Haupt-Autor des Artikels
Dr. med. med. Jörg Zorn
Arzt / medizinischer Fachautor
Wie gefährlich ist eine Angina pectoris? Was für eine Krankheit ist die Angina pectoris? Welche Auslöser sind bekannt? Kann man einen Angina-pectoris-Anfall von einem Herzinfarkt unterscheiden? Wie kann man den Angina-pectoris-Beschwerden vorbeugen? Und wie kann die Angina pectoris behandelt werden?
Antworten auf diese und weitere Fragen zum Thema Angina pectoris finden Sie in diesem Beitrag.
Basiswissen
Was ist eine Angina pectoris?
Angina pectoris nennen Mediziner das Engegefühl in der Brust bei koronarer Herzkrankheit (KHK). Die Erkrankung geht einher mit anfallsartigen Schmerzen oder Druckgefühl in der Brust. Manchmal strahlen die Schmerzen aus in andere Körperregionen wie Schulter, Arm, Magen, Hals oder Rücken.
Ursache der Angina-pectoris-Beschwerden ist eine Minderversorgung des Herzmuskels mit Sauerstoff, meist aufgrund einer Verengung der Herzkranzgefäße, die den Herzmuskel mit Sauerstoff versorgen.
Stabil, instabil und atypisch: die unterschiedlichen Formen der Angina pectoris
Was ist eine stabile Angina pectoris?
Anfallsartige Beschwerden vor allem bei körperlicher oder psychischer Belastung mit dem Gefühl der Luftnot, Herzenge oder Brustschmerzen bezeichnen Mediziner als stabile Angina pectoris. Die Schmerzen können in Arme, Hals, Unterkiefer oder Oberbauch ausstrahlen. Manche Menschen leiden zudem unter Beklemmungen und Angst.
Ursache ist eine Minderversorgung des Herzmuskels durch eine eingeschränkte Blutversorgung. Stabil bedeutet, die Anfälle treten absehbar in bestimmten Situationen auf und verschwinden in der Regel bei einer Behandlung mit gefäßerweiternden Medikamenten und in Ruhe.
Was ist eine instabile Angina pectoris?
Bei der instabilen Angina pectoris leiden die Betroffenen auch ohne besondere Belastungen „aus heiterem Himmel“ an anfallsartigen Herzbeschwerden. Die Anfälle treten unvorhersehbar auf oder ereignen sich immer häufiger.
Was ist eine atypische Angina pectoris?
Typischerweise leiden Menschen mit koronarer Herzkrankheit (KHK) an Angina pectoris (Herzenge). Die typische Angina pectoris äußert sich durch Schmerzen im Brustbereich, die durch körperliche und/oder emotionale Belastung provozierbar sind und sich in Ruhe oder nach Verabreichung von Nitroglycerin (= Nitrate, spezielle Herzmedikamente) bessern.
Eine atypische Angina pectoris liegt vor, wenn zwar eine KHK besteht, die charakteristischen Beschwerden aber fehlen. Etwa 30% der Menschen mit koronarer Herzkrankheit haben eine atypische Angina pectoris. Sie leiden z.B. nur kurzzeitig unter stechenden Schmerzen im Bereich des Herzens.
Symptome
Kann man einen Angina-pectoris-Anfall von einem Herzinfarkt unterscheiden?
Für die Betroffenen und auch für Außenstehende ist eine sichere Unterscheidung zwischen einem Angina-pectoris-Anfall und einem Herzinfarkt nicht möglich. Denn die Beschwerden unterscheiden sich nicht grundsätzlich voneinander und sind zudem individuell sehr verschieden. Auch kann ein Angina-pectoris-Anfall in einen Herzinfarkt münden.
Da es außerhalb der Arztpraxis oder Klinik keine diagnostischen Möglichkeiten gibt, sichere Unterscheidungskriterien aufzuzeigen, gilt die "Auf-Nummer-sicher-Regel": Wenn ein vermeintlicher Angina-pectoris-Anfall trotz Einnahme von Nitraten (das sind die Notfallmedikamente, die Ihnen der Arzt wegen der Angina pectoris verschrieben hat) nicht zügig abklingt oder wenn die Beschwerden auch in Ruhe nicht nachlassen, rufen Sie sofort einen Notarzt!
