Was ist eine chronische myeloische Leukämie (CML)? Welche Symptome sind typisch? Wie wird die Erkrankung behandelt? Was passiert bei einer Stammzelltransplantation? Wie gut sind die Heilungsaussichten? Im folgenden Beitrag finden Sie Fragen und Antworten zur CML.
Einführung
CML: Was ist das?
Meist ältere Männer betroffen
Die chronische myeloische Leukämie (CML) ist eine bösartige Erkrankung des blutbildenden Systems. Typischerweise verläuft sie stadienförmig und beginnt im höheren Erwachsenenalter, etwa um das 65. Lebensjahr. Erkrankungen vor dem 35. Lebensjahr machen nur etwa 10% aller Fälle aus. Auch im Kindesalter kommt die Erkrankung vor, jedoch sehr selten.
Etwa 1,5 von 100.000 Menschen erkranken pro Jahr an einer CML. In Deutschland sind das insgesamt etwa 13.700 Menschen jährlich. Männer erkranken häufiger dabei als Frauen.
Defekte Abwehrzellen
Wie bei anderen Leukämieformen auch kommt es bei der CML zu einer unkontrollierten Vermehrung von Blutzellen. Dabei sind Vorläuferzellen der weißen Blutkörperchen, insbesondere der sogenannten eosinophilen und basophilen Granulozyten, betroffen. Dies führt zu unterschiedlichen Problemen. Zum einen sind die weißen Blutkörperchen fehlerhaft und verlieren damit zum großen Teil ihre Funktion als Abwehrzellen, was häufige Infektionen nach sich zieht. Andererseits kommt es durch die starke Vermehrung der Granulozyten zu einer Minderproduktion von roten Blutkörperchen und Blutplättchen, was zur Blutarmut (Anämie) sowie einer gesteigerten Blutungsneigung führen kann.
Seit der Zulassung der so genannten Tyrosinkinase-Inhibitoren hat sich die Prognose sehr stark verbessert, sodass die Lebenserwartung bei optimalem Therapieansprechen ähnlich der Normalbevölkerung ist.
Ursachen
Ist die CML genetisch bedingt?
In 95% der Fälle geht die chronische myeloische Leukämie auf eine genetische Veränderung der blutbildenden Stammzellen zurück. Die genetische Veränderung betrifft also die Blutzellen im Vorläuferstadium, in dem die Granulozyten noch nicht voll ausgebildet sind.
Weder vererbbar noch ansteckend
Doch Obwohl die chronisch myeloische Leukämie oftmals auf Grundlage einer genetischen Veränderung entsteht, ist sie – ebenso wie alle anderen Leukämieformen – nicht vererbbar. Auch eine Ansteckungsgefahr besteht nicht. Das bedeutet, dass die Erkankung weder durch Blut- noch über Körperkontakt übertragen werden kann.
Was ist das Philadelphia-Chromosom?
Typisch für die CML
Nach einer Studie des Medical Research Councils konnte bei 85% der Betroffenen mit einer CML das sogenannte Philadelphia-Chromosom im Erbgut nachgewiesen werden. Das Philadelphia-Chromosom bzw. das darauf liegende BCR-ABL-Fusionsgen kodiert für eine fehlerhafte Tyrosinkinase und spielt eine wichtige Rolle in der zellulären Wachstumsregulation. Durch die Bildung des Fusionsgens wird das ABL-Gen entscheidend in seiner Funktion gestört, was zu einer dauerhaften Aktivierung der Tyrosinkinase führt. Zellen, die dieses veränderte Enzym tragen, vermehren sich unkontrolliert, da der natürliche Zelltod (Apoptose) ausgeschaltet ist. Folge ist eine starke Zellvermehrung, die im Fall der CML vor allem die Population der Granulozyten betrifft.
