Was ist eine Skoliose? Welche Symptome macht die Erkrankung? Und muss sie behandelt werden? Mehr dazu in diesem Kapitel.
Basiswissen
Was ist eine Skoliose?
Bei Ihrem Kind wurde vom Arzt eine Skoliose festgestellt. Sicher fragen Sie sich nun, was das ist und was die Diagnose für Ihr Kind und Sie bedeutet.
Betrachten wir den Menschen einmal von hinten. Normalerweise kann man die Wirbelsäule als relativ gerade vom oberen Nacken in Richtung Becken verlaufende Struktur erkennen bzw. ertasten. Bei einer Skoliose verläuft die Wirbelsäule nicht gerade, sondern in einem bis mehreren Bögen. Diese nennt man Krümmungen. Eine Skoliose (von altgriechisch „skolios“: krumm) ist also eine seitliche Verkrümmung der Wirbelsäule.
Halswirbelsäule (HWS), der Brustwirbelsäule (BWS) oder der Lendenwirbelsäule (LWS)
Eine Verkrümmung kann in jedem Wirbelsäulenabschnitt auftreten – in der Halswirbelsäule (HWS), der Brustwirbelsäule (BWS) oder der Lendenwirbelsäule (LWS). Häufig finden sich auch Verkrümmungen an den Übergängen der Wirbelsäulenabschnitte oder gleichzeitig mehrere Verkrümmungen an verschiedenen Stellen. Neben einer größeren Hauptkrümmung bestehen dann ein oder mehrere kleinere Gegenschwünge. Je nach Richtung der Hauptkrümmung erfolgt eine Einteilung in links- oder rechtskonvexe Skoliosen. Allerdings spricht man nicht bei jeder im Röntgenbild nachgewiesenen Krümmung der Wirbelsäule von einer Skoliose. Ein gemessener Krümmungswinkel unter 10° wird als skoliotische Fehlhaltung bezeichnet und muss vorerst nicht behandelt werden. Eine Kontrolle kann gegebenenfalls angebracht sein.
Neben Verkrümmungen können zusätzlich Verdrehungen auftreten. Da die oberen Rippen mit der Wirbelsäule verbunden sind, können sich Veränderungen in der Symmetrie und der Beweglichkeit des Brustkorbes entwickeln. Der Schultergürtel ist gegenüber dem Becken verdreht.
Eine Skoliose als solche ist keine Erbkrankheit, kann aber im Rahmen erblicher Erkrankungen auftreten. Dabei kann sie angeboren sein oder sich bereits im frühen Kindesalter manifestieren (infantile Skoliose). Viel häufiger tritt eine Skoliose aber im Schulkind- bis Jugendalter in Erscheinung (juvenile / adoleszente Skoliose). 1-2% der Kinder dieser Altersklasse sind betroffen, Mädchen deutlich häufiger als Jungen (etwa im Verhältnis 6:1). Ursache ist meist ein Wachstumsschub. Ebenso können im Verlauf durch Wachstumsschübe deutliche Verschlechterungen innerhalb kurzer Zeit auftreten.
Beschwerden
Zumeist haben die betroffenen Kinder und Jugendlichen keine Beschwerden. Manchmal treten Schmerzen durch Muskelverspannungen auf. Auf Sport muss normalerweise nicht verzichtet werden, im Gegenteil – vor allem Klettern und Schwimmen sind zu empfehlen, um die Rumpfmuskulatur aufzubauen und zu erhalten. Sprungsportarten, bei denen stauchende Kräfte auf die Wirbelsäule wirken, sollten vermieden werden. Im Berufsleben sind am besten Tätigkeiten zu wählen, bei denen immer wieder ein Wechsel zwischen sitzen, stehen und gehen möglich ist und keine schweren Lasten gehoben werden müssen.
Diagnose
Wie wird eine Skoliose festgestellt?
Vielleicht haben Sie den Eindruck, dass mit dem Rücken Ihres Kindes etwas nicht stimmt. Vielleicht ist aber auch im Rahmen einer ärztlichen Untersuchung der Verdacht auf eine Skoliose geäußert worden.
Wie die Diagnostik, also die ärztlichen Untersuchungen zur Feststellung einer Skoliose, aussieht, soll nachfolgend erläutert werden.
Da die Skoliose im Kindes- und Jugendalter zumeist keine Beschwerden verursacht, ist sie häufig ein Zufallsbefund. Entweder im Rahmen einer Untersuchung beim Kinderarzt. Oder den Eltern fallen ein „schiefer“ Oberkörper oder „verschieden hoch“ stehende Schultern auf. Außerdem kann eine Asymmetrie der sogenannten Taillendreiecke vorliegen. Damit meint man die etwa dreieckigen Aussparungen zwischen Rumpf, Becken und Armen, wenn die Arme im Stehen locker neben dem Körper hängen. Bei einer geraden Wirbelsäule sind sie nahezu gleich. Liegt eine Skoliose vor, führen Verkrümmung und Verdrehung der Wirbelsäule hier oft zu deutlichen Seitendifferenzen. Wenn sich das Kind im Stand nach vorne beugt, kann zudem die eine Rücken-Seite im oberen Bereich „höher“ aussehen als die andere. Dieses Phänomen nennt man Rippenbuckel. Sie als Eltern können Ihr Kind gerne mehrmals pro Jahr auf die genannten Anzeichen einer Skoliose untersuchen. Manche Familien, bei deren Kindern bereits eine Skoliose diagnostiziert wurde, dokumentieren den Vorbeugetest mit Fotos, um eine Verschlechterung (z. B. durch Wachstumsschübe) rechtzeitig zu erkennen.
Unabhängig davon, ob Ihnen Veränderungen an Ihrem Kind aufgefallen sind, oder ob ein Arzt den Skoliose-Verdacht geäußert hat, ist eine weiterführende Diagnostik bei einem auf Skoliose spezialisierten (Kinder-)Orthopäden unabdingbar. Die Ausprägung der Wirbelsäulenverkrümmung muss festgestellt und gegebenenfalls die notwendige Therapie eingeleitet werden.
Zuerst wird der Orthopäde Ihr Kind auf die genannten äußerlich sichtbaren Zeichen einer Skoliose untersuchen. Dazu muss der Oberkörper unbekleidet sein. Die Wirbelsäule wird abgetastet, um eventuelle verletzungs- oder entzündungsbedingte Gründe für eine „schlechte“ Haltung (Schonhaltung) zu entdecken. Die Beweglichkeit der verschiedenen Wirbelsäulenabschnitte wird geprüft, indem das Kind gebeten wird, sich nach vorne / hinten bzw. nach links / rechts zu neigen, den Oberkörper bei festgehaltenem Becken zu drehen und den Kopf soweit wie möglich zu heben / zu senken bzw. zu beiden Seiten zu drehen. Mit dem Skoliometer, vergleichbar mit einer Wasserwaage, können bereits Rückschlüsse über die Ausprägung der Verkrümmungen gezogen werden. Außerdem wird dieses Messgerät zur Verlaufskontrolle eingesetzt. In aller Regel schließt sich bei der Erstdiagnostik aber eine Ganz-Röntgenaufnahme der Wirbelsäule im Stehen an, sowohl von hinten als auch von einer Seite (zwei Ebenen). Bei gestückelten Aufnahmen können vermehrt Messfehler bei der Bestimmung der Krümmungswinkel auftreten. Bei Aufnahmen im Liegen würden Verkrümmungen aufgrund von Beinlängendifferenzen / schief stehendem Becken oft nicht entsprechend erkannt werden.
Liegt tatsächlich eine Skoliose vor, kann diese oft auch vom medizinischen Laien im Röntgenbild erkannt werden. Die eigentlich gerade verlaufende Wirbelsäule zeigt mehr oder weniger ausgeprägte kurvige Abweichungen nach links und / oder rechts. Zur genauen Ermittlung der Krümmungswinkel werden zuerst die sogenannten Neutralwirbel bestimmt. Das sind diejenigen Wirbel am oberen und unteren Ende einer Krümmung, die die stärkste Kippung aufweisen. Von der Deckplatte des oberen und der Bodenplatte des unteren Neutralwirbels zieht man nun auf dem Röntgenbild jeweils eine Verlängerungslinie in Richtung der Konkavseite der Krümmung. Der Winkel, in dem sich die beiden Linien schneiden, ist der Cobb-Winkel. Er ist das Maß für die Größe der Krümmung. Das selbe Vorgehen erfolgt auch an allen anderen feststellbaren Krümmungen. Oft werden zusätzlich die Wachstumsfugen an den Handgelenken geröntgt. Daran, wie weit sie bereits geschlossen sind, kann man grob abschätzen wie lange noch ein Längenwachstum – und damit ein Risiko für eine Verschlechterung der Skoliose – bestehen wird.
Die heute verwendeten Röntgengeräte kommen bereits mit sehr geringen Strahlendosen aus. Sie müssen also keine Angst haben, dass Ihr Kind durch die diagnostischen Aufnahmen Schaden nimmt. Zur Verlaufskontrolle in kürzeren Zeitabständen bieten sich andere Untersuchungen an. Vor allem kommt hier die 3D-Vermessung zum Einsatz. Dabei werden dem Kind Lichtstrahlen auf den Rücken projiziert. Ein spezieller Scanner erstellt daraus dann ein topographisches Bild der Wirbelsäule, der hinteren Rippen und des Beckens. Eine Weiterentwicklung, die 4D-Vermessung, kann sogar kleine Bewegungen während der Untersuchung automatisch ausgleichen. Von den gesetzlichen Krankenkassen werden allerdings die Kosten für diese strahlungsfreien Untersuchungsmethoden nicht übernommen.
Die Computer- (CT) und Kernspintomographie (MRT) eigenen sich zur Diagnostik der Skoliose nicht. Sie dienen eher der OP-Planung bei ausgeprägten Verkrümmungen.
