Ein epileptischer Anfall ist für die Eltern oder Personen in der Nähe immer ein schockierendes Ereignis. Wie verhalte ich mich richtig? Muss ich sofort den Notarzt rufen und was muss ich beachten, nachdem der Anfall vorbei ist? Die wichtigsten Fragen zum epileptischen Anfall beantworten wir im folgenden Beitrag.
Ursachen
Welches sind die häufigsten Ursachen epileptischer Anfälle?
Die Ursachen epileptischer Anfälle oder auch von Krampfanfällen sind vielfältig. Viele von ihnen sind auch nur zeitweise krampfauslösend und spielen langfristig keine Rolle mehr.
Zu nennen sind hier vor allem:
- verminderte Krampfschwelle (meist aufgrund einer erblichen Veranlagung)
- Fieber
- zu wenig Schlaf
- Flackerlicht
- Stoffwechselstörungen (z.B. jugendlicher Diabetes)
- Störungen des Mineralhaushalts
- Vergiftungen
- Entzündungen, Verletzungen, Tumore oder Fehlbildungen im Bereich des Gehirns
- zu heftiges Atmen (die sogenannte Hyperventilation, z.B. bei Aufregung)
- Alkoholentzug oder Medikamentenentzug
Auslöser im Alltag
Welche Faktoren im Alltag können einen Krampfanfall auslösen?
Ausreichend Schlaf ist nicht nur für Menschen mit Epilepsie wichtig. Auch bei ansonsten gesunden Menschen kann extremer Schlafmangel theoretisch einen epileptischen Anfall auslösen.
Der Klassiker unter den Epilepsieauslösern ist Flackerlicht, etwa in der Disco oder beim Fernsehen, aber auch durch schnelle Wechsel von Licht und Schatten (z.B. beim Autofahren). Auch hier können Menschen, die eigentlich keine Epilepsie haben, mit Anfällen reagieren.
Allerdings muss dafür, wie auch beim Schlafmangel, eine entsprechende Empfindlichkeit des Nervensystems vorliegen. Und die ist selten. Man muss sich also, soweit das nicht schon einmal passiert ist, keine allzu großen Sorgen darum machen.
Übrigens können auch besondere Musterungen irritierend für das Gehirn sein. Bei einigen Menschen mit Epilepsie besteht eine besondere visuelle Empfindlichkeit. Bei ihnen kann z.B. der Anblick eines Schachbretts einen epileptischen Anfall auslösen.
Zum Glück weiß man als Betroffener nach einer Weile ganz gut selbst, worauf man empfindlich reagiert und kann diese Auslöser umgehen – etwa indem man den Anblick eines Schachbretts oder einer stark gemusterten Tapete bewusst vermeidet.
Heißt ein Krampfanfall gleich, dass ich eine Epilepsie habe?
Nein, ein epileptischer Anfall bedeutet noch nicht gleich, dass jemand an einer Epilepsie leidet. Auch bei Menschen ohne Epilepsie können bei einer entsprechenden Veranlagung in manchen Situationen epileptische Anfälle auftreten. Von einer Epilepsie spricht man definitionsgemäß erst dann, wenn innerhalb eines Jahres mehr als ein Anfall auftritt oder im EEG (Aufzeichnung der Gehirnströme) eindeutige Anzeichen für eine Epilepsie gefunden werden.
Symptome
Woran erkenne ich einen epileptischen Anfall bei meinem Kind?
Ein epileptischer Anfall kann beim Kind (wie übrigens auch beim Erwachsenen) sehr unterschiedlich verlaufen. Das klassische Bild, das man meistens vor Augen hat – ein zuckender Körper und eine Art Ohnmacht –, kann genauso erscheinen, aber eben auch ganz anders.
