autoreaktiver T-Zellen bremsen, die körpereigene Zellen attackieren und somit im Zusammenhang mit Autoimmunerkrankungen wie MS von Bedeutung sind. Allerdings gibt es auch Studien, in denen die Enzymtherapie keinen Vorteil brachte.
Bioverfügbarkeit spielt eine wichtige Rolle
Bei der Anwendung von Enzymen gibt es noch einige Aspekte, die interessant sind. Wichtig ist zum Beispiel, dass die Eiweißstoffe den Magen unbeschadet wieder verlassen und nicht von der Magensäure angegriffen werden. Deswegen müssen Enzympräparate einen entsprechenden Schutz vor dem sauren Milieu des Magens bieten.
Die jeweiligen Mittel unterscheiden sich zudem in ihrer Bioverfügbarkeit – also darin, wie wirksam sie letztlich sind. Ausschlaggebend ist eben nicht nur die Dosis, sondern auch die Aktivität der Enzyme.
Außerdem sollten Sie die Präparate einige Zeit vor dem Essen einnehmen, am besten eine halbe Stunde bis Stunde vorher. Ansonsten kann es passieren, dass die Enzyme hauptsächlich ihrer eiweißspaltenden Funktion nachkommen und nicht mehr viel für die entzündungshemmende Wirkung übrigbleibt.
Ab und zu Blähungen oder Völlegefühl
Insgesamt sind die Enzyme normalerweise gut verträglich. Werden sehr große Mengen davon genommen, kann es sein, dass sich ein Völlegefühl, Übelkeit oder Blähungen einstellen. Um das zu vermeiden, ist es günstig, die Tagesdosis in kleinen Portionen zu nehmen.
Selten treten allergische Reaktionen wie Hautausschläge auf. Sie legen sich in der Regel, wenn das Mittel abgesetzt wird. Abgesehen davon ist es möglich, dass sich Farbe, Beschaffenheit und Geruch das Stuhls ändern. Das ist aber normalerweise ein harmloses Phänomen.
Welchen Einfluss haben Vitalstoffe (orthomolekulare Medizin) auf die MS?
Es gibt die Annahme, dass es gerade Menschen mit Multipler Sklerose an verschiedenen Vitalstoffen mangelt. Außerdem fehlen vielen Betroffenen offenbar antioxidative Substanzen, die dem Körper einen gewissen Schutz bieten.
Bei MS häufig Mangel an Vitaminen und Mineralstoffen
Was die Vitalstoffe anbelangt, so hat sich gezeigt, dass bei MS-Erkrankten häufig ein Defizit an verschiedenen Vitaminen besteht. Das gilt beispielsweise für die B-Vitamine, außerdem für Vitamin C, D, E sowie Folsäure.
Besonders die verschiedenen B-Vitamine sind wichtig für die Funktion der Nerven. Eine hohe Dosis an Vitamin B1 (Thiamin) soll außerdem dazu führen, dass Betroffene weniger unter der oft belastenden Müdigkeit bzw. Erschöpfung (Fatigue) leiden. Abgesehen davon scheinen viele nicht über genügend Zink, Kupfer, Magnesium, Jod, Selen und Kalzium zu verfügen.
Antioxidantien schützen vor schädlichen Radikalen
Einige der genannten Vitalstoffe sowie Omega-3-Fettsäuren gelten als Antioxidantien. Sie fangen also freie Radikale ab. Freie Radikale sind ungebundene Molekülteile, die in der Lage sind, eine Kettenreaktion auszulösen und gesundem Gewebe Schaden zuzufügen.
Eine gewisse Anzahl an freien Radikalen ist völlig normal und kann vom Körper abgebaut werden. Faktoren wie UV-Licht, Umweltgifte, einige Arzneimittel oder Rauchen führen allerdings dazu, dass verstärkt radikale Teilchen anfallen. Wenn der Organismus damit überfordert ist, kann es schließlich zu Zellschäden kommen.
Zusammenhang zwischen oxidativem Stress und MS
Nun haben Daten ergeben, dass "oxidativer Stress" gerade bei der Entstehung, Entwicklung und beim Verlauf der Multiplen Sklerose eine Rolle spielt. Die Folge: Die sogenannte Demyelinisierung schreitet voran. Das bedeutet, dass die Myelinscheiden, die die Nervenzellen umgeben, weiter abgebaut werden.
Es liegt also nahe, dass eine Behandlung mit Antioxidantien das Gewebe schützen und die neurologischen Ergebnisse bei MS-Kranken verbessern könnte. Eine Studie zeigte beispielsweise, dass die Gabe von 500 mg des Coenzyms Q10 täglich den oxidativen Stress bei Menschen mit Multipler Sklerose senken konnte.
Es bedarf weiterer Studien und Untersuchungen, um diesen Ansatz zu bestätigen. Generell dürfte es aber kein Fehler sein, den Körper mit genügend antioxidativen Substanzen zu versorgen.
Darmkur bei MS: Welche Nahrungsmittel helfen?
Der Darm ist bei weitem nicht nur für die Verdauung zuständig. Er hat mehrere Funktionen. So spielt die Darmflora bei der körpereigenen Abwehr eine große Rolle. Umgekehrt heißt das aber auch: Der Darm kann auf verschiedene Art und Weise Beschwerden oder Krankheiten auslösen bzw. verschlimmern.
Angriffslustige Darmzellen
Das scheint auch für die Multiple Sklerose zu gelten. Zumindest deuten Studien mit eineiigen Zwillingen darauf hin. Auffällig war in Untersuchungen, dass Menschen, die an Multipler Sklerose leiden, bestimmte Arten von Darmbakterien fehlten. Insgesamt haben MS-Erkrankte also wohl ein kleineres Repertoire an förderlichen Bakterien im Darm.
Offenbar ist es so, dass bestimmte Abwehrzellen – nämlich spezifische T-Zellen – fälschlicherweise vom Darm zum Gehirn gelangen. Dort greifen sie dann, so Forscher der Universität Zürich, ein Enzym an, das normalerweise Myelin produziert. Myelin umgibt die Nervenzellen, schützt sie und sorgt dafür, dass Impulse schneller übertragen werden. Eben diese Myelinschicht ist bei Menschen mit MS beschädigt.
Ballaststoffe regenerieren die Darmflora
Es leuchtet also ein, dass es sinnvoll ist, sich im Zuge der MS-Behandlung auch um die Darmflora zu kümmern. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, den Darm zu verwöhnen und zu pflegen. Da sind zum einen Ballaststoffe. Sie kommen vor allem in Gemüse, Obst, Vollkornprodukten, Nüssen und Hülsenfrüchten vor.
Ballaststoffe sind wichtig, weil "gute" Bakterien des Darms sich von ihnen ernähren und aus ihnen wiederum wichtige andere Stoffe bilden. So entstehen unter anderem Butyrat und Propionat. Dabei handelt es sich um kurzkettige Fettsäuren. Sie finden über den Blutkreislauf ihren Weg ins Gehirn. Dort können sie – gerade bei Menschen mit Multipler Sklerose – einen sehr wertvollen Job leisten, indem sie Nervenzellen versorgen und aufpäppeln.
Propionsalz als Therapieergänzung
Untersuchungen haben tatsächlich ergeben, dass MS-Betroffene, die Propionsäure nahmen, anschließend über deutlich mehr Abwehrzellen im Blut verfügten und zugleich weniger Entzündungszellen aufwiesen. Der Wissenschaftler Aiden Haghikia und sein Team von der Ruhr-Universität Bochum konnten in einer Studie zeigen, dass Propionsäure bzw. deren Salz Propionat wirklich einen positiven Einfluss auf den Verlauf einer MS-Erkrankung hat.
Propionsalz gibt es als Nahrungsergänzungsmittel zu kaufen und wird von der Nahrungsmittelkontrolle der Europäischen Union und der US-Behörde für Lebens- und Arzneimittel (FDA) als unbedenklich eingestuft. Empfohlen wird, das Propionsalz als Ergänzung zu den herkömmlichen Medikamenten zu nehmen und so in die gesamte Behandlung einzubinden.
Präbiotika als "Darmfutter"
Durch sogenannte Prä- und Probiotika lässt sich der Darm ebenfalls unterstützen. Präbiotika sind zum Beispiel Inulin und Fructooligosaccharide. Sie sind unverdauliche Bestandteile von Lebensmitteln. Die Präbiotika dienen "guten" Darmbakterien als Nahrung, sodass sie sich satt fressen und infolgedessen vermehren können.
Probiotika dagegen sind lebensfähige Mikroorganismen, die in die Darmflora aufgenommen werden und ihr guttun. Zu den Probiotika zählen unter anderem Milchsäurebakterien. Sie kommen zwar in Lebensmitteln wie Käse oder Joghurt vor, allerdings reichen diese Mengen möglicherweise nicht aus.
Auf dem Markt sind Einzelpräparate entweder mit Prä- oder mit Probiotika. Aber auch Kombinationen werden angeboten, sie heißen "Synbiotika". Die Mittel bekommen Sie als Tabletten, Kapseln oder Tropfen in der Apotheke, in der Regel ohne Rezept.
Alternative Behaldungsansätze bei MS
Gibt es Medikamente oder andere Hilfen gegen Hitzebeschwerden (Uhthoff-Phänomen)?
Beim sogenannten Uhthoff-Phänomen kommt es zur Beschwerdezunahme, wenn der Körper erhitzt ist (Anstrengung, Fieber). Mit Medikamenten kann man dem leider nicht vorbeugen.
Kühlen hilft
Aber man kann dafür sorgen, dass die Körpertemperatur erst gar nicht steigt. Ist bei einer Erhitzung kein Aufenthalt im Kühlen möglich, empfiehlt sich das Tragen von Kühlkleidung, um die Körpertemperatur niedrig zu halten.
Im Fachhandel sind Kühlhosen, Kühlhemden und Kühlwesten erhältlich. Auch Kühlmöglichkeiten für den Kopf wie Caps, Stirn- und Nackenbänder sowie Arm- oder Beinkühlmanschetten gibt es im Fachhandel. Viele Menschen mit MS haben sehr gute Erfahrungen damit gemacht.
Seien Sie kreativ
Es gibt natürlich noch andere Möglichkeiten, um die Körpertemperatur möglichst niedrig zu halten. So können kühlende Speisen (Wassermelone) und Getränke genauso hilfreich sein wie kalte Duschen oder Fußbäder.
Auch Ventilatoren und Klimaanlagen können dabei helfen, die Körpertemperatur effektiv zu senken. Der Kreativität sind dabei keine Grenzen gesetzt. Achten Sie aber darauf, sich bei den ganzen Aktionen nicht noch ernsthaft zu "verkühlen".
Übrigens, leider müssen Sie die Kosten für die ganzen Anschaffungen in der Regel selbst tragen. Sie können zwar versuchen, Zuschüsse bei der Krankenversicherung zu beantragen, aber die Bereitwilligkeit der Kassen ist unterschiedlich und mitunter sehr begrenzt.
Sport ist kein Problem
Obwohl das Uhthoff-Phänomen natürlich auch durch stärkere körperliche Aktivitäten ausgelöst werden kann, sollte man dennoch nicht auf Sport verzichten. Ganz im Gegenteil, MS-Betroffene profitieren vielmehr von regelmäßiger Bewegung. Sorgen Sie in diesem Zusammenhang also einfach für optimale Bedingungen.
Tipps, wie Sie trotz Uhthoff-Phänomen Sport treiben können:
- Verlegen Sie Ihre sportlichen Aktivitäten in der warmen Jahreszeit eher in die kühleren frühen Morgen- oder späten Abendstunden.
- Überschreiten Sie möglichst nicht Ihre persönliche körperliche Belastungsgrenze.
- Bevorzugen Sie bei heißen Außentemperaturen das Schwimmen als Sportvariante.
- Sorgen Sie durch regelmäßiges Training dafür, dass Ihr Körper widerstandsfähiger gegenüber sommerlichen Temperaturen wird.
Was bringt die Hippotherapie bei Multipler Sklerose?
Die Hippotherapie ist eine u. a. bei der MS eingesetzte Form der Krankengymnastik mit speziell ausgebildeten Pferden. Die Betroffenen sitzen während der Therapie in der Gangart "Schritt" auf dem Pferderücken.
Die vom Pferd ausgelösten dreidimensionalen Bewegungen übertragen sich auf das Becken der sitzenden Person und lösen dadurch Impulse aus, die die Haltung und das Gleichgewicht trainieren sowie die Muskelspannung regulieren.
Hippo kann noch mehr
Neben den klassischen Anwendungsgebieten wie Spastik und Gleichgewichtsstörungen kann die Hippotherapie bei der Multiplen Sklerose aber noch einiges mehr bewirken. Durch die Aktivierung der Hüftbeuge-, der Bauch- und der gesamten Rumpfmuskulatur kann beispielsweise auch die Funktion geschwächter Muskelgruppen bei Paresen (unvollständige Lähmung) verbessert werden.
Ein weiterer positiver Aspekt der Hippotherapie bei MS-Erkrankten ist die Stärkung der Psyche und somit gleichzeitig die Vorbeugung gegen Depressionen. Sei es durch den direkten Tierkontakt, durch das Streicheln und Füttern oder durch den Aufenthalt hoch zu Ross in der Natur – die Hippotherapie sorgt bei den Betroffenen in vielerlei Hinsicht sowohl für ein besseres körperliches als auch seelisches Wohlbefinden.
Die positiven Effekte der Hippotherapie bei Multipler Sklerose lassen sich wie folgt zusammenfassen:
- Kräftigung der Rumpfmuskulatur
- Aktivierung der Becken-, Hüft- und Lendenmuskulatur
- bessere Koordination von Rumpf- und Beinmuskulatur
- Normalisierung der Muskelspannung, dadurch weniger schmerzhafte Spastiken
- Verbesserung des Gleichgewichts
- Erhöhung der Ausdauer im Alltag, schnellere Ganggeschwindigkeit
- Schulung der Wahrnehmung
- Steigerung des Selbstvertrauens
- Abnahme der Therapiemüdigkeit
- mehr Lebensfreude und Lebensqualität
Praktischer Ablauf
Eine Hippotherapie-Sitzung dauert zwischen 20 und 30 Minuten, wobei das Auf- und Absitzen (ggf. mit Hilfsmitteln) bereits einen Teil der Therapie darstellt. Um eine Spastik zu verhindern, sitzen die Betroffenen mit deutlich gespreizteren Beinen als beispielsweise auf einem Stuhl oder beim klassischen Reiten.
Es stehen verschiedene Sättel zur Verfügung, die je nach Beschwerdesymptomatik für eine optimale Bewegungsübertragung sorgen sollen. Während der gesamten Therapiezeit führt ein Pferdeführer das Tier im Schritt am langen Zügel. Der Hippotherapeut geht gleichzeitig neben dem Pferd her und kann sich so voll und ganz auf den Betroffenen konzentrieren und die Bewegungsübertragung regulieren.
Nicht bei jedem einsetzbar
Leider ist die Hippotherapie nicht für jeden MS-Betroffenen geeignet. Es gibt einige Gegenanzeigen, die den Einsatz dieses Behandlungsverfahrens limitieren können.
Die Hippotherapie soll u.a. nicht angewendet werden bei:
- Entzündungen der Wirbelsäule, akutem Bandscheibenvorfall
- extremen Abweichungen von der normalen Wirbelsäulenform
- schweren Herzerkrankungen
- nicht ausreichend eingestelltem Blutdruck, Kreislaufproblemen
- medikamentös nicht gut eingestellter Epilepsie
- Allergie gegen Pferdehaar oder Heu
- instabilen Knochenbrüchen
Gut und teuer
Ein Wehmutstropfen bei der ganzen Sache ist: Trotz vieler positiver Praxisbeispiele werden die Kosten für eine Hippotherapie bislang noch nicht regulär von den Krankenkassen übernommen. Geben Sie aber nicht gleich auf, es lohnt sich, dranzubleiben und im Einzelfall immer nachzufragen.
So wird derzeit wohl – auf Grundlage der im August 2017 veröffentlichten Daten der "MS-HIPPO"-Studie – eine Neubewertung der Hippotherapie durch den G-BA (Gemeinsamer Bundesausschuss) angestrebt, die dann idealerweise zur Kostenübernahme führt.
MS und Alternativmedizin: Was hilft nachweislich?
Die größte Neurologen-Gesellschaft der USA hat mehrere häufig bei MS verwendete Methoden der sogenannten Komplementärmedizin wissenschaftlich unter die Lupe genommen. Daraus wurden aktuelle Guidelines für Ärzte und Patienten zusammengestellt. Grundlage waren alle verfügbaren Studienergebnisse zu den jeweiligen Themen in Zusammenhang mit der Anwendung bei Multipler Sklerose. Diese wurden von dem Experten-Team sorgfältig geprüft bezüglich Nutzen, Sicherheit, Nebenwirkungen sowie der Frage, für welche Beschwerden die jeweiligen Mittel empfehlenswert bzw. eher ungeeignet seien.
Zum Thema Marihuana finden sich in den Richtlinien beispielsweise folgende Erkenntnisse: Cannabis-Extrakt sowie synthetisch hergestelltes THC (Tetrahydrocannabinol, ein aktiver Bestandteil von Marihuana) reduzieren nachweislich Spastik und Schmerzen, nicht aber MS-bedingtes Zittern (Tremor). Sativex® Mundspray verbessert deutlich die von Betroffenen beschriebene, also subjektiv wahrgenommene Spastik und Schmerzen sowie Häufigkeit des „Wasserlassens“. Wirkungslos war dieses Spray allerdings bei Spastik, die mit ärztlichen Methoden objektivierbar war. Marihuana in inhalativer, also gerauchter Form konnte in den vorhandenen Studien keinerlei signifikanten Effekt zur Linderung von MS-Symptomen (Spastik, Gleichgewichtsprobleme, Schmerzen, Gedächtnisstörungen etc.) zeigen und wird somit eher nicht empfohlen.
Hier in Kurzform noch weitere Auszüge dieser Richtlinien zu diversen Methoden:
- Ginkgo biloba ist bei MS nicht effektiv zur Reduzierung kognitiver Defizite wie z.B. Gedächtnisstörungen, kann aber gute Dienste bei der Minimierung von Fatigue, also chronischer krankheitsbedingter Müdigkeit, leisten.
- Auch Magnetresonanztherapie kann bei Fatigue offenbar sehr hilfreich sein.
- Reflexzonenmassage kann Missempfindungen der Haut mildern, ist aber bei Symptomen wie Schmerz oder auch Fatigue wirkungslos.
- Eine fettreduzierte Ernährung mit Einnahme von Omega-3-Fettsäuren kann weder Schübe oder Krankheitsfortschritt verhindern, noch die Lebensqualität merklich steigern.
Die kurzgefassten ärztlichen Richtlinien der American Academy of Neurology (AAN) können hier vorab nachgelesen werden (zurzeit leider nur in englischer Sprache): https://www.aan.com/Guidelines/Home/GetGuidelineContent/644
Kommentar: Aktuelle Richtlinien bewerten diverse Alternativmethoden bei Multipler Skleros
Dass mit diesen neuen Richtlinien auch die alternativen Heilmethoden fokussiert und bewertet werden, kann man nur begrüßen. Sehr viele Menschen mit Multipler Sklerose nutzen zur Linderung ihrer Symptome Maßnahmen jenseits der Schulmedizin. Hier ist man aber auch heute noch weitgehend auf vage Empfehlungen und subjektive Erfahrungswerte angewiesen. Häufig probieren Betroffene vieles durch, bis eventuell irgendwas davon hilft. Hier ist es sehr gut und wichtig, die vorhandenen Erfahrungen sorgfältig wissenschaftlich zu bündeln und ergebnisoffen zu betrachten. Auf diese Weise können Patienten und Ärzte am besten entscheiden, von welchen Maßnahmen sie sich in ihrem speziellen Fall die günstigste Wirkung erwarten.
Leben und Alltag mit MS
Multiple Sklerose: Wie kann ich mir den Alltag zuhause erleichtern?
So unterschiedlich die MS in Erscheinung tritt, so verschieden können auch die mit ihr verbundenen Einschränkungen im Alltag sein. Je nach Art und Schweregrad der körperlichen Beeinträchtigungen können für manch einen bereits die eigenen vier Wände zur täglichen Herausforderung werden.
Seien es vorübergehende Gleichgewichts- und Koordinationsstörungen, Schwindelanfälle oder ein stetiges Händezittern bei zielgerichteten Bewegungen – die MS kann ggf. zeitweise dazu führen, dass Sie selbst in Ihrem eigenen Zuhause Schwierigkeiten haben, sich sicher zu bewegen oder alltägliche Dinge reibungslos zu verrichten.
Selbst ist der Mann bzw. die Frau
Natürlich ist es optimal, wenn Sie beispielsweise für bestimmte Besorgungen, Haushalts- und Handwerkertätigkeiten Familie und Freunde haben, die Ihnen hilfreich zur Seite stehen. Es gibt auch Essen auf Rädern, Putzhilfen und Bestellungen über das Internet, die uns allen das Leben erleichtern.
Da sich aber nicht alle Dinge von extern erledigen lassen und auch nicht immer jemand in greifbarer Nähe ist, ist es durchaus sinnvoll, dass Sie (je nach Erkrankungsgrad der MS) vorausschauend bestimmte Überlegungen und Vorkehrungen rund ums eigene Heim treffen. Das schafft nicht nur Unabhängigkeit und Sicherheit, es kann auch die Lebensqualität steigern.
Kleine Alltagshilfen integrieren
Manche Betroffene haben z. B. Schwierigkeiten beim An- und Auskleiden, beim Essen und Trinken oder auch bei der Körperpflege. Das sind tägliche Verrichtungen, die man möglichst lange eigenständig erledigen möchte, die aber aufgrund seiner körperlichen Einschränkungen nicht jedem MS-Erkrankten so ohne weiteres gelingen.
Erfreulicherweise gibt es u. a. Infoblätter und Broschüren, die diesbezüglich Lösungsansätze anbieten und Betroffenen helfen, geeignete Hilfsmittel zu finden bzw. sie sogar selbst herzustellen. Die DMSG (Deutsche Multiple Sklerose Gesellschaft, Bundesverband e.V.) stellt beispielsweise kostenlose Hefte zum Thema "Alltagshilfen – Tipps zur Selbsthilfe" zur Verfügung, die gespickt sind mit unzähligen kreativen Beispielen (mit Moosgummi verdickte Besteckgriffe, Spielkartenhalter, einhändiges Schuheschnüren etc.).
Vermeiden Sie Hindernisläufe
Ebenso wichtig in puncto MS und Sicherheit im Alltag ist definitiv auch, sich ein möglichst barrierefreies Zuhause zu schaffen. Hierzu reicht es zum Teil völlig aus, ein paar ganz banale Dinge zu beherzigen bzw. die eine oder andere kleine Vorkehrung zu treffen.
Tipps, die dabei helfen können, den Alltag mit MS zuhause zu erleichtern:
- Vermeiden Sie potenzielle Stolperfallen (Elektrokabel sicher an der Wand verlegen, Teppichkanten am Boden verkleben, möglichst nichts herumliegen lassen).
- Ziehen Sie Hausschuhe oder rutschfeste Socken an.
- Sorgen Sie im Badezimmer für eine Optimierung der Dusch- und Badebedingungen (z. B. durch Haltegriffe, abgesenkte Wanne, ebenerdige Dusche, Sitzhocker für die Dusche, rutschfeste Einlagen für Dusche und Badewanne).
- Achten Sie bei einem Neukauf auf ein ausreichend hohes Bett bzw. hohe Sitzmöbel, das erleichtert Ihnen das Aufstehen.