Kann man eine Skoliose beim Kind selbst erkennen?
Ja, man kann. Skoliose oder - besser gesagt - dass das Kind „irgendwie schief“ ist, wird sogar relativ häufig von den Eltern entdeckt.
Eine dafür typische Situation ist gerade bei Jugendlichen der Sommerurlaub am Meer oder ein Besuch im Schwimmbad, denn dabei sehen Eltern ihre Kinder oft seit längerer Zeit wieder einmal relativ leicht bekleidet.
Um nicht extra bis zu den Sommerferien im nächsten Jahr warten zu müssen, betrachten Sie doch einmal ganz bewusst den Rücken Ihres Kindes. Eventuell müssen Sie hierfür Durchsetzungskraft an den Tag legen, denn die Kinder können und wollen den Sinn einer solchen „Inspektion“ nicht immer verstehen.
„Irgendwie schief“
Besteht eine Skoliose, kommt Ihnen der gesamte Oberkörper manchmal einfach schief oder uneben vor, ohne dass Sie das näher beschreiben können. Eventuell fallen Ihnen verschieden hoch stehende Schultern auf, oder eine Schulter kippt im Gegensatz zur anderen weiter nach vorne. Außerdem können die sogenannten Taillendreiecke asymmetrisch ausgeprägt sein. So werden die etwa dreieckigen Aussparungen genannt, die zwischen Rumpf, Becken und Armen entstehen, wenn die Arme im Stehen locker neben den Körper hängen. Bei einer geraden Wirbelsäule sind sie nahezu gleich. Liegt aber eine Skoliose vor, kommt es durch Verkrümmung und Verdrehung der Wirbelsäule oft zu deutlichen Seitendifferenzen der Taillendreiecke. Bei Mädchen in der Pubertät kann außerdem eine Seitendifferenz der Brustgröße auffallen.
Blick auf den vorgebeugten Rücken
Beim Vorbeugetest, also wenn sich das Kind im Stehen nach vorne beugt, kann zudem die eine Rücken-Seite im oberen oder unteren Bereich „höher“ aussehen als die andere. Im Vergleich zur Gegenseite ist eine konvexe Verformung tastbar. Dieses Phänomen nennt man Rippenbuckel (im Bereich der Brustwirbelsäule) bzw. Lendenwulst (auf Höhe der Lendenwirbelsäule). Spätestens wenn Sie eine dieser Veränderungen im Vorbeugetest bei Ihrem Kind feststellen, ist eine zügige Vorstellung bei einem auf Skoliose spezialisierten (Kinder-)Orthopäden dringend nötig.
Im Zweifel Fotos machen
Bestenfalls untersuchen Sie als Eltern Ihr Kind mehrmals pro Jahr auf die genannten Anzeichen einer Skoliose. Machen Sie Fotos des Kindes, von vorne und von hinten. Sinnvollerweise tun Sie dies immer an derselben Stelle, zum Beispiel vor der gleichen gefliesten Wand im Badezimmer, und immer aus der gleichen Entfernung. Die Fotos werden mit dem Datum ihrer Erstellung versehen. Ältere Aufnahmen können mit aktuellen Bildern verglichen werden. So werden Veränderungen, beispielsweise durch Wachstumsschübe, schnell entdeckt und Therapiemaßnahmen können bei Bedarf frühzeitig eingeleitet werden.
Therapie
Wie kann man eine Skoliose behandeln?
Zusammen mit Ihrem Kind und dem behandelnden Arzt müssen Sie sich für eine Behandlungsmethode der Skoliose entscheiden. Es bestehen unterschiedliche Möglichkeiten, die u.a. vom Ausprägungsgrad der Skoliose abhängig sind. Folgende Therapieformen gibt es:
Leichte Skoliose: Physio ausreichend
Mehr oder weniger standardmäßig wird bei Skoliosen Physiotherapie verordnet, bei Krümmungswinkeln zwischen 10 und 20 Grad nach Cobb sogar oft als alleinige Therapieform. Je nach Alter und eventuellen Begleiterkrankungen des Kindes werden dabei unterschiedliche Methoden favorisiert.
Ein häufig angewendetes Konzept ist die dreidimensionale Skoliosebehandlung nach Katharina Schroth (in eingeschränktem Maße können auch wenige andere Wirbelsäulendeformitäten nach Schroth behandelt werden). Ziele sind eine Entdrehung und Aufrichtung der Wirbelsäule durch eine spezielle Atemtechnik und ein Training der Rückenmuskulatur, um die Korrekturen auch im Alltag halten zu können. Verschiedenste Übungen, je nach Krümmungsmuster und Ausprägung der Skoliose, sorgen für Abwechslung. Die Atemtechnik und auch die Übungen sind allerdings nicht ganz einfach zu erlernen und erfordern etwas Platz und zum Teil diverse Hilfsmittel. Daher wird zumindest für den Einstieg eine mehrwöchige stationäre Rehabilitation empfohlen. Später kann die Therapie dann heimatnah in spezialisierten Praxen weitergeführt werden. Gerade während des Wachstums empfehlen sich aber regelmäßige Aufenthalte in der Rehaklinik.
Bei Krümmungen ab 20 Grad sollte eine Versorgung mit einem korrigierenden Korsett erfolgen. Vielfach werden Korsetts vom Typ Cheneau verordnet. Diese werden individuell anhand eines Gipsabdruck des Rumpfes und aktueller Röntgenbilder gefertigt. Eingeklebte Druckpolster sorgen für die nötige Aufrichtung und Entdrehung.
Das weitere Wachstum der Wirbelsäule soll damit in die richtige Richtung gelenkt und eine Zunahme der Skoliose verhindert werden. Bestenfalls lässt sich die Verkrümmung reduzieren oder ganz beseitigen. Je früher im Wachstum mit der Korsett-Behandlung begonnen wird, umso besser sind die erzielbaren Ergebnisse. Das Korsett muss dazu jedoch meistens 23 Stunden am Tag getragen werden. Unterstützend ist Physiotherapie nötig, um einer Abnahme der Rumpfmuskulatur entgegenzuwirken.
Beträgt die Krümmung über 40 – 50 Grad, kam es zu einer drastischen Verschlechterung innerhalb kurzer Zeit (zum Beispiel während eines Wachstumsschubes) oder bestehen ausgeprägte Einschränkungen der Herz-Kreislauf- / der Lungenfunktion oder erhebliche kosmetische Probleme, wird häufig eine Operation empfohlen. Dabei wird die Wirbelsäule mit Stangen und Schrauben aufgerichtet bzw. fixiert. Manchmal nur in Teilabschnitten, manchmal jedoch über ihre ganze Länge. Die Rumpfbeweglichkeit ist nach der OP direkt reduziert. Es können jedoch mit Hilfe der Physiotherapeuten andere Bewegungsabläufe trainiert werden, um im Alltag wieder möglichst selbstständig zu werden. Teilweise werden mittlerweile auch schon „mitwachsende“ Systeme eingebaut. Diese können für einige Jahre im Körper verbleiben, bis ihre Länge ausgenutzt ist, und über kleine bzw. minimalinvasive Eingriffe nachjustiert werden. Ganz moderne Systeme kommen ohne zwischenzeitliche Eingriffe aus. Sie werden von außen magnetisch gesteuert.
Die komplette Versteifung einer Skoliose ist nach wie vor als großer Eingriff zu sehen, dessen Chancen und Risiken gut gegeneinander abzuwägen sind. Holen Sie sich bei Bedarf Zweit- und Drittmeinungen bei anderen Ärzten / Kliniken ein. Scheuen Sie sich auch nicht, dafür weitere Wege auf sich zu nehmen – Ihr Kind wird es Ihnen danken.
Skoliose-Op: Welche Komplikationen können auftreten?
Sie möchten sich über das Für und Wider einer operativen Korrektur von Skoliosen informieren. Möglicherweise hat der Orthopäde bei Ihrem Kind auch bereits eine OP empfohlen.
Um eine derartige Entscheidung zum Wohle Ihres Kindes treffen zu können, bedarf es einer gründlichen Aufklärung über Chancen und Risiken eines solchen Eingriffs.
Das ärztliche Aufklärungsgespräch kann und will dieser Text nicht ersetzen, da dabei stets die individuelle Situation des Patienten berücksichtigt werden muss. Sie als Eltern sollen aber erste Informationen an die Hand bekommen, um - mit etwas zeitlichem Abstand – gefasst und im Idealfall bereits mit konkreten Fragen in ein solches Gespräch gehen zu können.
Kein kleiner Eingriff
Bei allen Möglichkeiten der heutigen Medizin muss man immer bedenken, dass die (langstreckige) Versteifung der Wirbelsäule (Spondylodese) immer noch als großer Eingriff gilt. Eine OP-Zeit von mehreren Stunden und die große Wundfläche können zu Untertemperatur führen, was eine Fortführung der Narkose über die eigentliche OP hinaus nötig machen kann. Die Patienten müssen dann aktiv mit Wärmematten / -Decken gewärmt werden, bis die normale Körpertemperatur wieder erreicht ist. Erst dann kann die Narkose beendet werden.
Wie bei jedem anderen operativen Eingriff können Wundinfektionen / Wundheilungsstörungen entstehen. Auch ein hoher Blutverlust ist möglich. Viele Kliniken bieten deshalb zur Vermeidung von Fremdblutgaben die Möglichkeit der Eigenblutspende an. Dem Patienten wird dafür im Zeitraum von einigen Wochen vor dem OP-Termin an mehreren Terminen Blut entnommen, das während der Operation bei Bedarf zurückgegeben werden kann. So umgeht man die Risiken, die bei einer Fremdblut-Transfusion bestehen.