CML ohne Philadelphia-Chromosom
Doch nicht bei allen Betroffenen mit CML ist ein Philadelphia-Chromosom nachweisbar. In der oben genannten Studie konnte bei etwa 15% zytogenetisch kein Philadelphia-Chromosom nachgewiesen werden. Bei zwei Dritteln davon war jedoch das BCR-ABL-Onkogen nachweisbar, und das klinische Bild unterschied sich nicht wesentlich von dem der Philadelphia-Chromosom-positiven Probanden. Beim restlichen Drittel, das heißt bei etwa 5% der Studienteilnehmer, ergab sich kein Nachweis der BCR-ABL-Fusion. Das klinische Bild dieser Gruppe unterschied sich deutlicher von der „typischen“ CML. Sie hatte außerdem eine wesentlich schlechtere Prognose.
Symptome
Welche Symptome treten bei der CML auf?
Die Symptome der chronisch myeloischen Leukämie lassen sich in drei Krankheitsphasen unterteilen, bei denen jeweils unterschiedliche Beschwerden im Vordergrund stehen:
- chronische Phase
- Akzelerationsphase
- Blastenkrise
Die CML kann lange schlummern
Klassischerweise beginnt die CML mit der sogenannten chronischen Phase, die ihren Namen aufgrund der langen Dauer hat. Sie kann bis zu zehn Jahre unbemerkt verlaufen und wird dann meist nur zufällig im Rahmen einer Routineblutuntersuchung entdeckt. Meist verläuft die chronische Phase asymptomatisch. Treten Symptome auf, sind dies typischerweise:
- Oberbauchschmerzen aufgrund einer Milzschwellung (Splenomegalie)
- chronische Müdigkeit
- Fieber
- Nachtschweiß
- Gewichtsverlust
Müdigkeit, Blässe und spontane Blutungen
Durch die kontinuierliche Zunahme des Blastenanteils im Blut sowie im Knochenmark kommt es zu einer immer stärkeren Verdrängung von anderen Zellreihen. Dadurch entstehen, meist erst nach einigen Jahren der Erkrankung, die klassischen Symptome der CML. Durch eine Verminderung der roten Blutkörperchen (Anämie) kommt es zu Müdigkeit, Schwäche und Blässe. Durch eine verminderte Produktion von Blutplättchen (Thrombozytämie) ist die Blutgerinnung eingeschränkt, was sich in punktförmigen Spontanblutungen äußern kann.
Infekte und Knochenschmerzen
In der sogenannten Akzelerationsphase werden verstärkt Granulozyten gebildet, die jedoch nicht funktionsfähig sind. Daher können sie auch nicht effektiv zur Immunabwehr beitragen. Der Körper wird anfälliger für Infekte. In dieser Phase sind außerdem Knochenschmerzen als Ausdruck der Veränderungen im Knochenmark typisch. Wenn die Krebszellen in die Haut vordringen, kann es schließlich auch zum Juckreiz kommen.
Typische Beschwerden und Folgen der CML
Was geschieht im Endstadium der CML?
Die Blastenkrise stellt das Endstadium der CML dar. Nach der Stadieneinteilung der WHO steigt der Blastenanteil dabei um mindestens 20 %. In der Blastenkrise ändert die Erkrankung ihren Charakter: Von einem chronischen, eher langsamen Verlauf zu einem Verlauf, der dem einer akuten Leukämie entspricht.
Das Stadium der Blastenkrise endet unbehandelt relativ rasch (innerhalb von Wochen) tödlich.
Warum kommt es zur Milzvergrößerung?
Die Vergrößerung der Milz (Splenomegalie) bei der CML erklärt sich durch die zunehmende Verdrängung der gesunden Blutbildung aus dem Knochenmark, so dass nach und nach die Milz und später auch in der Leber diese Aufgabe übernehmen. Dies führt zu einer Größenzunahme der betroffenen Organe.
Die Größe der Milz sagt bei der CML sehr viel über die Krankheitsaktivität aus. Ist sie stark vergrößert, spricht dies für eine sehr aktive Phase der Leukämie. Wird sie hingegen wieder kleiner, ist die Leukämie mit hoher Wahrscheinlichkeit gut unter Kontrolle.
