Die Symptome der Persönlichkeitsstörung sind äußerst bunt und mannigfaltig. Auffälligkeiten liegen im Bereich der Regulation von Gefühlen, der Identität und in Beziehungen zu anderen. Dabei sind die Übergänge von noch "normalen" und tolerierbaren hin zu krankhaften Persönlichkeitsmerkmalen fließend.
Von "himmelhochjauchzend" bis "zu Tode betrübt"
Wer hat nicht schon mal eine regelrechte Achterbahn der Gefühle erlebt? Wer kennt nicht das Gefühl tiefer Selbstzweifel? Und wem ist nicht schon einmal der Kragen geplatzt, so dass er seinen Gefühlen freien Lauf gelassen hat?
Wohl jeder kennt solche nur allzu menschlichen Regungen. Auch dem "Borderliner" sind sie vertraut. Er kann jedoch die oft schnell wechselnden Gefühle kaum mehr steuern. Hinzu kommt, dass seine Einstellungen und Verhaltensweisen derart ausgeprägt und verfestigt sind, dass sie irgendwann nicht mehr aufzubrechen sind.
In der Folge führt dies regelhaft zu schwierigen und konfliktbehafteten zwischenmenschlichen Beziehungen. Auch die berufliche Situation leidet meist über kurz oder lang unter der geistigen und emotionalen Rigidität der Betroffenen. Dabei wünschen sie sich oft nichts sehnlicher als stabile Verhältnisse und enge Beziehungen und haben größte Angst vor Trennungen bzw. davor, verlassen zu werden.
Wenn der innere Druck zu groß wird
Im Verlauf gerät das eigene Selbstbild immer mehr ins Wanken und verliert an Halt. Gefühle der inneren Leere und der Langeweile sind ein weiteres Merkmal der Instabilität. Unkontrollierbare Wut, Verstimmungen, Vorwürfe, Aggressionen, aber auch Selbstentwertung und Rückzug beeinträchtigen den Betroffenen und sein Umfeld.
Werden die inneren Spannungen als zu groß empfunden, mündet das häufig in Selbstverletzungen wie "Ritzen" der Haut, die den Betroffenen kurzfristig Erleichterung verschaffen, aber auch in Suizidversuchen. Auch auf andere Art und Weise können Menschen mit der Krankheit selbstschädigendes Verhalten an den Tag legen. Das können beispielsweise übermäßige Geldausgaben, Alkohol- oder Drogenmissbrauch u.a. sein.
Welche Beschwerden werden bei zur Festlegung einer Borderline-Störung herangezogen?
Da es im Dickicht der Symptome nicht einfach ist, den Überblick zu bewahren, wurde eine Reihe an Merkmalen aufgestellt, die zur Diagnose einer Borderline-Persönlichkeitsstörung herangezogen werden können. Dabei müssen mindestens fünf der folgenden neun Diagnosekriterien nach dem DSM-IV erfüllt sein:
- 1. Angst vor realem oder imaginären Alleinsein: Borderline-Patienten versuchen verzweifelt, Alleinsein und Trennungen zu vermeiden.
- 2. Instabile und intensive Beziehungen: Typisch sind anfangs sehr intensive Beziehungen, die von Idealisierung geprägt sind, dann aber aufgrund der Gefühlsschwankungen schnell auseinanderbrechen.
- 3. Identitätsstörungen: Ausgeprägt instabiles Selbstbild, gestörte Selbstwahrnehmung mit Unsicherheit.
- 4. Impulsivität mit dem Vorhandensein von mindestens zwei selbstschädigenden oder rücksichtslosen Verhaltensweisen (zum Beispiel Geldausgaben, Sex, Drogenmissbrauch, rücksichtsloses Fahren, Fressanfälle).
- 5. Wiederkehrende Selbstmorddrohungen, -ankündigungen oder -versuche bzw. Selbstverletzung in Konfliktsituationen wie etwa nach Zurückweisungen.
- 6. Emotionale Instabilität: Ausgeprägte Orientierung an der gerade bestehenden Stimmung wie starke Niedergeschlagenheit, Angst oder Reizbarkeit. Stimmungen können schnell wechseln, meist überwiegen negative Stimmungen.
- 7. Chronisches Gefühl der inneren Leere: "Das hat alles keinen Sinn!"
- 8. Unangemessene Wut. Probleme, Wut und Ärger zu kontrollieren (Wutausbrüche, Prügeleien).
- 9. Vorübergehende stressabhängige paranoide Vorstellungen, schwere dissoziative Symptome.
Unter Dissoziation sind Zustände zu verstehen, in denen das Bewusstsein Informationen von außen und innen nicht mehr in Einklang bringen kann. Zwischen Gefühlen und Gedanken besteht eine Trennung. Personen können sich dann zum Beispiel an wichtige Ereignisse nicht mehr erinnern, wechseln unvermittelt den Ort (Wohnort, Arbeitsplatz) und besitzen gefühlt verschiedene Persönlichkeiten.