Gefahr der Nervenschäden
Bei einer Spondylodese arbeitet der Chirurg nah am Rückenmark. Das Rückenmark können Sie sich als Nervenstrang vorstellen, von dem viele kleinere Nervenäste abzweigen. Je nach Wirbelsäulenabschnitt werden verschiedene Körperteile, wie zum Beispiel die Arme und Beine, mit Steuerungsimpulsen versorgt. Auch die Sensibilität, also das Berührungsempfinden bzw. der Tastsinn, werden durch die Nervenäste mitgesteuert. Werden diese oder das Rückenmark während der Operation in Mitleidenschaft gezogen, kann es zu Störungen der Bewegungs- und Empfindungsfähigkeit kommen. Ursachen dafür sind Schäden durch Zug oder aber Druckschäden durch Schwellung, Bluterguss oder die verwendeten Implantate. Durch eine gründliche OP-Planung lassen sich viele Schäden verhindern. Ein Restrisiko bleibt jedoch bestehen.
Auch Bauchschnitt kann notwendig sein
Viele Skoliose-Operationen lassen sich rein von hinten, also mit einem einzigen Schnitt am Rücken, durchführen. Manchmal ist aber auch zusätzlich ein Schnitt im Bauchbereich nötig, um eine bessere Sicht auf Teile der Wirbelsäule zu haben. Die Patienten werden dazu während der Operation zurück auf den Rücken gedreht. Sollte ein solches Vorgehen bei Ihrem Kind geplant sein, wird man Sie darüber informieren.
Erfolgt zusätzlich eine Korrektur des Rippenbuckels, kann eine Thoraxdrainage nötig werden. Das ist ein dickerer Schlauch zum Absaugen von Wundsekret und / oder Luft. Er wird zwischen den Rippen eingelegt und ist mit einer Sogquelle verbunden. Entlang jeder Rippe verlaufen empfindliche Nerven. Aufgrund ihrer Größe und Lage kann eine Thoraxdrainage daher schmerzhaft sein.
Keine falsche Zurückhaltung mit Schmerzmitteln
Scheuen Sie und Ihr Kind sich bitte nicht, bei Auftreten von Schmerzen um zusätzliche Medikamente zu bitten. Weitgehende Schmerzfreiheit in Ruhe bzw. Schmerztherapie vor der Mobilisation sind wichtig, um weitere Komplikationen zu vermeiden: Wenn man Schmerzen hat, sind ausreichend tiefes Atmen, Aufstehen, Essen / Trinken oft nicht in normalem Maße möglich. All diese Dinge sind aber wichtig, um die Belüftung der Lunge, einen normalen Blutfluss in den Gefäßen und die Verdauung aufrecht zu erhalten. Zum Teil wird während der Operation ein Katheter in die Nähe des Rückenmarks gelegt, über den auch nach dem Eingriff lokal wirksame Betäubungsmittel verabreicht werden können. Damit kann der Bedarf an Schmerzmitteln reduziert werden und die oben genannten Probleme lassen sich oft ganz verhindern. Ob ein solcher Schmerzkatheter bei Ihrem Kind in Frage kommt, kann Ihnen der aufklärende Arzt erläutern.
Skoliose beim Kind: Was bedeutet das für’s Erwachsenenalter?
Kinder und Jugendliche mit Skoliose haben im Normalfall keine oder nur geringfügige Beschwerden, wie zum Beispiel leichte Muskelverspannungen. Die optischen Veränderungen stören meist mehr als alles andere.
Doch was kann passieren, wenn die Verkrümmung unbehandelt bleibt? Wenn Therapiemöglichkeiten nicht ausgeschöpft werden oder das Kind sie boykottiert?
Frühere Verschleißerscheinungen
Ein häufig beklagtes Problem sind Schmerzen aufgrund von Muskelverspannungen und verfrühten Abnutzungserscheinungen. Stellen wir uns den Körper dazu einmal als Haus vor: Es gibt tragende Wände, auf denen viel Gewicht lastet (wie auf der Wirbelsäule, auf den Füßen, den Hüftgelenken, …). Andere Bauteile tragen selber nur wenig Gewicht, stehen aber mit den tragenden Wänden in Verbindung, wie etwa die Haustüre (im Körper zum Beispiel die Schulter-Nacken-Muskulatur, die Kiefergelenke, …). Ist eine tragende Wand aus irgendeinem Grund nicht gerade, gibt es Probleme mit der Statik des Hauses. Der Türrahmen kann sich „verziehen“, die Haustüre „schleift“. Ähnlich verhält es sich mit Muskeln und Knochen bei Vorliegen einer Skoliose: die Körperstatik gerät aus dem Lot, Muskulatur, Knochen und „Pufferzonen“ (Bandscheiben, Knorpelscheiben in den Kiefergelenken) werden einseitig deutlich mehr belastet als bei einer gerade verlaufenden Wirbelsäule. Die Folge können Dauerschmerzen in verschiedenen Muskelgruppen sein, aber auch ausstrahlende Schmerzen durch Reizung von Nerven / Nervenwurzeln. Ebenso lassen sich Beschwerden in weiter entfernten Körperarealen, zum Beispiel anhaltende Gesichts- oder Ohrenschmerzen, eine eingeschränkte Mundöffnung, usw. manchmal auf eine Skoliose zurückführen.
Im Extremfall auch Herz und Lungen eingeengt
Bei ausgeprägten Verkrümmungen der Brustwirbelsäule jenseits der 60-70 Grad nach Cobb oder einer starken Verdrehung kann es gehäuft zu Einschränkungen der Herz- und vor allem der Lungenfunktion kommen. Die Verformung des Brustkorbes schränkt die Ausdehnung der Lunge bei der Einatmung ein und es entsteht Atemnot. Zunächst bei Belastung, später auch in Ruhe. Auch auf das Herz wirkt ein erhöhter Druck. Dadurch wird primär der Blutfluss in Richtung Lunge gestört, die rechte Herzhälfte muss mehr Kraft aufbringen. Wird dieser Zustand nicht beseitigt, kann es zu schweren Einschränkungen der körperlichen Leistungsfähigkeit kommen. Bei hochgradigen Verkrümmungen der Lendenwirbelsäule wird außerdem von Einschränkungen der Nierenfunktion berichtet.
Gefahr des Buckels
Bei Fortschreiten der Krümmung und vor allem bei ausgeprägter Verdrehung der Wirbelsäule kann ein erhebliches kosmetisches Problem auftreten. Ein Rippenbuckel ist nicht nur im Vorbeugetest, sondern auch bei aufrechter Haltung sichtbar, die Schultern weisen einen deutlichen Höhenunterschied auf. Bei Frauen fällt eventuell eine Seitendifferenz der Brustgröße auf. Die Skoliose lässt sich dann auch unter weiter Kleidung nicht mehr verbergen.
Die optischen Veränderungen können genauso wie eine reduzierte körperliche Leistungsfähigkeit und starke bzw. chronische Schmerzen zu einer psychischen Belastung führen. Nebenwirkungen von Schmerzmitteln, wie Übelkeit / Magenschmerzen, Benommenheit oder Schwindel, können ebenfalls Probleme bereiten. Eventuell sind die Einschränkungen durch eine nicht oder nur unzureichend behandelte Skoliose so schwerwiegend, dass der erlernte Beruf nicht weiter ausgeübt werden kann bzw. eine vorzeitige Berentung droht. Ein entsprechendes Risiko besteht nicht nur bei körperlich schwerer Arbeit – auch langes Sitzen im Rahmen eines Bürojobs kann zur Herausforderung werden. Der frühe Abschluss einer Berufsunfähigkeitsversicherung sowie eine private Altersvorsorge sind zu überdenken. Bei der Berufswahl sollten Berufe mit freiem Wechsel zwischen Sitzen, Gehen und Stehen bevorzugt werden. Bestenfalls sind keine schweren Lasten zu bewegen.
Kann eine leichte Skoliose auch von alleine wieder verschwinden?
Um diese Frage zu beantworten, müssen wir erst einmal ein bisschen differenzieren: Skoliosen sind – kurz gesagt – Wirbelsäulenverkrümmungen. Aber sind alle Wirbelsäulenverkrümmungen Skoliosen? Gibt es innerhalb der Skoliosen Unterschiede?
Ab wann spricht man von Skoliose?
Mit Skoliose ist eine Verkrümmung und Verdrehung der Wirbelsäule gemeint, die über 10 Grad beträgt. Je nachdem, wie weit der Krümmungswinkel diese Größe überschreitet, sind unterschiedliche Therapieformen angebracht:
- Von 10 bis 20 Grad reicht oft eine Krankengymnastik, zum Beispiel eine Physiotherapie nach Schroth.
- Beträgt die Verkrümmung zwischen 20 und 40 Grad, sollte zusätzlich ein Korsett getragen werden, das eine korrigierende Wirkung auf die Wirbelsäule hat.
- Bei ausgeprägteren Verkrümmungen über 40 bis 50 Grad kommt manchmal nur eine Operation in Frage. Die Wirbelsäule wird dabei entdreht und über eine mehr oder weniger lange Strecke mit Schrauben, Stäben und eigenem Knochenmaterial versteift.
Eine Skoliose kann an allen Wirbelsäulenabschnitten (also an Hals-, Brust- und Lendenwirbelsäule) auftreten. Besonders häufig sind Brust- und Lendenwirbelsäule bzw. deren Übergang betroffen. Eines haben aber alle Skoliosen gemeinsam: Sie müssen behandelt werden, um eine (oft massive) Verschlechterung und Komplikationen wie Schmerzen, Bewegungseinschränkung und Einschränkungen der Herz- und Lungenfunktion zu verhindern.
