Was ist der Unterschied zwischen einem Krampfanfall und einer Epilepsie? Wie gefährlich ist die Erkrankung und was kann man dagegen tun? Diese und andere Fragen zur Epilepsie beantworten wir im folgenden Beitrag. Der Epileptische Anfall wird in einem separaten Beitrag behandelt.
Überblick
Wann spricht man von einem Krampfanfall, wann von einer Epilepsie?
Erst wenn zwei unprovozierte Krampfanfälle, die sich keiner eindeutigen Ursache zuordnen lassen, in Folge auftreten, handelt es sich definitionsgemäß um die Möglichkeit einer Epilepsie. Darüber hinaus müssen mit diesen Gelegenheitsanfällen messbare Veränderungen im Gehirn einhergehen, damit man in der Medizin den Terminus Epilepsie verwendet.
Grundsätzlich kann eine Epilepsie in jedem Lebensalter auftreten. Die Wahrscheinlichkeit ist aber im frühen Kindesalter und jenseits des 60. Lebensjahres am größten.
In Deutschland sind von 1.000 Personen etwa 5 Menschen von einer Epilepsie betroffen. Das entspricht einer Häufigkeit von 0,5%. Einen epileptischen Anfall oder Krampfanfall erleidet sogar jeder Zehnte zumindest einmal in seinem Leben. Allerdings sind viele dieser Anfälle einmalig und wiederholen sich danach nicht wieder (z.B. Fieberkrämpfe bei Kindern).
Welche Ursachen hat eine Epilepsie?
Längst nicht immer lässt sich das feststellen. Es gibt zwar verschiedene Gehirnschädigungen, teilweise schon im Mutterleib entstehend, die später zu einer Epilepsie führen können. Auch steht fest, dass eine genetische Ursache eine Rolle spielen kann. Aber in vielen Fällen gibt es auch kein eindeutiges Ereignis in der Vorgeschichte.
Vorerkrankungen oder Schäden im Gehirn
Es gibt eine ganze Reihe an Erkrankungen oder Schädigungen im Bereich des Gehirns, aus denen sich in der Folge eine Epilepsie entwickeln kann. Dazu gehören:
- Schlaganfall
- Kopfverletzungen mit Beteiligung des Gehirns (Schädel-Hirn-Trauma)
- Hirntumoren
- Hirnhautentzündungen
- Alkohol- oder Drogenmissbrauch
- Medikamentenmissbrauch
- Vergiftungen
Vor allem im Kindesalter:
- Fehlbildungen des Gehirns
- Hirnschädigungen während der Geburt (Frühgeborene, Hirnblutungen, Sauerstoffunterversorgung)
Die Betonung liegt hier aber auf "kann". Selbstverständlich tritt eine Epilepsie auch bei solchen Vorereignissen nicht zwingend auf. Die Wahrscheinlichkeit ist aber erhöht. Apropos Wahrscheinlichkeit: Wenn bei kleinen Kindern Fieberkrämpfe auftreten, ist das keineswegs gleichbedeutend mit einer Epilepsie. Es kann aber ein Hinweis sein, dass die Krampfneigung erhöht ist.
Häufige Epilepsieformen
Was ist eine idiopathische Epilepsie?
Von idiopathischer Epilepsie spricht man, wenn keine organische Ursache für die Erkrankung gefunden werden kann. Idiopathisch bedeutet "aus sich selbst heraus entstanden".
Nach jetzigem Stand der Forschung kommt es bei Betroffenen mit "idiopathischer Epilepsie" zu Veränderungen in den Regionen der Signalübertragung der Nerven im Gehirn. Möglicherweise sind diese Veränderungen genetisch bedingt, ganz klar ist das aber noch nicht.
Sonderfrom: Panayiotopoulos-Syndrom
Das Panayiotopoulos-Syndrom wird zu den idiopathischen fokalen Epilepsien gezählt. Hierbei handelt es sich ebenfalls um eine relativ häufige Epilepsie-Form im Kindesalter. Die betroffenen Kinder wirken während des Anfalls oft eher so, als hätten sie einen verdorbenen Magen – sie klagen über Übelkeit, sind blass und erbrechen schließlich. Bewusstlosigkeit kann bei längeren Anfällen auftreten, ist aber eher selten. Häufig drehen sich die Augen der Kinder während eines Anfalls zu einer Seite und die Pupillen weiten sich.
Sonderform: kindliche Absence-Epilepsie
Die idiopathische kindliche Absence-Epilepsie ist die häufigste generalisierte Epilepsie im Kindesalter. Der Beginn ist meist im Alter von 5-7 Jahren.
Es kommt während der Anfälle zu kurzen Bewusstseinsaussetzern. Die Kinder halten plötzlich inne und starren in die Luft. Sie wirken so, als würden sie träumen, was die Verdachtsdiagnose Epilepsie erschwert. Es liegt eine genetische Ursache vor.
Was ist eine kryptogene Epilepsie?
Ähnlich wie bei der idiopathischen Epilepsie kann auch bei der kryptogenen Epilepsie keine organische Ursache für die Erkrankung gefunden werden. Deshalb wird sie so genannt (kryptisch = verborgen).
Während man allerdings bei der idiopathischen Epilepsie von einer Entstehung "aus sich selbst heraus" ausgeht, spricht man von einer kryptogenen Epilepsie nur dann, wenn man trotz mangelndem Befund von einer verborgenen Schädigung im Gehirn ausgeht.
Was ist eine Rolando-Epilepsie?
Die Rolande-Epilepsie ist die häufigste Epilepsie-Form im Kindesalter. Typisch ist ein Erkrankungsbeginn zwischen dem 3. und 8. Lebensjahr. Aber auch bis hin zum 13. Lebensjahr kann die Rolando-Epilepsie noch auftreten.
Die Anfälle sind bei dieser Epilepsie-Variante oft örtlich begrenzt, und auch sonst hat die Erkrankung eine gute Prognose. Meist um die Pubertät herum verschwinden die Krampfanfälle komplett, bleibende Behinderungen gibt es – abgesehen von einer möglichen leichten Leseschwäche – nicht.
Die Anfälle treten ohne Bewusstseinsstörung auf, vor allem während der Nacht. Mitunter kann daraus auch ein generalisierter Anfall werden. Typische Anzeichen sind Verkrampfungen der Gesichtsmuskulatur, starker Speichelfluss und Sprechstörungen.
Was ist das Landau-Kleffner-Syndrom?
Das Landau-Kleffner-Syndrom wird auch erworbene epileptische Aphasie (Sprachstörung) genannt. Diese Epilepsieform beginnt meist im Alter von 5-7 Jahren und tritt ebenfalls vor allem nachts auf. Die Ursache ist unbekannt. Mitunter zeigen die betroffenen Kinder tagsüber Verhaltensstörungen wie z.B. Hyperaktivität. Eltern gehen vielfach davon aus, dass ihr Kind gehörgeschädigt ist.
Gibt es noch andere Formen der Epilepsie?
Ja, bei dieser Erkrankung werden sogar sehr viele verschiedene Formen unterschieden. Die meisten davon treten bereits im Kindesalter auf, je nach Altersgruppe sind dabei unterschiedliche Formen typisch. Auch zwischen den Geschlechtern gibt es Unterschiede, manche Arten treten eher bei Mädchen, andere häufiger bei Jungs auf.
Seltene Epilepsieformen
Was sind Blitz-Nick-Salaam-Krämpfe (West-Syndrom)?
Blitz-Nick-Salaam-Krämpfe (BNS-Krämpfe, auch West-Syndrom genannt) sind das charakteristische Merkmal einer seltenen Epilepsie-Form im Kleinkindesalter. Jungen sind häufiger betroffen als Mädchen.
Die Epilepsie mit BNS-Krämpfen beginnt typischerweise im ersten Lebensjahr. Bei den auftretenden Serien-Anfällen handelt sich um nur wenige Sekunden andauernde Krämpfe, die „wie ein Blitz in den Körper fahren (Blitzanfall)“. Dem "Blitzeinschlag" folgen das Beugen von Kopf und Oberkörper (Nickanfall). Gleichzeitig wirft das Baby ohne Absicht die Arme nach oben und vorne, sodass der Eindruck erweckt wird, es würde sich – wie im Islam – betend vor Gott verneigen (Salaam-Anfall). Die Anfälle treten meist kurz vor oder direkt nach dem Einschlafen auf.
Neben einer symptomatischen Epilepsie, die entweder auf eine Erkrankung des ZNS oder einen Gehirnschaden zurückzuführen ist, können BNS-Anfälle auch eine idiopathische Epilepsie, deren Ursache ein Gendefekt ist, begleiten. Kinder mit idiopathischen Formen des West-Syndroms – die also an einer genetischen Epilepsie leiden – haben gute Aussichten auf eine normale Entwicklung. Kinder mit symptomatischem West-Syndrom kämpfen hingegen meist auch mit körperlichen und geistigen Defiziten unterschiedlicher Ausprägung.