Falls Sie (zeitweise) auf einen Rollstuhl angewiesen sind, kommen ggf. auch größere Umbaumaßnahmen Ihrer Wohnung bzw. Ihres Hauses in Frage. Wenden Sie sich zwecks Beantragung einer finanziellen Unterstützung ruhig an die dafür zuständigen Förderstellen (u. a. Pflegekasse, berufliche Rehabilitationsträger wie die Agentur für Arbeit, die Rentenversicherung oder das Integrationsamt, Wohnungsbau-Förderabteilungen der einzelnen Bundesländer, Stiftungen, Grundsicherungsamt).
Sport und Genussmittel: Was ist erlaubt mit MS?
Darf ich mit Multipler Sklerose Sport treiben?
Unbedingt. Wer an einer MS erkrankt ist, profitiert wie jede andere Person von regelmäßiger Bewegung. Wichtig dabei ist, eine für Sie geeignete Sportart zu finden und Ihre ganz persönliche Belastungsgrenze zu beachten.
Sport macht glücklich & hält fit
Sportliche Aktivitäten senken nicht nur nachweislich das Risiko für die Entstehung bestimmter Krankheiten (Herz-Gefäß-Erkrankungen, Diabetes, Rückenbeschwerden etc.), sie steigern auch allgemein unser körperliches und psychisches Wohlbefinden. Des Weiteren kann Sport, richtig eingesetzt, zusätzlich bei MS-Erkrankten als wichtiger Therapiebaustein bestimmte Begleitsymptome (u.a. Spastik, Koordinationsprobleme, Fatigue) gezielt und langfristig verbessern.
10 Argumente, warum Sie auch mit Multipler Sklerose regelmäßig Sport treiben sollten:
- 1. Sport baut Muskeln und Knochen auf – das bringt Kraft und Ausdauer.
- 2. Sport steigert die Gehirndurchblutung und kann die kognitiven Funktionen verbessern (Konzentration, Denkleistung, Wahrnehmung, Problemlösungsfähigkeit).
- 3. Sport kräftigt den Herzmuskel, weitet die Blutgefäße, senkt den Blutdruck.
- 4. Sport kann langfristig dem funktionalen Abbau bei MS vorbeugen – gezielt eingesetzt, erhöht er die Mobilität und verbessert das Gleichgewicht.
- 5. Sport regt den Stoffwechsel und die Fettverbrennung an.
- 6. Sport hilft beim Stressabbau.
- 7. Sport wirkt sich positiv auf die Fatigue (starke Müdigkeit und Erschöpfung) aus.
- 8. Sport sorgt für eine vermehrte Ausschüttung von Glückshormonen und kann Depressionen mindern.
- 9. Sport steigert das Selbstvertrauen in die körperlichen Fähigkeiten – das führt u. a. zu einer besseren Krankheitsbewältigung.
- 10. Sport fördert soziale Kontakte und verbessert insgesamt die Lebensqualität.
Keine vermehrten Schübe
Die Zeiten, als man noch glaubte, dass Schonung und Bettruhe für MS-Erkrankte besser seien als regelmäßige Bewegung, sind lange vorbei. Entgegen der früheren Meinung, dass sich Sport negativ auf den Krankheitsverlauf der MS auswirken könnte, weiß man heute, dass es beispielsweise keinen Zusammenhang gibt zwischen sportlicher Aktivität und der Schubrate.
Grundvoraussetzung für ein erfolgreiches und sinnvolles Sport- bzw. Bewegungskonzept ist allerdings, dass immer der einzelne Mensch mit seiner ganz individuellen MS-Symptomatik im Fokus stehen sollte. Nicht jeder ist für jede Sport- oder Entspannungsart geeignet bzw. gewillt, sie auch auszuüben. So kann es sein, dass manche Betroffene einen breiten Trainingsplan mit Ausdauer- und Krafttraining sowie Beweglichkeits- und Gleichgewichtsübungen bevorzugen, während es andere überfordert.
Lassen Sie sich also bei der Wahl Ihrer sportlichen Aktivitäten ruhig Zeit, holen Sie sich ggf. professionelle Tipps und finden Sie so zu Ihrer ganz persönlichen "Leibesübung".
Welche Sportarten sind bei Multipler Sklerose erlaubt?
Erlaubt ist, was gefällt – vorausgesetzt, Sie verausgaben sich nicht und wählen eine Sportart aus, die sowohl zu Ihrer Persönlichkeit als auch zu Ihrer MS-Symptomatik passt.
Ob nun alleine für sich oder mit anderen im Team, ob im Wasser, im Schnee oder in der Höhe, ob zur Entspannung oder aus Spaß an der Sache – während der eine den Wettkampf oder das Spiel sucht, bevorzugt der andere vielleicht eher Ruhe und Bewegung an der frischen Luft.
Für jeden was dabei
Unabhängig davon, ob Sie als MS-Betroffener an einer leichten Symptomatik leiden oder aber durch die Erkrankung bereits stärker eingeschränkt sind, lässt sich für jeden Interessierten eine geeignete sportliche Aktivität finden. Selbst mit Rollstuhl gibt es unzählige Möglichkeiten, sich aktiv in der Sportwelt zu beteiligen.
Grundsätzlich sollten Sie bei MS und Sport aber folgendes beachten:
- Schätzen Sie sich bzw. Ihre körperlichen Fähigkeiten realistisch ein und überanstrengen Sie sich nicht.
- Bauen Sie ausreichend Ruhepausen in Ihren Trainingsplan ein.
- Beugen Sie einer Überhitzung vor (z. B. mit Kühlbekleidung, kalten Duschen, ausreichend Trinken).
- Kombinieren Sie (wenn möglich) Ausdauer- mit Krafttraining sowie ggf. Beweglichkeits- und Gleichgewichtsübungen.
- Verzichten Sie auf Sport bei einer akuten Infektion.
- Schalten Sie einen Gang runter, wenn Sie in einer "Schubphase" sind.
- Verändern bzw. passen Sie Ihren Trainingsplan gelegentlich an. Damit setzen Sie kontinuierlich wirksame Trainingsreize für Ihren Körper.
Indoor oder Outdoor?
Sie haben die Qual der Wahl. Nutzen Sie deshalb die Möglichkeiten, die Ihnen zur Verfügung stehen, und probieren Sie sich einfach aus. Am Ende zählt vor allem, dass Sie Spaß und Freude haben und gleichzeitig etwas Gutes für Körper und Seele tun.
Um Ihnen einen kleinen Anreiz zu geben, haben wir eine Liste an potenziellen Sportarten bzw. körperlichen Aktivitäten bei MS für Sie zusammengestellt:
- Schwimmen, Aqua-Fitness
- Aerobic, Gymnastik, Tanzen
- Gerätetraining (als medizinische Therapie oder als Fitness- bzw. Krafttraining)
- Klettern, Bergsteigen, Wandern
- Nordic Walking, Joggen
- Fahrradfahren
- Golfen
- Reiten, Hippotherapie
- asiatische Kampfsportarten (u. a. Aikido, Judo, Karate)
- Team-Ballsportarten (Basket-, Hand-, Volley- und Fußball)
- Tischtennis, Tennis
- Kanu, Rudern
- Ski bzw. Langlauf
Sport & Entspannung kombinieren
Ob mit oder ohne MS, jeder Mensch ist anders und hat auch sehr unterschiedliche Interessen. Vielleicht gehören Sie ja zu denjenigen, die Sport als Zumutung betrachten und sich eher für die vielfältigen Angebote der Entspannungs- und Bewegungslehren interessieren. Warum nicht? Auch diese Verfahren haben (insbesondere für MS-Betroffene mit stärkeren Einschränkungen) viele Vorteile. Sie können u. a. Spastik, Fatigue oder Depressionen lindern, das Gleichgewicht sowie die Körperwahrnehmung verbessern – und zwar ohne zu überfordern.
Mögliche Entspannungs- und Bewegungsmethoden bei Multipler Sklerose sind u. a.:
- Tai Chi (langsames, bewusst geführtes Bewegungstraining aus China)
- Qigong (gymnastische Übungen, Teil der Traditionellen Chinesischen Medizin)
- Yoga (alte indische philosophische Lehre, Kombination aus körperlichen und geistigen Übungen)
- Klangschalen (lösen Verspannungen, sorgen für Harmonie)
- Feldenkrais (bewegungspädagogisches Konzept, verbessert Körperwahrnehmung und Koordination)
- PME (Progressive Muskelentspannung, zielt auf die bewusste Entspannung der Körpermuskulatur ab)
- Autogenes Training (schnell erlernbares Entspannungsverfahren)
Kombinieren Sie doch einfach das eine mit dem anderen und profitieren Sie sogleich von Sport und Entspannung, von einer verbesserten Teilhabe am sozialen Leben und somit von neuen Erlebnissen mit Freunden und Bekannten.
Kann ich mit MS noch bedenkenlos Alkohol trinken?
Das kommt darauf an, um wie viel Alkohol es sich handelt. Gegen ein Glas Wein oder Bier hin und wieder ist sicher nichts einzuwenden. Aber insgesamt macht Zurückhaltung Sinn (übrigens auch ohne MS).
Alkohol: der Wolf im Schafspelz
Alkohol, wenn auch in weiten Kreisen der westlichen Industriegesellschaft als Genussmittel geliebt und voll akzeptiert, ist nüchtern betrachtet ein Zellgift. Und das greift unter anderem Nervenzellen an. Wer zu viel Promille im Blut hat, bekommt das schnell zu spüren: typische Symptome sind verschiedene neurologische Störungen wie Schwanken, Verschwommensehen oder Probleme beim Sprechen.
Mit einer Multiplen Sklerose hat man oftmals mit ähnlichen Problemen des Nervensystems zu kämpfen. Alkohol und die MS greifen also in gewisser Weise die gleichen Strukturen an, was potentiell zu einer Verschlimmerung der Beschwerden führen kann.
Widersprüchliche Daten
Regelmäßiger Alkoholkonsum beeinflusst Studienergebnissen zufolge möglicherweise auch das Immunsystem negativ. Bei einer Autoimmunerkrankung wie MS sind negative Folgen zu befürchten. Allerdings gibt es dazu auch komplett widersprüchliche Daten, was die Bewertung sehr schwierig macht.
Ein weiteres Argument, zumindest gegen regelmäßigen Alkoholkonsum, sind die Medikamente, die man bei einer Multiplen Sklerose einnehmen muss. Diese können durch Alkohol mitunter in ihrer Wirkung geschwächt werden, sodass sie nicht in dem Umfang wirksam sind wie das ohne Alkoholkonsum der Fall wäre.
Darf ich mit MS noch rauchen?
Verbieten kann das Rauchen natürlich niemand, ob mit oder ohne MS. Zu bedenken sind aber mehrere mögliche Zusammenhänge mit der Multiplen Sklerose:
- Nikotin ist ein Nervengift und sollte bei einer Erkrankung des zentralen Nervensystems schon prinzipiell besser vermieden werden.
- Studien ergaben, dass das Rauchen das Risiko einer MS erhöht, dass also überzufällig viele Raucher eine Multiple Sklerose entwickeln.
- Zudem scheint das Rauchen den Verlauf der Krankheit negativ zu beeinflussen. Studien zufolge ist die Wahrscheinlichkeit eines Übergangs vom schubförmigen in den sekundär chronisch-progredienten Verlauf bei Rauchern deutlich erhöht.
- Des Weiteren zeigen Untersuchungen, dass auch die im Laufe der Krankheit erworbene Behinderung durch das Rauchen ungünstig beeinflusst wird.
Werfen Sie die Kippen weg
In jedem Fall wäre es also besser, mit dem Rauchen ganz aufzuhören. Dass das besonders für Betroffene mit frisch diagnostizierter MS oftmals schwer ist, ist angesichts des psychischen und körperlichen Stresses kein Wunder. Manche Raucher hören aber auch sofort nach der Diagnose mit dem Rauchen auf, weil die Angst groß ist, dass es eine Ursache sein könnte oder den Krankheitsverlauf beeinflusst.
Wenn Sie übrigens der Meinung sind, dass Sie nicht allein von den Zigaretten loskommen, dann lassen Sie sich doch professionell unterstützen. Sprechen Sie mit Ihrem Arzt oder nutzen Sie die Telefonberatung zur Rauchentwöhnung der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung unter 0 800 8 31 31 31.
Es lohnt sich auf jeden Fall
Zur Steigerung Ihrer Motivation, mit dem Rauchen aufzuhören, hier nochmal eine gute Nachricht: Die schädliche Wirkung des Rauchens lässt kontinuierlich nach, sobald Sie die Glimmstängel weglassen.
Wer also mit dem Rauchen aufhört, kann den Krankheitsfortschritt der MS wieder verlangsamen. Außerdem ist nachgewiesen, dass nach zehn Jahren Nikotinabstinenz das MS-Risiko wieder dem eines Nichtrauchers entspricht.
Soll man seinen Kindern sagen, dass man MS hat?
Ja, Krankheiten vor den Kindern zu verheimlichen ist kaum möglich, denn sie haben meist sehr feine Antennen für das Befinden der Eltern und merken schnell, dass etwas nicht stimmt. Und im übrigen gibt es ja auch gar keinen Grund, die MS zu tabuisieren.
Ehrlich und kindgerecht aufklären
Allerdings sollte man Kinder altersgerecht darüber aufklären, dass ein Elternteil eine Krankheit hat, die zeitweise oder dauerhaft mit bestimmten Einschränkungen verbunden ist. Wichtig ist, Kindern Verlustängste oder gar Schuldgefühle zu nehmen.
Kinder sind durch die chronische Krankheit eines Elternteils zwar einerseits belasteter als Kinder gesunder Eltern. Andererseits wachsen sie aber nicht selten aufgrund der Familienproblematik und werden zu verantwortungsbewussten, hilfsbereiten Menschen, wenn der Umgang mit der Krankheit innerhalb der Familie nach Bedarf thematisiert und nicht tabuisiert wird.
Zu diesem Thema gibt es auch recht gute Informationsbroschüren, etwa von den Landesverbänden der Deutschen Multiple Sklerose Gesellschaft (DMSG):
http://www.dmsg.de/dmsg-bundesverband/index.php?w3pid=dmsg&kategorie=landesverbaende
Umgang mit MS: Was hilft?
Kann die MS auch eine neue Chance bedeuten?
Ja, es gibt durchaus viele MS-Betroffene, die darüber berichten, dass die Erkrankung einen neuen Menschen aus ihnen gemacht habe. Sie schildern, dass sie die MS leichter akzeptieren können, seit sie sie als Stärke und nicht nur als Last ansehen.
Aus dem Leben gerissen
Wer kennt das nicht? Tagtäglich ist man in seinem Trott, verschiebt Aufgaben und Vorhaben von heute auf morgen, regt sich ständig über irgendwelche Kleinigkeiten auf, überträgt Probleme anderer auf sich selbst und träumt einem Leben hinterher, das man sich zu leben jedoch nicht traut.
Dann die Schockdiagnose: Multiple Sklerose. Von einem Tag auf den anderen steht das Leben auf dem Kopf, nichts ist mehr, wie es war. Neben den körperlichen Einschränkungen und Beschwerden sorgt vor allem die Ungewissheit über den Verlauf dieser Krankheit bei vielen für Verzweiflung.
Wie soll es weitergehen? Kann ich meinen Alltag wie bisher bewältigen? Schaffe ich es, den beruflichen und familiären Anforderungen noch nachzukommen?
Die Welt mit anderen Augen sehen
Nicht selten sind es diese unerwarteten Ereignisse bzw. Schicksalsschläge, die manch einen innehalten und über die bisherige Lebensweise nachdenken lassen. So paradox das zunächst klingen mag, auch MS-Betroffene bestätigen, dass ihnen die Erkrankung rückblickend nicht nur mehr Kraft, sondern teilweise auch mehr Lebensqualität gegeben habe. Und zwar trotz der oft schweren und vielfältigen Begleitsymptomatik.
"Man lernt, sich mehr um sich selbst zu kümmern, sich nicht mehr um die Probleme anderer zu scheren und Dinge zu tun, die man sich zuvor nicht zugetraut hätte", so die Worte von Betroffenen. Die angeschlagene Gesundheit dient vielen mit einem Mal als Ausgangspunkt für eine neue Sichtweise auf das eigene Leben und die Welt drumherum.
Die MS als echte Chance
Doch wie genau soll das funktionieren? Wie kann eine chronische, nicht heilbare Erkrankung wie die MS konkret dafür sorgen, dass man sich stärker als zuvor fühlt und lernt, Dinge so zu akzeptieren, wie sie sind? Wie lässt sich die Multiple Sklerose mit den Worten Glück und Zufriedenheit vereinbaren?
Anhand der persönlichen Erfahrungen und Schilderungen von MS-Betroffenen haben wir nachfolgend einige Punkte für Sie zusammengestellt, die aufzeigen, wie sich diese Erkrankung durchaus auch positiv auf Ihr Leben auswirken kann.
Gründe, warum die MS Sie stärker und glücklicher machen kann:
- Wer MS hat, weiß, was "echtes Leid" bedeutet, und kann viel gelassener über andere Alltagsschwierigkeiten hinwegsehen.
- Die MS lässt Sie relaxter und selbstsicherer werden. Sie lernen, sich nicht so schnell aus der Ruhe bringen zu lassen, nicht jedem Impuls nachzugeben und Wichtiges von Unwichtigem zu unterscheiden.
- Durch die MS erfährt man wahre Freundschaft, Rückhalt und Stärke – wenn Hilfe und Unterstützung am nötigsten sind, bemerkt man schnell, wer wirklich zu einem steht und auf wen man sich verlassen kann.
- Die MS lehrt einen, echte Dankbarkeit zu empfinden für das, was man hat (z. B. Familie, Freunde) und noch alles gemeinsam erleben und machen kann.
- Durch die MS lernt man sich, seinen Körper und die eigenen Bedürfnisse besser kennen.
- Die MS bringt Sie dazu, Ihre Träume und Pläne zeitnah zu verwirklichen sowie das Leben bewusster und intensiver zu genießen.
Es zählt immer noch der Einzelne
Selbstverständlich kann sich nicht jeder mit diesen Worten bzw. mit den geschilderten positiven Erfahrungen identifizieren. Für viele Betroffene kann der Verlauf der MS auch so ausgeprägt und schwerwiegend sein, dass sie eher wie eine Farce klingen und nicht wie eine Perspektive.
Klar ist, jeder Mensch ist anders, und auch die MS kann individuell sehr stark variieren. Die Erkrankung als mögliche neue Chance im Leben zu titulieren, soll vor allem als Ermutigung dienen, sich von der Diagnose nicht unterkriegen zu lassen.
Es geht letztendlich also um die Einstellung zum Leben selbst, um persönliche Bewältigungsstrategien im Umgang mit der Krankheit, um Vertrauen, Akzeptanz, positives Denken, Zuversicht und Geduld.
MS: Wie geht man um mit lästigen Blicken Fremder?
Den meisten Menschen mit Multipler Sklerose sieht man ihre Krankheit nicht ohne weiteres an. Das ist sicher auch gut so, kann aber in Einzelfällen auch zum Nachteil werden. Nämlich dann, wenn MS-bedingte Probleme missgedeutet werden.
So wird manchen Menschen mit Multipler Sklerose, die unter Gleichgewichts- oder Koordinationsstörungen leiden, schnell mal angedichtet, sie wären betrunken. Wenn man mitunter auf der Straße ins Torkeln gerät oder die Gabel nicht ohne Missgeschick zum Mund führen kann, ist das schon unangenehm genug. Befremdete Blicke sind dann das Letzte, was man braucht.
Als Betroffener kommt man aber wahrscheinlich kaum umhin, sich in bestimmten Situationen ein dickes Fell zuzulegen. Viel schlechter wäre es, sich deshalb nicht mehr aus dem Haus zu trauen und ein isoliertes Leben zu führen.
Ist eine Selbsthilfegruppe bei Multipler Sklerose sinnvoll?
Für viele MS-Erkrankte kann der Austausch mit Gleichgesinnten durchaus eine große Hilfe im Umgang mit der chronischen Krankheit sein. Nicht selten fühlen sich Betroffene von ihrem Umfeld missverstanden und finden erst im geschützten Rahmen einer Selbsthilfegruppe die nötige Unterstützung.
Schauen Sie genau hin
Seien Sie jedoch achtsam. Im Zeitalter des Internets tummeln sich leider auch viele "schwarze Schafe" in den Foren herum und sorgen mit ihren pessimistischen Grundeinstellungen für schlechte Stimmung unter den Betroffenen. Lassen Sie sich davon nicht herunterziehen und versuchen Sie erstmal, sich einen Überblick zu verschaffen.
In Deutschland leben über 200.000 Menschen mit der Erkrankung Multiple Sklerose, entsprechend üppig ist also das Angebot an Selbsthilfegruppen bzw. Online-Foren. Nehmen Sie sich ausreichend Zeit, um herauszufinden, welche Form des Kontakts überhaupt für Sie in Frage kommt, und lassen Sie es dann einfach auf einen Versuch ankommen.
Die Auswahl ist groß und vielfältig
Möglichkeiten gibt es viele – sei es über offene Treffen an Ihrem Wohnort, über Chat-Räume und Foren im Internet oder beispielsweise über Ihren DMSG-Landesverband. Es gibt u. a. allgemeine Gesprächsgruppen, Selbsthilfegruppen zum Erfahrungsaustausch, Gruppen für gemeinsame Aktivitäten bzw. zur Freizeitgestaltung (Singen, Tanzen, Sport etc.), aber auch spezielle Treffen ausschließlich für junge MS-Betroffene, für Frauen oder nur für Angehörige.
Allen Selbsthilfegruppen gemeinsam ist, dass sich dort Menschen treffen und austauschen, die das gleiche Grundproblem und somit auch ein offenes Ohr für die Nöte und Sorgen anderer MS-Betroffener haben. Sie stehen also nicht allein da.
Sie müssen selbst entscheiden
Sicherlich ist eine Selbsthilfegruppe nicht jedermanns Sache. Manche Betroffene möchten sich nicht ständig mit der Erkrankung auseinandersetzen und kommen besser damit zurecht, wenn sie die MS so gut es geht ignorieren. Andere wiederum haben das Bedürfnis, regelmäßig über ihre Alltagsprobleme zu reden und hoffen, von den Erfahrungen anderer Teilnehmer zu profitieren.
Der Übersicht halber haben wir nachfolgend nochmal einige Punkte für Sie zusammengestellt, die die positiven Aspekte solcher Organisationen hervorheben sollen.
Argumente, die für die Teilnahme an einer MS-Selbsthilfegruppe sprechen könnten:
- Austausch mit Gleichgesinnten, die einen verstehen und auch ernstnehmen
- freiwillige, regelmäßige und verbindliche Treffen schaffen Vertrauen
- man fühlt sich als Teil einer Gemeinschaft, entwickelt mehr Selbstvertrauen
- geschützter Raum, in dem Gespräche vertraulich behandelt werden
- keiner muss sich verstellen oder eine Rolle spielen, man kann seinen Gedanken und Gefühlen freien Lauf lassen
- Förderung von sozialen Kontakten und Netzwerken
- Persönlichkeitsentwicklung und Horizonterweiterung
- Möglichkeit, neue gute Freundschaften zu knüpfen
- unbürokratische Rahmenbedingungen, in denen eigenverantwortliche Planung und Mitgestaltung in der Gruppe erlaubt und erwünscht sind
- unterstützende Beratung in sozialen, rechtlichen und ggf. medizinischen Fragen
Ob eine Selbsthilfegruppe also letztendlich für Sie persönlich sinnvoll ist, können nur Sie selbst entscheiden. Nur Mut!
Für Familie und Freunde
Wie kann ich jemanden mit MS am besten unterstützen?
Menschen mit MS haben teilweise mit massiven Einschränkungen, Zukunftsängsten und auch Vorurteilen zu kämpfen. Sie können einem betroffenen Angehörigen, Freund oder Bekannten helfen, indem Sie zuhören, nachfragen, seine Sorgen ernstnehmen und ihm den entsprechenden Rückhalt geben.