Leichtere Fälle: skoliotische Fehlhaltung
Von den herkömmlichen Skoliosen unterscheidet man sogenannte skoliotische Fehlhaltungen. Das sind im Röntgenbild nachweisbare Verkrümmungen der Wirbelsäule, die 10 Grad oder weniger betragen. Meist führen dann wiederkehrende (Kreuz-)Schmerzen irgendwann zum Arzt. Die Schmerzen führen zu einer Schonhaltung, die als geringgradige Verkrümmung der Wirbelsäule sichtbar wird. Sehr häufig ist die Lendenwirbelsäule betroffen, beispielsweise nach dem klassischen Hexenschuss.
Im Gegensatz zu den echten Skoliosen bedürfen skoliotische Fehlhaltungen keiner spezifischen Therapie. Sie verschwinden meist von alleine, wenn die Ursache der Schmerzen beseitigt ist und der Betroffene wieder eine normale Körperhaltung einnehmen kann. Wärme ist dabei oft hilfreich, um die unangenehmen Muskelverspannungen zu lösen.
Wird bei Kindern oder Jugendlichen eine skoliotische Fehlhaltung festgestellt, sollte auf jeden Fall nach einigen Monaten eine Kontrolle stattfinden. Manchmal entwickeln sich daraus im Rahmen eines Wachstumsschubes echte Skoliosen, die dann auch zu einer schnellen Verschlechterung neigen.
Physiotherapie
Kann man eine Skoliose beim Kind auch nur mit Krankengymnastik behandeln?
Die Antwort auf diese Frage ist abhängig von der Ausprägung und der Prognose der Skoliose sowie vom Alter des Kindes bzw. dem Stand des Längenwachstums.
Theoretisch sind Krümmungswinkel der Wirbelsäule bis 10 Grad nach Cobb noch nicht als Skoliose anzusehen, sondern sind eher Zeichen einer Schonhaltung bei Schmerzen. Behandlungsbedürftig ist in diesen Fällen erst mal nicht die Wirbelsäulenverkrümmung an sich, sondern die zugrundeliegende Erkrankung / Verletzung. Anders verhält es sich bei Kindern mit syndromalen Erkrankungen. Hier kann es oft sinnvoll sein, auch geringgradige Verkrümmungen zu behandeln, um so einer weiteren Verschlechterung vorzubeugen.
Bei geringer Krümmung Krankengymnastik oft ausreichend
Bei Skoliosen von 10-20 Grad nach Cobb kann Krankengymnastik meist als alleinige Behandlungsmethode verordnet werden. Je nach Alter des Kindes und seinen Vor-/ Begleiterkrankungen kommen verschiedene Therapieansätze zum Einsatz. Als Beispiele seien hier die E-Technik, Vojta und Schroth genannt. Vor allem letzteres wird mittlerweile in der modernen Skoliosebehandlung als eine Art „Goldstandard“ angesehen.
Besteht eine Krümmung von mehr als 20 Grad, oder hat sich die Skoliose in kurzer Zeit ungewöhnlich verschlechtert, wird meistens die Versorgung mit einem Korsett nötig. Das Korsett sorgt durch die eingearbeiteten Druckpolster für eine Aufrichtung und Entdrehung der Wirbelsäule. Durch die lange tägliche Tragezeit des Korsetts leidet jedoch die Muskulatur des Oberkörpers. Sie muss durch regelmäßige krankengymnastische Übungen aufgebaut werden. Das Kind sollte die Übungen jeden Tag eine halbe Stunde lang durchführen.
Sonst häufig Operation notwendig
Bei einer Verkrümmung von 40 Grad und mehr, wird zusätzlich zur krankengymnastischen Übungsbehandlung häufig eine Operation angeraten. Aber auch nach der operativen Versteifung der Wirbelsäule ist Krankengymnastik weiterhin nötig. Da jetzt deutlich mehr Gewicht auf den Lendenwirbeln lastet, muss auch weiterhin eine Kräftigung der Rückenmuskulatur erfolgen.
Es kommt auch auf’s Alter an
Aber nicht nur die Ausprägung der Krümmungen spielt eine Rolle bei der Frage, ob eine Skoliose allein mit Krankengymnastik behandelt werden kann. Auch das Alter des Kindes bzw. das sogenannte Knochenalter muss berücksichtigt werden. Die Verkrümmung der Wirbelsäule entwickelt sich häufig während eines Wachstumsschubes. Je jünger das Kind ist, umso mehr Wachstumsschübe hat es noch vor sich. Ein Großteil des Längenwachstums - was schließlich die Körpergröße ausmacht - steht noch aus. Je stärker also eine Wirbelsäulenverkrümmung in der frühen Kindheit ausgeprägt ist, umso geringer ist die Chance, ihr alleine mit Krankengymnastik beizukommen. Eine größere Chance besteht bei eher gering ausgeprägten Skoliosen im Jugendalter, also bei nahezu abgeschlossenem Längenwachstum. Eine Einschätzung kann anhand eines Röntgenbildes der Wachstumsfugen an der Hand erfolgen. Diese verschließen sich im Laufe der Pubertät immer mehr. Daran kann man das noch zu erwartende Wachstum des Kindes abschätzen und somit indirekt Rückschlüsse auf eine zukünftige Verschlechterung der Skoliose stellen.
Sie sehen: Nicht immer ist eine Skoliose nur durch Krankengymnastik zu behandeln. Aber die Krankengymnastik spielt immer eine wichtige Rolle.
Welche Rücken-Übungen helfen gegen Skoliose?
„Sitz gerade!“ „Nimm die Schultern zurück!“ „Mach mehr Sport!“ Solche und ähnliche Äußerungen haben wir sicher alle von unseren Eltern zu hören bekommen.
Aber hilft das Befolgen solcher Anweisungen wirklich, eine Skoliose zu vermeiden bzw. ihre Verschlechterung zu verhindern?
Sich gerade und aufrecht zu halten ist nie verkehrt. Täten wir das nicht, würde sich unsere Rückenmuskulatur langsam aber sicher zurückbilden. Auf lange Sicht wäre ein aufrechter Gang nicht mehr möglich. Um solche Rückschritte im Kleinen, bei uns selbst, zu vermeiden, ist regelmäßige Bewegung grundlegend.
Auf Bewegung, Sitzhaltung und Schulranzen achten
Zur Vermeidung einer Skoliose im Kindesalter können Sie also primär auf ein ausgewogenes Maß an Bewegung bei Ihrem Kind achten. Ebenso wichtig ist es, ein Auge auf die Sitzhaltung zu werfen. Bei Bedarf lassen Sie das Kind seine Haltung ändern. Sie werden sich damit nicht unbedingt beliebt machen. Aber wenn Sie als Vorbild fungieren, wird das auch bei Ihrem Kind bald zur Routine werden. Schulranzen und Rucksack sollten immer auf beiden Schultern getragen werden, Taschen am besten diagonal umgehängt werden. So verteilt sich das Gewicht besser und das Kind hängt nicht ständig zu einer Seite. Physiotherapeutisch sind zur Vermeidung von Wirbelsäulenverkrümmungen am ehesten isometrische Kräftigungsübungen geeignet. Damit meint man Übungen, die die Rückenmuskulatur beidseitig in gleichem Maße fordern und aufbauen. Einseitig ausgerichtete Übungen würden die Entstehung einer Skoliose eher begünstigen.
Wenn die Skoliose schon da ist
Doch diese Maßnahmen dienen mehr der Prävention, denn der Behandlung einer Skoliose. Weist die Wirbelsäule Ihres Kindes bereits eine Verkrümmung auf, muss man zusätzlich auf spezifische physiotherapeutische Übungen zurückgreifen. Diese dürfen dann nicht mehr isometrisch sein, sondern müssen auf speziell auf die jeweilige Wirbelsäule angepasst werden. Denn Skoliose ist nicht gleich Skoliose.
Sehr häufig wird zur Behandlung von Skoliosen die dreidimensionale Behandlung nach Katharina Schroth angewendet. Dieses Therapiekonzept wirkt auf den ersten Blick etwas seltsam, werden doch allerlei Hilfsmittel benötigt. Ziele sind die Entdrehung und Aufrichtung der Wirbelsäule durch eine spezielle Atemtechnik, die sogenannte Dreh-Winkel-Atmung. Gleichzeitig wird die Rückenmuskulatur trainiert, um die Korrekturen später auch im Alltag halten zu können. Hier konkrete Übungen zu erläutern, wäre allerdings unsinnig: Zum einen gibt es eine Vielzahl von verschiedensten Übungen innerhalb des Therapiekonzeptes, die nicht alle für jede Art und Ausprägung der Erkrankung geeignet sind. Zum anderen sind sowohl die Atemtechnik, als auch die Übungen selbst nicht ganz einfach zu erlernen. Außerdem sollten Sie als Eltern über den Einsatz sowie die Beschaffung und den möglichen kostengünstigeren Ersatz der benötigten Hilfsmittel informiert sein. Für den Einstieg ist es daher sinnvoll, wenn Sie für Ihr Kind einen Antrag auf stationäre Rehabilitation in einer der führenden Schroth-Kliniken stellen. Dort werden die theoretischen und praktischen Grundlagen erlernt, um die Behandlung später wohnortnah ambulant weiterführen zu können. Zuhause sollten die individuellen Übungen bestenfalls täglich für eine halbe Stunde durchgeführt werden, um den Rehabilitationserfolg zu erhalten.