Was ist das Lennox-Gastaut-Syndrom?
Das Lennox-Gastaut-Syndrom ist eine spezielle Form der Epilepsie im Kindesalter. Typisch sind Krampfanfälle mit Muskelzuckungen und unwillkürlichen Lautäußerungen, bei denen die Kinder stürzen. Insgesamt können die Anfälle aber sehr unterschiedlich ausgeprägt sein, eine feste Regel gibt es nicht. Typisch ist, dass es oft mehrmals am Tag zu Krämpfen kommt.
Das Lennox-Gastaut-Syndrom beginnt zwischen meist dem 2. und 7. Lebensjahr. Die Ursache der Erkrankung bleibt dabei oft ungeklärt. Leider spricht die Erkrankung häufig auch nicht gut auf eine Behandlung an. Kinder mit Lennox-Gastaut-Syndrom sind oft auch in ihrer geistigen und körperlichen Gesamtentwicklung beeinträchtigt.
Was versteht man unter einer juvenilen myoklonischen Epilepsie?
Die juvenile myoklonische Epilepsie ist eine seltene Epilepsie-Variante, die typischerweise im Jugendalter beginnt. Es kommt anfallsweise zu Zuckungen der Arme und Beine, nicht selten auch zu generalisierten Krampfanfällen. Oft sprechen die Betroffenen von einem "Gefühl wie bei einem elektrischen Schlag".
Die juvenile myoklonische Epilepsie spricht relativ gut auf Medikamente an, die allerdings meist ein Leben lang eingenommen werden müssen. Wichtig ist auch, typische Auslöser der Anfälle zu identifizieren (z.B. Alkohol, Schlafmangel) und diese strikt zu vermeiden.
Noch mehr Varianten
Auch, wenn diese Formen sehr selten auftreten, gibt es noch weitere Formen der Epilepsie. Einige davon haben einen schweren Verlauf und die betroffenen Kinder leiden nicht nur an den typischen Krampfanfällen, sondern weisen auch darüber hinaus geistige, teilweise auch körperliche Behinderungen auf.
Weitere seltene Epilepsieformen
Was ist das Dravet-Syndrom (schwere myoklonische Epilepsie)?
Treten während des ersten Lebensjahres – in den meisten Fällen während des fünften Lebensmonats – fiebrige, klonische Krämpfe auf, denen in der Regel massive myoklonische Zuckungen, atypische Absencen und komplex-fokale Anfälle folgen, spricht man von einer schweren myoklonischen Epilepsie oder auch dem Dravet-Syndrom. Die Ursache des Dravet- Syndroms – mit der Konsequenz der geistigen Behinderung – ist genetisch bedingt.
Was ist das Doose-Syndrom?
Das Doose- Syndrom, auch als idiopathische Epilepsie mit myoklonisch-astatischen Anfällen bezeichnet, beginnt im Alter zwischen sechs Monaten und sieben Jahren. Kennzeichnend für dieses Syndrom sind die atonischen Anfälle:
Auf eine zu Beginn des Anfalls symmetrische Muskelzuckung folgt unmittelbar danach ein Verlust der Muskelspannung, der zu einem kurzen In-sich-zusammensacken und damit zu plötzlichen Stürzen führen kann. Ein Teil der Kinder hat zusätzlich einzeln auftretende myoklonische, atonische oder Absence-Anfälle.
Was ist die frühe myoklonische Enzephalopathie?
Diese seltene, wahrscheinlich durch einen Gendefekt verursachte Epilepsieform zeigt sich gewöhnlich in den ersten drei Lebenstagen und endet in etwa der Hälfte aller Fälle tödlich. Überlebende Kinder weisen geistige und körperliche Behinderungen auf. Der Verlauf der frühen myoklonischen Enzephalopathie ist durch die drei nacheinander auftretenden Anfallsformen gekennzeichnet:
- asymmetrische Myklonien (unregelmäßige Muskelzuckungen),
- einfache fokale bzw. partielle Anfälle und
- tonische epileptische Spasmen (langanhaltende Anspannung der rumpfnahen Beugemuskulatur)
Was ist die Infantile epileptische Enzephalopathie (Ohtahara-Syndrom)?
Eine hohe Sterberate weist auch die frühe infantile epileptische Enzephalopathie auf. Neugeborene mit dem sogenannten Ohtahara-Syndrom erkranken vornehmlich in den ersten zehn Tagen ihres Lebens. Diese seltene Epilepsieform ist auf Fehlbildungen des Gehirns zurückzuführen. Tonische Spasmen führen bei etwa der Hälfte aller Betroffenen zum Tode.
Überlebende Kinder leiden unter schweren geistigen und körperlichen Behinderungen. Darüber hinaus entwickeln rund 60% der betroffenen Kinder im Laufe ihres Lebens weitere Epilepsien wie das West- oder das Lennox-Gastaut-Syndrom (LGS).
Symptome
Epilepsie – Woran erkenne ich, ob mein Kind unter der Krankheit leidet?
Leider ist es unmöglich, aufgrund einzelner Symptome – wie z.B. Zuckungen, Ohnmachtsanfälle oder Stürze – zwischen Epilepsie und anderen, harmloseren Auslösern zu differenzieren. Denn Krampfanfälle können verschiedene Ursachen mit unterschiedlichen Anzeichen haben – ohne dass es sich um einen epileptischen Anfall handeln muss. Die Bandbreite reicht von Fieber, Schlafentzug und Sauerstoffmangel über exzessiven Alkoholgenuss, Drogen-Entzugserscheinungen, einem Elektrizitätsunfall bis hin zu Stoffwechselstörungen und Vergiftungen. Selbst plötzlich auftretende Muskelkrämpfe aufgrund Magnesiummangels – beispielsweise nach intensivem Sport – fallen in die Kategorie "Krampfanfall".
In allen Fällen können sowohl tonische (langandauernde Muskelanspannung) und/oder klonische (langandauernde rhythmische Muskelanspannung), als auch atonische Krampfanfälle (Verlust der Muskelspannung) auftreten.
Keine Epilepsie: Fieberkrämpfe
So auch bei einem Fieberkrampf. Er versetzt Eltern häufig in Angst und Schrecken, da er sich in plötzlicher Bewusstlosigkeit und rhythmischen Zuckungen der Muskulatur des Kindes äußert. Dieser – zunächst auf Epilepsie hinweisende – zerebrale Anfall dauert meistens nur wenige Minuten und hört von alleine wieder auf.
Gutartige Zuckungen bei Babys
Auch Symptome wie Muskelkontraktionen oder fragmentarische Krampfanfälle bei Babys (Atempausen, Blinzeln, Augenzittern, Mund- und Schluckbewegungen, Schmatzen oder rudernde Arm- und Beinbewegungen) geben einigen Eltern Anlass zur Sorge. Doch handelt es sich hier nicht etwa um einen epileptischen Anfall, sondern um sogenannte Säuglingsmyoklonien. Die Krämpfe können durch Geräusche oder Berührungen hervorgerufen werden und können als "normal" eingestuft werden.
Bei Krampfanfall sofort zum Arzt
Die Einordnung aller genannten Symptome in die entsprechenden Schubladen "gefährlich" oder "kein Risiko" ist schwierig. Außerdem können die Folgen eines einmaligen Fieberkrampfes aufgrund einer grippalen Infektion nicht weniger gravierend sein als die eines epileptischen Anfalls. Deswegen gilt: Bei allen Verhaltensauffälligkeiten des Kindes sollten Sie als Eltern unverzüglich Ihren Verdachtsmomenten nachgehen und einen Arzt zu Rate ziehen. Denn jeder Krampfanfall kann ebenso das erste und – möglicherweise über längere Zeit – auch einzige Zeichen einer akuten Schädigung des Gehirns sein.
Verdachtsmoment "Tagträumer"
Wie bereits angesprochen, äußert sich nicht jeder epileptische Anfall in offensichtlichen Krämpfen und „Schaum vor dem Mund“. Typisch für die unter Kindern weitverbreiteten Absencen ist beispielsweise eine kurze Phase der Abwesenheit mit fehlender Ansprechbarkeit und Erinnerungslücken. Kinder und Jugendliche, die unter Absencen leiden, werden oftmals einfach nur als verträumt eingeschätzt.
Epilepsie oder einfach nur schreckhaft?