Krankhaft oder schlicht menschlich?
Trotz dieser scheinbar klaren Auflistung an Kriterien ist vielleicht deutlich geworden, dass eine Persönlichkeitsstörung eine nicht leicht zu greifende Diagnose ist, die sich in vielerlei Hinsicht von anderen psychiatrischen Erkrankungen unterscheidet. Entscheidend ist, aus der Vielfalt der Varianten menschlichen Seins diejenigen herauszufinden, die einem Menschen ein gelingendes Leben verwehren und ihn bis in den Suizid treiben können.
Stimmt es, dass Menschen mit Borderline-Störung oft noch weitere Krankheiten aufweisen?
Ja, Menschen mit der Persönlichkeitsstörung haben häufig weitere Erkrankungen und damit gleich mehrere Diagnosen. Depressionen, Drogenmissbrauch und Abhängigkeit, posttraumatische Belastungsstörungen, Angst- und Panikstörungen sowie Essstörungen und eine Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS) kommen bei Borderline sehr oft begleitend vor.
Im Dickicht der Symptome
Es ist schon nicht leicht, eine Persönlichkeitsstörung korrekt zu diagnostizieren. Sie von anderen Erkrankungen abzugrenzen, stellt eine echte Herausforderung für den Therapeuten dar.
Das liegt daran, dass die Züge einer Persönlichkeit auch bei anderen psychiatrischen Erkrankungen verändert sein können. Außerdem ist jeder Mensch je nach persönlicher Veranlagung für die eine oder andere Krankheit mehr oder weniger anfällig, ohne dass die Grundzüge seiner Persönlichkeit gleich krankhaft sein müssen.
Es gilt also, "normale" Charakterzüge von einer echten Störung der Persönlichkeit wie auch von Symptomen einer anderen Erkrankung abzugrenzen. Und schließlich können auch unterschiedliche Formen von Persönlichkeitsstörungen gleichzeitig auftreten.
Einfach nur schlecht drauf oder depressiv?
Man geht davon aus, dass etwa zwei Drittel der Betroffenen mit Persönlichkeitsstörungen unter weiteren psychiatrischen Erkrankungen leiden. Bei "Borderlinern" zählen zu diesen sogenannten Komorbiditäten vor allem depressive Störungen, aber auch oft Ess- und Abhängigkeitsstörungen sowie Störungen der Impulskontrolle wie ADHS.
Wenn man sich die einzelnen Symptome dieser Erkrankungen vergegenwärtigt, wird klar, wie eng sie beieinanderliegen. Dass ein "Borderliner", der gerade einen heftigen Streit mit einem guten Freund hatte und mal wieder das Gefühl hat, sein Leben nicht auf die Reihe zu bekommen, depressiv verstimmt ist, ist nachvollziehbar. Ebenso, das er sich in der Folge in Alkohol oder Drogen flüchtet, um sich angesichts seines vermeintlich verkorksten Lebens zu betäuben. Das zeitweise aufbrausende und oft auch selbstschädigende Verhalten von Borderlinern wiederum kann auch ein Symptom der ADHS sein.
Die Symptome müssen daher zunächst richtig zugeordnet werden. Dann ist zu klären, welche Krankheit als erste auftrat und welche sich erst später entwickelt hat. Dies muss in ausführlichen Gesprächen mit den Betroffenen, aber auch mit Angehörigen und nahestehenden Personen erörtert werden. Für die Therapie ist nämlich entscheidend, "wo der Hund begraben liegt", was also der Kern des Problems ist und wann es angefangen hat.
Für jede Erkrankung die richtige Therapie
Andere zusätzlich vorkommende Krankheiten müssen bei der Behandlung natürlich berücksichtigt werden, da sie den Behandlungserfolg stark beeinflussen können. So lässt sich zum Beispiel eine Borderline-Störung kaum bessern, wenn eine Suchterkrankung außer Acht gelassen wird. Eine zusätzliche depressive Störung erfordert womöglich eine begleitende medikamentöse Therapie. Für die Persönlichkeitsstörung selbst stehen psycho- und soziotherapeutische Verfahren im Vordergrund. So muss für jeden Betroffenen ein individuelles umfassendes Therapiekonzept gefunden werden.
Quellen:
- Leitlinienprogramm Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e.V. (AWMF), verfügbar unter: https://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/028-033_S1_Persoenlichkeitsstoerungen__F60__F61__11-2006_11-2011_01.pdf
- Memorix Psychiatrie und Psychotherapie; Laux, Gerd; Möller, Hans-Jürgen: Georg Thieme Verlag 2008