Übungen bei Korsett-Behandlung
Wurde Ihrem Kind ein Korsett verordnet, ist ebenfalls Physiotherapie nötig, denn die Rückenmuskeln leiden im Korsett. Schroth ist dabei eine Möglichkeit. Jedoch kommen auch alle anderen Übungen in Frage, die die Rücken- und Bauchmuskulatur stärken. Allerdings darf nicht „in die Krümmung hinein“ gearbeitet werden, was zu einer Verschlechterung führen würde. Im Korsett kann sich das Kind zum Beispiel bäuchlings auf eine Gymnastikmatte legen. Der Blick ist in Richtung Matte gerichtet, die Halswirbelsäule soll gerade gestreckt sein. Die Arme liegen schulterbreit, im Ellenbogengelenk rechtwinkelig gebeugt. Die Finger zeigen in Richtung Kopfende. Es wird durch die Nase eingeatmet. Bei der Ausatmung durch den Mund ist das Ziel, entweder beide Arme oder diagonal einen Arm und ein Bein zeitgleich von der Matte abzuheben und zu halten. Gleichzeitig soll sich das Kind aus dem Korsett „herausstrecken“. Nach zehn Runden ist Pause, dann folgen ein bis zwei weitere Zyklen.
Auch wenn die Skoliose bei Ihrem Kind bereits operiert wurde, kommt es nicht um Physiotherapie herum. Nach der OP müssen Bewegungsabläufe neu erlernt und trainiert werden. Außerdem lastet nun mehr Gewicht auf den Wirbeln unterhalb der Versteifungsstrecke. Die Muskulatur muss daher sehr gut trainiert werden, um die veränderte Belastung kompensieren zu können.
Skoliose: Wie kann ich mein Kind bei der Krankengymnastik unterstützen?
Oft sehen chronisch erkrankte Kinder und Jugendliche die Krankengymnastik als notwendiges Übel. Ihre Lieblingssportart üben sie stattdessen mit großer Begeisterung aus. Wie können Sie als Eltern Ihr Kind bei der Krankengymnastik so unterstützen, damit die täglich notwendige 30-minütige Übungseinheit auch wirklich ernsthaft und konzentriert durchgeführt wird?
Begleitung zur Therapie
Gehen Sie anfangs mit zu den Krankengymnastik-Terminen. Hören Sie dem / der Therapeut/in zu, wie er die Notwendigkeit der täglichen Übungen begründet. So können Sie später auch zuhause im Falle von Motivationsmangel argumentieren.
Lassen Sie sich die für Ihr Kind relevanten Übungen zeigen und turnen Sie sie auch nach, damit Sie ein Gespür für „Richtig“ und „Falsch“ bekommen. Beobachten Sie das Kind beim Üben: Wie sehen die Übungen bei korrekter Durchführung aus? Wie verändert sich dabei das Aussehen des Rückens? Versuchen Sie, das Kind mit Hilfe des Therapeuten zu korrigieren. Vor allem bei jüngeren Kinder ist es wichtig, dass Sie hierbei Sicherheit gewinnen – bis zu einem gewissen Alter können Kinder die Verantwortung für ihr Übungsprogramm noch nicht eigenständig übernehmen.
Stationäre Reha schafft Grundlagenwissen
Außerdem ist es sinnvoll, Kinder bis zwölf Jahre (auch ältere Kinder, die aus verschiedenen Gründen einer ständigen Betreuung bedürfen), zu einer Schroth-Reha zu begleiten. Bei einem drei- bis vierwöchigen stationären Aufenthalt in einer der beiden Schroth-Kliniken wird dieses skoliose-spezifische Physiotherapie-Konzept von Grund auf vermittelt. Sie als Elternteil können als Begleitperson mit aufgenommen werden und geben dem Kind Hilfestellung bei den Gruppenstunden, im sogenannten „Freien Üben“ und im Klinikalltag.
Schroth bietet ein sehr vielseitiges Übungsprogramm, das auch von den Therapeuten eine spezielle Weiterbildung verlangt. Über die Kliniken können Sie eine Liste mit Schroth-Therapeuten aus Ihrer Gegend erhalten, um nach der Rückreise zusammen mit Ihrem Kind einen Therapeuten zu finden, bei dem neben der fachlichen auch die persönliche Seite passt. Sympathie ist hier ein ganz entscheidender Faktor, um die Motivation beim Kind erhalten zu können.
Beschaffung der benötigten Hilfsmittel
Ebenso vielseitig wie die Übungen sind bei der Schroth-Physiotherapie auch die verwendeten Hilfsmittel und Materialien. Sie bekommen während der Reha Informationen an die Hand, welche Gegenstände Ihr Kind für seine individuellen Übungen braucht und wo sie diese kaufen können. Beachten Sie dabei Folgendes: Nicht alle benötigten Dinge müssen Sie mehr oder weniger teuer im Fachhandel beziehen. Natürlich sollten Sie eine Sprossenwand nicht gerade beim Discounter um die Ecke holen. Aber statt einem Bänkchen tut es oft ein Stapel dicker Bücher. Und ein Stück Regenrinne sowie zwei etwa zwei Meter lange Rundhölzer erhalten Sie kostengünstig im Baumarkt. So ist noch Budget vorhanden für ein kleines Geschenk als Belohnung, wenn es mit den Übungen so richtig gut läuft.
Korsett
Bedeutet eine Skoliose beim Kind immer Korsett?
Die Frage, ob die Diagnose Skoliose bei Kindern grundsätzlich eine Korsettversorgung nach sich zieht, ist nicht so einfach zu beantworten. Ein Korsett stellt nur eine mögliche Behandlungsweise dar.
Der behandelnde Arzt bzw. die Klinik müssen aber im Einzelfall abwägen, ob das die beste Versorgung für Ihr Kind ist, oder ob es besser geeignetere Alternativen gibt, die erfolgversprechender sind.
Es kommt auf die Krümmung an
Wie immer in der Medizin steht auch bei der Frage nach dem Sinn und Zweck eines Korsetts immer eine genaue Diagnose an erster Stelle. Sie ist die Grundlage, um überhaupt entscheiden zu können, welche Behandlungsmethoden theoretisch in Frage kommen. Anhand einer Ganz-Röntgenaufnahme der Wirbelsäule im Stehen müssen sowohl das Krümmungsmuster (also ein- oder mehrbogige Skoliose), als auch das Ausmaß der Krümmung(en) ermittelt werden.
Nicht jede festgestellte Wirbelsäulenverkrümmung ist dabei mit einer Skoliose gleichzusetzen: Krümmungen bis zu 10 Grad nach Cobb gelten als skoliotische Fehlhaltung und sind nicht behandlungsbedürftig. Allerdings sollten sie beobachtet werden, da sie an Größe zunehmen können.
Wurde tatsächlich eine Skoliose diagnostiziert, spielen die ermittelten Krümmungswinkel eine wesentliche Rolle bei der Entscheidung für oder gegen ein Korsett. Zusammen mit dem Alter des Kindes und eventuell bestehenden weiteren Erkrankungen sind sie die Entscheidungsgrundlage für die Planung der Behandlung:
Und auf das Alter
Je nach Alter sind die körperliche Entwicklung und damit das Längenwachstum mehr oder weniger weit abgeschlossen. Da Wachstumsschübe eine enorme Gefahr der Verschlechterung einer Wirbelsäulenverkrümmung bedeuten, lässt sich am Alter des Kindes eine grobe Prognose festmachen – der Arzt kann also tendenziell abschätzen, ob ein hohes oder eher geringes Risiko für eine Krümmungszunahme besteht. Begleiterkrankungen, wie beispielsweise eine Muskel- oder Bindegewebsschwäche oder syndromale Erkrankungen, bergen ebenfalls ein hohes Risiko für eine schnelle Verschlechterung der Situation. Zusammenfassend gilt also: Je jünger das Kind und je größer die Verkrümmung(en) zum Zeitpunkt der Diagnosestellung, umso größer ist die Verschlechterungstendenz und umso dringender ist eine schnelle Behandlung.
Wie behandelt wird, entscheidet sich in erster Linie anhand der größten Krümmung: Liegt diese zwischen 10 und 20 Grad nach Cobb, kommt primär Physiotherapie zum Einsatz. Ab etwa 50 Grad kann eine operative Versteifung des betroffenen Wirbelsäulenabschnitts oder sogar der gesamten Brust- und Lendenwirbelsäule nötig werden. Ein Großteil der Skoliosen befindet sich bei der Diagnosestellung irgendwo zwischen Physiotherapie- und OP-Indikation, also im Bereich von 20 bis etwa 50 Grad. Eine Korsettversorgung, zusammen mit Physiotherapie, stellt hier normalerweise den optimalen Behandlungsansatz dar.
Entscheiden Sie mit!
Allerdings kennt niemand Ihr Kind so gut wie Sie selbst. Ein Korsett bedeutet manchmal eine nicht unerhebliche Belastung, vor allem zu Beginn der Behandlung: Körperlich durch das Mehr an Gewicht, die Bewegungseinschränkung und eventuell Schmerzen / Druckstellen. Psychisch durch das „Anders-Sein“ als Freunde / Klassenkameraden, durch das „Nicht so können wie man will“, eventuell auch dadurch, dass man sich gegen seinen Willen zu etwas gezwungen fühlt. Informieren Sie sich daher im Vorfeld gut über die Möglichkeiten der Korsettversorgung, aber auch über die möglichen Konsequenzen der Behandlung sowie über die Konsequenzen bei Boykotthaltung des Kindes. Besprechen Sie innerhalb der Familie alle Behandlungsmöglichkeiten. Beziehen Sie das Kind mit ein und seien Sie ehrlich zu ihm. Nehmen Sie bei Bedarf Zweit- und Drittmeinungen von anderen Ärzten / Kliniken und Orthopädietechnikern in Anspruch. Auch weitere Wege sollten Sie dafür nicht scheuen. Denn trotz aller Liebe zu Ihrem Kind – die Entscheidung wird im wahrsten Sinne des Wortes „auf seinem Rücken“ ausgetragen.
Welche Probleme können im Rahmen der Korsett-Behandlung auftreten und wie kann man sie beheben?