Nichts ist mehr, wie es war
Das Schlimmste ist für viele MS-Erkrankte zunächst sicherlich die Ungewissheit. Was bedeutet die Diagnose MS für mich? Werde ich irgendwann im Rollstuhl enden? Muss ich meinen Beruf aufgeben? Wie sage ich es meinem Partner, Freunden, Bekannten? Werde ich vielleicht zum Pflegefall? Muss ich nun lebenslang Medikamente einnehmen? Was ist mit meiner Familienplanung?
Doch diese Unsicherheiten und Ängste sind bei weitem nicht die einzigen "verborgenen" Belastungen, mit denen sich MS-Betroffene regelmäßig auseinandersetzen müssen. Im Alltag sehen sich viele nicht selten mit der Ignoranz, dem Unverständnis, den Unterstellungen, aber auch mit der Hilflosigkeit ihrer Mitmenschen konfrontiert.
Hinsehen, zuhören, helfen
Doch gerade weil diese chronische, bislang nicht heilbare "Erkrankung mit den 1000 Gesichtern" in vielerlei Hinsicht noch ein Mysterium ist, sind MS-Betroffene umso mehr auf Unterstützung, Rücksichtnahme und Verständnis aus ihrer unmittelbaren Umgebung angewiesen.
Scheuen Sie also nicht davor zurück, auf den Betroffenen in Ihrem Umfeld zuzugehen bzw. versuchen Sie einmal, sich in ihn hineinzuversetzen. Es gibt durchaus einige Ratschläge und Verhaltensregeln, die man dabei als Freund, Kollege oder Angehöriger beherzigen kann und die dazu beitragen können, die Multiple Sklerose zu enttabuisieren und somit besser zu verstehen.
Zeigen Sie vor allem Präsenz
Oft reicht ein einfacher, aber ernstgemeinter Satz, um zu symbolisieren, dass man sich jederzeit auf Sie verlassen kann und Sie stets ein offenes Ohr für die Sorgen und Nöte Ihrer Freunde oder Familie haben. Manchmal sagt aber auch eine feste Umarmung mehr als tausend Worte. Seien Sie also vor allem Sie selbst, ohne sich zu verstellen, und zeigen Sie Präsenz, ohne zu bedrängen.
Nachfolgend haben wir noch einige Hinweise bzw. Ratschläge, die Ihnen vielleicht einen etwas leichteren Umgang mit der weitverbreiteten, chronischen Erkrankung Multiple Sklerose ermöglichen.
Allgemeine Tipps, wie Sie Angehörige oder Freunde mit MS unterstützen können:
- "Reden ist Silber, Schweigen ist Gold." Halten Sie sich mit schlauen Ratschlägen zurück und hören Sie vor allem zu. Als Betroffener möchte man sich bei Freunden und Familie vor allem "ausheulen" können, sich alles von der Seele reden, was einen bedrückt und beschäftigt.
- Fragen Sie gezielt nach Befinden, Ängsten und Sorgen, aber auch nach Wünschen, Vorstellungen und Träumen rund um das Leben mit der Erkrankung.
- Nehmen Sie auch die "unsichtbaren" Leiden eines MS-Betroffenen ernst und unterstützen Sie ihn bei Bedarf im Alltag. Nichts kann für einen MS-Erkrankten schlimmer sein, als wenn er aufgrund äußerlich nicht erkennbarer Leiden (Erschöpfung, Kraftlosigkeit, Schmerzen, Seh- und Empfindungsstörungen etc.) als Jammerlappen oder gar Simulant dargestellt wird.
- Zeigen Sie Verständnis, Respekt und Geduld. Vorübergehende Störungen von Konzentration, Aufmerksamkeit oder Gedächtnis bedeuten nicht, dass derjenige nicht mehr eigenständig denken und handeln kann. Behandeln Sie den Betroffenen also nicht wie ein kleines Kind, sondern reagieren Sie angemessen auf die bestehenden Einschränkungen.
- Genau wie wir alle haben auch MS-Betroffene gute und schlechte Tage. Allerdings kann die Tagesform deutlich stärker schwanken als bei Gesunden. Haben Sie also Verständnis, wenn der Tag nach einem entspannten Ausflug am Morgen nachmittags plötzlich in völliger Erschöpfung endet.
- Bieten Sie immer wieder Ihre Unterstützung an – auch wenn Sie ggf. öfter mal unwirsch von Ihrem Angehörigen oder Freund abgewiesen werden. Für einen MS-Erkrankten ist es nicht leicht zu akzeptieren, dass er gewisse Sachen vielleicht nicht mehr ganz ohne Hilfe erledigen kann. Seien Sie deshalb nicht gekränkt, sondern signalisieren Sie ruhig in regelmäßigen Abständen Ihre Hilfsbereitschaft.
MS und Infekte
Warum ist es mit MS besonders sinnvoll, sich vor Erkältungen und Infektionen zu schützen?
Infektionen wie Grippe, schwere Erkältungen oder Magen-Darm-Entzündungen beeinflussen das Immunsystem und können zur vorübergehenden Zunahme von Beschwerden führen. Das muss nicht passieren, aber es kann passieren. In seltenen Fällen können solche Infekte sogar einen MS-Schub auslösen.
Minimieren Sie das Ansteckungsrisiko
Deshalb ist es sinnvoll, sich vor Infekten so gut wie möglich zu schützen. Wenn Sie die nachfolgenden Ratschläge in der Erkältungszeit beachten, können Sie einer Ansteckung bestens vorbeugen.
Hilfreiche Tipps zur Prophylaxe von Infektionskrankheiten sind u. a.:
- Waschen Sie sich regelmäßig und gründlich Ihre Hände, verwenden Sie unterwegs ggf. ein Händedesinfektionsmittel.
- Meiden Sie den direkten Kontakt zu erkälteten bzw. infektiösen Mitmenschen.
- Verzichten Sie in der Erkältungszeit idealerweise auf öffentliche Verkehrsmittel.
- Fassen Sie sich möglichst wenig ins Gesicht. Bakterien und Viren gelangen sonst leichter in Ihre Mund- und Nasenschleimhäute.
- Bewegen Sie sich regelmäßig und ausreichend an der frischen Luft.
- Ernähren Sie sich gesund, ausgewogen und vollwertig. Nehmen Sie dabei über den Tag verteilt genügend Flüssigkeit zu sich (stilles Wasser, ungesüßten Tee).
- Schlafen Sie ausreichend lang und vermeiden Sie Stress.
- Lassen Sie sich ggf. von Ihrem behandelnden Arzt bezüglich der jährlichen Grippeschutzimpfung beraten.
Bitte nicht übertreiben
Allerdings sollte man es auch nicht übertreiben. Einen kompletten Schutz vor Erkältungen und ähnlichen lästigen Infekten gibt es nicht, und eine Quarantäne mit Ausschluss sozialer Kontakte, bloß um sich nicht anzustecken, ist natürlich Quatsch.
Um es noch einmal ganz klar zu sagen: Nicht jeder Infekt führt zu einem Schub, lediglich das Risiko ist erhöht. Es geht hier mehr darum, den offensichtlichen Ansteckungsquellen aus dem Weg zu gehen, also zum Beispiel mit dem erkälteten Freund mal ein paar Tage aufs Schmusen zu verzichten.
Stimmt es, dass man mit Multipler Sklerose seltener Erkältungen bekommt?
Ja, zumindest berichten Menschen mit MS immer wieder davon. Möglicherweise lässt das überaktive Immunsystem bei Multipler Sklerose Erkältungen häufig erst gar nicht zu.
Die Ursache ist aber nicht hinreichend geklärt. Außerdem gibt es auch Menschen, die berichten, sie wären infektanfälliger, seit sie Multiple Sklerose haben. Hierbei wäre interessant zu wissen, ob diese Beobachtung ggf. mit der gleichzeitigen Einnahme bestimmter immunmodulatorischer Medikamente in Verbindung steht.
Da Erkältungen oder grippale Infekte mit einem gewissen Risiko einhergehen, einen MS-Schub auszulösen, gehen viele Betroffene mit Multipler Sklerose einer Ansteckung noch bewusster aus dem Weg, als man das ohnehin schon tut. Eine geringere Erkältungshäufigkeit könnte deshalb auch schlicht damit zusammenhängen, dass sich Menschen mit MS mehr vorsehen. Ob die Erkrankung Multiple Sklerose Erkältungen wirklich vorbeugen kann, lässt sich also bislang noch nicht abschließend beantworten.
Das können Sie selbst tun
Wie bereits erwähnt gehören virale Infekte zu den potenziellen Triggerfaktoren eines MS-Schubes. Um die Ansteckungsgefahr, insbesondere während der Erkältungszeit, so gering wie möglich zu halten, gibt es zahlreiche Tipps zur Prophylaxe.
Um Infekten vorzubeugen, sollten Sie als MS-Erkrankter Folgendes beachten:
- Sorgen Sie für eine gesunde, ausgewogene Ernährung und nehmen Sie über den Tag verteilt genügend Flüssigkeit (ungesüßten Tee, Wasser) zu sich.
- Verzichten Sie auf das Rauchen und trinken Sie Alkohol nur in Maßen.
- Seien Sie sportlich aktiv und halten Sie sich regelmäßig im Freien auf.
- Vermeiden Sie negativen Stress und sorgen Sie für ausreichend erholsamen Schlaf.
- Achten Sie darauf, vor allem in der Erkältungszeit gründlich Ihre Hände zu waschen. Verwenden Sie unterwegs ggf. ergänzend ein Händedesinfektionsmittel.
- Meiden Sie vorübergehend den Kontakt zu akut infektiösen Menschen und verzichten Sie in der Erkältungszeit möglichst auf öffentliche Verkehrsmittel (Bus, Bahn).
- Informieren Sie sich bei Ihrem Hausarzt über die jährliche Grippeschutzimpfung.
Hiervon lieber die Finger lassen
Im Gegensatz zu anderen Menschen sollten Sie als MS-Betroffener eines jedoch nicht machen: Ihr Immunsystem bei einer drohenden Erkältung zusätzlich durch pflanzliche Arzneimittel stimulieren.
Immunstimulantien wie Echinacea (Sonnenhut) oder das Präparat Umckaloabo® (enthält Pelargonienwurzelextrakt) steigern das ohnehin überschießende Immunsystem bei MS. Es besteht dann die Gefahr, dass es unter der Einnahme dieser immunaktivierenden Pflanzenextrakte eher zu akuten Krankheitsschüben kommt.
Darf man zur Vorbeugung von Erkältungen Echinacea einnehmen?
Nein, lieber nicht. Bei Multipler Sklerose sollte man auf Echinacea, aber auch auf andere pflanzliche Medikamente und sogenannte Naturheilmittel, die das Immunsystem stimulieren, besser verzichten.
Mittel können Schübe auslösen
Der Grund: Diese Mittel steigern das ohnehin überschießende Immunsystem bei MS, so dass die Gefahr von Schüben erhöht ist. Immunstimulantien wie Echinacea (Sonnenhut) sind deshalb bei allen sogenannten Autoimmunerkrankungen (Multiple Sklerose, Morbus Crohn etc.) keine gute Wahl.
Pflanzliche Präparate, die aufgrund ihrer immunaktivierenden Wirkung bei MS besser nicht eingenommen werden sollten, sind u. a.:
- Esberitox® (enthält u. a. Sonnenhut)
- Lymphozil® Lutschtabletten (enthalten Sonnenhut)
- aar® vir Dragees (enthalten Sonnenhut)
- Umckaloabo® (enthält Pelargonienwurzelextrakt)
Bleiben Sie kritisch
Beachten Sie hierbei bitte, dass zu den meisten pflanzlichen Arzneimitteln keine aussagekräftigen Studien vorliegen. So ist es nicht verwunderlich, dass Sie z. B. im Zusammenhang mit MS und der Einnahme von Erkältungspräparaten oft widersprüchliche Empfehlungen hören.
Bleiben Sie also kritisch und fragen Sie im Zweifelsfall Ihren Neurologen bzw. MS-Experten. Oder noch besser: Greifen Sie bei (drohenden) Erkältungen einfach auf frisches Obst und Gemüse zurück. Wenn Sie eine gesunde Ernährung dann noch mit ausreichend Schlaf, Erholung und Bewegung an der frischen Luft kombinieren, sind Sie definitiv auf der sicheren Seite.
Darf man sich mit Multipler Sklerose impfen lassen?
Ja, bis auf wenige Ausnahmen sind Impfungen auch für Menschen mit MS möglich und die Auslösung eines Schubes ist nicht zu befürchten. Problemlos sind zum Beispiel Impfungen gegen Grippe, Tetanus und Röteln.
Vorsicht bei Lebendimpfstoffen
Das Robert-Koch-Institut (RKI) empfiehlt derzeit, virale Lebendimpfstoffe bei MS-Erkrankten nur nach sorgfältiger Nutzen-Risiko-Abwägung zu verabreichen, da bislang unsicher ist, ob sie möglicherweise einen Krankheitsschub begünstigen. Sollten Sie also beispielsweise planen, in ein Land zu reisen, wo eine Gelbfieberimpfung erforderlich ist, wäre es ratsam, vorher mit einem MS-Experten zu sprechen.
Bei der Mumps-Masern-Röteln-Impfung (MMR) haben Untersuchungen dagegen gezeigt, dass die MS seit Einführung der Impfung nicht häufiger auftritt.
Ausnahme: Immunsuppressive Therapie
Impfungen sollten generell in stabilen Phasen der Krankheit verabreicht werden, also nicht während eines MS-Schubes bzw. einer Behandlung mit Kortison. Es wird sogar empfohlen, nach einem akuten Schub (mit Kortisonbehandlung) mindestens drei Monate lang bis zur nächsten Impfung zu warten.
Bei Medikamenten, die das Immunsystem unterdrücken (Immunsuppressiva), ist besondere Vorsicht geboten. Da Lebendimpfstoffe in Kombination mit solchen Arzneimitteln zu schweren Krankheitsbildern führen können, sollte man diese Impfungen während des Behandlungszeitraumes (und manchmal auch eine gewisse Zeit danach) tunlichst unterlassen.
Die Impfung mit Totimpfstoffen ist dagegen auch während einer immunsuppressiven Therapie möglich. Allerdings muss hierbei der Impferfolg durch Bestimmung des Antikörper-Titers im Blut kontrolliert werden.
Gut zu wissen…
Die Hepatitis-B-Impfung (Totimpfstoff) stand lange Zeit im Verdacht, MS-Schübe auszulösen. Das konnte jedoch in zahlreichen Studien nicht belegt werden.
Impfungen unter einer Therapie mit Interferonen oder Glatirameracetat (Copaxone®) sind nach derzeitigem Wissensstand unbedenklich und wirksam.
MS und Sexualität
Kommt es bei Multipler Sklerose auch zu Problemen mit der Sexualität?
Im Laufe der Erkrankung entwickelt jeder Zweite mit Multipler Sklerose auch Probleme mit der Sexualität. Einige Studien geben sogar eine Häufigkeit von 90% an. Dabei scheinen Männer häufiger betroffen zu sein als Frauen.
Allerdings muss man bei diesen Studien berücksichtigen, dass sowohl Probanden mit nur ganz leichter Multipler Sklerose als auch Betroffene mit sehr weit fortgeschrittener MS befragt wurden. Und zwischen diesen Gruppen gibt es natürlich erhebliche Unterschiede. Auch ist in solchen Studien nicht immer sauber zu trennen zwischen tatsächlich körperlich bedingten Störungen und eher psychisch-mental bedingten Problemen mit der Sexualität.
Darüber sprechen, denn es gibt Gegenmittel
Fakt ist: MS-Herde können Gefühlsstörungen im Genitalbereich verursachen. Auch Spastiken in der Becken- und Oberschenkelmuskulatur können zu körperlichen Problemen bei der Sexualität führen. Beides ist aber eher selten. Auch kann es durch die MS zu verminderter Befeuchtung (Lubrikation) im Genitalbereich kommen.
Daneben steht die nicht bezifferbare Zahl an möglichen psychisch-seelischen Ursachen: Abgeschlagenheit oder depressive Verstimmungen schlagen natürlich auch auf die Lust.
Bestes Rezept: Offen darüber sprechen. Sowohl über körperliche Probleme als auch über stimmungsbedingte Lustlosigkeit. Mit dem Arzt, aber auch mit dem Partner, wenn es ihn gibt. Denn für beide möglichen Ursachen (körperlich, seelisch) gibt es ganz gute Gegenmittel.
Sexuelle Probleme bei MS und was dagegen hilft
Welche Störungen der Sexualität können bei MS auftreten?
Die Multiple Sklerose kann sich sowohl direkt als auch indirekt auf das Sexualleben der Betroffenen auswirken. Grundsätzlich unterscheidet man hierbei zwischen primären, sekundären und tertiären Sexualstörungen.
Weit verbreitetes Phänomen
Ob und wann sich die MS auf Ihr Sexualleben und somit auch auf Ihre Partnerschaft auswirkt, ist wie die Erkrankung selbst natürlich sehr individuell. Es zeigt sich jedoch, dass mit zunehmendem Grad der Behinderung auch die Probleme mit der Sexualität zunehmen.
Auch wenn dieses Thema leider häufig von Ärzten und MS-Betroffenen tabuisiert wird, geht man davon aus, dass sich die Erkrankung im Verlauf bei bis zu 60 % der Frauen und bis zu 70 % der Männer negativ auf das Liebesleben auswirkt. Einige Studien geben sogar eine Häufigkeit von 90 % an. Schön und beruhigend zu wissen, dass heutzutage viele der Beschwerden gut zu behandeln sind.
Störungen auf drei Ebenen
Die MS kann sich hinsichtlich der Sexualstörungen auf drei Ebenen auswirken. Die primären Störungen sind direkt auf die neurologischen Schädigungen zurückzuführen, die sekundären entstehen indirekt durch die körperlichen Veränderungen im Rahmen der MS; die tertiären Sexualstörungen sind Folge der psychischen Reaktion auf die MS-Erkrankung.
Primäre Sexualstörungen bei MS können folgendermaßen in Erscheinung treten:
- Libidoverlust (sexuelle Lustlosigkeit)
- Erektionsstörungen
- Orgasmus- und Ejakulationsstörungen
- Lubrikationsstörung (unzureichendes Feuchtwerden)
Sekundäre Sexualstörungen bei Multipler Sklerose können entstehen durch:
- Spastik, Muskelschwäche
- Schmerzen
- Aufmerksamkeits- und Konzentrationsstörungen
- Zittern in den Händen
- Inkontinenz (Blasen- und Darmschwäche)
- Fatigue (chronische Müdigkeit)
- Störungen des Menstruationszyklus
- nicht-genitale Empfindungsstörungen
Tertiäre Sexualstörungen treten oft im Zusammenhang mit folgenden psychisch belastenden Faktoren auf:
- Depressionen
- veränderte körperliche Wahrnehmung
- verändertes Selbstwertgefühl
- Leistungsdruck
- veränderte Rollenverteilung in der Familie
Sprechen Sie darüber
Das Wichtigste, aber auch das Schwierigste bei sexuellen Problemen ist, offen und ehrlich darüber zu reden. Nur wenn Sie mit Ihrem Partner uneingeschränkt über Ihre Ängste, Hemmungen, körperlichen Schwierigkeiten, aber auch über Ihre ganz persönlichen Bedürfnisse sprechen können, schaffen Sie auch die Voraussetzungen für ein erfülltes Sexualleben.
Und denken Sie immer daran: Sie stehen als MS-Erkrankter bei weitem nicht allein mit diesen Problemen da. Lassen Sie sich von den entsprechenden Fachleuten beraten und holen Sie sich gegebenenfalls Hilfe im Rahmen einer gezielten Gesprächs- oder Sexualtherapie.
Multiple Sklerose: Was kann ich bei sexuellen Problemen tun?
Sexuelle Probleme im Zusammenhang mit der Multiplen Sklerose können sehr unterschiedliche Ursachen haben. Entsprechend breit und vielfältig sind daher auch die Behandlungsmöglichkeiten.
Der Sache auf den Grund gehen
Wenn Sie als Betroffener bemerken, dass sich die Erkrankung zunehmend auf Ihr Sexualleben auswirkt, ist es Zeit, sich beispielsweise über das Wie und Warum Gedanken zu machen:
Wie genau äußern sich die sexuellen Probleme? Treten sie regelmäßig auf oder nur in bestimmten Situationen? Was könnte hinter den Störungen stecken? Haben sie eine direkte organische Ursache, sind es Nebenwirkungen der Medikamente oder eine Konsequenz der MS-Beschwerden? Spielt meine psychische Verfassung vielleicht auch eine entscheidende Rolle?
Die MS kann sich auf verschiedenen Ebenen auswirken und zu primären, sekundären oder auch tertiären Sexualstörungen führen. Aber nur wenn klar ist, welches Problem bzw. welche Einflussfaktoren eventuell mitverantwortlich sind für die sexuellen Beschwerden, kann auch gezielt und somit effektiv therapiert werden.
Diverse Strategien einsetzen
Bei der Suche nach den möglichen Ursachen für die Sexualstörungen sollte man übrigens auch die Geschlechterzugehörigkeit im Blick haben. Eine ideale Therapiestrategie ist folglich nicht nur breitgefächert, sondern unterscheidet zusätzlich zwischen den individuellen Problemen bei Männern und Frauen.
Behandlungsoptionen bei MS-bedingten Sexualstörungen sind u.a.:
- Potenzmittel (PDE-5-Hemmer), Schwellkörper-Autoinjektionstherapie (SKAT) oder mechanische Erektionshilfen für Männer mit Erektionsstörungen
- lokale Anwendung von Östradiol-haltigen Salben oder Vaginalzäpfchen, Gleitgelen bei Scheidentrockenheit
- Einsatz von speziellen Einlagen, Analtampons bei Inkontinenz (helfen, den vaginalen und analen Bereich trocken zu halten und so Infektionen im Genitalbereich zu reduzieren)
- spezielle Vaginalzäpfchen, Tabletten zum Aufbau und zur Stärkung der Scheidenflora
- zusätzliche Physiotherapie bei Spastik, Muskelschwäche, Inkontinenz etc.
- begleitende Psycho- oder Sexualtherapie
Weitere Tipps & Tricks
Neben der symptomatischen medikamentösen sowie nicht-medikamentösen Therapie von Sexualstörungen gibt es noch einige andere nützliche Ratschläge, die Sie im Hinblick auf ein erfülltes Sexualleben – trotz MS – beherzigen können.
Tipps zum besseren Umgang mit sexuellen Problemen bei MS:
- Suchen Sie das offene Gespräche mit Ihrem Partner, teilen Sie Ihre Sorgen, äußern Sie Ihre Wünsche.
- Setzen Sie ruhig mal sexuelle Hilfsmittel (z. B. Vibratoren) zur Unterstützung des Liebesspiels ein.
- Sorgen Sie für weniger Leistungsdruck – nicht jede Zärtlichkeit muss zwangsläufig immer zum Geschlechtsakt führen.
- Lernen Sie zu entspannen (beispielsweise durch das Einüben bestimmter Meditations- bzw. Bewegungstechniken im Rahmen von Entspannungsverfahren).
- Verzichten Sie auf kräftezehrende, komplizierte Sexstellungen – weniger ist oft mehr.
- Verlegen Sie das Liebesspiel ggf. auf Tageszeiten, in denen Sie sich üblicherweise nicht mit Fatigue (erschöpfender Müdigkeit) herumschlagen müssen.
- Leeren Sie Ihre Blase und/oder Ihren Darm, bevor Sie mit Ihrem Partner intim werden.
Helfen die üblichen Potenzmittel bei Erektionsproblemen wegen der MS?