Kleine Milz = erfolgreiche Behandlung
Wird eine chronisch myeloische Leukämie erfolgreich medikamentös behandelt, normalisiert sich die Blutbildung im Knochenmark wieder und die Milz wird entlastet. Sie wird wieder kleiner. Das erklärt, warum die behandelnden Ärzte auch nach dem Abklingen akuter Krankheitsphasen immer wieder die Milz abtasten.
Bei den akuten Leukämie-Formen und auch bei der CLL (chronisch lymphatische Leukämie) ist die Milz in der Regel weniger stark vergrößert und eignet sich entsprechend nur bedingt als diagnostisches Kriterium.
CML und Herzinfarkt: Kann das zusammenhängen?
Ja, das Phänomen wird auch als Leukostasesyndrom bezeichnet. Leukostase beschreibt ein Anheften von weißen Blutkörperchen an die Gefäßwand. Dadurch kommt es mitunter zu Gefäßverschlüssen, die vor allem in kleinen Gefäßen auftreten. Nicht selten sind daher Herz- oder Milzinfarkt Folge der vermehrten Anzahl an weißen Blutzellen.
Ist Nachtschweiß ein typisches Zeichen für eine Leukämie?
Nicht zwangsläufig. Nachtschweiß tritt zwar im Verlauf der meisten Leukämieformen auf, kann aber auch bei anderen Krebserkrankungen vorkommen. Auch bei Infektionskrankheiten oder Erkrankungen aus dem rheumatischen Formenkreis kann Nachtschweiß auftreten. Es ist also kein spezifisches Symptom für eine Leukämie oder Krebs im Allgemeinen, sondern zeigt an, dass sich der Körper mit einer schweren Erkrankung auseinandersetzt.
Klassifikationen
Wie wird die CML eingeteilt?
Wie funktioniert die WHO-Klassifikation?
Es werden hauptsächlich zwei verschiedene Klassifikationen verwendet. Die Einteilung der WHO (World Health Organisation) und die der ELN (European LeukemiaNet).
Chronisch-stabile Phase:
- weniger als 15% Blasten in Blut oder Knochenmark
Akzelerationsphase
- 15-19% Blasten in Blut oder Knochenmark
- oder mehr als 20% Basophile
- oder eine Verminderung der Thrombozyten
- oder zusätzliche chromosomale Veränderungen in Ph+-Zellen trotz Behandlung
- oder eine erhöhte Anzahl an Thrombozyten
- oder eine vergrößerte Milz und ansteigender Zahl weißer Blutkörperchen
Blastenkrise:
- mehr als 20% Blasten in Blut oder Knochenmark
- oder Nachweis von Blasten außerhalb des Knochenmarks (außer Milz)
- oder große Blastenansammlungen in der Knochenmarksbiopsie nachweisbar
Was besagt die ELN-Klassifikation?
Chronisch-stabile Phase:
- weniger als 15% Blasten in Blut oder Knochenmark
Akzelerationsphase:
- 15-29% Blasten in Blut oder Knochenmark
- oder über 30% Blasten und unreife Granulozyten in Blut oder Knochenmark
- oder 20% und mehr Basophile im Blut
- oder verringerte Anzahl an Thrombozyten
- oder zusätzliche chromosomale Veränderungen in Ph+-Zellen trotz Behandlung
Blastenkrise:
- 30% und mehr Blasten in Blut oder Knochenmark
- oder Nachweis von Blasten außerhalb des Knochenmarks (außer Milz)
Was bedeutet "Blastenkrise" bei der CML?
Wenn bei einer CML kein Krankheitsstillstand gelingt (durch Transplantation von Blutstammzellen oder durch Chemotherapie), geht die Erkrankung irgendwann in eine sogenannte beschleunigte Phase über. In diesem Stadium kann es dann auch zu einer massiven Verschlechterung kommen: der Blastenkrise.
Die Blastenkrise entsteht durch die Ausschwemmung von massenhaft unreifen Blutzellen aus dem Knochenmark. Sie kann relativ plötzlich auftreten und äußert sich für die Betroffenen in einer ausgeprägten Verschlechterung des Allgemeinbefindens.
Die Blastenkrise ist ein lebensbedrohlicher Zustand und leider häufig nur noch bedingt und sehr kurzfristig therapeutisch in den Griff zu bekommen.
