Was genau bewirkt die Radiojodtherapie? Tut die Behandlung weh und welche Nebenwirkungen können auftreten? Diese und viele weitere Fragen rund um das Thema Radiojodtherapie beantworten wir in folgendem Beitrag.
Einführung
Was ist eine Radiojodtherapie?
Unter einer Radiojodtherapie versteht man die lokale Bestrahlung der Schilddrüse durch radioaktives Jod. Sie kommt meist zur Behandlung von Schilddrüsenkrebs (bösartigen Tumoren), einer Schilddrüsenüberfunktion (ausgelöst durch heiße Knoten oder Morbus Basedow) oder bei Kropfbildung zum Einsatz.
Radiojodtherapie: Wirkungsweise und Risiken
Welches Prinzip macht sich die Radiojodtherapie zunutze?
Der Körper kann zwischen normalem Jod und radioaktivem Jod nicht unterscheiden. Zudem gilt die Schilddrüse als hervorragender Jodspeicher, da sie fast das gesamte Jod abfängt, das der Körper aufnimmt. Das bedeutet: Bei der Radiojodtherapie sammelt sich das verabreichte radioaktive Medikament in den Schilddrüsenzellen an, und zwar hauptsächlich in jenen, deren Hormonproduktion gesteigert ist. Also genau dort, wo es ankommen und wirken soll. Durch die radioaktive Strahlung, die es aussendet, werden die krankhaften Schilddrüsenzellen daraufhin von innen heraus zerstört.
Für die Behandlung wird das radioaktive Jod-Isotop 131 verwendet, das eine Halbwertszeit von acht Tagen besitzt. Das bedeutet, dass sich im Rahmen des radioaktiven Zerfalls die Zahl der Iodmoleküle alle acht Tage halbiert.
Verabreicht wird das radioaktive Arzneimittel dem Patienten entweder als wässrige Lösung zum Trinken oder als Kapsel zum Schlucken.
Ist eine Radiojodtherapie gefährlich? Ist die Strahlung nicht schädlich?
Generell lässt sich sagen, dass eine Radiojodtherapie ein sehr sicheres und risikoarmes Verfahren darstellt, krankes Schilddrüsengewebe zu entfernen. Das liegt vor allem daran, dass die Schilddrüse das Jod förmlich aufsaugt und andere Bereiche des Körpers von dem jodhaltigen Medikament kaum etwas abbekommen.
Die Strahlenbelastung der Radiojodtherapie entspricht in etwa der einer Röntgenuntersuchung (z.B. Computertomographie), ist jedoch abhängig von der Art der Erkrankung und der dafür benötigten Dosis. Ansonsten ist das Verfahren weitgehend ungefährlich.
In der Regel wird die radioaktive Substanz zudem problemlos vertragen. Nur in seltenen Fällen (vor allem bei sehr großen Schilddrüsen, oder wenn eine hohe Dosis nötig ist, wie z.B. bei Krebserkrankungen) kann es nach der Behandlung zu leichten Halsschmerzen, Schwellungen des Halses oder einem Trockenheitsgefühl im Mund kommen. Diese Symptome klingen meist von selbst wieder ab und können natürlich auch durch Medikamente behandelt werden.
Was muss ich vor einer Radiojodtherapie beachten?
Wichtig: Damit das radioaktive Kontrastmittel besser aufgenommen wird, sollte man sechs Stunden vor Einnahme des Radiojods nüchtern sein. Außerdem sollte man nach der Gabe des radioaktiven Mittels etwa eine Stunde abwarten, bevor man wieder etwas isst.
Der Arzt wird Sie im Vorfeld genau darüber aufklären, was Sie ansonsten noch beachten müssen.
Ablauf
Was kommt vor einer Radiojodtherapie alles auf mich zu?
Wenn eine Radiojodtherapie für Sie in Frage kommt, muss im Vorfeld einiges beachtet und geplant werden, da zur Behandlung eine stationäre Aufnahme erforderlich ist. Das eigentliche Verfahren ist sehr einfach und unkompliziert.
Einige Untersuchungen vorneweg
Am Tag der stationären Aufnahme findet ein ausführliches Aufklärungsgespräch statt sowie eine Ultraschalluntersuchung und die Bestimmung der relevanten Blutwerte. Anschließend wir ein sogenannter “Radiojodtest“ mit einer Testkapsel durchgeführt, um die erforderliche Therapiedosis für den Patienten zu berechnen. Der Patient erhält dabei eine kleine Menge an Radiojod zum Schlucken. Außerdem kann zusätzlich eine Szintigraphie durchgeführt werden, um zu sehen, wie stark aktiv das Schilddrüsengewebe ist.