Relativ häufig (aber keines davon immer) treten bei einem epileptischen Anfall die folgenden Symptome auf:
- starke, eher starre Muskelanspannung des gesamten Körpers oder auch nur der Arme und Beine
- zuckende Bewegungen
- die beiden oben aufgeführten Varianten können sich während eines Anfalls auch abwechseln
- die zuckenden Bewegungen können zunächst nur an einem einzelnen Körperteil auftreten (z.B. am Mundwinkel) und sich dann auf den ganzen Körper ausbreiten
- Augen verdreht, starrer Blick, Weggetretensein
- Blässe, kurze Atemstillstände
- Ohnmacht und Stürze
- Zungenbiss
- Schaum vorm Mund
- Das Kind kann sich während eines epileptischen Anfalls auch in die Hose machen, weil die willkürliche Kontrolle verloren geht
Vorboten eines Anfalls
Manchmal kündigt sich ein epileptischer Anfall im Vorfeld auch an. Solche Vorboten nennt man Aura. Sie müssen nicht, können aber auftreten. Bei Kindern können das neben vielen anderen Aura-Symptomen auch "unwirkliche" Sinneswahrnehmungen wie Halluzinationen sein. Kurz vor dem Krampfanfall hören die Kleinen dann zum Beispiel Geräusche, die nicht vorhanden sind, oder sie sehen Dinge, die gar nicht existieren.
Übrigens kann ein epileptischer Anfall auch bevorzugt zu bestimmten Zeiten auftreten. Anfälle bei der sogenannten Rolando-Epilepsie, der häufigsten Epilepsie-Form bei Kindern, treten beispielsweise nachts bzw. während des Schlafens auf. Bei etwa jedem dritten betroffenen Kind kommt es sogar ausschließlich im Schlaf zu den epileptischen Anfällen. Deshalb ist es zur Sicherung der Diagnose oftmals notwendig, über Nacht ein Schlaf-EEG aufzuzeichnen (da man tagsüber nichts "sieht").
Anfalls-Symptome
Wie äußert sich ein Petit-Mal-Anfall?
Ein Petit-Mal-Anfall ist ein "kleiner" (frz. petit = klein) epileptischer Anfall. Zwar ist der gesamte Körper betroffen, es handelt sich also um einen sogenannten generalisierten epileptischen Anfall. Allerdings dauert er nur ganz kurz an, und wird oft sogar kaum bemerkt. Beim sogenannten Petit-Mal-Anfall kommt es im Gegensatz zum Grand-Mal-Anfall nur zu einer ganz kurz anhaltenden Bewusstlosigkeit. Meist dauert diese nur wenige Sekunden.
Während dieser kurzen Black-out-Phase wird der Blick oft starr, manchmal kommt es auch zu Mund- oder Muskelzuckungen. Weitere typische Begleiterscheinungen sind starkes Blinzeln der Augen, unwillkürliches Schmatzen oder unwillkürliche Kopfdrehungen. Direkt danach fährt der Betroffene mit dem, was er gerade getan hat, meist fort als sei nichts gewesen.
Was ist eine Absence?
Absence wird die kurze Bewusstlosigkeit beim Petit-Mal-Anfall genannt. Oft wird der Blick dabei starr und leer, und es treten unwillkürliche Bewegungen auf (Zuckungen, Kopfdrehen, Schmatzen). Bei Kindern kann sich eine Absence darin äußern, dass sie im Spielen oder in der Bewegung kurz innehalten, einen Augenblick lang verwirrt wirken und dann nach ein paar Sekunden so weitermachen, als wäre nichts passiert.
Wie kann sich ein fokaler Anfall äußern?
Das hängt stark davon ab, welches Hirnareal den Anfall auslöst. Beim fokalen Anfall ist nur eine bestimmte Hirnregion beteiligt, so dass auch die Symptome auf bestimmte Körperregionen beschränkt bleiben.
Ein fokaler Anfall kann sich z.B. äußern durch:
- Zuckungen oder Krämpfe in den Gliedmaßen (nur auf einer Körperseite, Epilepsie sitzt dann in der gegenüberliegenden Hirnhälfte)
- Sehstörungen, Lichtblitze u.ä. (Region des Sehnervs betroffen)
- akustische Fehlwahrnehmungen (Region des Hörnervs betroffen)
- und viele andere Varianten mehr
Charakteristisch für den fokalen Anfall ist, dass der Betroffene bei Bewusstsein und orientiert bleibt. Er nimmt den Anfall selbst wahr und kann meist auch noch mit seiner Umgebung kommunizieren. Ein fokaler Anfall kann allerdings auch in einen generalisierten Anfall übergehen. Diese Anfallsform wird Grand-Mal-Anfall genannt.
Wie äußert sich ein Grand-Mal-Anfall?
Der Grand-Mal-Anfall zählt zu den generalisierten Epilepsie-Anfällen. Er unterteilt sich in eine sogenannte tonische und eine nachfolgende klonische Phase. In der tonischen Phase des Grand-Mal-Anfalls wird der Betroffene tief bewusstlos, die Gliedmaßen sind meist gestreckt.