Auch myoklonische Anfälle (kurze Muskelzuckungen) können bei Kindern leicht übersehen werden. Die betroffenen Kinder zucken – oftmals nur für einen Bruchteil von Sekunden – mit den Gliedmaßen. So, als ob sie von irgendjemandem oder irgendetwas erschreckt worden wären oder frieren. Handelt es sich hier um einen epileptischen Anfall oder vielleicht "nur" um einen Tic, der sich wieder "auswächst"? Schaudert mein Kind möglicherweise auch nur deswegen, weil es friert?
Risikogruppe Frühgeborene
Besondere Aufmerksamkeit ist grundsätzlich bei frühgeborenen Kindern geboten. Sie gehören zu einer Risikogruppe. Während der Geburt treten bei etwa jedem zehnten Kind Komplikationen wie z.B. Sauerstoffmangel auf. Dies wiederum kann mitunter innerhalb von 48 Stunden nach der Geburt zu Krampfanfällen führen. Die sogenannten Neugeborenenanfälle sind Zeichen von Funktionsstörungen des Gehirns wie z.B. Traumata, Hirninfarkten, Infektionen, Fehlbildungen oder Stoffwechselstörungen. Die Anfallssymptome sind häufig unauffällig und ziehen – frühzeitig behandelt – in der Regel keine weiteren Konsequenzen nach sich.
Diagnostik
Welche Untersuchungen werden nach einem epileptischen Anfall vorgenommen?
Vor allem, wenn es der erste epileptische Anfall war, geht es für den Arzt darum herauszufinden, welcher Art der Anfall war, welche Ursache er hatte und ob es sich überhaupt um eine Epilepsie handelt. Sehr hilfreich ist dabei, wenn jemand Auskunft geben kann, der bei dem Anfall anwesend war. Wenn Sie nach einem solchen Anfall zum Arzt gehen, lassen Sie sich also nach Möglichkeit von jemandem begleiten, der/die dabei war, als Sie den Anfall hatten.
Neben der genauen Schilderung, wie der Anfall abgelaufen ist, ist die wichtigste diagnostische Maßnahme ein EEG (Elektroenzephalogramm). Mit der Enzephalographie werden die elektrischen Hirnströme gemessen und aufgezeichnet. Und an den Hirnströmen kann man eine eventuell vorhandene Krampfneigung des Gehirns erkennen. Das EEG kann darüber hinaus zeigen, ob eine erbliche Veranlagung für Epilepsie vorliegt. Auch wenn die vielen Kabel am Kopf etwas befremdlich aussehen, die Untersuchung ist nicht schmerzhaft.
Müssen noch weitere Untersuchungen bei meinem Kind gemacht werden?
In der regel ja. Neben der genannten Messung der Hinrströme werden oft noch folgende Untersuchungen vorgenommen:
- Computertomographie vom Kopf (CT)
- Magnetresonanztomographie vom Kopf (MRT, Kernspin)
- Bluttests
Mit einer Computertomographie (CT) oder Kernspintomographie (Kernspin, auch: Magnetresonanztomographie) wird untersucht, ob den Krampfanfällen eine organische Hirnschädigung (z.B. ein Hirntumor) zugrundeliegt. Das ist zwar nur selten der Fall, aber wenn doch, wäre eine komplett andere Behandlung notwendig – und sicher ist sicher.
Seltener wird auch die Nervenflüssigkeit (Liquor) untersucht.
Medikamente gegen Epilepsie
Welche Medikamente gegen Epilepsie gibt es?
Unzählige. Viele davon sind sich sehr ähnlich, gehören der gleichen Substanzklasse an und unterscheiden sich nur in Nuancen. Fast allen Epilepsie-Medikamenten gemeinsam ist, dass sie die Krampfschwelle in Gehirn beeinflussen, die entsprechenden Areale also weniger erregbar machen. Das führt zugleich zur Schattenseite der Behandlung: Oft ist sie mit einem leicht dämpfenden Effekt verbunden.
Typische Epilepsie-Medikamente (Wirkstoffe) sind
- Bromazepam
- Carbamazepin
- Chlordiazepoxid
- Clobazam
- Clonazepam
- Diazepam
- Eslicarbazepin
- Ethosuximid
- Flunitrazepam
- Gabapentin
- Lacosamid
- Lamotrigin
- Levetiracetam
- Lorazepam
- Mesuximid
- Nitrazepam
- Oxazepam
- Oxcarbazepin
- Phenobarbital
- Phenytoin
- Pregabalin
- Primidon
- Valproinsäure
Ziel der Behandlung: keine Anfälle mehr
Der Wirkmechanismus der Antiepileptika (Medikamente gegen Epilepsie) beruht fast immer auf einer Reduzierung der Übererregbarkeit von Nervenzellen bzw. der Verstärkung von körpereigenen Hemm-Mechanismen. Das Hauptziel der medikamentösen Therapie ist, dass keine epileptischen Anfälle mehr auftreten. Und das gelingt auch in den meisten Fällen. Insofern dienen die Medikamente weniger der Behandlung der Erkrankung als vielmehr ihrer Vorbeugung.
Ein weiteres Ziel bei der Auswahl der geeigneten Medikamente muss darüber hinaus sein, den positiven Effekt mit so wenig Nebenwirkungen wie nur möglich zu erreichen. Hierfür kann es mitunter notwendig sein, die Auswahl oder auch die Dosis der einzelnen Medikamente in Abstimmung mit dem Arzt zu verändern und anzupassen.
Epilepsie: Muss mein Kind die Medikamente lebenslang einnehmen?
Das kommt darauf an. Vor allem auf die Form der Epilepsie. Bei einigen Kindern gelingt es, die Medikamente nach ein paar Jahren abzusetzen, ohne dass es danach noch zu einem epileptischen Anfall kommt. Es ist dann zu einer Ausheilung der Epilepsie gekommen.
In anderen Fällen müssen die Medikamente tatsächlich lebenslang eingenommen werden. Das hört sich zu Beginn für viele Eltern schrecklich an, man muss aber dabei berücksichtigen, dass mit Hilfe der Medikamente rund 70% der Kinder komplett anfallsfrei bleiben.
Absetzversuch in enger Abstimmung mit dem Arzt
Ob man nach ein paar Jahren einen Absetzversuch starten kann, hängt von der Form der Epilepsie und von der Art der ersten Anfälle ab. Vor allem wenn keine Ursache für die Epilepsie gefunden wurde, stehen die Chancen auf eine Ausheilung relativ gut.
Wenn über drei bis fünf Jahre kein epileptischer Anfall mehr aufgetreten ist, wird vom Arzt häufig der Versuch unternommen, die Dosis der Tabletten zu reduzieren und sie ggf. später auch ganz abzusetzen. Das hängt aber auch von den EEG-Befunden der Kontrolluntersuchungen ab, und inwieweit diese unauffällig geblieben sind.
Wichtig ist aber, einen solchen Absetzversuch niemals in Eigenregie vorzunehmen, sondern immer in enger Abstimmung mit dem behandelnden Arzt. Meist werden die Tabletten nicht schlagartig weggelassen, sondern nach einem festen Schema stufenweise reduziert.
Medikamente regelmäßig einnehmen
Noch ein Wort zur Medikamenteneinnahme insgesamt: Das ungute Gefühl vieler Eltern, ihre Kinder mit starken Beruhigungsmitteln zu behandeln, und um solche handelt es sich ja bei den meisten Epilepsie-Medikamenten im weitesten Sinn, ist nur allzu verständlich. Dennoch sollten Sie sicherstellen, dass Ihr Kind während der Behandlungsperiode die Medikamente wirklich regelmäßig einnimmt.
Wissenswertes zur medikamentösen Therapie
Wann muss eine Epilepsie mit Medikamenten behandelt werden?
Als Faustregel gilt, dass dann eine medikamentöse Behandlung begonnen werden sollte, wenn innerhalb eines halben Jahres zwei oder mehr epileptische Anfälle mit Bewusstseinstrübung aufgetreten sind. Dann nämlich besteht eine recht hohe Wahrscheinlichkeit, dass auch künftig weitere Anfälle auftreten können.
Daneben gibt es bestimmte Epilepsieformen, bei denen eine sofortige Behandlung mit Medikamenten empfohlen wird, da sonst mit weiteren Anfällen zu rechnen ist. Dazu zählen:
- myoklonisch-astatische Epilepsie
- Absencen-Epilepsie
- Lennox-Gastaut-Syndrom
- Temporallappen-Epilepsie
- BNS-Krämpfe
Können Epilepsie-Medikamente Libido und Erektion beeinträchtigen?
Ja. Einige Medikamente gegen Epilepsie können bei Männern zu Problemen mit der sexuellen Lust und der Erektionsfähigkeit führen.
Was man aber hinzufügen muss: Nicht alle sexuellen Probleme bei einer Epilepsie haben mit den Medikamenten zu tun. Auch die Erkrankung selbst und die manchmal damit einhergehenden psychischen Auswirkungen (Ängste, Stress, depressive Verstimmung) können Ursache verminderter sexueller Lust sein.