Wozu dienen Klassifikationen?
Keine rein akademische Einteilung
Auf den ersten Blick erscheinen die Klassifikationen der CML nach WHO bzw. ELN kompliziert. Es drängt sich die Frage auf, wozu diese komplizierten Klassifikationen überhaupt gut sind. Die Antwort ist einfach: Die Behandlung richtet sich entscheidend danach, in welcher Phase sich die Erkrankung befindet.
In der heutigen Zeit werden nur noch selten alle drei Erkrankungsphasen durchlaufen. Das Aufkommen neuer Medikamente und die Option einer allogenen Stammzelltransplantation haben zu einem Rückgang der Blastenkrise beigetragen und die Prognose der CML entscheidend verbessert. Die Blastenkrise stellte früher den Endpunkt der Erkrankung dar und führt in fast 100% der Fälle zum Tod. Heute werden die meisten Erkrankungen bereits im chronischen Stadium erkannt und behandelt.
Diagnose
Wie wird die Diagnose CML gestellt?
Oft Zufallsbefund
Die Diagnostik beginnt mit einer Anamnese und körperlichen Untersuchung sowie einer Blutentnahme. In vielen Fällen wird die chronisch myeloische Leukämie (CML) zufällig entdeckt. Oftmals zeigt sich in einer Routineuntersuchung des Blutes eine extreme Zunahme der weißen Blutkörperchen sowie eine Schwellung der Milz bei der körperlichen Untersuchung. Diese charakteristischen Symptome sollten immer an eine CML denken lassen. Bei Verdacht auf eine chronisch myeloische Leukämie sollten weitere Untersuchungen durchgeführt werden.
Hierzu zählen unter anderem:
- Differenzialblutbild
- Knochenmarkpunktion
- Zytogenetik, Zytochemie und Zytologie
Arztbesuch
Welche Informationen interessieren meinen Arzt?
Charakteristische Beschwerden
Bei einem ausführlichen Erstgespräch (Anamnese) wird Ihr behandelnder Arzt erfragen, ob und welche Beschwerden Sie durch die Erkrankung haben. Typischerweise fallen bei einer CML linksseitige Oberbauchbeschwerden, starke Abgeschlagenheit und Müdigkeit, eine erhöhte Blutungsneigung sowie eine Infektanfälligkeit auf. Diese Symptome können jedoch auch gänzlich fehlen.
Sieht man mir eine CML an?
Nicht in jedem Fall. Auffallen können Blässe und eine erhöhte Blutungsneigung, die sich durch viele blaue Flecke (Hämatome) zeigt. Bei der körperlichen Untersuchung kann ein erfahrener Untersucher häufig eine hochgradige Vergrößerung der Milz feststellen, bei der das Organ im linken Unterbauch, oder sogar im kleinen Becken getastet werden kann.
Warum ist eine Blutentnahme wichtig?
Deutliche Hinweise im Blut
Eine gründliche Untersuchung des Blutes ist wichtigster Bestandteil der Basisdiagnostik. Dabei lassen sich charakteristische Veränderungen erkennen. Typisch für die CML ist eine deutliche Erhöhung der weißen Blutkörperchen (Leukozytose) im großen Blutbild, die vor allem durch die stark erhöhte Anzahl an Granulozyten verursacht wird. Die extreme Zunahme der Granulozyten aller Reifestufen wird auch als Linksverschiebung bezeichnet.
Der Stellenwert der Blasten
Blasten, also unreife, noch nicht differenzierte Stammzellen, sind während der chronischen Phase meist mit einem Anteil von unter 2% vertreten. Eine niedrige Anzahl an Blasten ist immer als prognostisch günstiges Zeichen zu werten. In der Akzelerationsphase steigt die Anzahl an Blasten definitionsgemäß auf 10-20% (WHO) bzw. 15-29% (ELN), während der Blastenanteil im peripheren Blut beziehungsweise im Knochenmark während der Blastenkrise bei über 20% (WHO) beziehungsweise über 30% (ELN) liegt.