In dieser Phase kann die Atmung kurzzeitig ausfallen, was sich in bläulich verfärbter Haut äußern kann. Etwa nach 10 bis 30 Sekunden geht die tonische Phase in die klonische Phase über. Die Arme und Beine beginnen nun heftig zu zucken.
Danach fällt der Betroffene in einen tiefen Schlaf. Später kann er sich an den Anfall nicht mehr erinnern, spürt ihn aber noch in Form von Muskelkater.
Beißt man sich während eines epileptischen Anfalls häufig auf die Zunge?
Ein Zungenbiss kommt beim epileptischen Anfall durchaus vor, bleibt aber meistens relativ harmlos. Richtig dramatische Zungenbisse sind zum Glück selten. Am ehesten beißt sich der Betroffene bei einem tonischen Krampf auf die Zunge, weniger in der klonischen Phase.
Vorsicht vor Verletzungen!
Vorsicht ist allerdings bei vorschnellen Hilfeversuchen geboten. Manche Menschen denken, man müsse den Betroffenen am Zubeißen hindern, damit sich dieser nicht auf die Zunge beißt, das kann aber schnell schmerzhaft werden für den Helfer. Früher war es auch üblich, den Betroffenen einen Keil zwischen die Zähne zu schieben, damit ein Zubeißen nicht mehr möglich ist, für Laien wird das aber auf keinen Fall empfohlen.
Lassen Sie Ihre Hände also lieber in Sicherheit und kümmern sich darum, dass der Betroffene sich den Kopf nicht anschlagen kann – im Übrigen ist der Muskel zum Zubeißen der stärkste Muskel im Körper des Menschen, bei einem Krampfanfall könnten Sie ohnehin nicht von außen gegensteuern.
Maßnahmen
Wie reagiere ich richtig beim epileptischen Anfall?
Vielleicht haben Sie sich schon einmal gefragt, wie Sie reagieren sollen, wenn in Ihrer Umgebung jemand einen epileptischen Anfall hat. Wichtig ist, dass Sie Hilfe leisten und: Ruhe bewahren!
Wenn Sie nicht sicher sind, ob die betreffende Person eine Epilepsie hat oder eine solche nicht bekannt ist, rufen Sie sofort einen Notarzt. Wenn Sie hingegen wissen, dass die Person Epileptiker ist, können Sie darauf in der Regel verzichten.
Generell gilt: Beobachten Sie den Betroffenen gut. Meist endet der Krampfanfall nach kurzer Zeit. Versuchen Sie, die Verletzungsgefahr zu minimieren, indem Sie harte Gegenstände aus der Umgebung entfernen oder scharfe Kanten oder ähnliches verstellen oder abdecken.
In folgenden Fällen sollten Sie ebenfalls sofort einen Notarzt verständigen:
- ernsthaftere Verletzungen
- Krampf länger als zehn Minuten
- kein Aufwachen zwischen zwei Anfällen
Krampfanfall beim Kind: Immer sofort den Notarzt rufen?
Das kommt darauf an. Wenn bei Ihrem Kind zum ersten Mal ein Krampfanfall auftritt, sollten Sie unbedingt sofort einen Notarzt rufen. Ist hingegen schon länger eine Epilepsie bekannt und hat es bereits mehrere Krampfanfälle zuvor gegeben, ist das Ganze in der Regel kein Notfall mehr.
Letzteres gilt allerdings nur, wenn der Anfall nach weniger als fünf Minuten vorbei ist. Dauert er länger oder wiederholen sich mehrere Anfälle nacheinander, sollten Sie auch bei bereits bekannter Epilepsie einen Notarzt rufen (weil dann ggf. ein Notfallmedikament gespritzt werden muss).
Sofortmaßnahmen: Was tun?
Kann ich einen Krampfanfall bei meinem Kind unterbrechen?
Nein, wenn Ihr Kind einen Krampfanfall erleidet, können Sie diesen nicht unterbrechen. Ihr Augenmerk muss vielmehr darauf gerichtet sein, die Verletzungsgefahr für Ihr Kind zu minimieren.
Entfernen Sie Gegenstände in der Umgebung und sorgen Sie nach Möglichkeit für eine weiche Lagerung, zumindest des Kopfes. Halten Sie die krampfenden Gliedmaßen nicht fest. Lockern bzw. entfernen Sie anschließend enge Kleidung.