Wenn so etwas bei Ihnen auftritt, zögern Sie nicht, mit Ihrem behandelnden Arzt darüber zu sprechen. Möglicherweise kann schon ein Präparate-Wechsel Abhilfe schaffen. Und kommen Sie nicht auf die Idee, die Epilepsie-Medikamente deshalb abzusetzen. Denn erstens können die zwar, müssen aber nicht die Ursache Ihrer Probleme sein. Zum anderen ist das natürlich auch wegen der Gefahr eines epileptischen Anfalls nicht zu vertreten.
Darf man die Medikamente gegen Epilepsie auch noch einnehmen, wenn man schwanger ist?
Von der sonst häufig üblichen Kombination zweier Antiepileptika (= Medikamente gegen Epilepsie) wird während der Schwangerschaft abgeraten, weil dies die Missbildungsgefahr für das Ungeborene erhöht. Deshalb wird während der Schwangerschaft meist auf eine sogenannte Monotherapie (Behandlung mit nur einem Medikament) umgestellt.
Denken Sie daran, Ihren Arzt (Neurologen) frühzeitig zu informieren, wenn Sie schwanger sind.
Bei welchen Medikamenten sind Schäden für das ungeborene Kind zu befürchten?
Bei den klassischen Antiepileptika Carbamazepin, Valproinsäure, Phenobarbital/Primidon und Phenytoin ist nach gegenwärtiger Studienlage im Durchschnitt von einer Verdopplung der natürlichen Fehlbildungshäufigkeit (ca. 3%) auszugehen. Bei Monotherapie mit nur einem dieser Medikamente liegt die Rate also noch mehr oder weniger deutlich unter 10% und damit in einem möglicherweise vertretbaren Rahmen.
Im Gegensatz dazu ist das Risiko bei einer Kombinationstherapie mit mehreren Wirkstoffen gleichzeitig deutlich höher. Eine solche Behandlung sollte im Falle einer Schwangerschaft deshalb umgestellt werden.
Bei den neueren Medikamenten gegen Epilepsie liegen bisher nur für Lamotrigin Daten von weit über 1.000 ausgewerteten Schwangerschaften vor. Die ansonsten nur spärlich vorliegenden Verlaufsbeobachtungen lassen bisher keine relevante Gefahr der Fruchtschädigung erkennen. Im Zusammenhang mit Lamotrigin wurden zwar eine erhöhte Rate von Mundspaltbildungen und ein erhöhtes Fehlbildungsrisiko oberhalb einer Tagesdosis von 200 mg beschrieben. Diese Feststellungen konnten aber bislang nicht eindeutig bestätigt werden.
Welche Schädigungen können Antiepileptika in der Schwangerschaft beim Kind verursachen?
Zu den beobachteten Fehlbildungen zählen u.a.:
- Fehlbildungen des Herzens, der Harnwege und des Skeletts, Mundspaltbildungen
- bei Carbamazepin und Valproinsäure: 10- bis 30-fach erhöhtes Risiko für Neuralrohrdefekte, jedes 50.-100. exponierte Kind ist von einem offenen Rücken (Spina bifida) betroffen
- Antiepileptika-Syndrom: mangelhafte Ausbildung von Mittelgesicht und Gliedmaßenenden v.a. im Zusammenhang mit Valproinsäure: mentale Entwicklungsstörungen (Verhaltensauffälligkeiten, Sprachentwicklungsstörungen, Lernstörungen), autistische Symptome.
Kann man eine Epilepsie auch operieren?
Ja, in bestimmten Fällen schon. Allerdings wird eine Operation meist nur dann erwogen, wenn mit der medikamentösen Behandlung auch nach mehreren Versuchen kein Erfolg erzielt wird und trotz der Tabletten weiterhin epileptische Anfälle auftreten.
Eine Operation kommt als Alternative aber auch nur dann in Betracht, wenn die Epilepsie von einem ganz bestimmten Bereich im Gehirn ausgeht. Das ist bei den sogenannten fokalen Anfällen der Fall. Dann kann theoretisch dieses kleines Hirnareal chirurgisch entfernt werden. Meist gelingt damit eine gute Eindämmung der epileptischen Anfälle.
Darüber hinaus gibt es auch die Möglichkeit, ein kleines Gerät zu implantieren, das einen bestimmten (beruhigenden) Nerv im Gehirn stimuliert und damit die epileptischen Anfälle verhindert. Es geht um den Vagus-Nerv. Dieser Nerv wirkt beruhigend und anfallshemmend, so dass sich auf diese Art epileptische Anfälle verhindern lassen. Das Verfahren ist zwar erprobt, kommt allerdings im Regelfall nur dann in Betracht, wenn mit der medikamentösen Behandlung kein Erfolg erzielt wird – was die Ausnahme ist. Fragen Sie ggf. Ihren Neurologen nach näheren Informationen.
Alltag & Selbsthilfe
Epilepsie: Wie kann ich mein Kind im Alltag unterstützen?
Bei der Diagnose Epilepsie bricht für viele Eltern zunächst eine Welt zusammen: „Was wird aus meinem Kind? Kann ich das alles schaffen? Wie reagieren die Menschen in unserer Umgebung?“ Diese und andere Fragen brennen Eltern und auch Kindern, die gerade mit der Diagnose Epilepsie konfrontiert wurden, unter den Nägeln.
Zur Beruhigung: Die meisten Epilepsie-Arten sind in der Regel gut zu behandeln, so dass die betroffenen Kinder und Jugendlichen mittelfristig ein aktives und selbstständiges Leben führen können.
Grundsätzlich können und sollen epilepsiekranke Kinder und Jugendlich das Gleiche machen, wie alle anderen Kinder auch: Kindergarten und Schule besuchen, spielen und Spaß haben, Sport treiben, Freunde haben, Party machen, sich verlieben und vieles mehr. Da einige wenige Einschränkungen allerdings nicht zu vermeiden sind, lautet das Alltags-Motto „So viel Freiheit wie möglich, so viel Reglementierung wie nötig“.
Vier hilfreiche Regeln für den Alltag
1. Kritische Situationen meiden
Das beste Selbsthilfe-Gegenmittel ist das Vermeiden von Situationen, die einen epileptischen Anfall auslösen können. Wenn Sie das aufgrund früherer Anfälle gut eingrenzen können, lohnt sich natürlich der bewusste Verzicht auf solche Situationen.
Aber besprechen Sie das Thema auf jeden Fall auch mit Ihrem Arzt und ziehen Sie keine falschen Schlüsse: Nur weil ein früherer Anfall z.B. im Zusammensein mit Freunden passiert ist, muss das nichts mit den Freunden zu tun haben, und eine selbst auferlegte soziale Isolation wäre ein völlig kontraproduktiver Schritt.
2. In die Offensive gehen
Damit an Epilepsie erkrankte Kinder nicht von ihrem sozialen Umfeld ausgegrenzt werden, sollten Sie sich als Eltern umfassend über Epilepsie informieren. Und außerdem von Anfang an offen über die Erkrankung sprechen – insbesondere auch mit ihrem an Epilepsie erkrankten Kind. Begegnen Sie möglichen Vorurteilen, Unsicherheiten und Ängsten in Ihrem Umfeld offensiv! Auf diesem Weg können Sie der Situation vorbeugen, dass ihr Kind mit mangelndem Selbstwertgefühl zu kämpfen hat oder die Erkrankung gar die ganze Familie in Depressionen stürzt.
Bei Verhaltensauffälligkeiten und emotionalen Problemen können Psychologen helfen. Gegebenenfalls ist es auch sinnvoll, sich Unterstützung bei einer Selbsthilfegruppe zu holen oder sich mit anderen betroffenen Eltern über ihre Erfahrungen mit Epilepsie auszutauschen.
3. Kein Tabuthema mehr
Diese Strategie der Offenheit sollte bereits in Kindergarten und Schule verfolgt werden: Eine Sensibilisierung für Epilepsie, deren Symptome und Therapie, gibt allen Beteiligten – Erziehern, Lehrern und Mitschülern – die Sicherheit, sich immer der Situation entsprechend zu verhalten und im Notfall Hilfestellung leisten zu können. Auch Kinder und Jugendliche mit einer Epilepsie-Erkrankung sollten nicht nur gefördert, sondern auch gefordert werden. Also Teilhaben anstatt von Überfürsorglichkeit, damit das Kind nicht ins Abseits gestellt wird. Denn dies verursacht wiederum nur Aggressionen bei dem epilepsiekranken Kind oder führt zu einem Rückzug in sich selbst. Die mögliche Konsequenz sind Entwicklungsverzögerungen.