Das hängt von der Ursache der Erektionsstörungen ab, aber es gibt durchaus Fälle, in denen Viagra® (Sildenafil) und Verwandte (Tadalafil, Vardenafil) hilfreich sein können. Sprechen Sie ganz offen mit Ihrem Arzt darüber.
Effektive Helfer bei Impotenz
Sildenafil, Tadalafil und Vardenafil gehören zu den sogenannten Phosphodiesterase-5- bzw. PDE-5-Hemmern. Es handelt sich um eine Gruppe von Wirkstoffen zur Behandlung der erektilen Dysfunktion (Störung der Gliedversteifung).
Die Medikamente sorgen bei entsprechender erotischer Stimulation für eine verbesserte Durchblutung des Penis und verhindern ein frühzeitiges Abbauen der Erektion. Hierbei unterscheiden sich die einzelnen Wirkstoffe sowohl hinsichtlich der Einnahme und Wirkungsdauer als auch hinsichtlich der Nebenwirkungen.
Vorsicht bei "natürlichen Potenzmitteln"
Neben den verschreibungspflichtigen "Potenzpillen" gibt es natürlich auch eine ganze Reihe an frei verkäuflichen potenzfördernden Präparaten bzw. Nahrungsergänzungsmitteln. Allerdings ist die Wirkung dieser natürlichen Potenzmittel wissenschaftlich nicht erwiesen.
Besonders vorsichtig sollte man vor allem bei Produktangeboten im Internet sein. Viele der hier erhältlichen Mittel werden nämlich keinerlei Prüfung zu Wirksamkeit oder Verträglichkeit unterzogen. Die Einnahme solcher Präparate kann daher für manche Männer durchaus gesundheitliche Risiken mit sich bringen.
Dennoch sollten selbstverständlich nicht alle natürlichen Potenzmittel verteufelt werden. Es gibt inzwischen einige bezüglich ihrer Wirkungsweise gut untersuchte Lebensmittel und Gewürze (Yohimbin, Maca, Horny Goat Weed, Safran, Ginseng, etc.). Diese potenzfördernden Naturmittel können sich durchaus positiv auf die Erektionsfähigkeit auswirken, indem sie beispielsweise generell für eine bessere Durchblutung des Körpers sorgen.
Alternative Möglichkeiten
Wenn eine klassische medikamentöse Behandlung keine Option ist, können alternativ ggf. auch mechanische Erektionshilfen wie Penispumpen, Penisringe oder Implantate bei MS-bedingter Impotenz zum Einsatz kommen.
Wenn mangelnde Feuchtigkeit (Lubrikation) das Problem ist, was bei manchen Männern und Frauen mit MS vorkommt, lohnt sich ein Versuch mit handelsüblichen "Lubrikationsmitteln". Die gibt es in jeder Drogerie.
MS und Schwangerschaft
MS und Kinderwunsch: Spricht etwas gegen eine Schwangerschaft?
Dazu ein klares "Nein". Weder schließt die Diagnose Multiple Sklerose einen Kinderwunsch aus noch kommt es unter einer Schwangerschaft zur Verschlechterung der Erkrankung. Ganz im Gegenteil – die Schubrate nimmt während dieser Zeit sogar tendenziell ab.
Planung von Vorteil
Experten empfehlen, eine Schwangerschaft bei bekannter MS wenn möglich gut zu planen. Hintergrund ist, dass sich ein stabiler Krankheitsverlauf vor der Schwangerschaft vorteilhaft auf die Schubrate nach der Entbindung auswirken kann. Das bedeutet, dass der letzte MS-Schub idealerweise schon länger zurückliegen sollte, so dass dann prinzipiell nichts gegen ein Absetzen der bestehenden Medikation spricht.
Es wäre in diesem Zusammenhang übrigens sinnvoll, sowohl Ihren Gynäkologen als auch Ihren Neurologen frühzeitig mit in Ihre Familienplanung einzubeziehen. Je nach aktueller Therapie kann nämlich übergangsweise ggf. eine alternative Behandlung erforderlich sein, um bei manchen MS-Medikamenten das Risiko eines "Rebounds" (verstärktes Wiederauftreten von Symptomen nach Absetzen eines Arzneimittels) zu minimieren.
Medikamentenpause empfohlen
Da viele bei der MS eingesetzte Arzneimittel in der Schwangerschaft und Stillzeit nicht (oder nur eingeschränkt) eingenommen werden dürfen, wird eine Unterbrechung der medikamentösen Therapie meist schon vor einer geplanten Schwangerschaft empfohlen.
Wichtig zu wissen: Es gibt in der Behandlung der MS durchaus Immuntherapeutika, die bereits bis zu sechs (im Einzelfall sogar bis zu zwölf) Monate vor Eintritt der Schwangerschaft abgesetzt werden sollten. Andere Medikamente müssen dagegen erst bei nachgewiesener Schwangerschaft pausiert werden. Im Einzelfall können bestimmte Wirkstoffe sogar noch in der Schwangerschaft verabreicht werden.
Die Natur macht das schon
Falls Sie sich jetzt Gedanken darüber machen sollten, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass Sie während der Schwangerschaft (und ohne medikamentöse Therapie) einen MS-Schub bekommen, können wir Sie diesbezüglich erstmal beruhigen. Während der Schwangerschaft gibt es einen natürlichen Schutz für Mutter und Kind. Die meisten an MS erkrankten Frauen brauchen in dieser Zeit keine Medikamente. Es ist sogar so, dass die Schubrate mit bis zu 80 % im letzten Drittel stetig abnimmt. Lediglich in den ersten Wochen bis Monaten nach der Entbindung kann es zeitweise zu einer Erhöhung der Schubrate kommen, die sich aber beispielsweise durch ausschließliches Stillen (vor allem in den ersten zwei Monaten) wiederum positiv beeinflussen lässt.
Im Zweifelsfall Kortison
Sollte es dennoch während der Schwangerschaft zu einem schweren MS-Schub kommen, so ist auch in dieser Situation die übliche Vorgehensweise eine Kortison-Stoßtherapie. Allerdings müssen insbesondere im ersten Schwangerschaftsdrittel Nutzen und Risiken für Mutter und Kind sorgfältig gegeneinander abgewogen werden.
Wichtige Fragen zu Kinderwunsch, Schwangerschaft und Geburt bei MS
Besteht bei Multipler Sklerose ein erhöhtes Risiko für Schwangerschaft und Geburt?
Nein. Schwangerschaft und Geburt verlaufen bei MS-erkrankten Frauen nicht anders als bei gesunden. Es besteht trotz der Multiplen Sklerose kein erhöhtes Risiko für Fehl- und Frühgeburten oder gar Missbildungen des Kindes.
Leichtere Babys
Das einzige, was man in diesem Kontext vielleicht als aussagekräftigen Unterschied bezeichnen könnte, ist das Geburtsgewicht der Kinder. Untersuchungen konnten nachweisen, dass Neugeborene von Müttern mit Multipler Sklerose ein um 100 bis 150 Gramm geringeres Gewicht bei der Geburt aufweisen im Vergleich zu den Babys gesunder Frauen.
Was allerdings reine Statistikspielerei ist, denn bis auf das etwas leichtere Gewicht haben die Kleinen (ebenso wenig wie die Mütter) keinerlei andere "Auffälligkeiten".
Entbindungsart ohne Relevanz
Manche Frauen fragen sich in diesem Zusammenhang, ob eventuell die Art der Entbindung einen Einfluss auf die MS-Erkrankung haben könnte. Doch auch hier können wir Sie beruhigen. Egal, ob Sie sich für einen Kaiserschnitt oder für eine natürliche Geburt entscheiden, der Schubanstieg nach der Schwangerschaft steht in keinem Zusammenhang zur gewählten Entbindungsvariante.
Hierbei spielt es übrigens auch keine Rolle, ob Sie sich während der Geburt eine Vollnarkose oder eine PDA (Periduralanästhesie) geben lassen oder auf beides verzichten. So hat auch die Wahl der Anästhesieform keinerlei Einfluss auf den Verlauf der Multiplen Sklerose.
Kann ich durch die MS-Therapie unfruchtbar werden?
Grundsätzlich ist die Fruchtbarkeit bei Frauen bzw. die Zeugungsfähigkeit bei Männern mit Multipler Sklerose nicht eingeschränkt. Allerdings gibt es in der Therapie der MS durchaus Medikamente, die sie beeinflussen können.
Feind Nummer 1: Mitoxantron
Das in der Behandlung der Multiplen Sklerose eingesetzte Immuntherapeutikum Mitoxantron vermindert nach derzeitigem Kenntnisstand der Wissenschaft die Fruchtbarkeit sowohl bei Männern als auch bei Frauen. Während sich bei jüngeren Betroffenen die Fortpflanzungsorgane nach Beendigung der Therapie prinzipiell wieder erholen können, sieht das bei Frauen über 35 Jahre etwas kritischer aus. In vielen Fällen tritt nach der Behandlung mit Mitoxantron eine dauerhafte Amenorrhö (Ausbleiben der Menstruationsblutung) und somit eine mögliche Unfruchtbarkeit auf.
Weitere kritische Kandidaten
Auch wenn Cyclophosphamid in der Behandlung der MS eher als Ausweichtherapie gilt und somit kaum eingesetzt wird, soll es dennoch nicht unerwähnt bleiben. Das Zytostatikum hat Auswirkungen auf die Bildung der Keimzellen (Eizellen, Spermien) und kann bei beiden Geschlechtern zu Sterilität führen.
Das neuere Immuntherapeutikum Mavenclad® (Cladribin) kann, da es das Erbgut beeinflusst, ebenfalls unerwünschte Wirkungen auf die Keimzellbildung beim Menschen haben.
Eine gute Nachricht: Obwohl unter einer Therapie mit Interferon (INF) auch Unregelmäßigkeiten bzw. Veränderungen der Menstruationsblutung vorkommen, scheint das Medikament keinen Einfluss auf die Ovulationsfähigkeit (Fähigkeit zum Eisprung) zu haben.
Lassen Sie "sich einfrieren"
Sie sollten sich von diesen Informationen aber nicht abschrecken lassen. Zum einen gibt es in der Behandlung der Multiplen Sklerose ja inzwischen einige Alternativpräparate, auf die man zurückgreifen kann; zum anderen haben Sie zusätzlich die Möglichkeit der Kryokonservierung. Bei diesem Verfahren können Sie vor Beginn der MS-Therapie mit einem Arzneimittel, das die Fruchtbarkeit beeinflusst, Ihre Spermien bzw. Eizellen einfrieren lassen. Hierzu müssen Sie allerdings wissen, dass die gesetzlichen Krankenkassen die Kosten dafür nicht übernehmen.
Ist trotz MS eine Kinderwunschbehandlung möglich?
Prinzipiell spricht nichts dagegen. Es besteht allerdings ein gewisses Risiko, dass es unter einer Hormontherapie im Rahmen der künstlichen Befruchtung zu einem Schubanstieg kommt.
Des Weiteren gibt es in der MS-Immuntherapie bestimmte Medikamente, die ein erhöhtes Risiko für Fehlbildungen haben und deshalb rechtzeitig und geplant abgesetzt werden müssen. Aus diesem Grund sollten Sie eine Kinderwunschbehandlung im Vorfeld immer mit dem behandelnden Neurologen und Gynäkologen besprechen.
Nicht gleich alle Medikamente absetzen
Es ist wichtig, genau abzuwägen, welches Arzneimittel bereits vor der Stimulationsbehandlung oder welches vielleicht erst nach Eintritt einer Schwangerschaft abgesetzt werden muss. Einigen Studiendaten ist zu entnehmen, dass bei einer erfolglosen Hormonstimulation (eine Schwangerschaft ist nicht eingetreten) bis zu 35 % der Frauen MS-Schübe erleiden, wenn sie zuvor ihre Therapie pausiert oder nie begonnen haben.
Deshalb gilt: Medikamente nicht einfach wahllos absetzen, sondern vorher genau informieren, bei welchen Wirkstoffen überhaupt eine frühzeitige Therapiepause im Rahmen der Kinderwunschbehandlung erforderlich ist.
Kleiner Lichtblick: Die Wahrscheinlichkeit eines MS-Schubes ist übrigens minimal, sobald die Stimulationsbehandlung erfolgreich war und Sie schwanger sind.
Halbes Jahr Wartezeit nach Cladribin
Zu den MS-Medikamenten, die bereits vor Beginn der Stimulationsbehandlung abgesetzt werden sollten, gehören beispielsweise Teriflunomid (Aubagio®), Fingolimod (Gilenya®) oder auch Cladribin (Mavenclad®). Eine Behandlung mit Cladribin sollte sechs Monate zurückliegen, bevor eine Stimulationsbehandlung begonnen wird.
Wichtig in diesem Zusammenhang zu wissen ist, dass auch Männer, die mit Cladribin behandelt wurden, diese sechsmonatige Karenzzeit einhalten müssen und in der Zeit keine Kinder zeugen dürfen!
Erst müssen die Wirkstoffe aus dem Körper
Bei Aubagio® wird sogar nach Absetzen des Medikament ggf. ein Verfahren zur beschleunigten Elimination (Beseitigung) des Wirkstoffs Teriflunomid aus dem Körper empfohlen. Dadurch soll so schnell wie möglich ein dauerhafter Wirkstoff-Blutspiegel unter 0,02 mg/l erreicht werden. Nur dann ist eine risikofreie künstliche Befruchtung möglich.
Bei Gilenya® ist zu beachten, dass der Wirkstoff Fingolimod nach Beendigung der Therapie noch etwa zwei Monate im Körper verbleibt und erst nach dieser Zeit ein potenzielles Fehlbildungsrisiko für das Ungeborene sicher ausgeschlossen werden kann.
Das genaue Vorgehen sollten Sie allerdings mit Ihrem behandelnden Neurologen besprechen. Nur er kann Ihnen, ggf. in Rücksprache mit dem Gynäkologen bzw. Reproduktionsmediziner, eine konkrete individuelle Empfehlung geben.
Art des Hormons ohne Einfluss auf Schubrate
Falls sich jetzt einige noch fragen sollten, ob man vielleicht durch eine gezieltere Auswahl der Hormone bei der Stimulationsbehandlung die Schubrate reduzieren kann, lautet die Antwort: "bislang nicht wirklich". Derzeit gibt es keinen eindeutigen Hinweis darauf, dass die Reproduktionsmediziner bei Multipler Sklerose eine bestimmte Hormontherapie bevorzugt einsetzen sollten. Am ehesten werden noch die sogenannten GnRH-Agonisten als Schubauslöser diskutiert. Es handelt sich hierbei um Medikamente, die die Produktion der Fruchtbarkeitshormone FSH und LH anregen.
"Plan B"
Kleiner Tipp zum Schluss: Die DMSG (Deutsche Multiple Sklerose Gesellschaft, Bundesverband e.V.) hat 2017 ein Projekt zur Unterstützung und Beratung junger MS-Erkrankter mit Kinderwunsch oder in der Schwangerschaft initiiert, das den Namen "Plan Baby" trägt. Es bietet eine qualifizierte Beratung (medizinisch, psychologisch und sozial) an und arbeitet eng mit regionalen Ansprechpartnern und Netzwerken zusammen.
Schauen Sie ruhig mal die dazugehörige Website an. Sie finden dort sicherlich noch einige zusätzliche, nützliche Informationen zu diesem Thema.
MS: Wann sollte man nach der Entbindung wieder mit der Therapie starten?
Grundsätzlich wird dazu geraten, sobald wie möglich nach der Geburt wieder mit der MS-Behandlung zu beginnen. Wenn Sie allerdings nur eine leichte bis mäßige Krankheitsaktivität haben und stillen möchten, spricht zunächst auch nichts gegen ein Aufschieben der Therapie.
Übrigens, die derzeit allgemeine Empfehlung der WHO (Weltgesundheitsorganisation) zum Thema Muttermilch und Kindergesundheit lautet, vier bis sechs Monate ausschließlich zu stillen und dann mit der Beikost zu beginnen.
Sonderfall MS
Bei MS-erkrankten Frauen sollte man allerdings etwas von diesen aktuellen WHO-Richtlinien abweichen und jeden Fall individuell betrachten. Das Problem ist nämlich, dass sich die meisten MS-Medikamente und das Stillen ausschließen und somit Für und Wider einer zeitnahen Therapie genau abzuwägen sind.
Wenn Sie den Wunsch haben zu stillen, dann scheuen Sie bitte nicht davor zurück, sich die entsprechende fachkundige Unterstützung zu holen. Kleiner Tipp: Die DMSG (Deutsche Multiple Sklerose Gesellschaft, Bundesverband e.V.) unterstützt und berät mit ihrem Projekt "Plan Baby" MS-erkrankte Frauen rund um Kinderwunsch, Schwangerschaft und die Zeit danach. Die entsprechend qualifizierten Mitarbeiter bieten Ihnen ihre Hilfe telefonisch, per Email oder über regionale Netzwerkpartner (u. a. MS-Schwerpunktpraxen) an.
Es gibt keinen Königsweg
Ob Sie sich nun komplett gegen das Stillen und eventuell für eine rasche Fortsetzung der Therapie entscheiden, ob Sie das Kurzzeit- oder doch das Langzeit-Stillen in Erwägung ziehen: Ein "richtig" oder "falsch" gibt es in diesem Zusammenhang nicht.
Um sich und Ihrem Kind möglichst einigen Stress zu ersparen, sollten Sie jedoch spätestens zum Ende der Schwangerschaft wissen, welchen therapeutischen Weg Sie nach der Entbindung wählen werden. Nachfolgend sind einige Punkte zu diesem Thema aufgeführt, die Ihnen bei Ihren Überlegungen vielleicht hilfreich sein könnten.
Rund um das Stillen und die MS-Medikation nach Entbindung sollten Sie beachten:
- Eine hohe Krankheitsaktivität vor und während der Schwangerschaft spricht für einen schnellen Therapiestart innerhalb von zwei Wochen nach der Geburt.
- Zweimonatiges Vollstillen soll sich (laut Studien) wiederum günstig auf die Schubrate der MS auswirken.
- Auch bei positivem MS-Verlauf sollten Sie nicht länger als zwölf Monate insgesamt stillen.
- Schübe während des Stillens können (wenn die vorgeschriebenen Stillpausen eingehalten werden) durchaus mit hochdosiertem Kortison behandelt werden.
- Bestimmte MS-Therapeutika wie Interferon-beta und Copaxone® (Glatirameracetat) können nach sorgfältiger Risiko-Nutzen-Abwägung mit dem behandelnden Neurologen unter Umständen auch in der Stillzeit zur Anwendung kommen.
Prognose und Verlauf
Wie schnell schreitet eine Multiple Sklerose normalerweise voran?
Darauf gibt es keine vernünftige Antwort. Häufig schreitet die MS über viele Jahre so gut wie gar nicht voran oder geht nach einem Schub wieder in eine fast stumme Phase über. Aber es gibt natürlich auch ungünstigere Verläufe. Das ist individuell so unterschiedlich, dass sich eine allgemeine Prognose fast verbietet.
Erfahrungswerte anhand der EDSS-Skala – letztlich ohne Aussagekraft
Wer sich trotzdem wohler fühlt, wenn er die statistischen Mittelwerte kennt, kann sich an den Durchschnittswerten der sogenannten EDSS-Skala (Expanded Disability Status Scale) orientieren. Damit wird der individuelle Grad der neurologischen Beeinträchtigungen, insbesondere die Gehfähigkeit beschrieben.
Die Skala reicht von 0 bis 10. Ab einem EDSS von 3,5 bestehen deutliche Einschränkungen, die die Lebensqualität mindern. Auch die Arbeitsfähigkeit ist beeinträchtigt. Ein EDSS von 7 und darüber besteht nur bei sehr stark fortgeschrittener Erkrankung (so weit kommt es oft gar nicht) und bedeutet in der Regel, auf einen Rollstuhl angewiesen zu sein.
Die meisten Menschen mit Multipler Sklerose bleiben viele Jahre lang auf Stufe 1 und 2 stehen. Kommt es dann doch zu einer Krankheitsprogression, ist der Weg von Stufe 3 bis 6 meist kürzer. In darüberliegenden Stufen kommt es dann meist eher wieder zu einem Stillstand.
Aber wie gesagt, das ist Statistik. Über die eigene Prognose sagt das nichts aus. Genausowenig wie man weiß, ob man in zwanzig Jahren vielleicht Krebs oder einen Herzinfarkt bekommt, weiß man, wie sich die MS in zwanzig Jahren weiterentwickelt.
Einfluss- und Risikofaktoren bei MS
Gibt es Faktoren, die den Verlauf der MS beeinflussen?
Ja, auch bei der Multiplen Sklerose gibt es bestimmte Prognosefaktoren, die tendenziell für einen günstigen (leichten) oder für einen ungünstigen (schweren) Verlauf der Autoimmunerkrankung sprechen. Aber auch hierbei gilt selbstverständlich das "Gesetz der Wahrscheinlichkeiten".
Faktoren, die eher für einen günstigen Verlauf der MS sprechen:
- Der Erkrankungsbeginn liegt vor dem 35. Lebensjahr.
- Bei Erkrankungsbeginn liegt nur ein Symptom vor (z. B. Sehstörungen oder Sensibilitätsstörungen wie Kribbeln, "Ameisenlaufen", Taubheitsgefühl).
- Es liegen keine Lähmungen oder Gleichgewichtsstörungen bei Krankheitsbeginn vor.
- Die Symptome sind nur von kurzer Dauer, sie bilden sich nach dem MS-Schub schnell zurück.
- Zwischen den Schüben bestehen lange Zeitintervalle.
- Nach fünf Jahren Krankheitsdauer besteht ein nur niedriger Behinderungsgrad.
Faktoren, die eher für einen ungünstigen Verlauf der MS sprechen:
- Bei Erkrankungsbeginn liegen bereits mehrere Symptome vor (v. a. solche, die auf Entzündungen im Kleinhirn oder Rückenmark hinweisen: u. a. Zittern der Arme oder Beine, Gang-, Bewegungs- und Sprachstörungen, Muskelkrämpfe oder -steifigkeit).
- Die MS-Schübe sind in der Regel lang andauernd, und die Symptome bilden sich nur schlecht zurück.
- Im MRT sind deutlich erkennbare Entzündungen und Narben (Läsionen) zu sehen.
Bessere Prognose dank neuer MS-Medikamente
Die intensive medizinische Forschung hat in den letzten Jahren dazu geführt, dass man einige neue Erkenntnisse rund um die Multiple Sklerose gewinnen konnte. Obwohl sich die genauen Gründe für die Entstehung der MS bis heute noch nicht vollständig klären lassen, so versteht man doch zunehmend die in Gehirn und Rückenmark ablaufenden Entzündungsprozesse.
Und genau dieses bessere Verständnis hat dafür gesorgt, dass effektivere Behandlungsansätze im Kampf gegen die MS entwickelt werden konnten und auch weiter entwickelt werden. So hat die Kombination moderner Arzneimittel mit einer ganzheitlichen symptomatischen Therapie bereits erheblich dazu beigetragen, dass die Lebenserwartung von MS-Erkrankten heutzutage kaum geringer ist als bei gesunden Menschen.
Moderne Immuntherapeutika haben inzwischen das Potenzial, den Krankheitsverlauf der MS signifikant zu beeinflussen. Je nach Wirkstoff und Verlaufsform der MS können sie sowohl die Anzahl an Schüben deutlich verringern als auch das Fortschreiten der Erkrankung erkennbar verlangsamen bzw. insgesamt die Krankheitsaktivität reduzieren. Und die Zukunft macht Hoffnung auf mehr.
Kann man mit der Ernährung den Verlauf der MS beeinflussen?
Nach bisherigen Erkenntnissen nicht. Allerdings muss man dazu auch sagen, dass der wissenschaftliche Nachweis eines positiven Einflusses der Ernährung schwierig ist. Nicht nachgewiesen heißt also hier nicht "bringt nichts".