Verdrängung anderer Blutzellen
Aber auch andere Blutzellreihen können verändert sein. Dazu zählen vor allem die Blutplättchen (Thrombozyten), die im chronischen Stadium sowie in der Akzelerationsphase oftmals vermehrt im Blut auftreten, jedoch funktionsgemindert sind. Im fortgeschrittenen Stadium der CML kommt es schlussendlich zu einem Abfallen der Blutplättchen sowie der roten Blutkörperchen (Anämie). Die Blutuntersuchung kann somit bereits Hinweise auf das Erkrankungsstadium liefern.
Muss eine Knochenmarkpunktion durchgeführt werden?
Eine Punktion des Knochenmarks ist immer Bestandteil der CML-Diagnostik. Sie wird unter Vollnarkose oder in Lokalanästhesie am Beckenkamm durchgeführt. Das so gewonnene Knochenmark wird für eine Reihe an Untersuchungen verwendet.
Typische Veränderungen im Knochenmark
Bei der CML kann typischerweise eine vermehrte Anzahl von weißen Blutkörperchen (v.a. Granulozyten) gesehen werden (Hyperzellularität). Weiterhin lassen sich vermehrt Vorläuferzellen der weißen Blutkörperchen finden (Blasten). Auch die Vorläuferzellen der Blutplättchen (Megakaryozyten) können vermehrt und verkleinert sein.
Nachweis der Philadelphia-Chromosoms
Typisch für die CML ist des weiteren der Nachweis des BCR-ABL-Fusionsgens bzw. des Philadelphia-Chromosoms in den Zellen des Knochenmarks. Ein Fehlen dieser Veränderungen bei gesicherter CML ist prognostisch ungünstiger. Der Nachweis von BCR-ABL bei einer myeloproliferativen Erkrankung ist beweisend für die Diagnose einer CML. Manchmal wird das Philadelphia-Chromosom auch bei der akuten lymphatischen Leukämie gefunden.
Wichtige Laborwerte und andere Diagnosen
Wie hoch ist die Zahl der weißen Blutkörperchen bei chronischer Leukämie?
In der Regel deutlich erhöht. Bei der CML (Chronisch Myeloische Leukämie) kann es zu Werten von 200.000 bis 500.000 pro Mikroliter (µl) kommen. Zum Vergleich: Ein Mikroliter Blut (entspricht einem Millionstel von 1 Liter) enthält beim gesunden Menschen 5.000 bis 8.000 Leukozyten (weiße Blutkörperchen).
Steigen die Entzündungswerte bei CML an?
Typisch, aber nicht spezifisch
Neben den einzelnen Zellreihen können weitere Blutwerte verändert sein. Typischerweise kommt es zu einem Anstieg von BSG, LDH und Harnsäure. Die Blutsenkungsgeschwindigkeit (BSG) ist ein unspezifischer Parameter, der einerseits bei Entzündungsgeschehen und andererseits auch im Rahmen von bestimmten malignen Erkrankungen erhöht sein kann. LDH und Harnsäure sind ebenfalls unspezifisch und aufgrund des gesteigerten Zellumsatzes erhöht.
Was kann es außer einer CML noch sein?
Da die CML in verschiedenen Stadien verläuft und ein unterschiedliches Symptomspektrum aufweist, müssen verschiedene alternative Diagnosen bedacht und vor Therapiebeginn ausgeschlossen werden. Eine Erhöhung der Leukozytenzahl tritt bei vielen Erkrankungen auf.
Gedacht werden sollte besonders an:
- Infektionen
- Erkrankungen aus dem rheumatischen Formenkreis
- Kollagenosen
- Medikamenten-assoziierte Veränderungen des Blutbildes (z.B. durch Kortison)
Differenzialdiagnosen aus den myeloproliferativen Formenkreis sind:
- Polyzytämia Vera
- essentielle Thrombozytämie
- primäre Myelofibrose
- chronische Neutrophilenleukämie
- Weiterhin sollten auch eine akute Leukämie immer als Differenzialdiagnose in Betracht gezogen werden.
Behandlung
Wie wird eine CML behandelt?