Möglicherweise soll Ihr Kind zur Behandlung einer Skoliose ein Korsett bekommen. Bestimmt machen Sie sich Gedanken, was Ihr Kind und auch Sie als Eltern erwartet.
Bereits die Entscheidung für ein Korsett kann eine Herausforderung darstellen, da das Kind oder vornehmlich auch der Jugendliche nicht weiß, worauf er sich einlässt. Wichtige Fragen sind in diesem Zusammenhang oft „Wie gehen meine Kumpels damit um?“ „Sieht man das Korsett durch die Kleidung?“ „Kann ich meinen Sport noch ausüben?“
Erfahrungsgemäß akzeptieren gute Freunde das Korsett sehr schnell als Teil Ihres Kindes. Andere Kinder gehen oft neugierig an die Situation heran, stellen Fragen, möchten das Korsett vielleicht auch mal anprobieren um eine bessere Vorstellung zu bekommen wie sich Ihr Kind damit fühlt. Außerdem verändert ein Korsett schließlich nicht den Charakter, sondern hilft dem Kind, gesund zu werden. In der Schule, wo man nicht zwingend mit allen Klassenkameraden gleich gut auskommt, kann eine „aktuelle Stunde“ angebracht sein – das Kind stellt mit Unterstützung eines netten Lehrers / einer netten Lehrerin das Korsett und die Skoliose mit seinen eigenen Worten vor.
Ist das Korsett ausgeliefert, stellt sich die nächste Frage: Wie damit den Alltag bestreiten? Natürlich hat das Korsett ein Eigengewicht, das Kind muss also plötzlich ein Mehr an Gewicht mit sich herumtragen. Insgesamt können die Bewegungsmuster am Anfang „unrund“ erscheinen, denn auch die Körperform ist durch das manchmal ausladend gebaute Korsett verändert. Je nach Bauweise stören am Anfang auch die Reklinationshörnchen (kleine Stützen die verhindern, dass die Schultern nach vorne fallen) die Bewegungsfreiheit. Aber wie zum Beispiel Essen und Sprechen mit einer festen Zahnspange, ist auch Korsett-Tragen Gewöhnungssache.
Vor allem jüngere Kinder können das Korsett nicht alleine anziehen (Ausziehen geht meist einfacher) und benötigen Hilfe. Umgreifen Sie das Korsett dazu mit beiden Händen von hinten und ziehen Sie es auseinander, so dass sich Ihr Kind seitlich hineindrehen kann. Danach lassen Sie das Kind hinlegen. Ein nicht zu niedriges Bett oder Sofa bieten sich dafür an. Im Liegen rutschen die inneren Organe ein bisschen nach hinten in Richtung Wirbelsäule. Das Korsett kann so leichter geschlossen werden. Kontrollieren Sie den Sitz des Korsetts. Es soll gerade sitzen (vom Orthopädietechniker zeigen lassen, ggf. fotografieren!) und Sie sollten nicht mit den Fingern unter die Pelotten (Druckpolster) greifen können. Häufig zeigen farbige Markierungen an den Verschlüssen an, wie weit diese bestenfalls zugezogen werden sollen. Gegebenenfalls die Verschlüsse direkt nach dem Anziehen noch nicht ganz zuziehen, sondern nach einer Viertelstunde nachjustieren. Aufstehen kann das Kind am einfachsten, indem es sich auf die Seite dreht und sich dann mit den Händen hochdrückt, so dass es an der Bettkante sitzt. Falls das Korsett zum Schulsport oder zum Toilettengang in der Schule ausgezogen werden darf oder muss, gute Freunde (oder bei jüngeren Kindern Lehrkräfte, denen das Kind vertraut) um Hilfe bitten. Ältere Kinder und Jugendliche, die bereits länger Korsett-Träger sind, gehen oft ganz souverän mit solchen Situationen um und benötigen wenig bis gar keine Hilfe. Sie schaffen es auch problemlos, das Korsett alleine im Stehen anzuziehen.
Manchmal erfolgt die Auslieferung auch im Rahmen eines kurzen Aufenthaltes im Krankenhaus. Dabei trifft das Kind gleich auf andere Betroffene und sieht, dass es nicht alleine mit der neuen Situation ist. Auch ein wenig Krankengymnastik steht auf dem Programm, wobei gleich Bewegungsmuster eingeübt und Anleitung für Übungen zum Muskelaufbau gegeben werden.
Die Tragegdauer des Korsetts richtet sich nach der ärztlichen Verordnung. Meistens wird aber eine tägliche Tragezeit von 23 Stunden angestrebt. Das bedeutet, dass das Korsett nur zur Körperpflege / zum Toilettengang abgelegt werden soll. Nur so wird in vielen Fällen ein gutes und vor allem stabiles Korrekturergebnis erzielt. Auch das Schlafen im Korsett muss also trainiert werden. Gegebenenfalls ist eine härtere / weichere Matratze nötig oder ein Lattenrost mit verstellbarem Kopfteil. Manchmal hilft auch ein Stillkissen, eine bequemere Schlafposition zu finden. Dass die geforderte Tragezeit nicht von heute auf morgen zu erreichen ist, wissen auch der Orthopäde und der Orthopädietechniker. Nach etwa einem Vierteljahr sollte die Eingewöhnung jedoch abgeschlossen sein. Bestehen weiterhin Probleme, bietet sich ein Gespräch mit allen Beteiligten an. Kleine Änderungen am Korsett können manchmal schon eine große Wirkung erzeugen.
Auch die Haut des Kindes muss sich an die neue Belastung gewöhnen. Das Korsett sollte nicht direkt auf der Haut getragen werden. Zu empfehlen sind spezielle nahtfreie Hemdchen (gibt es über den Orthopädietechniker) oder Schlauchverband (in verschiedensten Größen in der Apotheke erhältlich, hat jedoch keine Ärmel). Manche Mädchen tragen ab der Pubertät aber auch beschwerdefrei einen BH unter dem Korsett. Sitzt das Korsett nicht richtig, sind Pelotten zu dick oder bestehen bauliche Mängel, kann es trotzdem zu ausgeprägten Druckstellen und schlimmstenfalls zu Wunden oder zu Taubheitsgefühl und Kribbeln in den Armen / Händen kommen. Dann ist zügig der Orthopädietechniker zu informieren, Kind und Korsett müssen begutachtet werden. Sinnvoll ist eine vorbeugende Hautpflege. In der Apotheke gibt es freiverkäufliche Mittel zur Dekubitusprophylaxe und Stumpfpflege, die die Haut widerstandsfähiger machen sollen. Viele erfahrene Korsett-Träger schwören darauf. Im Sommer bei großer Hitze sinkt die Motivation, das Korsett anzuziehen, oft auf den Nullpunkt. Hier kann es helfen, die Korsetthemdchen oder den Schlauchverband vor dem Anziehen im Eisfach zu kühlen. Durchgeschwitzte Hemdchen sind zwecks Hautschutz zu wechseln.
Theoretisch kann über dem Korsett die gewohnte Kleidung getragen werden. Je nach Bauweise müssen die Schnitte etwas angepasst oder die Kleidungsstücke eine Nummer größer gewählt werden. Das Korsett sollte zum Einkaufsbummel am besten mitgenommen werden. Zu beachten ist allerdings, dass die Kleidung über dem Korsett nicht mehr so langlebig ist. Gerade auf dunklen Oberteilen können Scheuerstellen sichtbar werden. Eine schlechte Verarbeitung (selten) oder ein Bügel im Bereich der Schlüsselbeine können bei dünnen Stoffen kleine Löcher verursachen. Hosen können schnell ausgebeult aussehen. Manche Korsett-Träger tragen daher das Korsett über der Hose, im Sommer auch über dem Oberteil. Ausprobieren heißt hier die Devise.
Neben den rein körperlichen, müssen aber auch immer die psychischen Belange der Kinder und Jugendlichen im Blick behalten werden. In seltenen Fällen gestaltet sich die Eingewöhnung an das Korsett außergewöhnlich schwierig. Sie als Eltern sind gefragt, Verständnis für Ihr Kind aufzubringen, sich in seine Situation hineinzuversetzen. Eltern von Jugendlichen können, wenn sich die Statur ähnelt, auch mal selbst das Leben und Arbeiten im Korsett ausprobieren. Arzt und Orthopädietechniker sind frühzeitig hinzuzuziehen. Oft ist es hilfreich, wenn Kinder und Jugendliche Kontakt zu anderen Betroffenen knüpfen können. Sie merken, dass sie nicht alleine mit ihren Problemen sind. Von anderen lässt sich außerdem manches besser annehmen, als von den eigenen Eltern. Im Idealfall besucht jeder Korsett-Neuling eine der beiden auf Skoliose spezialisierten Rehabilitationskliniken in Deutschland. Dort gibt es auch spezielle, von Psychologen geführte Korsett-Gruppen, die über die Dauer des Aufenthaltes regelmäßig besucht werden können. Alltagsprobleme und Lösungsansätze werden besprochen, man gibt sich gegenseitig Tipps und bekommt durch die anderen Gruppenmitglieder mehr Verständnis, als es durch jeden Nicht-Betroffenen jemals möglich wäre.
Wie wird ein Korsett angepasst?
Bei Ihrem Kind soll die Skoliose mit einem Korsett korrigiert bzw. aufgehalten werden. Doch wie entsteht aus einer Packung Gipsbinden ein passendes Korsett?
Wenn die Verordnung des Orthopäden und die Kostenübernahmeerklärung der Krankenkasse vorliegen, können Sie beim spezialisierten Orthopädietechniker einen Termin zum Gipsen vereinbaren. Der Gipsabdruck des Rumpfes dient als Rohling, nach dem das Korsett individuell gefertigt wird. Baukastensysteme, wie sie in den USA gerne verwendet werden, haben sich in Deutschland nicht durchgesetzt.