Habe ich eine schwere Angina pectoris?
Entsprechend der Symptomatik bzw. Belastungstoleranz lässt sich die stabile Angina pectoris in verschiedene Schweregrade einteilen. International anerkannt sind hier die Kriterien der "Canadian Cardiovascular Society (CCS)":
- Schweregrad I: Keine Beschwerden der Angina pectoris bei Alltagbelastungen, jedoch bei plötzlicher und längerer körperlicher Belastung.
- Schwergrad II: Angina-pectoris-Beschwerden bei stärkerer körperlicher Belastung wie schnellem Laufen, Bergaufgehen, Treppensteigen nach dem Essen, bei Kälte, Wind oder psychischer Belastung.
- Schweregrad III: Angina-pectoris-Beschwerden schon bei leichter körperlicher Belastung wie normalem Gehen, Ankleiden u.a.
- Schwergrad IV: Angina pectoris in Ruhe oder bei geringster körperlicher Belastung.
Ursachen und Auslöser
Sind Angina-pectoris-Beschwerden (Herzenge) beweisend für eine koronare Herzerkrankung?
Nein. Beschwerden wie bei der Angina pectoris (Schmerzen im Brustbereich, Herzenge, Nachlassen bei Ruhe) können auch bei anderen Erkrankungen auftreten. Eine koronare Herzkrankheit, also eine Verengung der Herzkranzgefäße, ist zwar die häufigste Ursache. Aber bei weitem nicht die einzig mögliche.
Mögliche andere Ursachen einer Angina pectoris sind zum Beispiel:
- andere Herzerkrankungen
- Bluthochdruck
- Erkrankungen der Lungen
- Erkrankungen des Magen-Darm-Traktes
- Erkrankungen des Stütz-und Bewegungsapparates
Kann Kälte einen Angina-pectoris-Anfall auslösen?
Ja, manche Menschen leiden bei Kälte unter Herzbeschwerden. Denn bei kühlen Außentemperaturen reagieren die Gefäße natürlicherweise mit einer Engstellung und einem verminderten Blutfluss. Auf diese Art gelingt es dem Körper, möglichst wenig Wärme an die Außenwelt zu verlieren.
Allerdings sinkt auch die Durchblutung des Herzmuskels. Die Unterversorgung mit Sauerstoff kann dann bei entsprechendem Risiko zu Beschwerden oder zu einem Angina-pectoris-Anfall führen.
Kann eine reichhaltige Mahlzeit einen Angina-pectoris-Anfall auslösen?
Ja, denn nach reichhaltigen Mahlzeiten steigt die Durchblutung des Verdauungstraktes. Andere Organsysteme werden deshalb automatisch etwas weniger gut durchblutet.
Auch die Durchblutung des Herzens ist nach einem üppigen Mahl etwas gedrosselt. Bei entsprechendem Risiko können dadurch Herzbeschwerden oder ein Angina-pectoris-Anfall ausgelöst werden.
Das gilt aber wirklich nur dann, wenn die Blutgefäße des Herzens tatsächlich verengt sind, wenn also bereits eine koronare Herzkrankheit bzw. Angina pectoris besteht. Bei Herzgesunden kann eine zu üppige Mahlzeit zwar auch jede Menge Unwohlsein hervorrufen, nicht aber einen Herzanfall mit Schmerzen in der Brust.
Behandlung
Welche Medikamente eignen sich zur Behandlung von Angina-pectoris-Anfällen?
Wenn es um die akute Linderung von Angina-pectoris-Beschwerden geht, sind sogenannte Nitrate die am häufigsten eingesetzte Medikamentengruppe. Nitrate sind gefäßerweiternde Wirkstoffe, die einen akuten Anfall von Angina pectoris beenden können. Sie verbessern die Sauerstoffversorgung des Herzmuskels.
Nitrate sorgen zudem für eine Erweiterung der Venen, die das Blut zum Herz zurückbefördern, so dass weniger Blut ins Herz einströmt und es deshalb entlastet wird. Muss das Herz weniger arbeiten, sinkt auch sein Sauerstoffbedarf. Nitrate wirken in Form von Sprays, Tropfen oder zerbeißbaren Kapseln sehr schnell, so dass Beschwerden schnell wieder verschwinden.