4. Ein gutes Beispiel geben
Darüber hinaus können Sie als Eltern Ihren Kindern von vorneherein eine gesunde Lebensweise vorleben und Ihr Kind zu Aktivitäten animieren. So können Sie beispielsweise auf ausreichend Schlaf und eine ausgewogene Ernährung zu festen Zeiten in einer stressfreien Umgebung achten. Sportliche Aktivitäten sorgen außerdem dafür, dass sich der krampfauslösende Stress in Grenzen hält.
Zudem kann man durch eine gesunde Lebensweise die Risiken für – ebenfalls anfallsfördernde – Infektionen und Fieber senken. Hat es ein epilepsieerkranktes Kind mal erwischt, sollte es sich zuhause in Ruhe z.B. von einem grippalen Infekt erholen können.
Kritische Phase Pubertät: Wie soll ich mich als Eltern am besten verhalten?
In der Ruhe liegt die Kraft – das gilt vor allem für die Pubertät. Diese Phase der hormonellen Veränderung ist ja ohnehin schon schwierig genug. Hier sollten Sie Ihr Kind insbesondere bei der Bewältigung von emotionalem Stress unterstützen, wie ihn vielleicht schlechte Noten oder die erste Liebe mit sich bringen. Offenheit und Verständnis in der Familie – mit dieser Zauberformel lassen sich auch schwierigere Fälle angehen, ohne dass man zu Helikopter-Eltern abgestempelt wird. Entspannungsübungen wie z.B. Yoga haben sich als sehr hilfreich erwiesen, Anfällen vorzubeugen.
Feste Regeln aufstellen
Fernsehen, Computerspiele, Nintendo, Playstation – Reizthemen für alle Eltern. Rund 8% aller Kinder mit Epilepsie leiden unter Fotosensibilität, d.h. flackerndes Licht kann zu Krämpfen führen. Ist das das Aus für FIFA & Co? Sie sollten nicht gleich alles verbieten, was möglicherweise Krampfanfälle begünstigt und Ihr Kind damit von vornherein ins Aus manövrieren. Es gilt in diesem Fall lediglich darauf zu achten, dass die "Medienzeit" nicht ausufert. Sie sollte auf etwa 1,5 Stunden pro Tag limitiert werden.
Darüber hinaus sollten Sie achtgeben, dass Ihr Kind seine Medikamente – ggf. in Eigenregie – regelmäßig einnimmt. Und darauf, dass es einen möglichst geregelten Tagesablauf hat, gleichzeitig aber auch Freizeit mit Freunden verbringen kann. Beides wirkt sich ebenfalls positiv auf eine stabile Psyche aus. Ziel ist ein ganz normales Leben mit einem entsprechenden Maß an Verantwortung. Dann klappt es auch mit den Club-Besuchen trotz flackerndem Stroboskoplicht. Dabei sollte Ihr (jugendliches) Kind aber immer in einer Freundesgruppe ausgehen. Freunde, die über die Epilepsie Bescheid wissen, können Ihrem Kind – im Fall der Fälle – helfend zur Seite stehen.
Die Welt entdecken
Auch gemeinsamen Reisen steht nichts entgegen, wenn einige wenige Verhaltensregeln beachtet werden. Grundsätzlich führen Flugreisen zu keiner höheren Anfallshäufigkeit. Manche Fluggesellschaften verlangen ein Attest, dass kein Anfallsrisiko besteht. Bei Zeitverschiebungen sollten Sie darauf achten, dass der bisher gewohnte Tagesablauf nicht zu sehr durcheinander gebracht wird. Medikamentenumstellungen sollten auf die Zeit nach den Ferien verschoben werden.
Tipps und Hinweise für den Alltag
Hilft ein guter Schlaf gegen Epilepsie?
Ja. Bei den meisten Menschen mit Epilepsie sorgt ausreichender Schlaf mit gleichbleibenden Rhythmen für eine Reduzierung der Anfallswahrscheinlichkeit.
Wichtig ist dabei neben der Schlafmenge auch die sogenannte Schlafhygiene – also das Einhalten von regelmäßigen Zubettgehzeiten und Aufwachzeiten. Das gegenteilige Verhalten – Schlafmangel und unregelmäßige Schlafzeiten – erhöht nachweislich die Gefahr von epileptischen Anfällen.
Helfen Entspannungstechniken?
Grundsätzlich hilft bei Epilepsie alles, was Geist und Körper in Balance hält. Entspannungstechniken wie Autogenes Training, Progressive Muskelentspannung (PME) nach Jacobson und Yoga tragen dazu bei, das Wohlbefinden zu steigern und Stress – einen der Auslöser für bestimmte epileptische Anfälle – abzubauen, können dabei helfen.
Obwohl einige Experten davor warnen, dass Entspannungstechniken Krämpfe auslösen können, kamen andere Studien bereits 1998 zu dem Ergebnis, dass sich die Anfallshäufigkeit durch PME und Yoga um nahezu ein Drittel senken lässt.
Was bringt Fasten oder eine Diät bei Epilepsie?
Es gibt Berichte, dass Fasten nach einer speziellen Diät bei Epileptikern dazu führt, dass sie von Krampfanfällen weitgehend verschont bleiben bzw. die Anfallsfrequenz drastisch gesenkt werden kann. Die Gründe dafür sind jedoch noch nicht bis ins letzte Detail erforscht. Mit der sogenannten Ketogenen Diät kann man insbesondere bei Kindern und Jugendlichen im Hinblick auf eine geringere Anzahl von Krampfanfällen Erfolge verbuchen.
Bei der Ketogenen Diät werden die Kohlenhydrate in den Mahlzeiten weitgehend durch pflanzliches Fett ersetzt. Die Aufnahme von Proteinen wird minimiert. Bei der Verbrennung des Fettes zur Energiegewinnung entstehen – an Stelle der Glukose aus den Kohlenhydraten – sogenannte Ketosekörper, die in bestimmten Fällen krampfhemmend wirken. Die Ketogene Diät wird in der Regel nur unter ärztlicher Aufsicht durchgeführt, da die relativ einseitige Ernährung – wenig Vitamine und Spurenelemente – zahlreiche gravierende Nebenwirkungen nach sich ziehen kann. Gegebenenfalls muss die Nahrung mit Vitaminpräparaten ergänzt werden.
Kann mein Kind auch mit Epilepsie noch Sport treiben?
Ja, das darf es. Grundsätzlich ist das sogar gut. Sie müssen nur bei einigen speziellen sportlichen Aktivitäten den Riegel vorschieben oder zumindest große Vorsicht walten lassen. Schwimmen, Tauchen und generell Wassersport ist für Menschen mit Epilepsie gefährlich und sollte niemals ohne Begleitpersonen und ausreichende Sicherungsmaßnahmen durchgeführt werden.
Um das zu verdeutlichen: Die häufigste unnatürliche Todesursache bei Menschen mit Epilepsie ist Ertrinken.
Leichtathletik, Bodenturnen, Ausdauersportarten und Ballspiele (außer Kopfballtraining) sind normalerweise uneingeschränkt möglich.
Das sollten Sie beachten:
Im Wesentlichen gelten für Menschen mit Epilepsie die gleichen Vorsichtsmaßnahmen, die von jedem Sportler eingehalten werden sollten: Beim Radfahren oder Reiten sollte ein Helm getragen werden, Sportgeräte sollten ausreichend sicher sein. Vermeiden sollten Sie Risikosportarten wie Klettern, Mountainbike-Touren oder auch Motorsport.
Weitere wichtige Vorsichtsmaßnahmen sind:
- Schwimmen und Baden sollte nur unter Einzelaufsicht stattfinden, auch in flachen Gewässern.
- Denn es besteht die Gefahr, dass Ihr Kind während eines Krampfanfalls ertrinkt, weil es sich in diesem Augenblick nicht selbst helfen kann.
- Geräteturnen sollte immer mit Hilfestellung und dicker Matte durchgeführt werden.
- Beim Wintersport ist das im Sessellift erhöhte Gefahrenpotenzial zu berücksichtigen.
Epilepsie: Was ist bei Kindergarten- und Schulwahl zu beachten?
Der Besuch von Kindergarten und Schule dient nicht allein der reinen Wissensvermittlung – die Integration in Gruppe oder Klasse fördert insbesondere das Sozialverhalten eines jeden Kindes. Das gilt natürlich auch für ein epilepsiekrankes Kind. Unabhängig von der Form der Epilepsie bzw. Schwere der Behinderung. Seit Inkrafttreten der entsprechenden UN-Konvention in Deutschland im Jahr 2009 steht Eltern und Kind unter dem Stichwort "Inklusion" die Wahl des Kindergarten- und Schultyps frei.