Radiojodtherapie: was Sie zum Ablauf wissen müssen
Wie läuft eine Radiojodtherapie genau ab?
Kleine Kapsel oder ein Schluck Flüssigkeit
Im Anschluss an die Untersuchungen erfolgt die eigentliche Radiojodtherapie. Dabei schluckt der Patient eine Kapsel oder eine wässrige Lösung mit radioaktivem Iod (Iod-131). Das Iod gelangt nun über die Blutbahn zur Schilddrüse und reichert sich bevorzugt in den geschädigten (besonders stoffwechselaktiven) Zellen an. Durch die Strahlung, die von dem Radiojod ausgeht, können nun die umliegenden Zellen gezielt zerstört werden.
Das Gute ist, dass durch die Behandlung andere Bereiche des Körpers kaum beeinträchtigt werden. Das liegt daran, dass Iod vorwiegend von der Schilddrüse aufgenommen wird. Sie fängt das verabreichte Medikament also nahezu vollständig selbst auf, ohne dass es überhaupt in andere Bezirke gelangt. Das restliche Jod-131, das nicht von den Schilddrüsenzellen aufgenommen wird, wird über den Urin, Speichel, Schweiß oder Kot einfach wieder aus dem Körper ausgeschieden.
Warum muss ich kurze Zeit in „Quarantäne“?
Nachdem der Patient das radioaktive Medikament eingenommen hat, kann er wieder auf sein Zimmer zurückgehen. In den nächsten zwei Tagen darf er die Station allerdings nicht verlassen, damit andere Patienten und Besucher nicht mit den Strahlen, die der Patient nach außen abgibt, belastet werden. Außerdem wird das radioaktive Jod, das mit dem Harn ausgeschieden wird, über spezielle Toilettenanlagen abgefangen und entsorgt.
Solange sich der Patient auf der Isolierstation befindet, darf er keinen Besuch entgegennehmen. Innerhalb der Station aber kann sich der Patient frei bewegen und sich mit anderen Patienten unterhalten.
Woher weiß der Arzt, wann ich das Krankenhaus wieder sicher verlassen kann?
Um festzustellen, ab welchem Zeitpunkt der Patient das Krankenhaus wieder verlassen kann, wird die Reststrahlung, die vom Körper ausgeht, täglich neu gemessen. Ab einem gesetzlich festgelegten Grenzwert darf der Patient die Krankenstation wieder verlassen und nach Hause gehen. Nach der Radiojodtherapie sind außerdem noch einige Schutzmaßnahmen einzuhalten, über die Sie der Arzt noch vor Entlassung genau aufklären wird.
Wichtig: Eine Radiojodtherapie erfordert einen stationären Mindestaufenthalt von 48 Stunden. Das schreibt die Strahlenschutzverordnung vor. Die tatsächliche Verweildauer (die Geschwindigkeit des Abbaus) ist allerdings von Mensch zu Mensch verschieden und hängt des Weiteren von der Menge des eingenommenen Kontrastmittels ab sowie der Größe der Schilddrüse und der Art der Erkrankung. Die Dauer des Krankenhausaufenthalts kann allerdings schon relativ genau im Vorfeld (mittels des sog. Radiojodtests) berechnet werden.
Tipps
Auf was muss vor der Radiojodtherapie geachtet werden?
Vor Beginn der Radiojodtherapie ist es wichtig, auf eine jodarme Ernährung zu achten, damit die Schilddrüse möglichst viel radioaktives Jod während der Therapie aufnehmen kann. Daneben sind noch ein paar weitere Punkte zu beachten.
Der Schilddrüse Appetit machen
Die Schilddrüse hat eine bestimmte Speicherkapazität für Jod. Sind die Speicher gefüllt, kann sie eine Zeit lang kein weiteres Jod oder jodhaltige Substanzen aufnehmen. Deshalb ist es wichtig, die Schilddrüse vor einer Radiojodtherapie gewissermaßen „auszuhungern“ und ihr möglichst wenig Jod zuzuführen, damit sie sich umso mehr auf das Medikament stürzt und die Wirkung voll zur Geltung kommen kann.