Ausgewogen & vielfältig
Da eine gesunde Ernährung in jedem Fall zu einem positiveren Körpergefühl beiträgt, ist es allemal sinnvoll, sich ausgewogen, vitamin- und ballaststoffreich sowie fettarm zu ernähren. Kombinieren Sie das Ganze noch mit ausreichend Flüssigkeit, können Sie davon ausgehen, dass Ihr Körper mit der nötigen Energie und allen wichtigen Nährstoffen versorgt wird.
Doch was bedeutet das konkret für die Umsetzung im Alltag? Was genau beinhaltet fettarme, ballaststoffreiche und vielfältige Kost? Wieviel und vor allem welche Nahrungsmittel sollte man bevorzugt am Tag essen?
Die zehn Regeln der "Esskunst"
Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung e. V. (DGE) hat auf Basis aktueller wissenschaftlicher Erkenntnisse dazu zehn Regeln formuliert, die wir nachfolgend für Sie zusammengefasst haben. Sie sollen Ihnen als Wegweiser für eine gesunde Ernährung bei Multipler Sklerose dienen.
Tipps für vollwertiges, gesundes Essen und Trinken bei MS:
- Essen Sie abwechslungsreich und bevorzugen Sie dabei pflanzliche Lebensmittel.
- Ergänzen Sie die Auswahl an pflanzlichen Nahrungsmitteln durch tierische Lebensmittel wie Milch und Milchprodukte (täglich), Fisch (1-2x/Woche), Fleisch (max. 300 bis 600 g pro Woche, idealerweise Geflügel) und Eier (in Maßen).
- Wählen Sie ballaststoffreiche, vollkornhaltige Nahrungsmittel (Brot, Getreideflocken, Nudeln, Reis) und essen Sie Kartoffeln bevorzugt als Salz-, Pell- oder Ofenkartoffeln.
- Versuchen Sie, mindestens 3 Portionen Gemüse (400 g) und 2 Portionen Obst (250 g) am Tag zu essen und kombinieren Sie es mit Hülsenfrüchten (Bohnen, Linsen, Kichererbsen) sowie (ungesalzenen) Nüssen.
- Bereiten Sie Ihr Essen möglichst fettarm zu ("Garen statt Braten") und verwenden Sie möglichst pflanzliche Öle (z. B. Rapsöl, Olivenöl).
- Meiden Sie versteckte Fette in Wurstwaren, Fast-Food oder Fertigprodukten, in Gebäck und Süßwaren.
- Versuchen Sie, nach Möglichkeit auf Zucker und Salz zu verzichten und greifen Sie lieber zu Kräutern und Gewürzen.
- Nehmen Sie ausreichend Flüssigkeit (ca. 1,5 Liter/Tag) zu sich, am besten stilles Wasser oder ungesüßten Tee. Verzichten Sie auf gesüßte Softgetränke, Energy-Drinks und zu viel Alkohol.
- Nehmen Sie Ihre Mahlzeiten langsam und bewusst ein – das fördert den Genuss und das Sättigungsempfinden.
- Kombinieren Sie eine gesunde Ernährung mit regelmäßiger körperlicher Bewegung (täglicher Spaziergang, Fahrradfahren, Schwimmen etc.).
Auch mal "Fünf gerade sein lassen"
Diese Auflistung bedeutet natürlich nicht, dass Sie sich – nur weil Sie an MS leiden – zukünftig strikt an solche Ernährungsempfehlungen halten müssen. Essen ist Genuss und soll es auch bleiben. Gönnen Sie sich zwischendurch also ruhig mal bewusst den einen oder anderen "Ausrutscher". Das gelegentliche Sündigen schadet (in Maßen) weder Ihnen noch Ihrer Erkrankung.
Muss ich fest damit rechnen, infolge der Multiplen Sklerose irgendwann nicht mehr gehen zu können?
Nein, eine komplette Gehunfähigkeit betrifft nur die Minderheit aller Menschen mit Multipler Sklerose (MS). Das ergaben unlängst auch noch mal Daten aus dem MS-Register 2008.
Dauerhaft im Rollstuhl – heutzutage eher selten bei MS
Demnach sind nach durchschnittlich 13 Krankheitsjahren nur 6 % der MS-Betroffenen auf einen Rollstuhl angewiesen. Allerdings benötigten weitere 28 % nach dieser langen Krankheitsdauer bei Strecken über 100 Meter eine Gehilfe. Die gute Nachricht: Über die Hälfte der beobachteten Menschen mit Multipler Sklerose war nach dieser Zeit uneingeschränkt gehfähig.
Die Prognose bezüglich des Gehens hängt natürlich auch von der Intensität der Erkrankung ab. Aber auch rund 15 % der vorzeitig berenteten Menschen mit MS können uneingeschränkt gehen.
In diesem Zusammenhang ist vor allem der medizinische Fortschritt in der Behandlung der MS zu betonen. Dank einiger innovativer Medikamente ist es inzwischen möglich, sowohl die Krankheitsaktivität als auch das Fortschreiten des Behinderungsgrades bei der MS deutlich zu reduzieren.
Sich den Alltag erleichtern
Sollte die MS im Laufe der Jahre irgendwann doch zu einschränkenden Gehbehinderungen führen, gibt es immer noch ausreichend Hilfen bzw. Möglichkeiten, um im Alltag weiterhin mobil und selbstständig zu bleiben.
Praktische Hilfsmittel, die bei fortschreitender MS für mehr Mobilität im täglichen Leben sorgen können:
- Gehstöcke, Gehgestelle, Rollator: Verschaffen Ihnen u. a. mehr Stabilität bei Gleichgewichtsstörungen und reduzieren somit auch das Risiko zu stürzen.
- Orthesen: individuell angepasste medizinische "Schienen", die z. B. dabei helfen können, ein in der Bewegung eingeschränktes Bein zu stabilisieren und dadurch besser zu führen.
- Greifhilfen: Mit Hilfe von langen Greifzangen können Sie besser an bestimmte Gegenstände herankommen bzw. diese auch halten.
- (Elektro-)Rollstuhl, Scooter: Sorgen für einen erweiterten Bewegungsradius sowohl zuhause als auch außer Haus. Bestimmte Zusatzfunktionen (z. B. integrierter Sitzlift) ermöglichen Ihnen sogar, selbstständig an höhere Regale, Schränke oder auch Fenstergriffe heranzukommen.
- Hebebühnen, Rollstuhllifte: Erlauben Ihnen trotz baubedingter Hindernisse (Stufen, Treppen) weiterhin ein uneingeschränktes Fortbewegen in den eigenen vier Wänden.
Lassen Sie sich beraten
Welches Hilfsmittel nun explizit für Sie in Frage kommt, hängt sowohl von Ihren körperlichen Einschränkungen als auch von Ihrer Wohnumgebung ab.
Bevor Sie sich also für die Anschaffung eines bestimmten Hilfsmittels entscheiden, lassen Sie sich vorher gut beraten. Professionelle Ansprechpartner sind in diesem Fall u. a. Ergotherapeuten oder auch Sanitätshäuser in Ihrer Nähe.
Bedeutet Multiple Sklerose automatisch Behinderung?
Nein, keinesfalls ist die Multiple Sklerose (MS) gleichbedeutend damit, eines Tages behindert zu sein. Bei einem Großteil der Menschen mit MS wird die Erkrankung von anderen Personen nicht einmal bemerkt (was natürlich auch als problematisch erlebt werden kann).
Schwere Verläufe eher selten
Es gibt zwar Betroffene, die einen sehr schweren Verlauf der Krankheit durchmachen, so dass sie irgendwann z. B. nicht mehr laufen können und auf eine Gehhilfe oder einen Rollstuhl angewiesen sind, um mobil zu bleiben. Das betrifft aber die Minderheit der an MS Erkrankten.
Und wenn es tatsächlich passiert, sind die körperlichen Beeinträchtigungen oftmals auch nicht konstant gleich. In bestimmten Phasen kann die Bewegungseinschränkung dann ausgeprägter sein als in anderen. Selbst ein Rollstuhl ist also nicht immer gleichzusetzen mit andauernder starker Behinderung.
Mehr Forschung, weniger Behinderungen
Einer der Hauptgründe für die inzwischen weniger schweren Krankheitsverläufe der MS ist vor allem der medizinische Fortschritt – sowohl hinsichtlich der Erforschung dieser komplexen Erkrankung als auch bezüglich der daraus resultierenden verlaufsmodifizierenden Therapien. Das zunehmend bessere Verständnis rund um die MS-bedingten Entzündungsprozesse im Zentralnervensystem (ZNS: Gehirn und Rückenmark) hat u. a. zu deutlich effektiveren Behandlungsstrategien geführt.
Die MS lässt sich heutzutage nicht nur früher diagnostizieren, sondern auch viel gezielter und individueller therapieren. Das frühe Eingreifen in das Krankheitsgeschehen ist somit ein entscheidender Faktor geworden, um schwere Verläufe zu minimieren.
Ist die Lebenserwartung mit MS verringert?
Deutlich weniger als die meisten glauben. Im Schnitt ist die Lebenserwartung von Menschen mit Multipler Sklerose um sechs bis zehn Jahre kürzer als bei Gleichaltrigen ohne Erkrankung. Dabei ist in den letzten Jahren ein deutlich positiver Trend erkennbar, das heißt, die Lebenserwartung nimmt stetig zu.
Bei der Interpretation solcher statistischen Angaben ist in Bezug auf einen selbst ohnehin immer Vorsicht geboten, da bei diesen Daten alle Betroffenen zusammengefasst werden. Viele Menschen mit MS, insbesondere solche mit mildem Krankheitsverlauf, haben beispielsweise eine nahezu normale Lebenserwartung.
Vielfältige Einflussfaktoren
Ob es nun an den neuen verlaufsmodifizierenden Therapien liegt oder am besseren Management möglicher begleitender MS-Komplikationen (schwere Harnwegsinfektionen, durch Schluckstörungen bedingte Lungenentzündungen etc.) – die Sterblichkeit bei MS-Erkrankten sinkt nachweislich.
In diesem Zusammenhang gibt es natürlich auch Prognosefaktoren, die für einen eher günstigen (leichten) bzw. einen eher ungünstigen (schweren) Verlauf der MS sprechen. Aber auch hier gilt selbstverständlich das "Gesetz der Wahrscheinlichkeiten".
Faktoren, die tendenziell für einen günstigen Verlauf der MS sprechen:
- bei Erkrankungsbeginn nur ein Symptom wie Sehstörungen, Kribbeln oder Taubheitsgefühle
- kurze Symptomdauer und schnelle Rückbildung nach dem MS-Schub
- lange Intervalle zwischen den Schüben
- keine Lähmungen oder Gleichgewichtsstörungen bei Krankheitsbeginn
- nur niedriger Behinderungsgrad nach fünf Jahren Krankheitsdauer
- Erkrankungsbeginn vor dem 35. Lebensjahr
Faktoren, die eher für einen ungünstigen Verlauf der MS sprechen:
- mehrere Symptome bei Erkrankungsbeginn (v. a. solche, die auf Entzündungen im Kleinhirn oder Rückenmark hinweisen wie Zittern der Arme oder Beine, Gang-, Bewegungs- und Sprachstörungen, Muskelkrämpfe oder -steifigkeit)
- lang andauernde Schübe mit schlechter Rückbildung der Symptome
- erkennbare Entzündungen und Narben (Läsionen) im MRT
Positive Zukunftsaussichten
Dank intensiver Forschung hat man in den letzten Jahren zunehmend neue Erkenntnisse rund um die Multiple Sklerose gewinnen und infolgedessen auch bessere Behandlungsansätze entwickeln können. Die Kombination einer ganzheitlichen symptomatischen Therapie mit modernen Arzneimitteln hat u. a. dazu geführt, dass die Lebenserwartung von MS-Erkrankten heutzutage kaum geringer ist als bei gesunden Menschen.
Mit der richtigen und idealerweise frühzeitigen Behandlung ist die Autoimmunerkrankung MS zwar immer noch nicht heilbar, aber inzwischen eine Diagnose, mit der man in den allermeisten Fällen dennoch ein langes und schönes Leben führen kann.
Prognose von MS: wichtig zu wissen
Ist die Multiple Sklerose eine tödliche Krankheit?
Nein, die chronischen Entzündungen bei der Multiplen Sklerose (MS) können zwar bleibende Beeinträchtigungen nach sich ziehen, führen aber in der Regel nicht zum Tod. Todesfälle kommen ganz selten bei sehr schweren Verläufen vor, stellen aber die absolute Ausnahme dar.
Lebenserwartung kaum verringert
In den letzten Jahren ließ sich zunehmend beobachten, dass die Lebenserwartung von Menschen mit Multipler Sklerose deutlich gestiegen ist und sich kaum noch von der "gesunder" Personen unterscheidet.
Zurückzuführen ist diese Entwicklung sowohl auf die effektiveren verlaufsmodifizierenden Therapien als auch auf die verbesserte Behandlung von möglichen Begleiterkrankungen (z. B. schwere Entzündungen der Harn- und Atemwege). Laut Studiendaten sinkt die Sterblichkeit bei MS-Erkrankten weiterhin nachweislich.
Glücklich & aktiv trotz MS
Viele Menschen mit MS führen ein aktives Leben und sind auch nach vielen Krankheitsjahren nicht oder nur wenig eingeschränkt. Manchmal sind die neurologischen Beeinträchtigungen auch nur vorübergehender Natur, verflüchtigen sich also wieder nach einem Schub.
Ein Todesurteil ist diese chronische Krankheit jedenfalls nicht. Doch es muss jeder lernen, mit ihr umzugehen, weil sie nach wie vor nicht heilbar ist. Sie selbst können viel dazu beitragen, um trotz der MS ein schönes, zufriedenes und langes Leben zu führen.
Empfehlungen zum besseren Umgang mit der Autoimmunerkrankung MS:
- Informieren Sie sich frühzeitig über die Möglichkeiten verlaufsmodifizierender (krankheitsverändernder) Arzneimittel. Sie können u. a. die Schubfrequenz senken, die Krankheitsaktivität reduzieren und insgesamt das Fortschreiten der MS verzögern.
- Sorgen Sie für Ihre Gesundheit. Vermeiden Sie Infektionen, bewegen Sie sich ausreichend an der frischen Luft, ernähren Sie sich gesund, schlafen Sie genug.
- Verschweigen Sie keine neu aufgetretenen Begleitsymptome (Blasen- und Darmstörungen, Muskellähmungen, Sexualstörungen, Konzentrationsschwächen etc.), sondern lassen Sie sich rechtzeitig untersuchen und ggf. entsprechend behandeln.
- Suchen Sie den Kontakt zu Gleichgesinnten, tauschen Sie sich mit Ihnen aus, organisieren Sie gemeinsame Unternehmungen.
- Versuchen Sie, nicht immer alles selbst in die Hand zu nehmen. Mit einem gut funktionierenden Netzwerk (Familie, Freunde, Kollegen, Bekannte, Therapeuten) lassen sich Alltagshürden besser und stressfreier bewältigen.
Wie wirkt sich eine Schwangerschaft auf den Verlauf der Multiplen Sklerose aus?
Eine Schwangerschaft hat eher einen positiven Einfluss auf die Multiple Sklerose. Vor allem im letzten Schwangerschaftsdrittel ist die Wahrscheinlichkeit für MS-Schübe deutlich reduziert. Hier schützt sich der Körper offenbar instinktiv selbst bzw. das Baby.
Allerdings nimmt dafür in den drei Monaten nach der Geburt das Risiko, einen neuen MS-Schub zu bekommen, zu. Danach pendelt es sich statistisch wieder dort ein, wo es vor der Schwangerschaft lag.
Wirkt sich Rauchen ungünstig auf den Verlauf einer MS aus?
Statistisch betrachtet ja. Insbesondere MS-Patienten, die sehr früh mit dem Rauchen begonnen haben, sind im Vergleich mit Nichtrauchern etwas häufiger von einem rascheren Fortschreiten der Multiplen Sklerose betroffen. Warum das so ist, ist bis heute ungeklärt.
Gute Gründe gegen Nikotin
Dass Rauchen ungesund ist, sollte zumindest jedem erwachsenen Menschen inzwischen klar sein. Doch gerade bei chronischen Erkrankungen kann sich dieses Laster nochmal zusätzlich negativ auswirken.
Argumente, weshalb man insbesondere bei MS vorzugsweise nicht (mehr) rauchen sollte:
- Überzufällig viele Raucher entwickeln eine Multiple Sklerose. Rauchen scheint also generell das Risiko einer MS zu erhöhen.
- Nikotin ist ein Nervengift und sollte deshalb bei einer Erkrankung des zentralen Nervensystems möglichst vermieden werden.
- Die Wahrscheinlichkeit eines Übergangs vom schubförmigen (RRMS) in den sekundär chronisch-progredienten Verlauf der MS (SPMS) scheint bei Rauchern deutlich erhöht.
- Im Laufe der MS-Erkrankung erworbene Behinderungen werden durch das Rauchen ungünstig beeinflusst.
Einer unter vielen
Wie immer bei solchen Studienergebnissen, die auf dem Vergleich größerer Gruppen an Probanden mit unterschiedlichen Risikofaktoren beruhen, ist beim Rückschluss auf die eigene Situation allerdings Vorsicht angebracht: Längst nicht jeder Raucher mit MS erlebt tatsächlich einen progressiven Verlauf der Erkrankung.
Rauchen ist somit sicherlich einer von zahlreichen Faktoren, die das Risiko beeinflussen können, aber eben auch nicht der einzige.
Rauchstopp zahlt sich aus
In jedem Fall lohnt auch noch das "späte" Aufhören. Die schädliche Wirkung des Rauchens lässt nämlich kontinuierlich nach, sobald Sie die Zigaretten weglassen. Wenn Sie dem Rauchen also zukünftig abschwören, kann das den Krankheitsfortschritt der MS wieder verlangsamen.
Übrigens, wussten Sie, dass nach zehn Jahren Nikotinabstinenz das MS-Risiko wieder dem eines Nichtrauchers entspricht? Wenn das mal keine Perspektive ist…
Stimmt es, dass man mit Multipler Sklerose auch häufiger eine Epilepsie bekommt?
Eine Epilepsie als Folge einer Multiplen Sklerose (MS) kommt absolut gesehen selten vor. Allerdings etwa doppelt so oft wie bei Menschen ohne MS.
Zu epileptischen Krampfanfällen kann es kommen, wenn sich viele Nervenzellen gleichzeitig entladen. Im Prinzip ist das bei jeder Art von Nervenschäden im Gehirn möglich. Bei der Multiplen Sklerose können z.B. Vernarbungen alter MS-Herde die Ursache sein.
Schwindel, Zittern und unsicherer Gang
Kommen Gleichgewichts- und Koordinationsstörungen bei Multipler Sklerose häufig vor?
Das hängt ein wenig von der Sichtweise ab. Irgendwann im Verlauf ihrer Erkrankung erleben viele Menschen mit Multipler Sklerose auch Gleichgewichts- und Koordinationsstörungen. Die können aber auch vorübergehend sein und müssen nicht unbedingt häufig auftreten.
Auch die Feinmotorik kann, etwa durch Zittern (Tremor), eingeschränkt sein. Es fällt dann schwer, zielgerichtete Bewegungen auszuführen, wie das Führen von Besteck zum Mund, das Zuknöpfen eines Kleidungsstücks oder das Einfädeln eines Fadens. Zudem berichten Betroffene immer wieder von Schwindel. Fremde Menschen vermuten deshalb manchmal, der schwankende und taumelnde Mensch wäre betrunken.
Solche Störungen der Koordination entwickeln sich aufgrund geschädigter Nervenfasern im Kleinhirn.
Schwindel und Zittern bei MS: das steckt dahinter
Welche Ursache hat Schwindel bei Multipler Sklerose?
Schwindel ist ein recht häufiges Symptom bei Menschen mit Multipler Sklerose (MS). Wobei man hier zwischen "echtem" Schwindel und nur dem Gefühl von Schwindel unterscheiden muss.
Echter Schwindel kann bei MS vorkommen, wenn die Nerven des Innenohrs betroffen sind. Denn dort sitzt das Gleichgewichtsorgan. Dieser Schwindel ist ein Drehschwindel, der das Gehen erschwert oder sogar zeitweise unmöglich macht. Auch ein vom Hirnstamm ausgehender Schwindel ist möglich. Er führt zu verzerrten Bildern und Wahrnehmungen.
Nicht selten werden aber auch andere Beschwerden als Schwindel wahrgenommen. Motorische Unsicherheiten etwa durch Koordinationsstörungen, Doppelbilder oder andere Beschwerden werden häufig als Schwindel gedeutet, ohne dass es sich dabei nach streng medizinischer Definition um Schwindel handelt.
MS: Warum zittern bei gezielten Bewegungen die Hände?
Dieses Symptom vieler Menschen mit Multipler Sklerose (MS) bezeichnet man als Intentionstremor. Intention steht für die beabsichtigte Bewegung, Tremor bezeichnet das Zittern.
Das Problem liegt im Kleinhirn
Ein solches Zittern entsteht, wenn sich im Kleinhirn MS-Herde gebildet haben. Denn im Kleinhirn sitzt das Koordinationszentrum für gezielte Bewegungen.
Liegt ein Intentionstremor vor, kann es passieren, dass das Essen oder das Trinken, das Fassen von Gegenständen, das Zubinden der Schuhe sowie viele andere Tätigkeiten deutlich erschwert werden. Manchmal werden sie zeitweise sogar unmöglich. Dann hilft für den Moment nur, die Versuche abzubrechen und sich unterstützen zu lassen. Sonst kann es richtig frustrierend werden.
Finger-Nase-Versuch
Mit einem Intentionstremor haben relativ viele Menschen mit Multipler Sklerose irgendwann einmal zu kämpfen. Die Intensität kann dabei jedoch in Abhängigkeit von der Krankheitsaktivität stark schwanken.
Es gibt übrigens einen ganz einfachen Test, mit dem auch der Neurologe einen Intentionstremor überprüft. Beim sogenannten Finger-Nase-Test müssen Sie bei geschlossenen Augen versuchen, mit dem Zeigefinger des zuvor ausgestreckten Armes in bogenförmiger Bewegung die Nasenspitze zu treffen. Zunehmendes Zittern bei Annäherung an die Nasenspitze ist hinweisend für einen Intentionstremor und somit für eine Funktionsstörung des Kleinhirns.
Andere Tremorarten
Ein Tremor bei zielgerichteten Bewegungen ist typisch für die MS. Daneben gibt es viele andere Arten von Muskelzittern. Grob lassen sich Aktions- und Ruhetremor unterscheiden.
Während ein Aktionstremor, zu dem auch der Intentionstremor zählt, nur bei Bewegungen bzw. Muskelaktivierung einsetzt, tritt ein Ruhetremor bei Entspannung auf. Auch hier gibt es wiederum zahlreiche Unterformen. Zittern in Ruhe kommt beispielsweise im Rahmen einer Parkinsonerkrankung häufig vor.
Was ist ein Intentionstremor?
Intentionstremor bezeichnet ein neurologisches Symptom, das unter anderem bei der Multiplen Sklerose auftreten kann. Wenn man eine gezielte Bewegung ausführen will, kommt es dabei zu einem Zittern der Gliedmaßen (meist der Hände). Das kann soweit gehen, dass sich die Bewegung beim besten Willen nicht erfolgreich ausführen lässt.
Bei Menschen mit MS äußert sich der Intentionstremor am häufigsten beim Greifen nach einem Gegenstand. Die Hand zittert dann grobschlägig und der angepeilte Gegenstand wird möglicherweise verfehlt.