Bei einem Fieberkrampf können Sie allerdings durch Verabreichung eines fiebersenkenden Arzneimittels (Zäpfchen!) den Fieberanstieg und damit das Anfallsgeschehen stoppen.
Soll ich mein Kind während des Krampfanfalls festhalten?
Nein, das sollten Sie nicht tun (auch wenn die Neigung natürlich groß ist), Festhalten ist eher kontraproduktiv. Auch etwas in den Mund zu schieben, um die Zunge vor einem Zungenbiss zu schützen, bringt nichts. Erstens kommt es, wenn überhaupt, gleich zu Beginn eines Anfalls zum (seltenen) Zungenbiss, zweitens geht das Hineinschieben von Lappen o.ä. eher selbst mit Verletzungsgefahren einher.
Soll ich während des Krampfanfalls meines Kindes Notfallmedikamente geben?
Wenn die Epilepsie bei Ihrem Kind bereits bekannt ist und Sie vom Arzt verschriebene krampflösende Akutmittel zur Hand haben (z.B. sogenannte Rektiolen zum Einschieben in den After), dann sollten Sie diese während des epileptischen Anfalls verabreichen. Ist der Anfall bereits vorbei, macht das keinen Sinn mehr und Sie sollten darauf verzichten.
Muss ich mein Kind beatmen, wenn es während des Krampfanfalls zu einem Atemstillstand kommt?
Normalerweise nicht. Kurze Atemstillstände sind während eines epileptischen Anfalls nicht selten, in der Regel setzt die Atmung dann aber nach wenigen Sekunden spontan wieder ein. Aber bleiben Sie in jedem Fall während des Anfalls die gesamte Zeit in der Nähe, um ggf. doch eingreifen zu können.
Was passiert, wenn der Notarzt den epileptischen Anfall trotz Medikamenten nicht stoppen kann?
In diesem Fall wird der Betroffene zur Sicherheit in eine Intensivstation aufgenommen. Dort wird man ihn in der Regel in ein künstliches Koma versetzen, um den Krampfanfall zu durchbrechen.
Das kommt allerdings selten vor. In der Regel sieht so ein Krampfanfall für alle Beteiligten zwar schlimm aus, dem Betroffenen passiert aber meistens nichts ernsteres. Trotzdem ist es wichtig wachsam zu sein und sich nach dem Anfall gründlich untersuchen zu lassen.
Nach dem Anfall
Soll ich nach einem Krampfanfall mit meinem Kind zum Arzt gehen?
Ja, sogar unbedingt! Wenn Ihr Kind einen Krampfanfall hatte, sollten Sie in jedem Fall so bald wie möglich für eine ärztliche Abklärung sorgen.
Zwar kann der Krampf auch harmlos gewesen sein. Trotzdem ist es für die Gesundheit Ihres Kindes eminent wichtig, dass die Ursache herausgefunden wird. Denn wenn es sich doch um eine Epilepsie handelt, kann möglichen Wiederholungen und Verschlimmerungen am besten vorgebeugt werden, indem die Erkrankung frühzeitig erkannt und behandelt wird.
Warum sollte man sich die epileptischen Anfälle in einem Kalender notieren?
Wer unter einer antiepileptischen Behandlung immer wieder epileptische Anfälle hat, sollte einen sogenannten Anfallskalender führen. Denn wenn es trotz medikamentöser Behandlung zu einem epileptischen Anfall kommt, muss die Dosis der Tabletten evtl. angepasst oder es muss auf ein anderes Medikament gewechselt werden. Um hier im Fall der Fälle die richtige Entscheidung zu treffen, ist ein Anfallskalender wichtig.
In diesen Kalender tragen Sie ein, wann es zu einem Anfall kam und wie dieser abgelaufen ist (wo waren Sie, welche Tageszeit, welche Rahmenbedingungen?). Ihr Arzt notiert in diesem Kalender zudem die Ergebnisse der EEG-Kontrolluntersuchungen. So kann später besser nachvollzogen werden, warum es zu dem Anfall kam und wie er künftig verhindert werden kann.
Quellen:
- Neurologen im Netz, https://www.neurologen-und-psychiater-im-netz.org/
- Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften. S2k-Leitlinie zur Epilepsie. Stand 30.04.2017. Online unter www.awmf.org.