Rund 30% aller Demenzkranken erhalten regelmäßig starke Beruhigungsmittel, sogenannte Neuroleptika. Das geht aus einem aktuellen Report der Gmünder ErsatzKasse hervor. Da diese Mittel die Betroffenen zwar ruhig stellen, ansonsten aber viele Gefahren mit sich bringen, wird diese "Beruhigung um jeden Preis" von vielen Experten extrem kritisch gesehen.
Zu viele Nebenwirkungen für Dauereinsatz
Neuroleptika sind Psychopharmaka, die normalerweise bei Erkrankungen wie Schizophrenie verordnet werden. Dort können sie auch mitunter sehr sinnvoll sein. Nicht aber bei einer Demenz, wie unter anderem Jürgen Fritze von der Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde betont. Zumindest nicht über längere Zeit.
Denn erstens können diese Medikamente das Voranschreiten der Erkrankung nicht verhindern. Zweitens bedeutet die Ruhigstellung mit Neuroleptika sogar Gefahr: Unter einer Neuroleptika-Therapie kann es zu schweren Nebenwirkungen kommen, eine erhöhte Sterblichkeitsrate ist nachgewiesen. Wenn überhaupt, dann sind nach Einschätzung von Fritze Neuroleptika bei Menschen mit einer Demenz allenfalls etwas für eine sehr kurze, gezielte Behandlung.
Ruhigstellung um jeden Preis
Warum ist dann der Einsatz von Neuroleptika bei Menschen mit Demenz überhaupt so verbreitet? Die Antwort ist klar: Weil ruhiggestellte Patienten weniger Probleme machen. Gerade in überlasteten Pflegeeinrichtungen ist die Neigung, verhaltensauffällige und damit sehr anstrengende Patienten mit Pillen zu beruhigen, naturgemäß groß. Hier hilft nur ein sehr gewissenhaftes Vorgehen der Pflegeleitungen und der behandelnden Ärzte, mit entsprechenden Richtlinien für das Pflegepersonal. Es gibt übrigens Ärzte, die den dauerhaften Einsatz von Neuroleptika bei Demenz-Patienten als “Körperverletzung” bezeichnen.
Quellen:
- GEK
vielen Dank für Ihren Artikel. Mein Vater ist an Alzheimer erkrankt und zeigt auch Symptome grober Unruhe und auch manchmal Aggressionen. Leider finde ich, die richtigen Medikamente für ihn zu finden, wirklich schwierig. Bei Neuologen wurden ihm schnell die klassischen Neuroleptika verschieben. Die wirkten nicht oder viel zu stark (Sturzgefahr) und überhaupt finde ich den Prozess wirklich sehr mühsam. Als Angehörige wird man oft völlig alleine gelassen. Reaktionen von Ärzten ziehen sich über Wochen, und in der Zwischenzeit muss ich bzw. die Familie mit dem Krankheitsstadium klar kommen. Das ist echt schwer. Ich muss dazu sagen, mein Vater ist Privatpatient. Ich glaube, wenn ein demenziell veränderter Mensch nicht jemanden hat, der hier unterstützt und an dem Thema dran bleibt, endet das schnell beim klassischen Ruhigstellen etc.