Auf ähnliche Weise kann dies auch der Arzt in einer Untersuchung überprüfen. Im Finger-Nase-Test muss man bei geschlossenen Augen versuchen, mit dem Zeigefinger die Nasenspitze zu treffen.
MS: Warum tritt Zittern durch eine Ataxie in Gesellschaft verstärkt auf?
Das Zittern (Tremor) bei MS geht oft auf eine sogenannte Ataxie zurück. Und ataktische Bewegungsstörungen verstärken sich häufig bei körperlicher oder seelischer Belastung.
Während Einem zuhause das Trinken aus einem Glas noch gut gelingen kann, ist die Bewegungsstörung im Restaurant möglicherweise so stark ausgeprägt, dass man es nicht mehr hinbekommt. Verstärkende Faktoren können vielfältig sein und häufig reicht bereits das Gefühl aus, beobachtet zu werden.
Das Hauptproblem daran ist nicht so sehr die körperliche Komponente (dass es zuhause gut klappt, zeigt ja, dass es potentiell besser geht), sondern die psychische. Einige Betroffene schämen sich so sehr, dass sie z.B. Essen und Trinken in der Öffentlichkeit meiden. Ein solcher sozialer Rückzug ist aber fast immer eine schlechte Wahl. Besser ist, zu lernen, das Schamgefühl zu überwinden (auch wenn das natürlich leichter gesagt als getan ist)
Folgesymptome: Sehstörungen
Welche Beschwerden können bei Multipler Sklerose an den Augen entstehen?
Bei der Multiplen Sklerose (MS) sind Probleme an den Augen oder mit der Sehfähigkeit ein häufiges Frühsymptom. Allerdings gibt es auch viele Menschen mit MS, die überhaupt keine Einschränkungen in diesem Bereich haben. Spezifisch ist das also nicht.
Beeinträchtigungen der Augen und der Sehfähigkeit können sehr unterschiedlich sein. Die Beschwerden reichen von unscharfem Sehen, Doppelbildern, Farbsehstörungen, unwillkürlichen raschen Augenbewegungen (Nystagmus) bis zur plötzlichen Erblindung (das ist aber extrem selten). Schmerzen im Bereich der Augen wie auch unscharfes Sehen und Farbwahrnehmungsstörungen kommen häufig im Rahmen einer Sehnervenentzündung vor.
MS-Patienten leiden auch häufig unter unscharfem Sehen, wenn sie sich angestrengt haben. Dieses bei Multipler Sklerose zu beobachtende Phänomen nennt sich Uthoff-Phänomen. Nach einer Zeit der körperlichen Erholung verbessert sich das Sehen wieder.
Formen und Häufigkeit von Sehstörungen bei MS
Was für Sehstörungen können bei Multipler Sklerose auftreten?
Wenn es bei Multipler Sklerose zu Sehstörungen kommt (was längst nicht immer der Fall ist), sind Beeinträchtigungen der Sehschärfe relativ typisch. Oft legt sich auch eine Art milchiger Schleier über die Augen. Manchmal kann es auch zu Augenschmerzen kommen.
Bei länger bestehender Erkrankung kann es vereinzelt auch zu Störungen der Augenmuskeln kommen, was zu einem Doppeltsehen führen kann.
Warum sind Sehstörungen bei Multipler Sklerose relativ häufig?
Es gibt bestimmte Regionen des Nervensystems, in denen sich die ersten MS-Herde vergleichsweise häufig bilden. Dazu gehört auch der Sehnerv. Entmarkungsherde bzw. Entzündungen in diesem Bereich führen zu einer sogenannten Retrobulbärneuritis.
Eine solche Entzündung kann sich dann durch Sehstörungen oder auch Augenschmerzen äußern.
Folgesymptome: Psyche und Geist
Wirkt sich die Multiple Sklerose auf die geistigen Fähigkeiten aus?
Klares Nein. Die Multiple Sklerose (MS) kann zu verschiedenen Einschränkungen führen, die Intelligenz ist davon aber von wenigen Ausnahmen abgesehen nicht betroffen.
Es kann im Verlauf der Multiplen Sklerose mitunter zu Störungen von Konzentration, Aufmerksamkeit, geistiger Leistungsfähigkeit und verstärkter Vergesslichkeit kommen. Das sind sogenannte kognitive Störungen. Das hat aber nichts mit "dumm werden" zu tun, sondern es handelt sich um (meist vorübergehende) Begleiteffekte der Erkrankung oder auch der Behandlung.
In seltenen Fällen entwickeln einige Betroffene nach langem und schwerem Verlauf der MS eine Demenz. Das ist aber ein Sonderfall. Normalerweise wird die Intelligenz nicht beeinträchtigt.
Vergesslichkeit, Sprachstörungen und kognitive Folgen der MS
Macht die Multiple Sklerose vergesslich?
Ganz sicher nicht generell. Aber manchmal kann die Multiple Sklerose auch das Gedächtnis beeinträchtigen. Dabei können sowohl das Kurzzeit- als auch das Langzeitgedächtnis betroffen sein, häufiger ist es jedoch das Langzeitgedächtnis.
Wenn die Gehirnleistung schwächelt
Störungen der Konzentration, der Aufmerksamkeit, der geistigen Leistungsfähigkeit sowie verstärkte Vergesslichkeit gehören zu den sogenannten kognitiven Störungen. Man versteht darunter also ganz unterschiedliche Beeinträchtigungen der Hirnleistung, zu denen u. a. auch die Wahrnehmung sowie die Planungs- und Problemlösungsfähigkeit gehören.
Laut dem deutschen MS-Register leiden etwa 40 % der MS-Erkrankten irgendwann unter solchen kognitiven Einschränkungen. Die Beschwerden können bereits ganz früh auftreten (sogar bevor die MS-Diagnose überhaupt gesichert ist) und wieder verschwinden. Sie können auch bei Betroffenen vorkommen, bei denen die körperliche Leistungsfähigkeit kaum beeinträchtigt ist.
Was man dagegen tun kann
Ziel sogenannter neuropsychologischer Maßnahmen bei nachgewiesenen MS-bedingten kognitiven Störungen ist es, Betroffenen trotz der Beeinträchtigungen wieder eine bessere Lebensqualität zu ermöglichen, und zwar über:
- eine gezielte Verbesserung und Wiederherstellung der kognitiven Fähigkeiten
- den Abbau von Unsicherheit und Ängsten
- Stärkung des Selbstbewusstseins
- eine Erleichterung des Alltags bzw. des Berufslebens
Das neuropsychologische Therapiekonzept beruht dabei auf verschiedenen Ansätzen, bei denen oft ein interdisziplinäres Team aus Neuropsychologen, Sprach-, Ergo- und Physiotherapeuten eng zusammenarbeitet.
Individuell und alltagstauglich
Die zur Behandlung von kognitiven Störungen bei MS eingesetzten neuropsychologischen Maßnahmen beinhalten ein individuelles, alltagsorientiertes und lebensbegleitendes Training. Es soll u. a. den durch die Erkrankung bedingten Störungen des Denkvermögens sowie den damit verbundenen Problemen entgegenwirken.
Das neuropsychologische Training bei MS-bedingten kognitiven Störungen umfasst u. a.:
- ein gezieltes computergestütztes Gedächtnis- und Aufmerksamkeitstraining
- das Üben alltagsorientierter Fähigkeiten (z. B. Lesen, Rechnen, Orientierung, Wahrnehmung)
- Ausgleichs- bzw. Kompensationsstrategien für den Alltag (Durch Verhaltensanpassung, Zeit- und Selbstmanagement wird trainiert, ein bestimmtes Ziel auf einem anderen Weg zu erreichen.)
- das Erlernen von Entspannungsübungen, Kommunikationstraining, Stärkung des Selbstwertgefühls, Verbesserung der Eigenständigkeit, Aktivitätenplanung, Hilfsmitteltraining etc.
Schulen Sie Ihr Gehirn
Aber auch Sie ganz persönlich können etwas gegen das Vergessen unternehmen. So könnten Sie sich beispielsweise angewöhnen, täglich ein Kreuzworträtsel oder ein Sudoku zu lösen. Oder Sie besorgen sich Rätselbücher und Krimi-Rätselspiele.
Es gibt aber auch spezielle Kognitionsübungen für MS-Betroffene, die Sie beispielsweise über eine App oder direkt online absolvieren können. Die Möglichkeiten, seine persönliche Gehirnleistung ohne großen Aufwand im Alltag regelmäßig zu schulen, sind grenzenlos. Probieren Sie es doch einfach mal aus. Sie werden sehen, dass Sie mit der Zeit immer besser und schneller werden.
Gedächtnisstörungen durch Fatigue
Doch nicht immer handelt es sich tatsächlich um eine Gedächtnisstörung, wenn Menschen mit MS bei sich eine gewisse Vergesslichkeit feststellen. Es kann auch schlicht eine Folgen der Müdigkeit sein, die bei der Multiplen Sklerose phasenweise auftritt (Fatigue-Syndrom).
Die Fatigue – eine chronische krankheitsbedingte Müdigkeit, kombiniert mit Erschöpfung und Antriebslosigkeit – ist eine der häufigsten Symptome bei MS. Sie nimmt meist im Tagesverlauf zu und ist weitgehend unabhängig von der körperlichen und seelischen Belastung. Auch in diesem Zusammenhang sind Aufmerksamkeitsstörungen ein häufiger Begleiter.
Kann es bei Multipler Sklerose zu Sprachstörungen kommen?
Ja, das kann vorkommen. Es handelt sich dann aber eigentlich eher um Sprechstörungen, die dadurch entstehen, dass die Koordination der Sprechmuskulatur beeinträchtigt ist.
Sprechstörungen sind eines der vielen MS-Symptome, die auftreten können, aber nicht müssen. Und wenn es dazu kommt, kann das auch nur vorübergehend sein.
Solche Sprechstörungen können im Ausmaß gering sein, so dass andere Menschen kaum etwas davon merken. Sie können manchmal aber auch so ausgeprägt sein, dass man kaum mehr zu verstehen ist.
Ist vor allem die Artikulation gestört, spricht man von Dysarthrie. Sind zusätzlich die Stimme (Höhe oder Lautstärke) betroffen sowie die Atmung, nennen Ärzte das Dysarthrophonie. Frei nach dem Motto: "Warum etwas einfach ausdrücken, wenn es auch schwierig geht."
Was sind kognitive Störungen?
Unter kognitiven Störungen versteht man ganz unterschiedliche Beeinträchtigungen der Hirnleistung. Betroffen sein können: Konzentration, Aufmerksamkeit, Gedächtnis, Wahrnehmung, Planungs- und Problemlösungsfähigkeit.
Solche kognitiven Einschränkungen erleben etwa 40% aller Menschen mit Multipler Sklerose (MS) irgendwann einmal im Verlauf der Erkrankung. Das ergab zumindest die Auswertung des Deutschen MS-Registers.
Derartige Probleme können mitunter auch schon ganz frühzeitig auftreten, sogar noch, bevor die Diagnose überhaupt gesichert ist. Sie können dann aber auch wieder verschwinden. Kognitive Störungen können übrigens auch vorkommen, wenn die körperliche Leistungsfähigkeit kaum beeinträchtigt ist.
Übersicht über vielfältige emotionale Störungen bei MS: Welche psychischen Störungen sind möglich?
Psychische Funktionsstörungen kommen bei Menschen mit Multipler Sklerose deutlich häufiger vor als bei der Durchschnittsbevölkerung. Diese zu erkennen und effektive Hilfen aufzuzeigen ist das Ziel einer gerade publizierten Leitlinie der weltgrößten neurologischen Gesellschaft, der American Academy of Neurology (AAN).
Grob unterscheiden die Autoren in zwei Arten von emotionalen Beeinträchtigungen:
1) Störungen der Gemütslage (mood disorders)
Störungen der Gemütslage (mood disorders) bezeichnen die innere Erfahrung von Emotionen. Sie tendieren – trotz eventuell zwischenzeitlicher Verbesserungen – dazu, eher konstant und dauerhaft zu sein. Die häufigsten sind hier:
- schwere Depressionen (major depression disorder)
- Angststörungen (anxiety disorder)
- Anpassungsstörungen (adjustment disorder)
- Bipolare Störungen (bipolar disorder)
Gemütsstörungen kommen bei MS-Betroffenen meist aufgrund einer komplexen Interaktion von mehreren Faktoren zustande, so z.B. durch den Krankheitsprozess selbst, durch genetische Veranlagung sowie Lebensumstände. Außerdem können insbesondere Depressionen auch als Nebenwirkung von Medikamenten (z.B. Cortison) auftreten.
2) Störungen des Affekts (affect disorder)
Störungen des Affekts (affect disorder) hingegen beschreiben den äußeren Ausdruck von Emotionen. Im Gegensatz zu den Gemütsstörungen erscheinen sie eher unstetig, plötzlich und wandelbar. Die Ursache wird hier primär im Krankheitsprozess, d.h. in MS-bedingten, organischen Veränderungen im Gehirn gesehen.
Zu den bei MS auftretenden Affektstörungen zählen:
- Pseudobulbäre Affektstörung (kurz PBA), die mit plötzlichem, unkontrollierbarem Weinen oder Lachen einhergeht – selbst wenn man sich gar nicht traurig oder erheitert fühlt
- Euphorie, welche insbesondere bei schweren Funktionsstörungen auftritt und gänzlich unpassend zur entsprechenden körperlichen, aber auch psychischen Situation steht
- Apathie mit weitgehendem Fehlen von emotionalem Ausdruck
- emotionale Labilität mit stark wechselnden Gefühlsausbrüchen
Therapieansätze
Bezüglich der Behandlung kristallisierten sich in der Leitlinie insbesondere drei Therapieverfahren heraus, mit denen – in den wenigen MS-spezifischen Studien – die besten Erfahrungen gemacht wurden. Dies waren stark verkürzt und pauschalisiert:
- Kognitive Verhaltenstherapie (cognitive behavioral therapy/ CBT): Hier handelt es sich um eine bestimmte Form der Psychotherapie, bei der der Patient lernt, falsche oder schädliche Gedankenmuster quasi zu durchbrechen und durch „gesündere“ zu ersetzen.
- Psychopharmaka (z.B. Antidepressiva wie Desipramin, Paroxetin, Sertralin): Hier bedauern die Autoren, dass es relativ wenige MS-spezifische Studien und damit Therapieempfehlungen gibt. Somit seien Ärzte weitgehend auf ihre Erfahrung (sowie Untersuchungen mit depressiven Patienten ohne MS) angewiesen.
- Dextromethorphan mit Quinidin (DM/Q): Das ist momentan die einzige Arznei, die bei Pseudobulbärer Affektstörung zugelassen ist. Hier scheinen allerdings auch z.B. Antidepressiva zu helfen.
Die aktualisierte Richtlinie will vor allem für das breite Spektrum möglicher emotionaler Störungen sensibilisieren und sowohl MS-Betroffene als auch deren Ärzte ermutigen, eventuelle Probleme offen anzusprechen.
Zugrundeliegende Richtlinie::
“Assessment and Management of Psychiatric Disorders in Individuals with Multiple Sclerosis” from the American Academy of Neurology, published in the December 27 online issue of Neurology.
Kommentar: Emotionale Störungen bei MS
Auch wenn die Botschaft nicht wirklich neu ist, kann ihre Bedeutung nicht genug unterstrichen werden. Bei den vielfältigen körperlichen Problemen, die die MS ohnehin schon mit sich bringt, neigen viele Betroffene dazu, „Stimmungsschwankungen“ als eher banal und situationsbedingt abzutun.
Wenn emotionale Probleme aber nicht ernst genommen und behandelt werden, können sie alle Körperfunktionen und Lebensbereiche beeinträchtigen. Oft folgen:
- Verlust an Lebensqualität des Betroffenen und seiner Angehörigen mit negativen Auswirkungen auf Arbeit, Freizeit und alltägliche Beziehungen.
- Verschlechterung anderer, auch körperlicher Funktionen und Fähigkeiten<
- Einschränkung bei der MS-Therapie und dem aktiven Krankheitsmanagement
- im schlimmsten Fall sogar Selbstmord
Die Erfahrung zeigt: So mancher MS-Erkrankte ist äußerst überrascht, wie sehr sich die gesamte Lebenssituation verbessert, wenn sich die Psyche wieder stabilisiert bzw. aufhellt.
Depression als Folge der MS: Kommt das häufig vor?
Häufig nicht, aber häufiger. Das Risiko für die Entwicklung einer Depression im Verlauf der Multiplen Sklerose (MS) ist etwa dreimal größer als das bei Menschen ohne MS. Das sagen zumindest Untersuchungen zu diesem Thema.
Im Prinzip ist das wenig überraschend. Gerade in der Anfangszeit, in der noch unklar ist, wie sich die Erkrankung entwickelt und wie sehr sie den Alltag verändern wird, ist die Gefahr, in eine depressive Verstimmung abzurutschen, natürlich erhöht. Später, wenn sich herausstellt, dass sich auch mit der MS noch erfüllt leben lässt, ist auch eine Depression sehr viel unwahrscheinlicher.
Das Problem an Depressionen als MS-Begleiter ist im übrigen nicht nur die trostlose Stimmung. Depressionen beeinflussen neben der Gefühlswelt auch die allgemeine und körperliche Funktionsfähigkeit und Befindlichkeit. Körperliche Beschwerden und Probleme verstärken sich und wirken dann wiederum auf die Depression.
In jedem Fall sollten Sie unbedingt mit Ihrem Arzt sprechen, wenn Sie Anzeichen einer Depression bei sich bemerken. Denn es gibt Gegenmittel.
Folgesymptome: Verkrampfungen und Spastik
Wie macht sich eine Spastizität oder Spastik der Muskeln bemerkbar?
Spastische Beschwerden können bereits früh im Krankheitsverlauf einer Multiplen Sklerose (MS) auftreten. Leichtere Beschwerden entstehen am häufigsten in den Beinen, seltener in den Armen, am Rumpf oder in der Blase.
Was unter dem Begriff "Spastik" zusammengefasst wird, ist in Wahrheit allerdings sehr vielschichtig. Das Beschwerdebild kann von Person zu Person sehr unterschiedlich sein und auch bei einem selbst im Verlauf variieren.
Muskelspastiken: Typische Beschwerden
Die Beine (oder Arme) fühlen sich häufig bereits morgens direkt nach dem Aufstehen steif und gespannt an. Schmerzhafte Krämpfe kommen vor. Manche Menschen mit Spastik leiden auch unter Muskelzuckungen.
Eine Spastik kann das Bewegen erschweren, man fühlt sich ungelenk, es kommt z.B. häufiger zum Stolpern. Viele Betroffene haben das Gefühl, wie ein Roboter zu gehen. Die Muskelspastik hindert manche Menschen mit MS auch am bequemen Liegen und Schlafen. Mitunter kann es dadurch zu Schlafstörungen kommen.
Bei manchen Betroffenen, die zusätzlich an einer ausgeprägten Schwäche der Muskulatur leiden, wirkt sich eine Spastik aber auch positiv aus: Denn sie können durch die Muskelanspannung besser stehen und laufen.
Können nächtliche Wadenkrämpfe Zeichen einer Spastik sein?
Ja, manche Menschen mit Multipler Sklerose entwickeln im Ruhezustand, also zum Beispiel im Liegen, spastische Beschwerden, die sich wie Muskelkrämpfe äußern. Die können sehr schmerzhaft und belastend sein. Denn neben den Schmerzen kann dadurch auch der Nachtschlaf erheblich beeinträchtigt werden.
Andere Betroffene entwickeln allerdings eher bei Belastung Muskelkrämpfe, es gibt hier also keine klaren Regeln.
Gegen eine Spastik helfen am besten bestimmte Medikamente und auch Krankengymnastik. Auch regelmäßige Gymnastik zuhause wirkt der Spastik entgegen.
Spastik bei MS: Auslöser und Ursachen
Wodurch entsteht bei MS eine Spastik?
Spastische Erhöhungen der Muskelspannung sind eines der häufigsten Symptome bei Multipler Sklerose. Sie entstehen durch MS-Herde in der sogenannten Pyramidenbahn, einer bestimmten Hirnstruktur, die die Bewegungssteuerung und das muskuläre System im Körper regelt.
Zu hohe Muskelspannung
Die Tonuserhöhungen (= höhere Anspannung) in der betroffenen Muskulatur führen dazu, dass sich die Muskeln über Maßen anspannen und der Gegenmuskel diese Anspannung nicht mehr wettmachen kann. Daraus resultieren dann die bekannten "spastischen" Bewegungsmuster (ungelenke Bewegungen, Gelenkstarren, Fehlstellungen), die nichts, aber auch gar nichts mit der Denkfähigkeit des Gehirns zu tun haben. Zum Glück sind die Menschen, die Spastik mit geistiger Behinderung gleichsetzen, mittlerweile seltener geworden und müssen sich auch eher selbst Gedanken über ihren Geisteszustand machen.
Leider führen die spastischen Tonuserhöhungen bei MS nicht nur zu Bewegungsstörungen, sondern verursachen oftmals auch Schmerzen.
Wodurch kann eine Muskelspastik verstärkt werden?
Es gibt verschiedene Stimmungslagen wie auch Erkrankungen, die eine Spastik auslösen oder verstärken können. Dazu zählen unter anderem:
- Blasenentzündung
- Stress
- Anspannung
- körperliche Belastung
- Schmerzen
- Infektionen
Bei vielen Menschen mit Multipler Sklerose verstärkt sich die Spastik zudem bei kalten Temperaturen.
Deshalb gilt es in der Behandlung immer auch, nach auslösenden individuellen Faktoren zu fahnden, um diese möglichst auszuschalten. Eine Therapie nach Schema F wäre also zu kurzgegriffen. Allerdings lassen sich nicht immer bestimmte auslösende Faktoren identifizieren.
Welchen Zusammenhang gibt es zwischen einer Spastik und Blasenentleerungsstörungen?
Spastische Muskelkrämpfe und Probleme mit der Blase bzw. dem Wasserlassen sind relativ häufige Beschwerden bei der Multiplen Sklerose. Was zunächst sehr weit voneinander entfernt scheint, hat dabei durchaus einen Zusammenhang. Beide Symptome beeinflussen sich nämlich gegenseitig.
Blasenentzündungen sowie andere Infektionskrankheiten, Stress oder Belastung können zum Auftreten einer Spastik führen oder diese verstärken. Umgekehrt kann eine bestehende Spastik der Beine bis zu den Beckenmuskeln reichen und eine neurogene Blasenstörung verschärfen.
Folgesymptome: Probleme mit der Blase
Ist eine Blasenstörung als Symptom der Multiplen Sklerose häufig?
Ja. Eine neurogene Blasenstörung entwickeln etwa 70% aller Menschen mit Multipler Sklerose (MS) im Verlauf der Erkrankung. Nicht selten ist die Blasenstörung sogar das Erstsymptom der MS.
Das ist insofern nicht verwunderlich, da mehrere Ebenen des zentralen Nervensystems für den reibungslosen Ablauf der Blasenentleerung verantwortlich sind. Häufig kommt es zu Blasenentleerungsstörungen, wenn das Rückenmark an der Erkrankung beteiligt ist. Aber auch das sogenannte Miktionszentrum im Gehirn (reguliert die Blasenfunktion) kann an der Störung beteiligt sein.
Inkontinenz, Harnverhalt und andere Blasen-Probleme bei MS
Welche Arten von Blasenstörungen gibt es und was kann ich dagegen tun?
Mehrere Arten von Blasenstörungen
Die Mediziner unterscheiden bei den MS-bedingten neurogenen Blasenstörungen insgesamt drei Varianten. Je nach Ausprägung können diese funktionellen Störungen nicht nur deutlich die Lebensqualität der Betroffenen einschränken, sondern auch zu Komplikationen führen.
