Die Behandlung von Persönlichkeitsstörungen erfordert von allen Beteiligten einen langen Atem. Gerade für Borderline gibt es jedoch gute Ansätze, um den speziellen Problemen und Bedürfnissen der Betroffenen gerecht zu werden.
Ohne Motivation keine Therapie
Motivation und das Bedürfnis, an der eigenen Situation und Lebensgestaltung etwas zu ändern, sind entscheidend, um überhaupt mit einer Therapie beginnen zu können. Dazu gehört eine gewisse Einsicht und das Eingeständnis, für Veränderungen im Leben auch ein Stück weit selbst verantwortlich zu sein.
Manchen treibt aber auch der enorme Leidensdruck irgendwann dazu, sich Hilfe zu suchen. Wenn die Beziehung bröckelt oder es beruflich mal wieder nicht gut läuft, ist guter Rat teuer.
Im Vordergrund der Therapie von Persönlichkeitsstörungen stehen psycho- und soziotherapeutische Ansätze. Medikamente werden in der Regel nur bei entsprechenden Begleitsymptomen eingesetzt, wie z.B. einer depressiver Verstimmung oder massiven Spannungszuständen. Hier können sie zur Linderung der Beschwerden beitragen. Wichtig sind sie außerdem, wenn neben der Persönlichkeitsstörung noch eine weitere Erkrankung vorliegt. Man spricht dann von Komorbidität. So geht eine Borderline-Störung beispielsweise häufig mit Alkohol- und Suchterkrankungen einher, die gesondert behandelt werden müssen.
Skills – kleine Helfer im Alltag mit der Erkrankung
Elementar für die Behandlung und den Umgang mit der Borderline-Störung ist das Erlernen von Strategien im Umgang mit Spannungszuständen. Viele "Borderliner" haben zwar (vorübergehend) gut wirksame Methoden gefunden, die ihnen jedoch längerfristig mehr schaden als nutzen: Selbstverletzungen sind keine Lösung zum Abbau innerer Erregung oder Leere und sollten durch alternative Strategien ersetzt werden.
Leider ist das oft nicht ganz einfach, da sämtliche sogenannte Skills verständlicherweise nicht die gleiche Reizstärke wie z.B. ein Schnitt durch die Haut erreichen. Sie wirken daher meist nicht so stark.
Übersetzt bedeuten Skills Fähigkeiten oder Fertigkeiten. Sie sollen helfen, mit der Erkrankung im Alltag besser umzugehen. Es gibt ganz konkrete Skills, die bestimmte Handlungen umfassen; daneben gibt es aber auch solche auf gedanklicher oder der Ebene der Wahrnehmung.
Das Umfeld im Blick: Soziotherapie
Die Soziotherapie zielt darauf ab, das soziale Umfeld zu festigen und die psychosozialen Kompetenzen der Betroffenen zu verbessern. Das bedeutet etwa, die familiären Verhältnisse zu beleuchten und alte Muster und Verhaltensweisen ggf. aufzubrechen. Auch die berufliche Situation und das dortige Umfeld spielen eine große Rolle und können sowohl stabilisieren als auch verunsichern.
Speziell für Borderline: Dialektisch-behaviorale Therapie
Für die Borderlineerkrankung wurde eine spezielle Therapieform entwickelt, die sogenannte Dialektisch-behaviorale Therapie. Sie beruht auf verschiedenen Strategien und umfasst kognitive, verhaltenstherapeutische wie auch psychodynamische Ansätze.
Eine kognitive Therapie zielt auf das Denken, die Einsicht und die Einstellungen der Betroffenen ab. Dabei wird versucht, festgefahrene Denkmuster aufzubrechen und neue Sichtweisen zu entwickeln.
Verhaltenstherapie ist Arbeit am konkreten Handeln und Auftreten. Es geht weniger darum, die Hintergründe für das jeweilige Verhalten aufzudecken, als vielmehr, entsprechende Verhaltensweisen, die eher schaden als nutzen, abzubauen und durch andere zu ersetzen.
Die psychodynamische Schule hingegen versucht, den Problemen auf den Zahn zu fühlen und die Ursachen zu ergründen. Sie geht davon aus, dass Persönlichkeitsstörungen auf bestimmten Erlebnissen oder Versäumnissen im Laufe der Entwicklung beruhen, die aufgearbeitet werden müssen.
Neuere Methoden: Schematherapie
In der Weiterentwicklung psychotherapeutischer Methoden haben sich auch neue Ansätze der sogenannten dritten Welle für die Therapie von Borderline bewährt. Dazu zählt insbesondere die Schematherapie, die verschiedene Verfahren vereint.