In der Regel wird dem Patienten vom Arzt eine vier- bis sechswöchige Jodkarenz verordnet. In dieser Zeit sollte der Patient kein oder möglichst wenig Jod zu sich nehmen.
Jodhaltige Lebensmittel meiden
Jod ist ein lebenswichtiges Spurenelement, das vor allem in Seefischen, Meeresfrüchten und Algenprodukten in größerer Menge vorkommt. Aber auch andere häufig verzehrte Lebensmittel wie Butter, Joghurt, Käse, Eier, Kiwi, Spinat, Rindfleisch und schwarzer Tee sowie viele Fertigprodukte, die aus jodiertem Speisesalz hergestellt werden, enthalten Jod.
Etwa vier Wochen vor der Radiojodtherapie sollten Sie auf solche Lebensmittel verzichten. Das bedeutet, kochen Sie selbst, und verwenden Sie zur Zubereitung der Speisen jodfreies Speisesalz. Versuchen Sie zudem, sich ausschließlich von frischen, unverarbeiteten Lebensmitteln (am besten keine industriell hergestellten Produkte) zu ernähren.
Jodhaltige Medikamente, spezielle Untersuchungen und die richtige Dosis: das gilt es zu beachten
Was ist, wenn ich jodhaltige Medikamente und Vitaminpräparate einnehme?
Jodhaltige Kontrastmittel oder Desinfektionsmittel stellen weitere Jodquellen dar und sollten in der Zeit vor dem Eingriff vermieden werden. Auch viele Medikamente wie zum Beispiel sogenannte Antiarrhythmika (Arzneimittel, die zur Behandlung von Herzrhythmusstörung verwendet werden) enthalten Jod und sollten rechtzeitig vor einer Radiojodtherapie abgesetzt werden. Eventuell müssen Patienten auch auf die Einnahme bestimmter Multivitaminpräparate und Nahrungsergänzungsmittel verzichten, sollten diese ebenfalls mit Jod angereichert sein.
Wichtig: Vor der Radiojodtherapie wird Ihnen Ihr Arzt in einem Aufklärungsgespräch genau erklären, was es vor der Radiojodtherapie zu beachten gibt. Zudem sollten Sie Medikamente, die Sie regelmäßig einnehmen müssen, immer erst nach ärztlicher Rücksprache absetzen.
Welche Untersuchungen sind vorab notwendig?
Darüber hinaus sind vor der Therapie mehrere Untersuchungen wie eine Blutuntersuchung, eine Ultraschalluntersuchung und ggf. eine Szintigraphie erforderlich. Außerdem erfolgt eine sog. Dosimetrie, bei der die benötigte Menge an Radioaktivität ermittelt wird. Sie ist abhängig von der jeweiligen Erkrankung und dem individuellen Patienten.
Schließlich sollte man unmittelbar vor Einnahme des Radiojods nüchtern sein, damit das radioaktive Kontrastmittel besser aufgenommen wird. Es empfiehlt sich, sechs Stunden vor der Therapie nichts mehr zu essen. Nach der Gabe des radioaktiven Mittels wird empfohlen, etwa eine Stunde abwarten, bevor man wieder etwas isst.
Radiojodtherapie: Was ist die richtige Dosis für mich?
Beim Radiojodtest (auch Dosimetrie genannt) wird im Vorfeld der eigentlichen Therapie ermittelt, welche Dosis, genauer gesagt welche Therapieaktivität für die jeweilige Erkrankung beim individuellen Patienten erforderlich ist. Das ist aber gar nicht so einfach.
Kein Schema F
Bei jedem Patienten verhalten sich Aufnahme, Verteilung und Ausscheidung der radioaktiven Substanz im Körper nämlich anders. Generell gilt: Je mehr von der Substanz aufgenommen wird und je länger sie verweilt, umso größer wird die Wirkung der Therapie sein.
Außerdem ist je nach Erkrankung ein anderes Ergebnis erwünscht. Einen Kropf möchte man lediglich etwas verkleinern. Bei einer Schilddrüsen-Autonomie soll das kranke (überschießende) Gewebe beseitigt werden, ohne jedoch das gesunde anzugreifen. Ziel ist es hier, eine normale Schilddrüsenfunktion (Euthyreose) herzustellen. Beim Morbus Basedow, bei dem das gesamte Gewebe betroffen ist, möchte man hingegen die ganze Schilddrüse funktionslos machen, also eine Unterfunktion (Hypothyreose) erreichen. Bei einer Krebserkrankung schließlich gilt es, nach einer Operation das noch vorhandene Restgewebe vollständig zu zerstören. Von der Schilddrüse bleibt dann nichts mehr übrig (Athyreose).