Bei der MS lassen sich folgende Blasenfunktionsstörungen unterscheiden:
- überaktive Blase: häufigste Form, bei der der Urin nicht lange gespeichert werden kann. Folgen sind häufiger Harndrang, Inkontinenz (Blasenschwäche) bis hin zum Einnässen.
- unteraktive Blase: Urin wird nur verzögert und in kleinen Mengen abgegeben, es kommt zum längeren Nachträufeln, und Restharn bleibt in der Blase zurück.
- "Detrusor-Sphinkter-Dyssynergie": Das Zusammenspiel von Austreibermuskulatur und Blasenschließmuskel ist gestört. Folgen sind erhöhter Harndrang, verzögerte und nicht vollständige Blasenentleerung sowie Inkontinenz.
Durch die Kombination aus medikamentöser und nicht-medikamentöser Therapie ist es heutzutage möglich, trotz MS-bedingter Blasenstörungen einen "normalen" Alltag zu führen und gefürchtete Folgeschäden zu vermeiden.
Deshalb gilt: Wenden Sie sich bei einer Blasenstörung frühzeitig an Ihren behandelnden Arzt und beugen Sie Komplikationen vor. Mögliche Folgen einer Blasenstörung im Rahmen der MS sind u.a.:
- häufige Harnwegsinfekte
- Veränderungen des Harntraktes bis hin zum Nierenschaden
- erhöhtes Risiko für Blasenkrebs
Meist arbeiten Urologen und Neurologen bei der Behandlung von Blasenfunktionsstörungen Hand in Hand. So kommen neben verschiedenen Arzneimitteln beispielsweise auch Katheter und physiotherapeutische Maßnahmen zur Anwendung.
Zeigen Sie Eigeninitiative
Noch besser ist es, wenn Sie durch entsprechende Verhaltensmaßnahmen selbst dafür sorgen, die Blasenfunktionsstörungen bereits im Frühstadium positiv zu beeinflussen. Denn auch hier gilt: Vorsorge ist besser als Nachsorge
Folgende Schritte können Sie bei beginnender Blasenstörung selbst einleiten:
- Trinken Sie regelmäßig und ausreichend über den Tag verteilt (bei einer überaktiven Blase sollten Sie die Trinkmenge entsprechend anpassen. Sprechen Sie hierfür mit Ihrem Urologen).
- Führen Sie zur Kontrolle Ihrer Trink- und Urinmengen ein Tagebuch.
- Achten Sie auf regelmäßige (auch vorbeugende) Toilettengänge und versuchen Sie nicht, Ihren Harndrang über längere Zeit zu unterdrücken.
- Lassen Sie sich von einem Physiotherapeuten in die Beckenbodengymnastik einführen. Solche Übungen helfen Ihnen dabei, die Muskulatur gezielt zu stärken.
- Informieren Sie sich über Hilfsmittel bei Blasenstörungen. Spezielle Slips, Vorlagen, Tropfenfänger oder auch Kondom-Urinale (für Männer) können Ihnen bei Inkontinenz bzw. gelegentlichem Einnässen wieder mehr Sicherheit im Alltag geben.
Stimmt es, dass man bei Multipler Sklerose manchmal trotz Harndrang kaum Wasser lassen kann?
Ja, bei der Multiplen Sklerose (MS) kommt es häufig zu sogenannten neurogenen Blasenstörungen. Eine davon ist, dass man trotz Harndrang die Blase nicht ausreichend oder gar nicht entleeren kann.
Ursache ist eine gestörte Zusammenarbeit von Blasenmuskeln. Der Blasenwandmuskel und der Schließmuskel arbeiten normalerweise fein aufeinander abgestimmt. Bei der MS kann diese Koordination beeinträchtigt sein.
Für die Betroffenen äußert sich das Problem darin, dass sie trotz spürbarem Harndrang nur mit Mühe Wasser lassen zu können. Der Urinstrahl bricht immer wieder ab, ohne dass die Blase entleert ist. So kann es zu erheblichen Restharnmengen kommen, in denen sich Keime leicht vermehren und zu Blasen- und Nierenentzündungen führen können.
Kann es bei einer Multiplen Sklerose zu einem Harnverhalt kommen?
Ja, im Fall einer neurogenen Blasenstörung im Rahmen der Multiplen Sklerose (MS) kann es zu einem Harnverhalt kommen. Das bedeutet, dass man zu wenig oder gar keinen Urin lassen kann.
Die Blase füllt sich dadurch immer stärker, bis keine weitere Füllung mehr möglich ist. Anschließend staut sich der Urin bis in die Nieren zurück, wodurch Nierengewebe geschädigt wird und harn- bzw. ausscheidungspflichtige Substanzen im Blut verbleiben.
Ein Harnverhalt sollte sofort behandelt werden, damit die Nieren keinen Schaden nehmen. Auch bei einer erhöhten Restharnbildung (verbleibender Urin in der Blase nach dem Wasserlassen) sollte man die Werte regelmäßig beim Urologen kontrollieren lassen.
Kann es sein, dass man bei der Multiplen Sklerose inkontinent wird?
Ja, Blasenstörungen sind nach einer gewissen Krankheitsdauer häufig. Dabei können sich verschiedene Störungen entwickeln. Auch eine Inkontinenz kann auftreten, wobei die Beschwerden durchaus schwanken, sprich kommen und gehen können.
Eine Blasenstörung äußert sich zu Beginn oft mit häufigerem Harndrang. Man muss dann manchmal mehrmals pro Stunde die Toilette aufsuchen, kann aber immer nur geringe Mengen Urin absetzen. Später kann es passieren, dass der Harndrang so stark ist, dass man es nicht immer bis zur Toilette schafft und den Urin nicht halten kann. Dann spricht man von Inkontinenz.
Eine andere Form der Blasenstörung äußert sich darin, dass die Blase sich beim Wasserlassen nicht vollständig entleeren kann. Es bleibt Restharn in der Blase. Der kann dann zu Blasen- und Nierenentzündungen führen.
Folgesymptome: Schmerzen
Verursacht eine Multiple Sklerose Schmerzen?
Schmerz ist sicher kein Leitsymptom der Multiplen Sklerose. In der Regel stehen andere Beschwerden im Mittelpunkt. Und die MS-Herde selbst sind auch nicht schmerzhaft.
Daraus aber den Schluss zu ziehen, Menschen mit Multipler Sklerose hätten kein Problem mit Schmerzen, ist definitiv falsch. Denn auf vielfältige Art können auch bei der MS Schmerzen entstehen, die im Verlauf der Erkrankung sogar zunehmen und chronisch werden können – mit nachvollziehbar negativer Auswirkung auf die Lebensqualität.
Verschiedene Schmerztypen
Bei der Multiplen Sklerose werden in der Regel zwei Hauptarten von Schmerzen unterschieden:
- neurogene/neuropathische Schmerzen
- nozizeptive Schmerzen
Die neurogenen bzw. neuropathischen Schmerzen entstehen durch Schädigungen schmerzleitender Nervenfasern oder schmerzverarbeitender Nervenzellen infolge der MS-Entzündungsherde im ZNS (Gehirn und Rückenmark).
Nozizeptive Schmerzen werden hingegen durch eine Stimulierung der Schmerzrezeptoren für Gewebeverletzungen (Nozizeptoren) hervorgerufen. Diese liegen überwiegend in der Haut und in den inneren Organen. Sie warnen das Gehirn vor möglichen Schädigungen an Muskeln, Knochen und anderen Geweben.
Unterschiedliche Schmerz-Arten bei MS und wie es dazu kommt
Wieso kommt es zu schmerzhaften Missempfindungen bei MS?
Infolge der MS-Entzündungsläsionen im ZNS (Zentralnervensystem) kann es dazu kommen, dass insgesamt der Empfang, die Verarbeitung und Weiterleitung von Signalreizen (Wärme, Kälte, Schmerz etc.) gelegentlich oder gar dauerhaft gestört werden. Die Nervenschädigungen führen dann zu Wahrnehmungsstörungen bestimmter Reize, bei denen beispielsweise bereits eine leichte Berührung der Haut plötzlich als schmerzhaft empfunden wird.
Zu den neuropathischen Schmerzen bei MS gehören u. a.:
- Trigeminusneuralgie (starke, einschießende Gesichtsschmerzen)
- Lhermitte-Zeichen (elektrisierendes Schmerzgefühl, das bei Beugung des Kopfes nach vorn durch den ganzen Körper zieht)
- brennende, kribbelnde Missempfindungen der Beine und Füße ("Ameisenlaufen")
- Einschnür- oder Schwellungsgefühl der Gelenke oder des Brustkorbs ("Panzergefühl")
- Optikusneuritis (bei einer Sehnervenentzündung auftretende, stark stechende Schmerzen unter Augenbewegungen)
Schmerzen durch gereizte Signalempfänger
Bei den im Rahmen der MS auftretenden nozizeptiven Schmerzen stehen dagegen u. a. Muskel- und Kopfschmerzen im Vordergrund. Diese gehören zu dem Typus, den wir alle als "normalen" Schmerz kennen. Er entsteht durch eine Reizung der Schmerzrezeptoren.
Vor allem MS-Betroffene mit Muskelsteifheit, Gleichgewichts- und Koordinationsstörungen haben infolgedessen nicht selten mit schmerzhaften Überlastungen im Bereich der Arm-, Bein- und Rückenmuskulatur zu kämpfen. Aber auch die durch eine Spastik provozierten schmerzhaften Muskelverspannungen gehören in diese Kategorie.
Individuelle Behandlungsstrategie wählen
Je nachdem, unter welcher Schmerzart Sie leiden, wird entschieden, welche Therapie für Sie die vielversprechendste ist. Während nozizeptive Schmerzen zum Teil recht gut auf klassische Schmerzmedikamente (z. B. Ibuprofen, Paracetamol) ansprechen, wird zur Behandlung neurogener Schmerzen eher auf Antidepressiva, Antiepileptika oder auch Opioide (morphinähnliche, stark wirkende Arzneimittel) zurückgegriffen.
Meist treten im Verlauf der MS jedoch beide Schmerztypen kombiniert auf. In der Behandlung dieser oft chronisch verlaufenden Schmerzen hat es sich deshalb bewährt, unterschiedliche Therapiemaßnahmen miteinander zu verknüpfen.
Behandlung von Schmerzen bei Multipler Sklerose durch eine Kombination aus:
- Medikamenten
- Physio- und Ergotherapie
- Verhaltenstherapie
- Entspannungsverfahren
- ggf. Operation (im Einzelfall, z. B. bei therapieresistenter Trigeminusneuralgie)
Fazit am Schluss
Unabhängig von der individuellen Schmerzbehandlung sollten alle Betroffenen eines gemeinsam haben: eine effektive MS-Basistherapie mit einem verlaufsmodifizierenden Arzneimittel. Schließlich ist die Ursache des ganzen Dilemmas ja die MS, und die sollte vorrangig in Angriff genommen werden.
Auf welche Weise kann eine MS zu Schmerzen führen?
Auch wenn Schmerzen nicht das sind, was man mit Multiple Sklerose primär verbindet, können Menschen mit MS unter ganz unterschiedlichen Schmerzen leiden. Mitunter können die belastender sein als andere Störungen oder Einschränkungen.
Leider unterschätzen auch Ärzte manchmal die Häufigkeit von Schmerzen und deren Auswirkungen auf die Lebensqualität der Betroffenen. Akute Entzündungen wie die der Sehnerven oder Gesichtsnerven können zum Beispiel starke Schmerzen verursachen. Aber auch unwillkürliche Verkrampfungen der Muskulatur (Spastiken) sind oft sehr schmerzhaft. In der Folge von Spastiken kommt es außerdem manchmal zu Fehlhaltungen und Sehnenverkürzungen – und die tun auch weh.
Stimmt es, dass bei Multipler Sklerose Gesichtsschmerzen auftreten können?
Ja, Gesichtsschmerzen entwickeln sich häufiger infolge einer Trigeminusneuralgie, einer Reizung des Gesichtsnervs Nervus Trigeminus. Die Nervenreizung kann allerdings auch im Rahmen anderer Krankheiten oder isoliert vorkommen.
Typisch ist das plötzliche Auftreten sehr starker, häufig attackenartiger Schmerzen, die durch Reize wie z.B. Berührung, Kauen oder Essen ausgelöst werden. Aber nicht immer lösen Reize die Schmerzattacken aus, manchmal kommen sie auch praktisch "aus dem Nichts".
Bei der Trigeminusneuralgie von Menschen mit Multipler Sklerose eignet sich das Medikament Misoprostol, um die Schmerzen zu reduzieren.
Erwerbsminderung und Schwerbehindertenausweis
Was bedeutet bei der Multiplen Sklerose die EDSS-Skala?
Die EDSS-Skala (Expanded Disability Status Scale) ist eine Einteilung zur Beurteilung des Behindertengrades. Sie wird manchmal von Ärzten benutzt, um den Erfolg der Behandlung zu beurteilen. Wenn überhaupt, macht das aber nur Sinn, wenn die MS sehr stark voranschreitet oder vorangeschritten ist. Also längst nicht immer.
Zur Beurteilung ist die Untersuchung von acht Funktionsbereichen des zentralen Nervensystems notwendig. Die Skala reicht von 0 bis 10. 0 bedeutet "alles bestens", 10 bedeutet "alles katastrophal". Wir ersparen uns hier die Beschreibung der einzelnen Abstufungen, weil das wenig Sinn macht, nur so viel: Ein EDSS-Wert von 1 bis 4,5 heißt, dass man noch laufen kann, bei allen Werten darüber ist die Gehfähigkeit mehr oder minder stark beeinträchtigt.
Ab EDSS-Werten von 3 bis 5 soll das Risiko der Entwicklung der chronischen Verlaufsform (statt der schubförmigen MS) erhöht sein. Aber auch das ist nur Statistik mit wenig Aussagekraft für einen selbst. Die meisten Menschen mit Multipler Sklerose bleiben sehr lange oder sogar für immer bei Werten von 1 bis 2.
Für einen selbst als Betroffenen hat der EDSS-Wert eher einen unangenehmen Beigeschmack, weil er arg technokratisch daherkommt und das Gesamtbefinden (das ja auch ganz stark von psychischen Aspekten abhängt) kaum beschreiben kann. Aber es ist gut, wenn man zumindest weiß, was damit gemeint ist.
Wichtige finanzielle Fragen bei MS: das sollten Sie wissen
MS: Wann und wie bekommt man eine Erwerbsminderungsrente?
Ist die Erwerbsfähigkeit aufgrund der Multiplen Sklerose eingeschränkt, kann man eine Erwerbsminderungsrente beantragen. Voraussetzung ist ein Gutachten, in dem die Erwerbsminderung festgestellt wird.
Medizinische Voraussetzungen
Im Klartext: Wenn Sie aufgrund Ihrer Erkrankung oder Behinderung (auf unbestimmte Zeit) täglich weniger als sechs Stunden am Tag arbeiten können, besteht prinzipiell Anspruch auf eine Rente bei teilweiser Erwerbsminderung. Die volle Erwerbsminderungsrente können Sie beantragen, wenn Ihre Arbeitsfähigkeit aufgrund der MS sogar nur unter drei Stunden täglich liegt.
Die Grundidee der Erwerbsminderungsrente ist, finanzielle Einbußen abzufedern, die Sie aufgrund einer dauerhaft eingeschränkten Arbeitsfähigkeit im Rahmen der MS hinnehmen müssen.
Wenn Sie also aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr einer vollen Beschäftigung nachgehen können, gleicht die Rente bei teilweiser Erwerbsminderung Ihr nun niedrigeres Gehalt aus. Falls Sie überhaupt nicht mehr arbeiten können, kann Ihr ursprünglicher Verdienst sogar weitestgehend komplett durch die volle Erwerbminderungsrente ersetzt werden.
Weitere Rahmenbedingungen
Neben den medizinischen müssen allerdings auch einige versicherungsrechtliche Voraussetzungen erfüllt sein, damit Sie überhaupt Anspruch auf eine solche Rente haben.
Grundsätzlich müssen folgende Bedingungen erfüllt sein, um eine Erwerbsminderungsrente zu erhalten:
- Sie dürfen das Rentenalter noch nicht erreicht haben.
- Sie müssen mindestens fünf Jahre gesetzlich rentenversichert sein.
- In den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung müssen Sie mindestens drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Tätigkeit gezahlt haben.
Beachten Sie in diesem Zusammenhang bitte, dass es unter bestimmten Umständen sein kann, dass bei Ihnen beispielsweise auch Kindererziehungszeiten, Übergangsgeld oder andere Beitragszeiten mit angerechnet werden können. Des Weiteren gelten besondere Regelungen für Versicherte, die vor 1961 geboren sind.
"Reha vor Rente"
Bevor Ihnen trotz aller "erfüllten Voraussetzungen" eine Erwerbsminderungsrente gewährt wird, prüft die Deutsche Rentenversicherung zunächst einmal, ob Ihre Erwerbsfähigkeit nicht doch noch durch medizinische oder berufliche Rehabilitation wiederhergestellt werden kann – und zwar unter dem Grundsatz "Reha vor Rente".
Es ist inzwischen auch nicht unüblich, eine Erwerbsminderungsrente zunächst einmal auf drei Jahre zu befristen und die medizinischen Voraussetzungen dann erneut zu prüfen.
Informieren Sie sich
Lassen Sie sich bezüglich Ihrer Rechte und Pflichten genau aufklären und beraten. Neben den DMSG-Landesverbänden stehen Ihnen hierfür u. a. auch direkt die Beratungsstellen der Deutschen Rentenversicherung (DRV) als Ansprechpartner zur Verfügung.
Beim Träger der Rentenversicherung könnten Sie sich vor der Antragstellung ggf. noch über die Höhe der möglichen Rente informieren. Auch mit dem behandelnden Arzt sollten Sie sich im Vorfeld kurzschließen.
Informationen und Beratung zum Thema Erwerbsminderungsrente erhalten Sie zudem direkt online unter: www.deutsche-rentenversicherung.de.
Kann man mit Multipler Sklerose einen Schwerbehindertenausweis beantragen?
Ja, allerdings nur, wenn man aufgrund der MS unter dauerhaften Einschränkungen leidet. Die Diagnose "Multiple Sklerose" allein ist also nicht ausreichend. Meistens geht es einem ja auch mit der Multiplen Sklerose viel besser als mancher Außenstehender denkt. Leidet man aber doch unter größeren körperlichen Behinderungen, kann man beim Versorgungsamt einen Schwerbehindertenausweis beantragen.
Die Schwere der Beeinträchtigung zählt
Um als "schwerbehindert" zu gelten, muss der Grad der Behinderung (GdB) 50 % oder mehr betragen. Doch was bedeutet Behinderung in diesem Zusammenhang überhaupt? Das Sozialgesetzbuch formuliert das folgendermaßen: Ein Mensch gilt als behindert, wenn seine körperlichen, geistigen oder seelischen Funktionen länger als sechs Monate im Vergleich zu einem für das Alter typischen Zustand eingeschränkt sind.
Der GdB kann allgemein zwischen 20 und 100 liegen und wird in Zehnerschritten gegliedert. Auf Ihren Antrag hin bemessen ärztliche Gutachter den Grad Ihrer Behinderung und die eventuelle Eintragung eines Merkzeichens. Liegen bei Ihnen mehrere Beeinträchtigungen vor, werden diese selbstverständlich mitberücksichtigt.
Einen Schwerbehindertenausweis können Sie schließlich beantragen, wenn bei Ihnen ein Behindertengrad von 50 oder mehr anerkannt wurde.
Von den Rechten profitieren
Mit der nachweisbaren Behinderung bestehen besondere Rechte bzw. Nachteilsausgleiche gegenüber Sozialleistungsträgern, Arbeitgebern, Behörden und anderen Einrichtungen. Aber es ergeben sich durch den Schwerbehindertenausweises durchaus auch finanzielle Vorteile für Sie.
Rechte, die Sie als MS-Betroffener mit einem Schwerbehindertenausweis (je nach Art der Behinderung) haben:
- bei Berufstätigkeit: Kündigungsschutz, Zusatzurlaub, Freistellung von Mehrarbeit
- ggf. behindertengerechte Umgestaltung am Arbeitsplatz
- Auswirkungen auf den Bezug der Regelaltersrente
- steuerliche Erleichterungen
- ermäßigte oder unentgeltliche Beförderung im öffentlichen Personenverkehr (Bus, Bahn)
- ermäßigter Eintritt zu Veranstaltungen
- ermäßigte Rundfunkgebühren
- ggf. Benutzung von Behindertenparkplätzen, Parkerleichterungen
- etc.
MS: Ist die Beantragung eines Schwerbehindertenausweises sinnvoll?
Zunächst einmal muss man sagen, dass längst nicht alle Menschen mit Multipler Sklerose so stark eingeschränkt sind oder jemals sein werden, dass sich diese Frage stellt. Aber auch wenn, sollten Vor- und Nachteile einer ausgewiesenen Behinderung immer individuell abgewogen werden.
Was dagegen sprechen könnte
Vor Beantragung eines Schwerbehindertenausweises sind sowohl gesundheitliche als auch persönliche und berufliche Aspekte zu berücksichtigen. Gerade bei der Arbeitsplatzsuche wirkt sich eine Schwerbehinderung nicht immer positiv aus. So ist die Kündigung Schwerbehinderter beispielsweise erschwert und der Anspruch auf Urlaub um fünf zusätzliche Arbeitstage erhöht.
Was gut gemeint und für die Betroffenen eigentlich auch von Vorteil ist, könnte manchen Arbeitgeber jedoch davor zurückschrecken lassen, einen Schwerbehinderten einzustellen. Unsicherheit bestehen bei Arbeitgebern auch häufig bezüglich der Leistungsfähigkeit des behinderten Bewerbers.
Andererseits sollte einen ein renitenter und ignoranter Arbeitgeber im Zweifel auch nicht davon abhalten, etwas zu tun, auf das man ein Recht hat. Es kommt also immer sehr auf den jeweiligen Fall, die weiteren (beruflichen) Pläne und auch auf die eigene Einstellung dazu an.
Vorteile sind nicht unerheblich
Die mit einer Schwerbehinderung einhergehenden Rechte und Nachteilsausgleiche sind definitiv nicht von der Hand zu weisen und für viele Betroffene sicherlich eher von Vor- als von Nachteil.
Mögliche Rechte, die Sie als MS-Betroffener mit einem Schwerbehindertenausweis haben:
- ermäßigte bzw. unentgeltliche Beförderung bei Bus und Bahn
- ggf. Benutzung von Behindertenparkplätzen
- ermäßigter Eintritt zu Veranstaltungen, Konzerten, Tierparks etc.
- ermäßigte Rundfunkgebühren
- Kündigungsschutz, Zusatzurlaub, Freistellung von Mehrarbeit
- im Einzelfall behindertengerechte Umgestaltung des Arbeitsplatzes
- steuerliche Erleichterungen
- usw.
Informieren Sie sich vorher
Den Anspruch auf einen Schwerbehindertenausweis haben Sie übrigens erst, wenn bei Ihnen ein Behindertengrad von 50 oder mehr anerkannt wurde. Laut Sozialgesetzbuch bedeutet Behinderung in diesem Zusammenhang, dass Sie in Ihren "körperlichen, geistigen oder seelischen Funktionen länger als sechs Monate im Vergleich zu einem für das Alter typischen Zustand eingeschränkt sind".
Lassen Sie sich doch einfach mal ausführlich zu diesem Thema beraten und sprechen Sie beispielsweise Ihre MS-Nurse auf das Thema an. Die speziell geschulten MS-Schwestern kennen sich nicht nur bestens mit der Erkrankung selbst aus. Sie besitzen auch das richtige Netzwerk, um Ihnen den Kontakt mit den zuständigen Behörden und Experten zu erleichtern.
Habe ich mit Multipler Sklerose Anspruch auf einen behindertengerechten Wohnraum?