Inklusion – gemeinsam leben, spielen und lernen
Die Übereinkunft aller Mitglieder der Vereinten Nationen aus dem Jahr 2006 formuliert Inklusion (Zugehörigkeit) als Menschenrecht. Zentrale Ziele von Inklusion sind Teilhabe, Selbstbestimmung und uneingeschränkte Gleichstellung von Menschen mit und ohne Behinderung in allen Lebensbereichen – vor allem auch in Kindertagesstätte (Kita), Kindergarten und Schule.
Kitas und Schulen – breitgefächertes Angebot
Zur Auswahl stehen Regel- und integrative Kindergärten sowie Regel- und Förderschulen. Bei der Wahl des passenden Kindergarten- oder Schultyps sollten Sie als Eltern – unabhängig von Ihrem Rechtsanspruch – in erster Linie das Wohl Ihres an Epilepsie erkrankten Kindes im Auge haben. Wichtig ist, dass sich das Kind in seinem Umfeld wohl fühlt und den Spaß am – auf seine Bedürfnisse ausgerichteten – Spielen und Lernen nicht verliert.
Integrativer Kindergarten?
Bei einem Kind mit geistiger Behinderung, ausgeprägten Verhaltensstörungen oder sehr aktiver Epilepsie ist die Betreuung in einem integrativen Kindergarten nach Expertenmeinung intensiver. Hier sind die Kindergruppen gewöhnlich kleiner als in einem Regelkindergarten. Diese kleineren Gruppen werden meistens durch mehrere Erzieherinnen betreut, die in manchen Fällen sogar über eine heilpädagogische Zusatzausbildung verfügen.
Darüber hinaus werden in einem integrativen Kindergarten von ausgebildeten Fachkräften verschiedene Therapien zur Förderung der Kinder angeboten. So z.B. Krankengymnastik, Beschäftigungstherapie und Logopädie.
Umfassende Information über Erkrankung
Entscheiden Sie sich als Eltern für einen Regelkindergarten oder eine normale Schule, sollten Pädagogen und Lehrer auf jeden Fall umfassend über das Krankheitsbild des Kindes aufgeklärt werden, um die bestmögliche Betreuung des Kindes sicherzustellen. Dazu zählen Informationen, wie:
- Art der Anfälle
- weitere Störungen
- Auffälligkeiten in der Motorik oder im Verhalten
- Medikamenteneinnahme
- notwendige Ruhezeiten
Grundsätzlich sollten Betreuer und Lehrer mit den Verhaltensregeln bei Anfällen vertraut gemacht werden. Ein regelmäßiger Austausch zwischen Pädagogen und Eltern ist nicht minder wichtig.
Regelschule oder spezialisierte Einrichtung?
Kann mein Kind auf die Regelschule gehen?
Epilepsie hat in den meisten Fällen keinen Einfluss auf die Intelligenz. Die meisten Kinder und Jugendlichen können also – trotz großer Klassen – einen Schultyp besuchen, der ihrer Begabung entspricht. Darüber hinaus ist die Teilnahme am Sportunterricht, Ausflügen und Klassenfahrten unter Einhaltung bestimmter Sicherheitsmaßnahmen kein Problem. Häufige Krampfanfälle, die Nebenwirkungen von Medikamenten (z.B. Müdigkeit, Konzentrationsprobleme), längere Abwesenheitszeiten oder psychosoziale Belastungen können jedoch die Lern- und Leistungsfähigkeit beeinträchtigen.
An Leistungskurve angepasster Unterricht
Die schwankende Leistungskurve eines an Epilepsie erkrankten Kindes oder Jugendlichen stellt heutzutage – wie bereits angedeutet – keinen Grund mehr dar, auf den Besuch einer Regelschule zu verzichten. Zieldifferenzierter Unterricht mit den an die Lernmöglichkeiten des Kindes angepassten Aufgaben nimmt auf die individuellen Bedürfnisse Rücksicht.
Experten wenden an dieser Stelle ein, dass es nicht sinnvoll sei, „durch gut gemeinte Nachsicht ein epilepsiekrankes Kind in einer Klasse bzw. Schule zu belassen, in der es die geforderte Leistung nur unter großen Mühen und mit zusätzlichen Hilfen erreichen kann“. Zu den „zusätzlichen Hilfen“ zählen u.a. die Begleitung durch einen sogenannten Inklusionsassistenten sowie der ergänzende Unterricht durch Sonderpädagogen, die der Staat zur Realisierung der Inklusion bereitstellt.
Ist eine Schule für Kinder mit geistiger Behinderung die bessere Wahl?
Diese Schulform eignet sich nach Expertenmeinung für stark lernbehinderte und schwer mehrfachbehinderte Kinder. Sie ist für Kinder, „die im kognitiven Lernen so stark beeinträchtigt sind, dass der Erwerb lebenspraktischer Fähigkeiten den Vorrang im Unterricht haben muss, ein realistischer Lernort“. Das Erlernen von Lesen, Schreiben und der Grundbegriffe der Mathematik erfolgt nach der individuellen Förderfähigkeit des Kindes oder Jugendlichen. In der Regel schließt sich dieser Schulform eine dreijährige Werkstufe oder eine berufsvorbereitende Bildungsmaßnahme an.
Wenn Sie als Eltern vor der Entscheidung stehen, welchen Kindergarten- oder Schultyp ihr an Epilepsie erkranktes Kind künftig besuchen wird, sollten Sie sich jedoch immer der Tatsache bewusst sein, dass Ihr Kind in einem vertrauten Umfeld am besten aufgehoben ist und von den Förderkindergärten und Förderschulen – zumindest laut Statistik – kaum ein Weg mehr zurück in das reguläre System führt.
Wann sollte mein Kind auf eine Schule für körperbehinderte Kinder gehen?
Epilepsiekranke Kinder und Jugendliche mit massiveren Einschränkungen sind nach Meinung vieler Neurologen und Psychologen in Förderschulen besser aufgehoben. So ist eine Schule für Körperbehinderte in der Regel in drei Züge gegliedert. Der A-Zug folgt dem Lehrplan der Grund- und Hauptschulen. Ein Übertritt in Gymnasium oder in die Realschule ist möglich. Die Klassen bzw. Gruppen bestehen aus fünf bis acht Kindern. An das zehnte Schuljahr kann ein Berufsgrundschuljahr angehängt werden, das zur Aufnahme in ein Berufsbildungswerk führen kann.
Der B-Zug entspricht der Schule für lernbehinderte Kinder. Der C-Zug fördert in erster Linie körperlich und geistig behinderte Kinder.
Verlauf und Prognose der Epilepsie
Diagnose Epilepsie: Was bedeutet das für die geistige Entwicklung meines Kindes?
In den meisten Fällen einer Epilepsie-Erkrankung verläuft die geistige Entwicklung der betroffenen Kinder fast völlig normal. Sie sind durchschnittlich intelligent und können wie alle anderen Kinder auch am Schulunterricht teilnehmen.
Mit den "meisten Fällen" sind etwa 80% aller Kinder mit Epilepsie gemeint. Da es unzählige verschiedene Varianten der Erkrankung mit nochmals zahllosen Unterformen gibt, ist eine pauschale Aussage zur geistigen Entwicklung oder zu Auswirkungen auf die Intelligenz nicht möglich. Bei sehr schweren Formen der Epilepsie, die dann häufig auch eine hirnorganische Ursache haben, kann es auch zu einer ernsteren geistigen Behinderung kommen. Die 80% geben aber ganz gut wieder, dass die Kinder in der Mehrzahl der Fälle unter keinen größeren Einschränkungen zu leiden haben. Zumindest nicht in der Schule.
Problem der Vorurteile
Schaut man weiter nach vorn auf die berufliche Entwicklung, ist es leider schon so, dass der Weg ins Arbeitsleben oft mit Hürden gespickt ist. Die Deutsche Epilepsievereinigung hat vor ein paar Jahren beklagt, dass die Mehrzahl der betroffenen Jugendlichen nicht direkt in ein Ausbildungsverhältnis vermittelt werden könnten. Oft seien hier mehrere Anläufe notwendig, mitunter klappt es auch gar nicht.
Dabei ist in den meisten Fällen gar nicht die Epilepsie das Hindernis, sondern das, was aus ihr gemacht wird. Die Rede ist von althergebrachten Vorurteilen ("das ist doch eine Geisteskrankheit"), die zwar grundfalsch sind, aber nichtsdestotrotz ein Problem sein können. Und die Rede ist von Ängsten, der Betreffende könne stürzen, längere Zeit ausfallen etc..
Mit diesen Nachteilen hat zum Glück nicht jeder zu kämpfen, aber viele eben schon. Der beste Tipp, den man hier geben kann, ist: Kommunikation. Offen darüber sprechen, nachhaken, erklären.