Bei der Behandlung der CML werden unterschiedliche Ziele verfolgt. Nicht jede CML-Therapie wird nach dem gleichem Schema durchgeführt. Viel mehr erfolgt die Auswahl der Behandlung nach individuellen Gesichtspunkten.
Die wichtigsten Therapieziele sind:
- hämatologisches Therapieansprechen
- zytogenetisches Therapieansprechen
- molekulares Therapieansprechen
Chemotherapie und Stammzelltransplantation
Diese Ziele werden durch unterschiedliche Therapieoptionen erreicht. Zum Einsatz kommen einerseits Chemotherapeutika und neuere Medikamente wie Tyrosinkinase-Inhibitoren, aber auch ältere Präparate wie Hydroxyurea werden verwendet. Als letzte Therapieoption steht in vielen Fällen die allogene Stammzelltransplantation.
Unterschiedliche Strategien
Nach welchen Maßstäben wird der Therapieerfolg gemessen?
- Hämatologisches Therapieansprechen: Hierunter wird eine Normalisierung des Blutbildes verstanden. Ziel ist es, dass sich die Anzahl der weißen Blutzellen normalisiert und sich auch die Milz langsam wieder auf eine normale Größe zurückbildet. Das hämatologische Therapieansprechen ist, mit der richtigen Therapie, in vielen Fällen bereits einige Wochen nach Therapiebeginn erreicht.
- Zytogenetisches Therapieansprechen: Zur Beurteilung des zytogenetischen Ansprechens der Therapie werden regelmäßig Knochenmarkzellen mikroskopisch auf das Vorkommen des Philadelphia-Chromosoms untersucht. Ziel der Therapie ist es, dass kein Philadelphia-Chromosom mehr nachweisbar ist. Dann wird von einer Remission gesprochen. Bei gutem Therapieansprechen ist eine Remission nach etwa sechs Monaten möglich.
- Molekulares Therapieansprechen: Mittels spezieller Untersuchungen wie beispielsweise der PCR-Untersuchung kann das Gen nachgewiesen werden, das für die Entstehung der CML verantwortlich ist: das BCR-ABL-Gen. Von einer molekularen Remission wird gesprochen, wenn der Anteil an BCR-ABL unter 0,1% des Ausgangswertes gesunken ist. Die molekulare Remission wird in der Regel als letztes erreicht, etwa ein Jahr nach Therapiebeginn.
Welche Chancen bietet die Stammzelltransplantation bei CML?
Der Weg zur Heilung
Die allogene Stammzelltransplantation (SZT), seltener auch eine Knochenmarktransplantation (KMT), ist die einzige Therapieform, die zu einer vollständigen Heilung führen kann. Dabei wird das blutbildende System des Körpers durch eine Chemotherapie vollständig zerstört und durch eine Stammzellspende neu aufgebaut.
Da die Prognose am günstigsten ist, je früher die SZT/KMT durchgeführt wird, sollte so früh wie möglich darüber entschieden werden. Das Problem bei dieser Transplantation ist die relative hohe Mortalität durch Komplikationen (insbesondere schwere Infektionen) während der Transplantationsprozedur und das mögliche Auftreten von schweren Autoaggressionskrankheiten nach Transplantation ("graft-versus-host Erkrankung", GvHD).
Kann es zu einer Abstoßungsreaktion kommen?
GvHD steht für Graft-versus-Host-Disease und bezeichnet einen Zustand, bei dem sich das Immunsystem gegen den eigenen Körper wendet. Dazu kann es kommen, weil sich aus den Stammzellen des Knochenmarks alle Blut- und Abwehrzellen des Körpers bilden. Es wird also nicht allein die Blutbildung ersetzt, sondern das gesamte Immunsystem transplantiert.
Während bei herkömmlichen Transplantationen ein host-versus-graft-Effekt ("Empfänger gegen Transplantat"), also eine typische Abstoßungsreaktion zu beobachten ist, richtet sich hier das transplantierte Immunsystem gegen den „fremden“ Körper. Aus diesem Grund muss der SZT/KMT auch eine maximal aggressive Chemotherapie vorangehen, um das körpereigene Immunsystem möglichst vollständig zu zerstören. Die Etablierung der neuen Stammzellen könnte durch ein verbleibendes Immunsystem empfindlich gestört werden.