Hier geht es darum, erlernte Muster und Verhaltensweisen zu erkennen und "umzuprogrammieren". Alte Rollenbilder und Reaktionsweisen sollen dadurch aufgebrochen und ein anderer Umgang mit Personen oder bestimmten Situationen erlernt werden. Die Beziehung zum Therapeuten ist dabei ganz entscheidend, da er selbst aktiv in die Therapie einbezogen ist.
Teamwork: Patient und Therapeut
Der Aufbau einer tragfähigen Beziehung zwischen Patient und Therapeut ist stets grundlegend für einen Behandlungserfolg. Ein Mensch mit einer Borderline-Störung, der sich in Behandlung begibt und ernsthaft an sich arbeiten möchte, muss viel von sich preisgeben und offenbaren. Dazu muss er seinem Therapeuten grundlegend vertrauen können.
Leider gehört es zum Wesen der Erkrankung, dass der Aufbau, das Führen und Aufrechterhalten von Beziehungen oft äußert problematisch sind. Auch die Beziehung zum Therapeuten ist davon nicht ausgenommen. Gerade wenn sich ein enges Verhältnis entwickelt hat, ist es in Gefahr, irgendwann wieder zu zerbrechen. Doch ein guter Therapeut weiß um diese Schwierigkeiten und kann sie womöglich rechtzeitig auffangen.
Eine stabile Beziehung ist auch deshalb wichtig, weil die Therapie in der Regel ein langjähriger Prozess ist, in dem der Therapeut zum beständigen Begleiter wird. Denn die Behandlung einer Borderline-Störung besteht weniger darin, die Erkrankung zu beseitigen, als vielmehr darin, einen Umgang mit ihr zu finden und mit ihr leben zu lernen.
Ist Borderline schwer zu behandeln?
Persönlichkeitsstörungen gelten allgemein als schwer zu behandeln und stellen auch an Therapeuten hohe Ansprüche. Das liegt zum einen an der komplexen Erkrankung selbst. Daneben erschweren weitere Begleiterkrankungen die Behandlung oft zusätzlich. Eine Persönlichkeit entwickelt sich über einen langen Zeitraum und ist im Grunde das ganze Leben über im Wandel. Sie unterliegt zahlreichen Einflüssen und wird insbesondere im Kindes- und Jugendalter geprägt.
Es ist daher wohl einleuchtend, dass eine Therapie und das Arbeiten an einer Persönlichkeit kein vergleichsweise einfaches "Reparieren" ist wie beispielsweise das Verschrauben eines Bruches mit einer Titanplatte.
Abgesehen davon, dass auch in Fachkreisen umstritten ist, was überhaupt als Störung gelten kann und welche Persönlichkeitszüge durchaus noch angemessen sind, müssen zunächst einmal die Ziele einer Therapie individuell geklärt werden.
Hier können die eigene Sicht der Betroffenen und die Fremdperspektive von außen grundlegend voneinander abweichen. Der Betroffene leidet z.B. hauptsächlich an der Brüchigkeit seiner Beziehungen, erkennt aber womöglich sein unstetes und unberechenbares Verhalten nicht, das immer wieder zu dramatischen Trennungserfahrungen führt.
Es erfordert schon von Menschen ohne Persönlichkeitsstörung ein hohes Maß an Einsicht und Selbstreflexion, um an sich und seinen Beziehungen etwas zu ändern. Wie viel schwerer fällt dies erst einem "Borderliner", der so viele Probleme zu bewältigen hat und ständig von seinen Gefühlen zerrissen wird!
Oft Teil des Problems: Die Beziehung zum Therapeuten
Problematische Beziehungen sind ein Kernmerkmal der Borderline-Störung. Und natürlich machen sie auch vor dem Verhältnis zum Therapeuten nicht Halt. Das erschwert die Therapie zusätzlich. Denn eine tragfähige Beziehung zwischen Patient und Therapeut ist entscheidend für eine erfolgreiche Behandlung.
Außerdem ist meist eine jahrelange therapeutische Begleitung erforderlich, um neue Verhaltensweisen zu erlernen und zu stabilisieren. So lange muss die Beziehung zum Therapeuten erst einmal halten.
Schwere Verläufe und Begleiterkrankungen
Auch starke Krankheitsausprägungen wie selbst- und fremdaggressives Verhalten oder gar eine drohende Suizidalität können die Behandlung erschweren. Hinzu treten oft weitere schwere Erkrankungen wie Abhängigkeit und Sucht, Essstörungen oder eine Posttraumatische Belastungsstörung, die ebenfalls dringend behandelt werden müssen.