So wenig wie möglich, so viel wie nötig
Dieser Grundsatz gilt auch bei der richtigen Dosierung der Therapie. Die Erkrankung soll effektiv behandelt werden, ohne den Patienten jedoch zusätzlich und damit unnötig zu belasten. Um diese heikle Balance genau austarieren zu können, werden zunächst verschiedene Untersuchungen durchgeführt, die neben einer Blutentnahme auch eine Ultraschalluntersuchung umfassen.
Für den eigentlichen Radiojodtest wird dann eine Testkapsel mit einer geringen Menge an Radiojod geschluckt. Darauf folgen mehrere Messungen mit einer Sonde, die von außen an die Schilddrüse gehalten wird und die abgegebene Strahlung misst. Außerdem wird eine Szintigraphie der Schilddrüse angefertigt.
Komplizierte Rechenaufgabe
Anhand dieser Untersuchungen lässt sich feststellen, wie die Schilddrüse des jeweiligen Patienten die Substanz aufnimmt und verarbeitet. Daneben spielt die Größe der Schilddrüse eine Rolle, die anhand der Ultraschalluntersuchung ermittelt wird.
Und dann gibt es noch je nach Erkrankung eine bestimmte Dosis, die jeweils erreicht werden soll, um die oben genannten Effekte zu erzielen. Diese Dosis wird in der Einheit Gray (Gy) angegeben. Bei einem Kropf sollten etwa 100 bis 150 Gy erreicht werden, bei autonomen Bereichen und dem Morbus Basedow etwa 150 bis 400 Gy. Bei bösartigen Erkrankungen werden über 400 Gy angestrebt.
Aus diesen ganzen Informationen wird nun mit einer Formel die benötigte Aktivität errechnet. Sie wird in der physikalischen Einheit Mega Bequerel (MBq) angegeben, die die radioaktive Aktivität beschreibt. Bei der Radiojodtherapie werden in der Regel bei einer Überfunktion Aktivitäten von 200 bis 2000 MBq Jod-131 verabreicht. Beim Schilddrüsenkrebs liegen die Werte wiederum höher. Sie beginnen bei etwa 1000 MBq und können mehr als 10000 MBq betragen.
Bei dieser Bandbreite können Sie sich vorstellen, wie schwierig es ist, für jeden einzelnen Patienten das richtige Konzept zu finden. Nicht alles ist bereits im Vorfeld exakt vorherzusehen. Daher muss sich der Arzt oft erst einmal an die richtige Dosierung herantasten.
Launische Schilddrüse
Schon die Errechnung der individuell benötigten Aktivität im Vorfeld der Therapie ist eine sehr komplexe Angelegenheit. Eine exakte Vorhersage kann aber auch sie nicht liefern. Oft weicht bei der eigentlichen Therapie die tatsächlich erreichte Dosis doch noch von der gewünschten und beabsichtigten ab.
Das liegt daran, dass sich die Schilddrüse nicht immer genau gleich verhält und die verabreichte Substanz bei der Therapie womöglich etwas anders verarbeitet als bei dem Test. Daher kann es nötig sein, mehrere Therapien hintereinander durchzuführen. Gerade bei Krebserkrankungen kann das häufiger vorkommen. Hier wird die Strahlendosis auch oft ganz bewusst auf mehrere sogenannten Fraktionen verteilt, um die Belastung für den Patienten so niedrig wie möglich zu halten und gleichzeitig den bestmöglichen Effekt zu erzielen, wie es das Ziel jeder guten Therapie sein sollte.
Quellen:
- S1-Leitlinie: Radioiodtherapie bei benignen Schilddrüsenerkrankungen. Herausgeber: Deutsche Gesellschaft für Nuklearmedizin e.V. (2015). www.awmf.org.
- S1-Leitlinie: Radioiodtherapie beim differenzierten Schilddrüsenkarzinom. Herausgeber: Deutsche Gesellschaft für Nuklearmedizin e.V. (2015). www.awmf.org.