Positiver Nebeneffekt
Der Graft-versus-Host-Effekt ist aber nicht nur nachteilig für den Betroffenen. Ein Teil der Transplantierten profitiert möglicherweise von einer Bekämpfung der verbliebenen Tumorzellen durch das neue Immunsystem. Man nennt diesen Effekt auch Graft-versus-Leukemia (GvL) Reaktion.
Mit welchen Medikamenten wird behandelt?
Tyrosinkinase-Inhibitoren an erster Stelle
Die medikamentöse Therapie ist die wichtigste Säule der CML-Behandlung. In den meisten Fällen wir ein Tyrosinkinase-Inhibitor zur Behandlung der chronisch myeloischen Leukämie eingesetzt. Hauptvertreter dieser Gruppe ist Imatinib. Neuere Substanzen dieser Gruppe, die mittlerweile auch als Erstlinientherapie zur CML-Behandlung eingesetzt werden dürfen, sind Dasatinib und Nilotinib. Die bisherigen Studien deuten darauf hin, dass beide bei einer Imatinib-Resistenz wirken. Zudem können eingesetzt werden, wenn Imatinib nicht vertragen wird.
Alternativen zu Tyrosinkinase-Inhibitoren
Neben Tyrosinkinase-Inhibitoren können auch ältere Medikamente zum Einsatz kommen. Verwendet werden vor allem Hydroxycarbamid und Interferon-α (IFN-α).
Die Medikamente noch einmal genauer:
Wie wirken Tyrosinkinase-Inhibitoren (TKIs) bei der CML?
Keine Heilung, aber langfristige Stabilisierung
Das Wirkprinzip der Tyrosinkinase-Inhibitoren ist, wie der Name bereits verrät, die Hemmung des Enzyms Tyrosinkinase. Dieses Enzym ist bei der CML ständig aktiv und führt zu einer ungebremsten Proliferation weißer Blutzellen. Durch TKIs kommt es zu einer Eindämmung der unkontrollierten Zellvermehrung auf ein normales Niveau. Eine Heilung der CML ist durch den Einsatz von TKIs aber nicht möglich. Vielmehr lässt sich die Leukämie dadurch so weit zurückdrängen, dass sie langfristig unter Kontrolle gehalten werden kann. Werden Tyrosinkinase-Inhibitoren abgesetzt, kommt es in sehr vielen Fällen zu einem Wiederaufflammen der Erkrankung. Daher ist die Einnahme von TKIs oftmals ein Leben lang notwendig.
Wie wirkt Hydroxycarbamid bei CML?
Ein alter Hase
Hydroxycarbamid (Hydroxyharnstoff, englisch: Hydroxyurea) kann zu einer Reduktion von weißen Blutzellen führen. Dieses Zytostatikum ist seit langem auf dem Markt. Es wirkt auf genetischer Ebene und bremst die unkontrollierte Vermehrung der Zellen, sodass eine Normalisierung der Leukozytenzahl erreicht werden kann. Nebenwirkungen sind selten, gelegentlich kommt es zu leichter Übelkeit, sehr selten zu Schleimhaut- oder Leberschäden. Ein nachhaltiger Einfluss auf den Krankheitsverlauf ist jedoch mit dieser Normalisierung nicht verbunden. Nach durchschnittlich drei Jahren verschlechtert sich der Zustand, und die Erkrankung tritt in die Akzelerationsphase ein.
Ist Interferon-α eine gute Alternative?
Interferon-α (IFN-α) wird heute nur noch selten in der CML-Therapie eingesetzt. IFN-α ist ein körpereigenes Enzym, das der Immunantwort auf virale und bakterielle Infektionen dient und den Körper bei der Elimination von Krebszellen unterstützt. Kommt das Medikament zum Einsatz, wird es initial mit einer Chemotherapie kombiniert und muss anschließend lebenslang eingenommen werden.