Lernschwierigkeiten bei rund 50% der Kinder
Ganz ohne Auswirkungen bleibt die Erkrankung aber auch bei günstigem Verlauf oft nicht. So hat etwa jedes zweite Kind mit Epilepsie Schwierigkeiten mit dem Lernen. Nur selten im Sinne einer Behinderung, aber eben doch so, dass man in der Schule mit ein paar Problemen zu kämpfen hat.
Oft ist hier gar nicht die Erkrankung selbst die Ursache, sondern die Behandlung. So notwendig die regelmäßige Tabletteneinnahme ist, um eine Anfallsfreiheit zu erreichen, so muss man doch auch wissen, dass diese Medikamente überwiegend einen dämmenden Effekt im Gehirn haben und im weitesten Sinne wie Beruhigungsmittel wirken. Das kann sich durchaus auch mal auf die Lerngeschwindigkeit auswirken und sollte dann auch so toleriert werden.
Eine weitere Ursache kann übrigens auch der familiäre Umgang mit der Epilepsie sein. Lernvermögen und geistige Entwicklung hängen natürlich auch von dem ab, was zuhause passiert, auch was an Zutrauen entgegengebracht wird. Das ist bei Kindern mit Epilepsie im Prinzip nicht anders als bei allen anderen Kindern auch.
Unbedingt offen damit umgehen und Lehrer informieren
Wichtig in diesem Zusammenhang ist übrigens die Einbeziehung der Lehrer und auch der näher stehenden Schulkameraden bzw. derer Eltern. Nur wer über die Erkrankung Bescheid weiß, kann verständnisvoll damit umgehen. Der Wunsch einiger Eltern, die Epilepsie so lange wie möglich zu verschweigen, damit ihr Kind keine Nachteile hat oder stigmatisiert wird, ist daher eher kontraproduktiv. Umso offener Sie als Eltern damit umgehen, umso weniger werden Sie und Ihr Kind mit Ausgrenzung oder Benachteiligung zu kämpfen haben.
Lebenserwartung und Einschränkungen bei Kindern mit Epilepsie
Welche Prognose hat eine Epilepsie?
Insgesamt ist die Prognose bei Epilepsie pauschal kaum zu beurteilen, weil es so viele verschiedene Formen und Varianten gibt. Eine Rolle spielen z.B. auch die Schwere der epileptischen Anfälle, die Anfallshäufigkeit und die genaue Lokalisation der Schädigung (soweit man diese nachweisen kann).
Viele Epilepsie-Formen sind recht gut behandelbar. Fest steht aber auch: Unbehandelt kann eine Epilepsie zu schweren Entwicklungs- und Persönlichkeitsstörungen führen. Werden die ersten Anzeichen jedoch frühzeitig erkannt, kann eine Therapie in der Regel das Schlimmste verhindern.
Ist die Lebenserwartung bei Epilepsie verkürzt?
Statistisch ja. Allerdings liegt das vor allem an den schweren Epilepsie-Formen, die auf einen hirnorganischen Schaden zurückgehen (die sogenannten "symptomatischen Epilepsien"). Bei anderen, harmloseren Epilepsie-Formen ist die Lebenserwartung kaum eingeschränkt. Das gilt insbesondere für die vielen Fälle, in denen eine klare Ursache für die Krampfanfälle nicht gefunden werden kann ("idiopathische Epilepsie").
Hinzu kommt, dass die offiziellen Daten zur Sterblichkeit uneinheitlich und unvollständig sind, weil bei Todesfällen nicht immer festgehalten wird, ob die Ursache wirklich eine Epilepsie war.
Kann man an einer Epilepsie sterben?
Insgesamt sind Todesfälle bei Epilepsie zum Glück die Ausnahme. Nur die wenigsten Betroffenen sterben an ihrer Erkrankung. Zwei mögliche Todesursachen stehen dabei im Vordergrund: der epileptische Anfall selbst oder der sogenannte SUDEP.
Todesfälle als unmittelbare Folge eines epileptischen Anfalls sind heute ausgesprochen selten. Gefährlicher sind Unfälle, die einen schweren epileptischen Anfall begleiten können. Schwere Kopfverletzungen durch einen Sturz, Unfälle mit dem Auto oder Ertrinken in der Badewanne sind zwar insgesamt sehr selten, aber gleichwohl möglich.
Ist man mit Epilepsie weniger leistungsfähig?
In Deutschland leiden etwa 800.000 Menschen an Epilepsie. Davon sind rund 270.000 im erwerbsfähigen Alter. Viele von ihnen stehen mit beiden Beinen fest im Beruf und führen darüber hinaus ein aktives und ausgefülltes Leben. Einige haben es sogar bis in die Führungsetagen großer Konzerne geschafft.
Die Deutsche Epilepsievereinigung verweist auf eine Studie der Ludwigshafener BASF aus dem Jahr 1982, demnach es bei Produktivität und krankheitsbedingten Ausfällen keine Unterschiede zwischen Menschen mit Epilepsie und ihren Kollegen gibt. Wie kommt es nun dazu, dass die Arbeitslosenquote bei Menschen mit Epilepsie mit 16,7% dennoch mehr als doppelt so hoch liegt wie der bundesweite Durchschnitt von 6,4% (2015)?
Haben es Menschen mit Epilepsie schwerer als andere im Berufsleben, Fuß zu fassen und Karriere zu machen? Sind sie in ihrer Leistungsfähigkeit grundsätzlich eingeschränkt?
Der "Dämon" in den Köpfen der Anderen
Die zweite Frage lässt sich eindeutig mit Nein beantworten. Epileptiker sind grundsätzlich genauso leistungsfähig wie alle anderen Menschen auch. Das gilt sowohl für das Berufs- als auch das Privatleben. Menschen mit Epilepsie leiden in der Regel weniger unter der eigentlichen Erkrankung als unter den Vorurteilen Anderer – einer Stigmatisierung nach mittelalterlichem Vorbild durch die Gesellschaft. Ihnen haftet für viele Zeitgenossen – trotz aller Aufklärung – immer noch etwas "Dämonisches" an.
Angst der Arbeitgeber
Nach Ansicht der Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen schreckt oft allein die theoretische Möglichkeit eines Anfalls bzw. Zwischenfalls potenzielle Arbeitgeber davon ab, Menschen mit Epilepsie einzustellen. Sie befürchten – trotz aller Gegenbeweise aus wissenschaftlichen Erhebungen und Beispielen aus der Praxis –, dass Arbeitnehmer, die an Epilepsie leiden, weniger belastbar sind, ihre Aufnahmefähigkeit vermindert ist und sie damit mehr Arbeitsunfälle verursachen. In diesem Zusammenhang schieben Arbeitgeber bei der Ablehnung epilepsiekranker Bewerber um eine Stelle oftmals die Angst vor versicherungstechnischen Komplikationen bei Unfällen am Arbeitsplatz vor. Sprich: Sie haben Angst vor Haftungsansprüchen.
Berufswahl allerdings oft eingeschränkt
Nicht jede Epilepsie verläuft nach dem gleichen Muster. Nicht jeder Krampfanfall ist ein medizinischer Notfall. Die Form der Epilepsie bzw. die Schwere der Anfälle bestimmen den Grad der Barrieren im Berufs- und Privatleben, mit denen sich Menschen, die unter Epilepsie leiden, konfrontiert sehen.
Während der eine Betroffene nur ein einziges Mal in seinem Leben einen Krampfanfall erlitten hat und seit vielen Jahren als anfallsfrei gilt, äußert sich bei dem anderen der nur wenige Sekunden dauernde Anfall in unkontrollierten Kaubewegungen – was von seiner Umwelt in der Regel kaum wahrgenommen wird. Der nächste Epileptiker erlebt wiederum einen Krampfanfall, der ihn in tiefe Bewusstlosigkeit fallen lässt – und der möglicherweise von einem Baugerüst stürzen kann. Die Möglichkeit einer Selbst- oder Fremdgefährdung schränkt ihn demzufolge in der Freiheit der Berufswahl ein. Eine berufliche Laufbahn u.a. als Dachdecker, Fahrer, Feuerwehrmann, Maurer, Pilot, Polizist, Soldat, Schornsteinfeger und auch als Taucher bleibt ihm verwehrt. Schichtdienst sollte gemieden werden. Auch bei der Freizeitgestaltung – wie u.a. im Sport – bleiben einige Wege verschlossen.
Erfolgreich trotz Einschränkungen
Gleiches gilt allerdings auch für Personen, die beispielsweise unter Herz-Kreislauf-Krankheiten leiden. Auch sie sind bei der Wahl ihres Traumjobs und in ihren sportlichen Aktivitäten eingeschränkt. Sie werden niemals einen Beruf ergreifen, der sie in luftige Höhen oder extreme Tiefen führt. Sie können trotzdem durchaus erfolgreiche Mitarbeiter einer großen Firma, einer Finanzbehörde oder eines Versorgungsamtes sein. Sie bewältigen Tag für Tag ein gewaltiges Arbeitspensum und sind damit äußerst leistungsfähig.