Im Normalfall nicht, weil ja viele Menschen mit MS überhaupt keine Schwerbehinderung haben. Bei nachgewiesener Schwerbehinderung und besonders bei eingeschränkter Mobilität besteht aber grundsätzlich Anspruch auf behindertengerechten Wohnraum.
Allerdings ist dieser Anspruch nicht immer deckungsgleich mit der Situation auf dem Wohnungsmarkt. Zwar erhält man von der Gemeinde einen sogenannten Wohnberechtigungsschein, doch garantiert dieser nicht, auch eine entsprechend geeignete Wohnung zu finden. Umbaumaßnahmen einer bereits bewohnten Wohnung werden teilweise, aber nicht in jedem Fall unterstützt.
Beratung zu diesem Thema bieten z.B. die Landesverbände der Deutschen Multiple Sklerose Gesellschaft (DMSG) an: http://www.dmsg.de
MS-Forschung
Alkoholkonsum geht offenbar mit niedrigerer MS-Rate einher
Eine große schwedische Studie hat einen Zusammenhang zwischen dem Genuss von Alkohol und einer damit einhergehenden kleineren Wahrscheinlichkeit einer späteren MS-Erkrankung festgestellt. Für die Untersuchung wurden rückwirkend sogenannte Lifestyle-Daten von 6.619 MS-Patienten sowie 7.007 gesunden Kontrollpersonen aus zwei vorangegangenen Studien verglichen.
Die Ergebnisse zeigten klar: Diejenigen, die in den Jahren und Jahrzehnten zuvor mäßig, aber regelmäßig alkoholische Getränke zu sich genommen hatten, waren später deutlich seltener von Multipler Sklerose betroffen. Dieses galt sowohl für Männer als auch für Frauen.
Schon bei anderen Autoimmunerkrankungen wie Arthritis (Rheuma) oder Lupus war Wissenschaftlern immer wieder ein solch gegenläufiger Zusammenhang aufgefallen. Als Ursache wird vermutet, dass Alkohol bestimmte immunologische Prozesse schlichtweg unterdrückt.
Rauchen zeigte gegenteiligen Effekt
Zigarettenkonsum wurde in dieser Studie als möglicher Co-Trigger für MS hingegen bestätigt: So waren frühere Raucher, die auf Wein, Bier und Co verzichteten, deutlich häufiger von Multipler Sklerose betroffen als nichtrauchende Alkoholkonsumenten bzw. Nichtraucher allgemein.
Genauen Aufschluss über diese Zusammenhänge konnte diese im JAMA Neurology veröffentlichte Studie leider nicht geben. Auch bezieht sie sich explizit nur auf schützende bzw. risikobehaftete Faktoren, die vor dem Ausbruch der Erkrankung lagen. Rückschlüsse auf die Wirkung von Alkohol auf Menschen, die bereits MS haben, konnten aus den Daten nicht abgeleitet werden.
Zugrundeliegende Studie:
Alcohol as a Modifiable Lifestyle Factor Affecting Multiple Sclerosis Risk. JAMA Neurol. Published online January 06, 2014
Kommentar: Wer Alkohol trinkt, erkrankt seltener an Multipler Sklerose
Ganz interessante Daten für alle, die sich mit möglichen Ursachen und Auslösefaktoren der Multiplen Sklerose beschäftigen. Leider bleiben tatsächlich viele Fragen offen...
Und als Empfehlung für MS-Betroffene ab sofort mehr Alkohol zu konsumieren, sollte diese Erhebung erst recht nicht verstanden werden. Im Gegenteil: Schon mehrfach wurde von wissenschaftlicher Seite darauf hingewiesen, dass Menschen mit Autoimmunerkrankungen im Vergleich zu Gesunden oft eine deutlich geringere Alkoholtoleranz hätten (was im Rückschluss vielleicht sogar die Abstinenz im Vorfeld der Erkrankung begründen könnte!?). Man weiß es nicht…!
Einen kleinen Trost halten die Resultate der Studie für MS-Betroffene aber möglicherweise bereit: Wer früher gelegentlich „zu tief ins Glas geguckt hat“ und sich Sorgen macht, ob dieses vielleicht zu seiner MS-Erkrankung beigetragen hat, erhält durch die Daten vielleicht ein wenig Entlastung.
Neue Studien zu den Themen: Östrogen, spezielle Trainingsmethoden und Cholesterinsenker
Sexualhormon Östrogen birgt offenbar unerforschtes Potential in der MS-Behandlung
Frauen mit schubförmiger Multipler Sklerose könnten eventuell von einer Kombination aus einem Östrogenpräparat (Östradiol) und dem seit langem angewandten und bewährten Arzneimittel Glatirameracetat profitieren, so das Ergebnis einer neuen US-Amerikanischen Studie. Hierbei zeigte sich ein positiver Effekt sowohl auf die Schubrate als auch auf den Krankheitsfortschritt der Probandinnen.
Bei dieser Untersuchung bekamen 164 MS-Patientinnen zwischen 18 und 50 über einen Zeitraum von zwei Jahren in Tablettenform entweder das Östrogenpräparat Trimesta® oder aber ein Scheinmedikament (Plazebo). Zudem nahmen alle das Arzneimittel Glatirameracetat (Handelsname Copaxone®), welches einmal täglich unter die Haut gespritzt wird. Trimesta® enthält den Wirkstoff Östriol (Estriol). Das ist eine auch im Körper vorkommende Östrogen-Variante, die das aber schwächer wirksam ist als Östrogen selbst.
Insbesondere im ersten Jahr zeigte sich eine deutliche Reduktion der Schübe. Auch andere klinische Parameter wie die kognitive Leistung (z.B. Merkfähigkeit) oder der Beeinträchtigungsgrad auf der sogenannten EDSS-Skala entwickelten sich mit dieser Medikamenten-Kombination signifikant positiver als bei der Vergleichsgruppe. Im zweiten Jahr waren diese Unterschiede allerdings nicht mehr ganz so groß....
Zugrundeliegende Studie:
Studie ist noch nicht publiziert, wurde aber auf dem Annual Meeting of the American Academy of Neurology 2014 im Vorfeld vorgestellt
Kommentar: Ist Östrogen ein wichtiger Schlüssel beim Verständnis der Multiplen Sklerose?
Dass Östrogen auch immunologisch wirksam sein kann, ist keine unplausible Annahme. Schließlich beobachtet man auch, dass schwangere MS-Betroffene in den letzten Monaten vor der Geburt – wenn also der Östrogenspiegel am höchsten ist – meist deutlich weniger Schübe haben. Auch die Tatsache, dass Frauen doppelt so häufig an MS erkranken wie Männer, könnte eventuell auch vom Zusammenspiel der verschiedenen Hormone (mit)beeinflusst sein.
Wie so oft bei MS: Man weiß es leider nicht genau...
Einschränkend muss auch gesagt werden, dass es sich um eine sogenannte Phase-II-Studie handelt, also um ein relativ frühes Teststadium. Weitere Studien wären dringend erforderlich, um hier verbindliche Aussagen zu machen.
Mein Fazit: Das Thema ist trotzdem spannend und nicht zu Unrecht in der Fachwelt gerade viel diskutiert.
CIMT-Therapie bei progressiver MS: Deutliche Verbesserung der Mobilität durch spezielles Training
„In den Defekt hinein trainieren“: In der Schlaganfall-Behandlung ist das Prinzip schon länger bekannt und erfolgreich im Einsatz. Hierbei wird z.B. bei Lähmung eines Arms bewusst der gesunde Arm verbunden, sodass der Patient zwangsläufig den eingeschränkten anderen Arm nutzen und damit trainieren muss. Der Name dieser Methode ist CIMT (constraint-induced movement therapy, übersetzt etwa: Beschränkungsbedingte Bewegungstherapie).
Bei einer aktuellen Studie bestätigte sich dieser Ansatz nun ebenfalls in der MS-Therapie. Hierbei konnte auch gezeigt werden, dass das Gehirn mithilfe dieser Methode neue Nerven-Verbindungen entwickelt und sich damit in kleinen, aber entscheidenden Teilen sogar selbst wieder aufbaut.
In der vorliegenden Studie wurden 20 Personen mit chronisch progredienter MS in zwei Gruppen geteilt. Die eine bekam über mehrere Wochen verteilt 35 Trainings-Stunden CIMT. Die andere Gruppe erhielt in derselben Stundenzahl andere Behandlungen wie Wassergymnastik, Massage oder Yoga. Das Ziel aller Anwendungen war es, die Alltagsbeweglichkeit der jeweils eingeschränkten Gliedmaßen zu verbessern.
MRT belegt Wiederaufbau der entsprechenden Hirnregion
Nach Abschluss der Bewegungstherapien wurden spezifische Tests zur Messung der Motorik sowie Aufnahmen in der Magnetresonanztomografie durchgeführt. Bei der CIMT-Gruppe zeigten sich nicht nur hochsignifikante (also sehr deutliche) Effekte in der Beweglichkeit und somit auch Selbständigkeit! Es wurde sogar im MRT eine Vergrößerung der entsprechenden Hirnregion (im Neurocortex, also der äußeren Schicht des Hirns) gefunden, was auf eine vermehrte Aktivität im Sinne einer „Neuverkabelung“ hinweist.
Zugrundeliegende Studie:
Randomized Controlled Trial of CI Therapy for Progressive MS: Increased Real-World Function and Neuroplasticity on MRI. Neurology April 8, 2014 vol. 82 no. 10 Supplement S23.007
Kommentar: Spezielle Bewegungstherapie fördert Arm und Hirn bei progredienter MS
Diese in der äußerst renommierten US-Fachzeitschrift Neurology publizierte kleine Studie ist von großer Bedeutung. Die CIMT-Methode wird bei Schlaganfall-Patienten schon lange erfolgreich angewendet. Es verwundert eher, dass man den Spagat zu MS-Betroffenen mit ähnlichen neurologischen Ausfällen nicht schon eher hingekriegt hat. Auch wenn nun lediglich 20 Testpersonen in dieser Untersuchung teilnahmen: die Ergebnisse sind eindeutig und decken sich mit diversen anderen neurowissenschaftlichen Resultaten. Positiv zu bemerken ist außerdem, dass der Schwerpunkt dieser Studie auf der Verbesserung der Alltagsbewältigung bei progredienter MS lag. Dieses ist selten genug, aber umso wertvoller.
Erwähnenswert für die Praxis ist außerdem, dass einzelne Elemente der CIMT-Therapie bereits Teil vieler krankengymnastischer Behandlungen sind. Hier kommt es aber offenbar entscheidend auf die Kombination in dieser spezifisch entwickelten Methode an. Es empfiehlt sich also, bei entsprechenden Symptomen auf die Verschreibung genau dieser Methode zu pochen – noch bevor der Neurologe Wassergymnastik und Co verordnet.
Sekundär progrediente MS: Cholesterin-Senker kann Hirnzellen schützen
Eine aktuelle britische Studie zeigte, dass die Einnahme von hochdosiertem Cholesterin-Senker Simvastatin die Hirnatrophie, also den Abbau von Hirnmasse, deutlich reduzieren konnte. So war im MRT der beteiligten Personen nach zwei Jahren eine Minderung der Atrophierate um durchschnittlich 43% festzustellen.
An der Untersuchung nahmen in drei britischen MS-Zentren 140 Menschen zwischen 18 und 65 Jahren mit sekundär progredienter Multipler Sklerose (SPMS) teil. Diese wurden in zwei Gruppen geteilt.
Die eine Gruppe nahm dabei über einen Zeitraum von zwei Jahren das Arzneimittel Zocor® in einer täglichen Dosierung von 80 mg ein. Die andere bekam genauso lange Tabletten ohne Wirkstoff (also ein Plazebo) verabreicht. Weder die Patienten noch die behandelnden Ärzte wussten, wer das Medikament und wer das Scheinmittel bekam (es handelte sich also um eine sogenannte doppelblinde Studie). Alle Probanden durchliefen jährliche MRT-Screens sowie diverse klinische Tests.
Nachweislich 43% weniger Hirnatrophie
Die anschließende Auswertung zeigte bei denjenigen MS-Patienten, die den Wirkstoff Simvastatin bekommen hatten, vor allem eine beeindruckende Reduktion des Abbaus der Hirnmasse: Während bei der Kontrollgruppe eine jährliche Atrophierate von 0,58% registriert wurde, betrug diese bei den Testpersonen aus der Simvastatin-Gruppe lediglich 0,29%. Dieser Unterschied entsprach einer Minimierung um 43%. Das Arzneimittel wurde insgesamt gut vertragen.
Zugrundeliegende Studie:
Effect of high-dose simvastatin on brain atrophy and disability in secondary progressive multiple sclerosis (MS-STAT): a randomised, placebo-controlled, phase 2 trial. The Lancet, Early Online Publication, 19 March 2014
Kommentar: Cholesterin-Senker kann Hirnzellen schützen
Aufgrund wissenschaftlicher Erfahrungswerte wird bei den hier beschriebenen sogenannten Statinen schon seit einiger Zeit ein Benefit vermutet, der über die eigentlich vorgesehene Cholesterinsenkung hinausgeht: Durch eine spezifische Dämpfung des Immunsystems soll dieses Arzneimittel mutmaßlich eben auch zellschützende Eigenschaften besitzen. Und die vorliegenden Studie zeigt, dass an dieser Vermutung tatsächlich etwas dran sein könnte.
Dabei muss allerdings auch berücksichtigt werden, dass in einigen anderen MS-bezogenen Erhebungen auch keine, oder sogar eine krankheitsaktivierende Wirkung von Statinen festgestellt wurde.Auch ist in der vorliegenden Studie auffallend, dass ein sehr positiver Effekt im Hirn-MRT beschrieben werden konnte, die klinischen Verbesserungen der Patienten aber eher geringfügig waren. Diese Benefits müssten dann gegen eventuelle Nebenwirkungen von Simvastatin und Co abgewogen werden, um sicher zu sein, nicht primär eine Art „Befund-Kosmetik“ zu betreiben. (Immerhin war die hier eingesetzte Dosis mit 80 mg auch deutlich höher als die zur Cholesterinsenkung nötigen 5 bis maximal 40 mg).
Mein Fazit: Insgesamt ist die Datenlage hier leider noch recht dünn. Bleibt zu hoffen, dass die sehr positiven Ergebnisse rasch zu Nachfolgestudien führen, die den Einsatz von Statinen in der MS-Therapie rechtfertigen und den Betroffenen nachweislich nützen würden.
Myelin-Pflaster zeigt positiven Effekt bei schubförmiger MS
Pflastern statt spritzen… und das mit guten Erfolgen in der Krankheitsaktivität der MS? Künftig vielleicht kein ferner Traum mehr, wenn man eine kürzliche Publikation im renommierten Fachblatt JAMA Neurology betrachtet und weiterdenkt.
In einer kleinen Studie polnischer Wissenschaftler wurden Patienten mit schubförmiger MS über ein auf die Haut geklebtes Pflaster sogenannte Myelin-Peptide verabreicht. Sehr vereinfacht ausgedrückt handelt es sich hier um Anteile der Markscheiden. Also derjenigen Substanz, die eigentlich die Nervenbahnen isoliert, aber bei der MS durch das Immunsystem attackiert wird.
Die 30 Studien-Teilnehmer wurden in Gruppen eingeteilt und über den Zeitraum von einem Jahr folgendermaßen behandelt: 16 bekamen ein Pflaster mit 1 mg Myelin-Peptid, 4 erhielten ein 10-mg-Pflaster und 10 ein Plazebo-Pflaster ohne Wirkstoff. Die auf dem Oberarm platzierten Pflaster wurden zunächst wöchentlich, nach vier Wochen dann monatlich erneuert.
Verbesserungen auch im MRT nachweisbar
Die Ergebnisse in dieser kleinen Gruppe waren recht eindrücklich: So zeigte beispielsweise die 1-mg-Gruppe im Vergleich zur Plazebo-Gruppe eine Reduktion der jährlichen Schubrate um knapp 70%. Der Prozentsatz derjenigen mit zunehmenden Behinderungen sank um 51%. Und auch die durch regelmäßige Kernspin-Aufnahmen dokumentierte Krankheitsaktivität nahm bei den Patienten „mit Pflaster“ nachweislich ab.
Die Verträglichkeit des Pflasters war – bis auf gelegentlich leichte Reizungen an der Klebestelle – sehr gut. Es wurden keinerlei ernste Nebenwirkungen festgestellt.
Zugrundeliegende Studie:
Transdermal application of myelin peptides in multiple sclerosis treatment. JAMA Neurol. 2013 Sep 1.
Kommentar: Pflastern statt spritzen – schön wäre es
Ein faszinierender neuer Ansatz, ein gutes Studiendesign sowie beachtliche Ergebnisse. Alles Punkte, die Raum für Hoffnungen geben. Allerdings zeigen frühere Versuche mit diversen Myelin-Antikörpern und verschiedenen Anwendungsarten, dass die Ergebnisse auch überaus nüchtern ausfallen können.
Die vorliegende Studie hat leider eine sehr kleine Teilnehmerzahl. Zwar ist es durch die wissenschaftliche Methodik so gut wie ausgeschlossen, dass die positiven Ergebnisse reine Zufälle sind. Trotzdem bräuchte man weitere, deutlich größer angelegte Studien, um die Effekte zu erhärten. Und sie dann möglicherweise in eine Behandlungsempfehlungen münden zu lassen. Die Erforschung und Anwendung von Myelin-Peptiden bei Multipler Sklerose scheint vielversprechend, steht aber noch ziemlich am Anfang.
Noch mehr Studien zu Risikofaktoren von MS
MS: Neue und überraschende Studiendaten zum Thema CCSVI
Seit einigen Jahren werden immer wieder spezielle Venenverengungen im Kopf-Hals-Bereich als Risikofaktor für MS diskutiert und erforscht. Im Fachtitel Lancet ganz aktuell veröffentlichte Studienergebnisse nehmen dieser These nun deutlich Wind aus den Segeln. Die Annahme „seltene Venenverengung gleich hohes Risiko für MS“ kann zumindest in dieser einfachen Form nicht gelten.
In einer kanadisch-US-amerikanischen Untersuchung wurden 177 Menschen umfassend und nach neuesten Standards bezüglich der sogenannten chronischen cerebro-spinal venösen Insuffizienz (CCSVI) untersucht. Die Gruppe setzte sich zusammen aus 67 Patienten mit schubförmiger MS, 12 mit progredienter MS, 55 gesunden Geschwistern dieser Patienten sowie 43 gesunden anderen Kontrollpersonen ebenfalls ohne MS.
Gesunde Kontrollpersonen hatten genauso oft Venenverengungen
Zusammenfassend zeigte sich zweierlei:
- Die bisher in solchen Studien meist verwendete Ultraschallmethode zur Diagnose einer CCSVI ist sehr ungenau und sollte unbedingt durch eine sogenannte Katheter-Venographie ersetzt werden.
- Mithilfe eben dieser Katheter-Venographie wurde wiederum festgestellt, dass CCSVI ganz andere Häufigkeiten aufweist als bisher angenommen: dass sie nämlich sehr oft und bei gesunden Vergleichsgruppen durchschnittlich mindestens genauso oft vorkommt wie bei MS-Betroffenen.
Die Forscher sehen damit einen weiteren Beweis, dass es keinen direkten Zusammenhang zwischen dieser speziellen Venenverengung und der Entwicklung einer Multiplen Sklerose gebe.
Zugrundeliegende Studie:
Prevalence of extracranial venous narrowing on catheter venography is similar in people with MS, their siblings, and unrelated healthy controls: a blinded case-control study. The Lancet, 2013 Oct 8
Kommentar: CCSVI – Venenverengung im Kopfbereich keineswegs MS-spezifisch
Seit der italienische Arzt Dr. Zamboni 2009 einen Zusammenhang zwischen bestimmten Venenverengungen im Kopf-Hals-Bereich und der Entstehung einer MS formulierte, wird diese Theorie immer wieder untersucht.
Die vorliegende Studie ist in doppelter Hinsicht bedeutsam: Zum einen überprüft sie kritisch, ob die bisherigen Messinstrumente überhaupt geeignet genug sind. Zum anderen zeigt sie, dass mit der empfindlicheren Methode gänzlich andere Ausgangsdaten zu gewinnen sind.
Bisher wurde angenommen, dass diese speziellen Venenverengungen sehr selten und vermehrt bei MS-Patienten nachweisbar seien. Durch „Venographie statt Ultraschall“ wurde klar, dass diese sogenannte CCSVI mit rund 70% (!) sehr viel häufiger war als bisher angenommen. Und diese bei Kontrollpersonen vor allem ebenso oft auftrat wie bei MS-Patienten!
Es ist natürlich nicht gänzlich ausgeschlossen, dass es trotzdem Verbindungen gibt. Diese wären dann aber deutlich komplexer, als es mit einem einfachen Ultraschallgerät klärbar ….und mit einem eventuell folgenden operativen Eingriff lösbar wäre.
HIV-Infizierte erkranken verhältnismäßig selten an MS
In einer großangelegten britisch-australischen Studie konnte gezeigt werden, dass mit HIV infizierte Menschen im Vergleich zu Nicht-Infizierten signikant reduzierte MS-Raten aufwiesen. Bei der Untersuchung wurden die Daten von 21.207 HIV-Patienten einem Kontrollkollektiv von über 5 Millionen Menschen gegenübergestellt und analysiert.
Die Erhebung konnte allerdings nicht nachweisen, ob die Ergebnisse aufgrund der Infektion selbst sowie deren massiven Auswirkrungen auf das Immunsystem resultierten oder aber, ob sie durch die antivirale Therapie bedingt waren. Nahezu alle Patienten mit der Immunschwäche bekamen Medikamente. Wirkstoff und Dosierung wurden aber für diese Studie nicht gesondert festgehalten oder ausgewertet.
Mehr als 10 Jahre Stillstand der Multiplen Sklerose
Die vorliegende Studie sollte eine 2011 gemachte Beobachtung überprüfen: Ein MS-Betroffener, der gleichzeitig HIV-infiziert war und deswegen eine antivirale Medikation bekam, zeigte über mindestens 10 Jahre keinerlei neurologische Krankheitsaktivität mehr. Die Multiple Sklerose schien dort zum Stillstand gekommen sein – was die behandelnden Ärzte natürlich aufhorchen ließ.
Eine daraufhin gestartete Studie mit immerhin 5.000 HIV-Patienten zeigte bei denen ebenfalls eine verminderte Krankheitsrate. Die aktuelle Studie bestätigt den Zusammenhang in noch deutlicherem Maße.
Zugrundeliegende Studie:
Journal of Neurology Neurosurgery and Psychiatry (published online August 4).
Kommentar:
Größe, Signifikanz und Reproduzierbarkeit der vorliegenden Studienergebnisse lassen darauf schließen, dass tatsächlich ein gegenläufiger Zusammenhang zwischen einer HIV-Infektion und einer MS-Erkrankung besteht. Spannend und wichtig wäre es natürlich, in weiteren Untersuchungen die genauen Gründe herauszufinden. Ob nun aber die HIV-Infektion selbst oder aber die antivirale Behandlung diese Effekte hat... dieses wissenschaftliche Puzzleteilchen stützt auf jeden Fall die Hypothese, dass Viren bei Entstehung und Verlauf der Multiplen Sklerose möglicherweise doch eine entscheidende Rolle spielen.
Quellen:
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- Symptomatische Therapie der Multiplen Sklerose. Hrsg. von Thomas Henze. 32 Abb. Stuttgart: Thieme 2005. 185 S. ISBN 3-13-133471-1
- Multiple Sklerose. Hrsg. von Rudolf Manfred Schmidt und Frank A. Hoffmann. 5. neu bearb. und erw. Aufl. München: Urban & Fischer 2012. 417 S. ISBN 978-3-437-22082-1
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