Zum Gipsen muss sich das Kind bis auf die Unterhose ausziehen (keine Sorge, eine Umkleidekabine steht immer zur Verfügung!). Für obenherum bekommt es ein nahtfreies Hemdchen. So bleibt die Intimsphäre stets gewahrt und es können unter dem Gips keine Druckstellen entstehen.
Der Gipsabdruck wird immer in möglichst korrigierter Körperhaltung angefertigt. Diese entspricht nicht der „Alltagshaltung“ des Kindes und ist daher nicht ohne weiteres einzunehmen und zu halten. Daher wird auf einer Art Podest gegipst, das verschiedene Möglichkeiten zum festhalten und abstützen bietet.
Wenn die beste Position gefunden ist, wird dem Kind eine Art dünner Schlauch in loser Schlinge um den Hals gelegt, deren Enden Richtung Füße zeigen. Das erleichtert es hinterher, den Gips zu öffnen. Dann werden die in warmem Wasser getränkten Gipsbinden Schicht für Schicht um den Rumpf modelliert – vom Becken in Richtung Hals. Solange der Gips noch weich ist, kann der Orthopädietechniker kleinere Änderungen an der Haltung vornehmen. Dann dauert es etwa 15-20 Minuten, bis der Gips so trocken geworden ist, dass er wieder abgenommen werden kann ohne sich zu verformen. In dieser Zeit kann es dem Kind ziemlich warm werden, denn durch chemische Prozesse entsteht beim Abbinden von Gips Wärme.
Um den Gips zu entfernen, wird er von außen mit speziellem Werkzeug vorsichtig angeschnitten. Die innersten Schichten werden über die oben erwähnte Schlinge von unten nach oben eröffnet. Das Kind muss so keine Angst haben, geschnitten zu werden. Danach darf geduscht werden. Da auch bei sauberem Arbeiten die Unterhose durchnässt sein kann, sollten Sie zum Gipstermin Wechselwäsche mitnehmen.
Der Gipsabdruck wird mit Kunststoff ausgegossen. Nach diesem Modell des Körpers wird dann das Korsett gefertigt. Um eine korrigierende Wirkung zu erzielen, werden feste Polster in unterschiedlichen Stärken, die sogenannten Pelotten, eingeklebt. Diese üben den nötigen Druck auf die Wirbelsäule aus, um sie aufzurichten und zu entdrehen.
Einige Wochen nach dem Gipsen erfolgt die Anprobe. Dem Kind wird das Korsett zum ersten Mal angezogen. Alleine funktioniert das am Anfang noch nicht. Dass es drückt und zwickt, ist am Anfang ganz normal. Bestehen aber bereits bei der Anprobe Schmerzen oder ein Kribbeln / Taubheitsgefühl an Armen oder Händen, muss das Kind dieses äußern. Dann können direkt vor Ort entsprechende Änderungen vorgenommen werden.
Innerhalb der ersten drei Monate sollte eine Röntgenkontrolle im Korsett stattfinden. Damit lässt sich die Aufrichtung der Wirbelsäule überprüfen. Ein Korsett mit guter Korrektur reduziert die Krümmungen um wenigstens 50%. Bei leichteren Skoliosen ist sogar eine Überkorrektur (dezente Krümmung in die Gegenrichtung) möglich.
Was ist beim Reisen mit Korsett zu beachten?
Wer kennt das nicht – die warme Jahreszeit steht vor der Türe und die Familie möchte die Ferien nutzen, um in die Sonne zu reisen. Aber funktioniert das mit einem Kind / Jugendlichen im Korsett? Ist das dem Kind (und auch Ihnen) überhaupt zumutbar?
Wenn Ihr Kind ein Korsett verordnet bekommen hat, müssen Sie nicht auf den Sommerurlaub verzichten. Ein paar Dinge sollten Sie allerdings berücksichtigen, um dem Kind die Reise so angenehm wie im Korsett möglich zu gestalten.
Mehr Hemden zum wechseln
Da man im Korsett leicht schwitzt, ist es sinnvoll, ein zweites Korsetthemdchen oder nahtfreies Top zum Wechseln griffbereit im Handgepäck zu verstauen. Das Kind kann dann das nassgeschwitzte Hemd ausziehen.
Das Korsett übt aufgrund seiner Bauweise nicht nur Druck auf die Wirbelsäule und die Rippen aus. Auch innere Organe werden eingeengt, wie beispielsweise der Magen-Darm-Trakt oder große Blutgefäße. Dieser Effekt verstärkt sich bei längerem Sitzen, wie auf Reisen, noch. Planen Sie bei Autofahrten darum regelmäßig ausreichend lange Pausen, in denen das Kind das Fahrzeug auch verlässt und sich bewegt, zum Beispiel bei einem Spaziergang abseits der Autobahn. Zugfahrten sind im Korsett besser geeignet, weil hier Aufstehen und Bewegung auch während der Fahrt möglich sind. Auch in Reisebussen ist ein gewisses Maß an Bewegung möglich. Allerdings kann bei kräftigen Jugendlichen eventuell die Länge des Sicherheitsgurtes knapp werden, da manche Korsettmodelle recht ausladend gebaut sind.
Nicht zu viel auf einmal essen
Der Proviant sollte auf mehrere kleinere Mahlzeiten aufgeteilt werden, um starkem Völlegefühl vorzubeugen. Packen Sie leichte Kost ein, die nicht zu schwer im Magen liegt. Oft hilft es auch, die Verschlüsse am Korsett nicht ganz zu schließen. Muss das Korsett zum Toilettengang zeitweise abgelegt werden, beachten Sie bitte Folgendes: Bus- und Zugtoiletten sind zumeist sehr eng und machen nicht unbedingt einen einladenden Eindruck. Mehr Platz, Ruhe und „Komfort“ findet das Kind oft in den rollstuhlgerechten Toiletten von großen Autobahnraststätten. Einen über die deutschen Grenzen hinaus einheitlichen Schlüssel für Behindertentoiletten („Eurokey“) werden Sie zwar nur mit einem Schwerbehindertenausweis selbst beziehen können. Eine höfliche Anfrage bei den Mitarbeitern und Erklärung der Situation kann aber im wahrsten Sinne des Wortes Türen öffnen.
Korsett-Abnahme mit Arzt klären
Sofern vom behandelnden Arzt gestattet, kann das Korsett auch für die Dauer der Fahrt abgenommen werden. Wenn das Kind sich schämen sollte, mit dem Korsett in der Hand herumzulaufen, kann es in speziellen Transporttaschen verstaut werden. Viele Orthopädietechniker / Korsettbauer haben solche Taschen im Sortiment.
Immer wieder kommt auch die Frage auf, ob man mit Korsett fliegen darf bzw. ob ein Korsett im Flugzeug mitgeführt werden darf. Ihr Kind kann das Korsett entweder samt Koffer aufgeben, oder als Handgepäck mitführen bzw. anziehen. Wird das Korsett während dem Flug getragen, sollten Sie darauf achten, dass Ihr Kind nicht direkt an einem Notausgang sitzt. Es ist eventuell im Notfall aufgrund seiner Bewegungseinschränkung nicht schnell genug in der Lage, die Türe zu öffnen. Das Bordpersonal gibt sich normalerweise mit der Erklärung, dass ein Handicap vorliegt, zufrieden und weist den Platz einem anderen Passagier zu.
Erschrecken Sie bitte auch nicht, wenn bei der Sicherheitskontrolle eine zusätzliche „Leibesvisitation“ in einem gesonderten Raum stattfindet. Es fliegen heutzutage viele Betroffene mit Korsett. Das Personal kann in aller Regel souverän mit orthopädischen Hilfsmitteln umgehen und sie von böswilligen Machenschaften unterscheiden.
Was kann ich tun, wenn mein Kind das Korsett nicht trägt?
Die Notwendigkeit einer Korsettversorgung stellt für viele jungen Patienten mit Skoliose ein einschneidendes Ereignis dar. Bei Jugendlichen entstehen erfahrungsgemäß häufiger und ausgeprägtere Probleme, als das bei jüngeren Kindern zu erwarten ist. Je früher im Leben orthopädische Hilfsmittel wie ein Korsett angepasst werden, umso leichter fällt dem Kind die Eingewöhnung und umso einfacher gestaltet sich die Integration in den Alltag.
Mit Korsett versorgte Kleinkinder (dies ist beispielsweise bei angeborenen / syndromalen Erkrankungen oder bei früh entdeckten fortgeschrittenen Wirbelsäulenverkrümmungen nötig) können sich später zumeist gar nicht mehr an die Eingewöhnungsphase erinnern. Die Orthese ist einfach ein Teil von ihnen und es kommt sogar oft Freude auf, wenn aufgrund des Wachstums eine Neuanfertigung nötig wird und Farbe bzw. Design selbst ausgesucht werden dürfen.
Bei älteren Kindern und vor allem bei Jugendlichen gestaltet sich die Versorgung häufig schwieriger. Die Pubertät verschärft die Situation dann noch: Die Eltern entscheiden – obwohl zum Wohle des Kindes – „über seinen Kopf hinweg“, was es selbst will „interessiert gar nicht“ – und überhaupt sind Eltern „sowieso voll die Spießer!“. Vielleicht finden Sie sich bzw. Ihr Kind hier wieder…
Die Kinder immer mit einbeziehen
Es ist äußerst wichtig, dass Sie das Kind dem Alter entsprechend in die Entscheidung für oder gegen ein Korsett miteinbeziehen. Kommen vor allem Jugendliche nach altersgerechter Information über die möglichen (Spät-)Folgen ohne Korsett zu dem Schluss, dass sie die entstehenden Unannehmlichkeiten einer Korsettversorgung zumindest zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht akzeptieren werden, tun Sie als Eltern im Sinne des Haussegens eventuell gut daran, sich näher mit anderen Behandlungsmöglichkeiten zu befassen. Nicht immer ist eine vom Arzt empfohlene Korsettversorgung zwingend nötig bzw. die einzige Alternative zur Operation. Tägliche Krankengymnastik nach Schroth kann unter bestimmten Bedingungen als alleinige Therapie in Frage kommen. Sprechen Sie den behandelnden Arzt darauf an oder nehmen Sie die Möglichkeit von Zweit- und Drittmeinungen in Anspruch.