Störende Nebenwirkungen von Medikamenten
Schließlich sind auch die Nebenwirkungen der Medikamente gegen epileptische Anfälle nicht zu unterschätzen. So z.B.:
- Müdigkeit
- Schwindel
- Konzentrationsstörungen
Sport als Therapie
Umso wichtiger ist es, mit einem sportlichen Ausgleich das körperliche und psychische Wohl wiederherzustellen. Kontinuierliches Fitnesstraining steigert die physische und geistige Leistungsfähigkeit eines jeden Menschen. Bei Epileptikern wurde dabei keine Zunahme der Anfallshäufigkeit beobachtet.
Bei Berufswahl Neigung im Fokus
Wie sollte man nun als Betroffener bei Berufswahl und Bewerbung um einen Job vorgehen? Von vornherein die Karten auf den Tisch legen und offen über die Erkrankung sprechen oder lieber den eigenen Qualifikationen und der eigenen Einschätzung von Leistungsfähigkeit und Belastbarkeit vertrauen? Grundsätzlich gilt: Nach mehreren Jahren Anfallsfreiheit muss man seinen Arbeitgeber nicht über die Epilepsie informieren, wenn er nicht ausdrücklich danach fragt. Ein Verschweigen trotz expliziter Nachfrage ist dagegen bei Entdeckung aufgrund eines Zwischenfalls ein Grund für eine fristlose Kündigung. Hier muss jeder Betroffene für sich selbst entscheiden, wie er vorgeht.
Epilepsie: das Recht im Rücken
Allerdings erweist es sich grundsätzlich als sinnvoll, Arbeitgeber und Kollegen unbefangen und sachlich über die Möglichkeit von Anfällen zu informieren, um im Notfall Verwirrung und Panik vorzubeugen. Sollte man tatsächlich während der Berufstätigkeit auf Ablehnung stoßen oder Probleme bekommen, kann ein klärendes Gespräch – ggf. in Anwesenheit des Betriebsrats oder mit Unterstützung des Betriebsarztes – in vielen Fällen helfen.
Von einer Anerkennung bzw. Bewerbung als Schwerbehinderter raten Experten – trotz „Nachteilsausgleichen“ wie u.a. besonderer Kündigungsschutz und Steuererleichterungen – ab, da Schwerbehinderte auf dem Arbeitsmarkt immer schwerer zu vermitteln sind als nicht-behinderte Menschen. Einen Einblick in das Thema "Epilepsie und Arbeit" – inklusive rechtlicher Grundlagen – bietet eine Broschüre des Instituts der Deutschen Wirtschaft Köln REHADAT Informationssystem zur betrieblichen Rehabilitation im Internet.
Geht eine Epilepsie manchmal auch von selbst wieder weg?
Ja. Es gibt durchaus Fälle, in denen die Epilepsie nach einem oder mehreren Krampfanfällen von selbst wieder verschwindet. Das ist natürlich vor allem dann der Fall, wenn es einen klar definierten Auslöser gab, beispielsweise eine andere Erkrankung, die nun geheilt ist. Aber auch bei Epilepsien unklarer Ursache ist eine Selbstheilung möglich.
Aber auch wenn man natürlich immer hofft, dass sich das Problem irgendwann von selbst erledigt, sollte man die medikamentöse Behandlung nicht leichtfertig über Bord werfen. Mit den Arzneimitteln zur Vorbeugung weiterer epileptischer Anfälle wird bei 60% (fokale Epilepsie) bis 80% (Grand-Mal-Epilepsie) der Patienten Anfallsfreiheit erreicht.
Verlauf und Suizidgefahr bei Epilepsie
Was bedeutet SUDEP bei Epilepsie?
SUDEP steht für "sudden unexpected death in epilepsy", sprachlich angelehnt an den plötzlichen Kindstod. Es handelt sich dabei um einen unerwarteten und plötzlichen Todesfall, ohne dass man eine erkennbare Ursache identifizieren kann. Zwischen 5% und 10% aller Todesfälle durch Epilepsie gehen auf einen SUDEP zurück. Aber es noch einmal betont: Absolut betrachtet ist diese Gefahr sehr gering.
Risikofaktoren für einen SUDEP sind u.a.:
- schwere Epilepsie-Form mit zahlreichen Anfällen
- junges Erwachsenenalter (warum, ist nicht ganz klar)
- männliches Geschlecht
- häufiger Medikamentenwechsel (als Zeichen schwer therapierbarer Variante, dann bitte auch immer OP erwägen)
- schwankende Medikamentenspiegel im Blut (als Zeichen unregelmäßiger Anwendung)
- ungesunde Lebensweise, z.B. viel Alkoholkonsum
Sind Menschen mit Epilepsie suizidgefährdet?
Ebenfalls in absoluten Zahlen selten, aber bestürzend: Die Suizidrate ist unter Epilepsie-Kranken deutlich höher als in der Normalbevölkerung. Das zeigt die enorme psychische Belastung, die mit dieser Erkrankung einhergehen kann, insbesondere wenn die Behandlung nicht richtig greift oder das soziale Umfeld mit Abwendung und Stigmatisierung reagiert.
Welche Epilepsie-Form ist am gefährlichsten?
Am gefährlichsten sind im allgemeinen die sogenannten symptomatischen Epilepsie-Formen. Unter symptomatischer Epilepsie werden all jene Erkrankungen zusammengefasst, bei denen die Krampfanfälle auf einen nachweisbaren hirnorganischen Schaden zurückgehen – zum Beispiel auf eine genetisch bedingte Fehlbildung im Gehirn oder auf einen Hirntumor.
Dem gegenüber stehen die idiopathischen und kryptogenen Epilepsie-Formen. Bei der idiopathischen Epilepsie ist keinerlei hirnorganischer Schaden nachweisbar, man nimmt als Ursache eine genetisch bedingte höhere Erregbarkeit bestimmter Nervenbahnen an. Im Schnitt haben diese Formen die beste Prognose.
Ebenfalls günstig ist die Prognose bei der kryptogenen Epilepsie. Hier nimmt man aufgrund der Symptomatik eine strukturelle Hirnveränderung an, kann sie aber nicht nachweisen bzw. nicht sichtbar machen.
Schwanger mit Epilepsie: Schadet das meinem Kind?
Nein, entgegen früherer Ansicht geht man heute davon aus, dass weder eine Epilepsie noch unkomplizierte Krampfanfälle während der Schwangerschaft das ungeborene Kind gefährden. Eine nennenswerte fruchtschädigende Wirkung scheint nicht zu bestehen.
Im Gegensatz dazu sind einige Epilepsie-Medikamente aber sehr wohl gefährlich. Das gilt insbesondere für die klassischen Antiepileptika, insbesondere wenn mehrere davon in Kombination eingenommen werden. Besprechen Sie deshalb im Falle einer Schwangerschaft das Thema Medikamente möglichst rasch mit Ihrem Frauenarzt oder Neurologen.
Welcher berühmte Papst hatte Epilepsie?
Papst Pius IX. (1792-1878). Berühmt war er nicht wegen seiner Epilepsie, sondern weil er der am längsten amtierende Papst aller Zeiten war. Über 31 Jahre, von 1846 bis zu seinem Tod 1878 dauerte sein Pontifikat. Damit verbannt er sogar Papst Johannes Paul II. auf den zweiten Platz (26 Jahre von 1978-2005).
Unter Epilepsie litt Pius IX., der damals noch Giovanni Maria Mastai-Ferretti hieß, übrigens nur in seiner Jugend. Die Krampfanfälle begannen im Jahre 1808, im Alter von 15 Jahren. Die damaligen Ärzte führten das auf einen früheren Sturz ins Wasser zurück.
Die Erkrankung heilte aber komplett aus, während seiner langen Zeit als Papst war das nur noch eine Anekdote. Allerdings war er noch im Alter von 23 Jahren als Bewerber um einen Posten in der päpstlichen Wache wegen seiner Epilepsie abgewiesen worden. Stattdessen wurde er dann Papst, wenn auch erst 30 Jahre später. Mehr zu Papst Pius IX. lesen Sie hier.
Quellen:
- Kinderärzte-im-Netz.de
- http://www.arbeit-und-gesundheit.de/
- http://www.epilepsie-arbeit.de
- http://www.stiftungmichael.de/
- http://epilepsie-vereinigung.de
- http://www.swissepi.ch
- http://epileptologie-bonn.de
- http://www.izepilepsie.de
- https://www.integrationsaemter.de