Nebenwirkungen sind häufig
Interferon α ist häufig nicht sehr gut verträglich. Es kann zu grippeähnlichen Symptomen kommen, die abhängig von der Dosis auftreten. Die Interferon-Therapie hat in vielen Fällen Auswirkungen auf die Konzentrations- und Merkfähigkeit. Depressionen können auftreten sowie Schwindel, Verwirrtheit und Polyneuropathien. Zudem hat es Auswirkungen auf den Gastrointestinaltrakt und auf die Leber.
Prognose
Kann eine CML geheilt werden?
Dauerhafte Heilungen wurden bisher nur nach Stammzelltransplantationen beobachtet. Vor allem bei jüngeren Betroffenen ist diese Form der Behandlung erfolgversprechend. Die besten Aussichten bestehen, wenn ein Spender aus der Familie gefunden wird.
Allerdings kann die Erkrankung auch durch den Tyrosinkinaseinhibitor Imatinib in vielen Fällen zuverlässig in Schach gehalten werden. Langzeit-Studien zur Lebenszeitverlängerung bei Anwendung von Glivec (Imatinib) stehen noch aus und werden in den nächsten Jahren erwartet. Die Anwendung wird von Klinikern jedoch als vielversprechend angesehen.
Wie ist die Lebenserwartung?
Die Entwicklung von Tyrosinkinase-Inhibitoren hat die CML-Therapie revolutioniert. Noch in den 1990er Jahren führte eine CML-Erkrankung innerhalb von ca. 31 Monaten zum Tod. Anfänglich wurden Therapieversuche mit Bestrahlung durchgeführt, wodurch kein längeres Überleben erreicht werden konnte. Durch die Einführung von TKIs kann heute, bei optimalem Therapieansprechen, eine normale Lebenserwartung erreicht werden.
Quellen:
- Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie: Chronische myeloische Leukämie (Stand: Juni 2018). Online unter www.onkopedia.com (zuletzt besucht am 18.06.2018).
- A. Hochhaus: Chronische myeloische Leukämie (CML). In: S. Seeber, J. Schütte: Therapiekonzepte Onkologie. Springer-Verlag, Heidelberg 2007.
- G. Herold, Innere Medizin, Selbstverlag, 2016.
- Hochhaus, Berger, Hehlmann, Chronische myeloische Leukämie – Empfehlungen zur Diagnostik und Therapie, Unimed-Verlag, 2. Auflage, 2004.
- H. Baenkler: Duale Reihe Innere Medizin, Thieme Medizin Verlag, 2018.
Vielen Dank – Bernhard Puggé
Imatinib kann eine Reihe von Nebenwirkungen verursachen. Einige der häufigen Nebenwirkungen von Imatinib sind:
Flüssigkeitsansammlungen, insbesondere um die Augen herum oder im Gesicht. Dies könnte die bläuliche Verfärbung unter den Augen erklären.
Außerdem Augenreizungen, was zu geröteten Augen führen kann.
Die Symptome, die Sie beschreiben – rote Augen und blaue Verfärbungen unter den Augen – können also durchaus mit der Einnahme von Imatinib zusammenhängen, insbesondere wenn Flüssigkeitseinlagerungen auftreten.
Was Sie tun sollten:
Informieren Sie unbedingt Ihren Arzt oder das Behandlungsteam, das Ihnen Imatinib verschrieben hat, über diese Symptome. Sie könnten eine Anpassung der Behandlung oder zusätzliche Maßnahmen empfehlen.
Es ist wichtig, sicherzustellen, dass keine schwerwiegenderen Komplikationen wie allergische Reaktionen oder Augenprobleme vorliegen, die behandelt werden müssen.
Selbstpflege: Ruhe und das Anlegen von kühlenden Kompressen könnten helfen, die Schwellungen unter den Augen etwas zu lindern.
Da Imatinib starke Nebenwirkungen haben kann, ist es ratsam, solche Veränderungen ernst zu nehmen und ärztlichen Rat einzuholen.
Viele Grüße, Dr. med. Jörg Zorn