Reizdarmbeschwerden können sich in Form von Bauchkrämpfen, Blähungen und Stuhlunregelmäßigkeiten äußern. Oft werden sie begleitet von Schmerzen mit wechselnder Intensität. Die Verschreibung des Antidepressivums Amitriptylin (Saroten®) hat sich besonders bei den therapieresistenten Schmerzzuständen bewährt.
Ein Antidepressivum auf Abwegen
Auch wenn es zunächst ungewöhnlich klingen mag – in der Behandlung des Reizdarmsyndroms kommen auch Antidepressiva zum Einsatz. Die Medikamentengruppe der Psychopharmaka hat nämlich nicht nur antidepressive, angstlösende oder neuroleptische Wirkungen. Ihr breites Wirkspektrum erstreckt sich auch auf schmerzlindernde, das Nervensystem und seine Botenstoffe beeinflussende Effekte.
Anders als bei der Therapie von Angststörungen oder Depressionen werden beim Reizdarmsyndrom allerdings viel niedrigere Dosierungen verordnet. Zum Vergleich: 50 bis 150 mg bei der Behandlung von Angsterkrankungen gegenüber 10 bis 25 mg beim Reizdarm.
Der Arzneistoff Amitriptylin ist ein "alter Hase". Er wird in der Psychiatrie bereits seit Anfang der 60er Jahre eingesetzt und gehört zu den sogenannten trizyklischen Antidepressiva. Es ist ein Präparat mit stimmungsaufhellenden, beruhigenden und angstlösenden Eigenschaften. Neben den genannten Anwendungsgebieten wird es auch in der Behandlung chronischer Schmerzen verwendet.
Die Aufgaben von Amitriptylin
Saroten® hemmt die Wiederaufnahme von Serotonin und Noradrenalin in die Zellen. Das bedeutet, es sorgt dafür, dass diese Botenstoffe dem Körper weiter in hoher Konzentration aktiv zur Verfügung stehen und somit ihre Wirkung entfalten können.
Der Neurotransmitter Serotonin wirkt beispielsweise auf das Herz-Kreislauf-System, den Magen-Darm-Trakt und das Nervensystem. Noradrenalin wirkt u.a. auf das sympathische Nervensystem und ist damit mitbeteiligt an der Leistungssteigerung unseres Körpers.
Mit Blick auf unser Verdauungssystem bedeutet das, grob zusammengefasst, folgendes: Amitriptylin soll die o.g. Botenstoffe des enterischen Nervensystems (das als "Bauchhirn" bezeichnete Nervensystem im Magen-Darm-Trakt) wieder ins Gleichgewicht bringen.
Die Balance im Darm wiederherstellen
Es gibt Forscher, die beim Reizdarmsyndrom sogar so weit gehen, von einer "Depression des Darms" zu sprechen. Hintergrund für diese Bezeichnung ist, dass das Nervensystem unseres Verdauungsapparates genauso wie das Gehirn über Signale (Botenstoffe) kommuniziert und auf Schwankungen in diesem Bereich empfindlich reagiert.
Die Wissenschaft beschäftigt sich derzeit intensiv mit den Wechselwirkungen zwischen der Darmflora (Mikrobiom/Mikrobiota), dem Darm und der Psyche. Man weiß, dass die als "Mikrobiom-Darm-Hirn-Achse" bezeichnete Verbindung entscheidend durch Nerven und Hormone beeinflusst wird.
Wie bei den Depressionen spielt auch beim Reizdarmsyndrom der Botenstoff Serotonin eine wichtige Rolle. So fördert dieser Botenstoff beispielsweise die Darmperistaltik, d.h. er ist entscheidend an der natürlichen Darmbewegung und am Transport des Nahrungsbreis beteiligt. Aus diesem Grund vermutet man daher hinter den Verdauungsproblemen beim RDS u.a. einen Abfall des Serotonin-Spiegels.
Die Schmerzen werden besser
Der Großteil des in unserem Körper produzierten Serotonins wird in den enterochromaffinen Zellen der Darmschleimhaut gespeichert. Von hier aus übernimmt es zusammen mit anderen Botenstoffen die Steuerung des Magen-Darm-Trakts. In dieser Funktion bringt Serotonin den Darm aber nicht nur in Schwung und sorgt für die Abgabe der wichtigen Verdauungsenzyme, sondern ist auch an der Entstehung der Bauchschmerzen beteiligt.
Das trizyklische Antidepressivum Amitriptylin hat sich in diesem Zusammenhang besonders beim schmerzbetonten Reizdarm-Typ bewährt. Durch eine Veränderung des Serotonins im Darm scheint es einen eindeutigen Einfluss auf die Schmerzwahrnehmung dieser Menschen zu haben.
Vorsicht ist dennoch geboten
Sollten Sie zu den Personen mit Reizdarmsyndrom gehören, die zwar starke Schmerzen haben, jedoch eher unter Verstopfung leiden, so ist Vorsicht geboten. Eine bekannte Nebenwirkung von Saroten® ist nämlich leider die Obstipation. Ggf. kommt für Sie ein anderes Antidepressivum der Substanzklasse Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer (SSRI) in Betracht. Informieren Sie sich bei Ihrem behandelnden Arzt.