Für Menschen mit Borderline-Störung können Beziehungen besonders problematisch sein. Denn einerseits besteht oftmals ein übergroßer Wunsch nach Anlehnung und Nähe. Andererseits erschweren viele Probleme soziale Kontakte und das Aufrechterhalten von Beziehungen.
Nie wissen, woran man ist
Ein schwieriger Umgang mit den eigenen Gefühlen, der rasche Wechsel und die Unstetigkeit von Emotionen, aggressives und selbstschädigendes Verhalten: Freundschaften oder Beziehungen von "Borderlinern" gleichen einem Wechselbad extremer Gefühle – für beide Partner.
Menschen mit einer Borderline-Persönlichkeit neigen zu raschen Stimmungsumbrüchen, die oft unvermittelt und für das Umfeld unerwartet eintreten. Das führt dazu, dass man sich als Angehöriger oder Freund nicht auf ein bestimmtes Verhalten einstellen kann. Partner fühlen sich oft in einem Moment angezogen und geliebt, doch im nächsten Moment abrupt abgestoßen und feindselig behandelt.
Man muss also immer auf der Hut sein und mit allen möglichen Reaktionen rechnen. Das erfordert Geduld und große Zuneigung.
Doch auch der Betroffene selbst wird von seinen Stimmungsschwankungen unvermittelt eingeholt. Auch er kann sich darauf nicht vorbereiten. Mal muss er seinem Partner unbedingt von den tollen Ereignissen des Tages berichten; mal braucht er einfach jemanden zum Ausweinen.
Geben und Nehmen
Für das Führen von Beziehungen ist es wichtig, Kompromisse zu schließen, Eingeständnisse zu machen und sich immer wieder zurückzunehmen. Betroffenen fällt das oft nicht leicht. Sie können ihre Gefühle schwer zurücknehmen und sich auf ihr Gegenüber einstellen. Ohne solche Perspektivwechsel kann eine Beziehung jedoch kaum funktionieren, ohne in eine ungute Schieflage zu geraten, in der einer mehr gibt und der andere mehr nimmt.
Dabei ist zu betonen, dass die Betroffenen keineswegs rücksichtslos und selbstzentriert sind. Das Selbstbild ist ganz im Gegenteil oft sehr schwach und fragil und benötigt daher eine starke Schulter zum Anlehnen, nach der sich ein Mensch mit Borderline meist dringlichst sehnt.
Leidtragend sind vor allem Betroffene selbst
Daher ist es in der Regel der "Borderliner" selbst, der am meisten unter seinen oft unsteten Beziehungen leidet. Wer ohnehin wenig Selbstbewusstsein hat und womöglich kaum Bestätigung und positive Rückmeldung bekommt, für den ist das Scheitern einer Beziehung oder der Verlust eines engen Freundes die passende Bestätigung für seine vermeintliche Unzulänglichkeit.
Da Menschen mit Borderline-Störung meist viele Trennungserfahrungen durchleben müssen, stürzen sie immer wieder in schwere Krisen, die ihrerseits traumatische Erfahrungen darstellen – ein Teufelskreis, der den Weg in eine gelingende Beziehung immer schwerer macht.
Jeder kann an Beziehungen arbeiten
Doch auch wenn es nicht einfach ist, lässt sich an der Beziehungsfähigkeit arbeiten. Auch Menschen mit einer Borderline-Störung können lernen, ihr Verhalten einzuschätzen und sich besser zu kontrollieren. Kleine Fortschritte und Erfolgserlebnisse durch intensive Psychotherapien können nach und nach die eigene Identität stabilisieren.
Es kann auch sinnvoll sein, den Partner direkt in die Therapie miteinzubeziehen. Bestehende Partnerschaften können in solchen Therapien unterstützt und davor bewahrt werden, an der Erkrankung zu zerbrechen. Dabei ist jedoch viel Engagement von beiden Seiten nötig.
Quellen:
- Leitlinienprogramm Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e.V. (AWMF), verfügbar unter: https://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/028-033_S1_Persoenlichkeitsstoerungen__F60__F61__11-2006_11-2011_01.pdf
- Memorix Psychiatrie und Psychotherapie; Laux, Gerd; Möller, Hans-Jürgen: Georg Thieme Verlag 2008