Trotz allem: Es gibt gute Therapien
Die Auflistung der Probleme zeigt, welche Schwierigkeiten in der Behandlung der Borderline-Persönlichkeitsstörung bestehen und erklärt, wie wichtig ein kompetenter und erfahrener Therapeut ist.
In guten Händen ist eine Therapie jedoch durchaus erfolgversprechend. Und natürlich gibt es große individuelle Unterschiede in der Krankheitsentstehung und -ausprägung, weshalb nicht alle Menschen mit Borderline-Störung gleich schwer zu behandeln sind.
Gerade für Borderline gibt es zudem wirksame therapeutische Ansätze, die sich in der Praxis bewährt haben. Voraussetzung ist allerdings stets eine hohe Motivation und aktive Mitarbeit der Betroffenen. Außerdem sollte man sich selbst nicht überfordern und sich machbare Ziele setzen. Letztlich geht es nicht darum, die Persönlichkeitsstörung "wegzutherapieren", sondern bestmöglich mit ihr zu leben.
Ist eine Behandlung für Menschen mit Borderline ratsam?
Unbedingt! Menschen mit einer Borderline-Persönlichkeitsstörung haben oft vor allem im sozialen Bereich Schwierigkeiten und stoßen immer wieder an die Grenzen ihrer emotionalen Belastbarkeit. Eine psychotherapeutische Begleitung kann die Betroffenen unterstützen und ihr Selbstbewusstsein stärken.
Gar nicht so leicht: Hilfe suchen
Hilfe in Anspruch zu nehmen oder sich gar in eine psychotherapeutische Behandlung zu begeben, erfordert zunächst einmal eine große Überwindung. Man muss sich selbst eingestehen, viele Probleme nicht alleine meistern zu können. Außerdem kursieren in manchen Freundes- und Bekanntenkreisen womöglich noch immer zweifelhafte Vorstellungen und große Vorurteile gegenüber Psychotherapie.
Der Leidensdruck muss daher entsprechend groß sein, damit sich ein Betroffener überhaupt fachkundige Hilfe sucht. Andererseits kommt der Ratschlag auch manchmal gerade von Verwandten oder Freunden, die sich um den Betroffenen sorgen.
Wie auch immer der Weg zum Therapeuten führt: Er lohnt sich! Eine Therapie der Borderline-Störung zielt weniger auf eine Heilung als vielmehr auf den Umgang mit ihr und auf Strategien zur Bewältigung der aufkommenden Probleme im Alltag.
Das Leben meistern
Es mag manchem Betroffenen mit Borderline Angst machen, dass er sich mit der Störung zeitlebens arrangieren muss. Im Grunde unterscheidet er sich darin aber gar nicht so sehr von seinen Mitmenschen. Jeder muss sich im Leben zurechtfinden, erlebt Misserfolge und Niederschläge und stößt immer wieder an Grenzen, an denen er nicht weiter weiß.
Für einen Borderliner wiegen viele Probleme noch schwerer und spitzen sich Situationen oft dramatisch zu. Gerade deshalb ist Hilfe von außen wichtig. Lässt er sich auf eine Therapie und die vielfältigen Angebote zur Unterstützung im alltäglichen Leben ein, kann sich auch sein Leben stabilisieren und in die oft so ersehnten geregelten Bahnen gelenkt werden.
Wovon hängt der Behandlungserfolg bei Borderline ab?
Ob die Behandlung der Borderline-Persönlichkeitsstörung erfolgreich ist, hängt von vielen Faktoren ab. Manche, wie zum Beispiel die Erfahrungen in der Kindheit, können Betroffene nicht beeinflussen. Andere haben sie jedoch durchaus selbst in der Hand und können den Verlauf der Erkrankung dadurch aktiv mitgestalten.
Vieles, was uns im Leben widerfährt, entzieht sich unserer Einwirkung. Keiner fragt uns, in welcher Familie wir aufwachsen wollen und welches Umfeld uns am besten gefallen würde.
Auch über unsere Gesundheit können wir nicht selbst verfügen. Auf die Frage, warum der Eine Zeit seines Lebens an einer schweren Krankheit zu leiden hat und andere bis ins hohe Alter gesund bleiben, wird es auf der grundlegenden Ebene der Warum-Frage wohl nie eine Antwort geben.
Ein schwerer Start
Menschen mit Borderline sind oft unter schwierigen Bedingungen aufgewachsen und haben in ihrer Kindheit und Jugend Gewalt, Missbrauch oder Vernachlässigung erfahren. Studien haben gezeigt, dass solche Erlebnisse den Erfolg einer Behandlung mindern. Das bedeutet jedoch nicht, dass eine Therapie hinfällig wird, da sie sowieso nicht anschlagen wird.