Weitere eingesetzte Medikamente sind
- Betablocker,
- Kalziumkanalblocker (auch Kalziumantagonisten oder kurz Kalziumblocker genannt)
- und Acetylsalicylsäure (ASS®, z.B. Aspirin®).
Zudem ist seit 2009 Ranolazin (Ranexa®) auf dem Markt, aktuell noch ein Reservemedikament für Angina pectoris.
Selbsthilfe
Wie kann man den Angina-pectoris-Beschwerden vorbeugen?
Den unangenehmen Beschwerden kann man am ehesten vorbeugen, wenn man die typischen Auslöser so gut es geht versucht zu vermeiden. Körperliche Belastungen, die erfahrungsgemäß zu solchen Symptomen führen, sollten Sie also lieber unterlassen.
Bei Erkrankungen wie fieberhaften Infekten (Erkältungen, Magen-Darm-Infekten) sollten Sie sich ebenfalls schonen. Wird bei Ihnen die Angina pectoris durch kalte Luft ausgelöst, hilft ein Atemschutz, etwa durch die Bedeckung von Nase und Mund mit einem Schal oder Tuch.
Ist eine größere körperliche Belastung im Einzelfall unvermeidbar, kann die vorherige Einnahme von Nitroglycerin (Nitro-Spray) helfen, einen Angina-pectoris-Anfall zu verhindern.
Stimmt es, dass Angina-pectoris-Beschwerden häufig nach dem Essen auftreten?
Ja, Belastungen nach der Nahrungsaufnahme sollten Sie ebenfalls vermeiden, denn nach den Hauptmahlzeiten treten die Beschwerden gehäuft auf. Daher lieber eine kurze Pause nach den Mahlzeiten einlegen und erst nach etwas zeitlichem Abstand wieder mit körperlicher Belastung beginnen.
Wissenswertes
Herzschmerzen trotz Therapie: Gibt es das?
Wenn es bei verengten Herzgefäßen trotz erfolgreicher Therapie immer wieder zu starken, Herzinfarkt-ähnlichen Schmerzen im Brustraum kommt, ist das für die Betroffenen außerordentlich belastend. An der Universitätsklinik Bochum hat sich jetzt eine Arbeitsgruppe etwas intensiver mit dieser Angina pectoris "ohne Grund" beschäftigt. Und Behandlungsmöglichkeiten erfolgreich erprobt.
Prof. Maier kennt das Problem: Es ist ein Stent eingebaut oder eine Bypass-Operation vorgenommen worden, es werden gefäßerweiternde Medikamente eingenommen, und dennoch kommt es immer wieder zu den bedrohlichen Schmerzen in der Brust. Bei fast jedem zweiten Patienten mit Angina pectoris kommt das vor, bei etwa 15% so stark, dass es die Lebensqualität erheblich beeinträchtigt - wohlgemerkt: obwohl eigentlich alles in Ordnung ist.
Phantomschmerz im Herzen
Laut Baier kann die Ursache in einer Art "Schmerzgedächtnis" liegen. Bestimmte Regionen im Gehirn, die an der Entstehung der Herzschmerzen vor der Behandlung beteiligt waren, haben sich gewissermaßen verselbständigt und funken auch dann noch Schmerzreize in Richtung Brustraum, wenn das Problem gar nicht mehr besteht. Das Geschehen ähnelt in seiner Entstehung den sogenannten Phantomschmerzen im Bein, wenn dieses amputiert wurde, also gar nicht mehr wehtun kann. Von "Phantomschmerzen im Herzen" spricht denn auch Maier.
Die gute Nachricht: Aus dieser Erkenntnis ergeben sich auch neue therapeutische Chancen. In Bochum wurden die Patienten in einer Studie sehr erfolgreich mit dem sogenannten TENS-Verfahren behandelt. Dabei handelt es sich um eine Nervenstimulation über die Haut. Von Klebe-Elektroden auf der Brust (wie beim EKG) werden elektrische Reize ausgesandt, die den Schmerzreiz unterdrücken. Auch mit begleitenden verhaltenstherapeutischen Maßnahmen haben die Bochumer gute Erfahrungen gemacht.
Quellen:
- Nationale Versorgungsleitlinie: Chronische KHK (2019), 5. Auflage, 2019. Version 1. www.leitlinien.de.