Ganz im Gegenteil: Je schwerer jemand betroffen ist und je größer das Päckchen ist, das er mit sich herumträgt, umso mehr ist er auf Hilfe angewiesen und sollte sich therapeutische Unterstützung suchen. Die Behandlung, die ohnehin aufwendig und langwierig ist, wird für diese schwer Betroffenen jedoch zu einer großen Herausforderung.
Ebenfalls nicht zu beeinflussen sind Begleiterkrankungen, die häufig mit Borderline einhergehen und die Behandlung erschweren. Oft sind es depressive Störungen, Angst- oder Abhängigkeitserkrankungen. Hier müssen die einzelnen Symptome erst sorgfältig voneinander abgegrenzt werden, um die individuell richtige Therapieform für den Betroffenen zu finden.
Familiäre, soziale und berufliche Einbettung
Entscheidend sind darüber hinaus das soziale Umfeld sowie die berufliche Situation. Wer von einem stabilen sozialen Netz, von Freunden oder der Familie aufgefangen wird, hat deutlich bessere Karten als ein Alleinkämpfer.
Und auch das Arbeitsverhältnis spielt eine ganz entscheidende Rolle. Der Beruf nimmt einen Großteil unseres Lebens ein und vermittelt vielen Menschen Sicherheit und Beständigkeit. Erfolgserlebnisse und positive Rückmeldungen motivieren uns und bestärken das Gefühl, gebraucht zu werden und an etwas Sinnvollem mitzuwirken.
Bei "Borderlinern", deren Gefühlsleben immer wieder erschüttert wird, wiegen stabile soziale und berufliche Umstände noch schwerer.
Es liegt in Ihrer Hand
Manches kann man jedoch auch selbst anpacken und beeinflussen. Entscheidend für den Verlauf der Borderline-Störung ist es, ob Betroffene überhaupt eine Therapie auf sich nehmen. Ohne gezielte therapeutische Unterstützung kommt es weitaus häufiger zu sozialen Konflikten und Leistungseinbußen im beruflichen Bereich. Je früher eine Behandlung begonnen wird, desto besser sind die Aussichten auf Erfolg.
Aber auch, wenn man sich zu einer Therapie durchgerungen hat, liegt noch ein mühsamer Weg vor einem. Denn Therapie bedeutet lebenslanges Arbeiten an sich, dem eigenen Denken, Fühlen und Handeln. In den psychotherapeutischen Einzel- und Gruppensitzungen werden tief verwurzelte Grundeinstellungen in Frage gestellt und festgefahrene Handlungsmuster aufgebrochen. Das ist oft nicht leicht zu ertragen und erfordert Selbstreflexion und -kritik.
Zusammenfassend lässt sich sagen: Die eigenen Startbedingungen kann sich keiner selbst aussuchen. Manche wachsen behütet und geborgen auf, werden umsorgt und maximal gefördert, während andere schon bald auf sich allein gestellt sind und keinerlei Unterstützung bekommen. Manche erkranken früh an einer chronischen Krankheit, während andere Zeit ihres Lebens keinen Arzt aufsuchen müssen.
Was wir daraus machen, liegt aber trotz all dem in der Hand jedes Einzelnen. Wirken Sie also selbst mit am Erfolg Ihrer Behandlung!
Kann man die Persönlichkeit heilen?
So schwierig es ist, die Erkrankung überhaupt dingfest zu machen und die einzelnen Symptome klar herauszustellen, so aufwendig ist verständlicherweise auch die Therapie. Wie soll man eine Persönlichkeit, die sich im Verlauf von Jahren entwickelt hat und geprägt wurde und die ja die jeweilige Person mit all ihren Facetten auch ausmacht, verändern? Was gehört zu dieser Person und soll bestehen bleiben? Was macht die Erkrankung aus und soll behoben werden?
Grundsätzlich verläuft die Therapie von Persönlichkeitsstörungen über Jahre hinweg und umfasst neben psychotherapeutischen Verfahren auch soziotherapeutische Ansätze, die vor allem darauf abzielen, ein Leben mit der Erkrankung zu ermöglichen. Denn anders als bei vielen anderen Erkrankungen lässt sich eine Persönlichkeit nicht einfach heilen. Aber sie kann durchaus heilsame Erfahrungen machen.
Quellen:
- Leitlinienprogramm Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e.V. (AWMF), verfügbar unter: https://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/028-033_S1_Persoenlichkeitsstoerungen__F60__F61__11-2006_11-2011_01.pdf
- Memorix Psychiatrie und Psychotherapie; Laux, Gerd; Möller, Hans-Jürgen: Georg Thieme Verlag 2008