Mögliche Probleme zuhause
Werden die Schwierigkeiten erst nach der Auslieferung des Korsetts oder nach der Entlassung aus der Klinik deutlich, müssen zu allererst Schmerzen im Korsett ausgeschlossen bzw. abgeklärt werden. Dass es anfangs „überall“ zwickt und drückt, ist völlig normal, die Wirbelsäule und die Muskulatur müssen sich ja erst an die neue Haltung gewöhnen. Aber deutlich zu hohe Druckpolster und zu gering oder sogar ungepolsterte Stellen im Korsett müssen zeitnah behoben werden. Kontrollieren Sie daher regelmäßig (anfangs mehrmals täglich) zusammen mit Ihrem Kind die schmerzhaften Bereiche auf Druckstellen. Behandeln Sie diese am besten frühzeitig mit Lösungen zur Dekubitusprophylaxe und Stumpfpflege, die in der Apotheke erhältlich sind. So lassen sich oft offene Wunden vermeiden.
Sind nicht Schmerzen, sondern subjektive Atemnot das Problem, kann es hilfreich sein, die Verschlüsse am Korsett vorerst nicht bis zur eingezeichneten Markierung zu schließen. Auch autogenes Training und sonstige Entspannungsverfahren können Linderung verschaffen.
Kontakt zu anderen Betroffenen ist wichtig
Manche Orthopädietechniker liefern das Korsett unter stationären Bedingungen aus. Das bedeutet, die Kinder sind ein paar Tage bis eine Woche im Krankenhaus. Hier treffen Sie andere Betroffene, mit denen sie sich austauschen können. Oft entwickeln sich hier gute Freundschaften, die nicht nur die Anfangszeit leichter machen.
Für weitere Tipps und Tricks bieten sich Selbsthilfegruppen an, oder – bei der heutigen Jugend wesentlich mehr im Trend – das Internet. Es gibt verschiedene Online-Foren, die sich mit Fragen zur Skoliose befassen. Einige bieten einen geschützten Bereich für Kinder / Jugendliche, sowie für Eltern, so dass sich beide Seiten anonym Rat holen können. Ebenfalls hilfreich ist oft eine Schroth-Reha über mehrere Wochen in einer der beiden Skoliose-spezifischen Rehakliniken. Hier steht die Alltagsbewältigung im Vordergrund und die Kinder und es gibt moderierte Gruppengespräche für Korsettträger. Außerdem werden psychologische Einzelgespräche angeboten.
Wenn gar nichts mehr geht…
Ist die Ursache für Boykottverhalten des Kindes oder Jugendlichen eher eine Trotzreaktion, kommen Sie als Eltern vorerst alleine kaum weiter. Ein Gespräch zwischen Kind und Orthopäde ist sinnvoll, in dem mit aller Deutlichkeit die Konsequenzen der mangelnden Mitarbeit dargestellt werden müssen. Zeigt das keinen Erfolg und helfen auch die Vereinbarung einer kürzeren Tragezeit pro Tag oder das gravierende Abschleifen der Druckpolster nicht weiter, muss man sich ggf. Gedanken über andere Therapiemöglichkeiten machen. Sie als Eltern müssen sich dann aber nicht vorwerfen, nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft zu haben.
Kind mit Korsett: Worauf muss man bei der Ernährung achten?
Essen und Trinken hält Leib und Seele zusammen. Aber was und wieviel sollten Kinder mit Skoliose, die sich einer Korsettbehandlung unterziehen müssen, zu sich nehmen? Prinzipiell gilt: Es darf gegessen und getrunken werden, was schmeckt!
Ihr Kind muss auf nichts verzichten und auch keine Diät einhalten. Wenn Sie allerdings ein paar einfache Dinge berücksichtigen, können Sie Ihrem Kind die Nahrungsaufnahme wesentlich angenehmer gestalten.
Weniger, dafür öfter essen
Die drei Hauptmahlzeiten Frühstück, Mittagessen und Abendessen sollten nicht allzu üppig ausfallen. Bieten Sie stattdessen lieber Zwischenmahlzeiten an. Milchprodukte (wenn sie vertragen werden), Obst- oder Gemüse-Snacks sind dafür gut geeignet. Durch die Einengung im Korsett sind Magen und Darm nämlich in ihrer Dehnbarkeit eingeschränkt, wodurch schnell ein unangenehmes Völlegefühl entstehen kann.
Aus demselben Grund vermeiden Sie bitte auch blähende Lebensmittel, wie zum Beispiel Kohlsorten, Hülsenfrüchte oder Zwiebelgewächse. Stehen diese Produkte bei Ihnen regelmäßig auf dem Speiseplan, achten Sie auf eine Blähstoff-reduzierende Zubereitung. Ebenso wenig empfehlenswert ist frisches (Hefe-)Gebäck. Bedenken Sie bitte stets: Blähungen bzw. >Durchfall im Korsett können sehr unangenehm für Ihr Kind sein.
Die Verdauung erleichtern
Es bietet sich außerdem an, die Verschlüsse des Korsetts zu den Mahlzeiten ein Stück weit zu öffnen. Nach dem Essen sollte sich das Kind hinlegen und etwas ausruhen. Nach einer halben Stunde können die Verschlüsse dann wieder wie gewohnt zugezogen werden. Wird in der Schul-Mensa zu Mittag gegessen, besteht ggf. die Möglichkeit, sich in einem Sanitätsraum oder im Sekretariat hinzulegen. Sprechen Sie den Klassen- oder Vertrauenslehrer einfach darauf an.
Die körperliche Entwicklung des Kindes im Auge behalten
Insgesamt ist darauf zu achten, dass das Kind nicht viel mehr Kalorien zu sich nimmt, als für die normale körperliche Entwicklung nötig sind. Ein extremer Kalorienüberschuss würde zu einer schnelleren bzw. ausgeprägteren Gewichtszunahme führen. Das Korsett passt dann schneller als üblich nicht mehr und muss häufiger erneuert werden.
Gleichzeitig muss aber vor allem bei (jugendlichen) Mädchen darauf geachtet werden, dass sie nicht zu wenig essen. Durch eine reduzierte Nahrungsaufnahme und letztlich Abnahme des Körpergewichts würde das Korsett in ihren Augen „besser passen“ und unter der Kleidung nicht so deutlich auftragen. Umgekehrt kann ein ausladend gebautes Korsett eine vom Kind oder Jugendlichen erwünschte Gewichtsabnahme verschleiern. Nehmen Sie als Eltern daher unbedingt auch die üblichen kinder- und jugendärztlichen Vorsorgeuntersuchungen wahr.
Kur und Rehabilitation
Skoliose: Wie beantragt man eine Rehabilitation in einer spezialisierten Fachklinik?
Der behandelnde Arzt hat empfohlen, für Ihr Kind einen Aufenthalt in einer Rehabilitationsklinik zu beantragen.
Bislang haben Sie den Begriff „Reha“ wahrscheinlich mit Tante Herthas neuer Hüfte oder dem Herzinfarkt von Nachbar Meier in Verbindung gebracht. Aber nicht mit dem eigenen Kind, das doch keine Operation oder eine schwere Krankheit hinter sich hat.
Eine Reha kann bei chronischen Erkrankungen (wie sie auch die Skoliose eine ist) jedoch helfen, eine Verschlechterung zu vermeiden. Der Ist-Zustand wird stabilisiert und im Idealfall sogar verbessert.
Nicht alle Reha-Kliniken sind für jedes Krankheitsbild geeignet. Sinnvollerweise wird für ein Kind mit Skoliose auch ein Platz in einer entsprechend spezialisierten Klinik beantragt. In Deutschland kommen dafür vorwiegend die Kliniken in Betracht, die Schroth-Physiotherapie als Hauptbestandteil der Behandlung anbieten (zu finden sind diese wenigen Kliniken über die gängigen Suchmaschinen).
Die Empfehlung zur Reha muss nicht zwangsläufig vom Arzt ausgehen. Auch Sie als Eltern können einen Reha-Antrag in die Wege leiten. Die notwendigen Formulare können Sie sowohl bei den gesetzlichen Krankenversicherungen, als auch bei den bundesweiten Reha-Servicestellen von Landkreisen, Städten / Gemeinden sowie manchen Sozialhilfeträgern und Unfallversicherungen beziehen. Auf den Internetseiten der Rentenversicherung Bund sind die Formulare bereits zielgruppenspezifisch (Kinder / Arbeitnehmer) als Paket zusammengestellt. Der weitere Text orientiert sich daher an den Formularen der Rentenversicherung. Bei Anträgen über die gesetzlichen Krankenversicherungen ist das Vorgehen jedoch ähnlich.
Oben auf den Bögen notieren Sie Ihre Versichertennummer. Das Kenn- bzw. Aktenzeichen erhalten Sie mit der ersten Antwort auf den Reha-Antrag und sollten es bei weiterem Schriftverkehr immer angeben.
Auf dem Formular G0200 „Antrag auf Leistungen zur Rehabilitation für nichtversicherte Kinder und Jugendliche (Kinderrehabilitation) sind zunächst Ihre persönlichen Angaben und die des betroffenen Kindes zu notieren. Die Frage nach der Teilnahme an einem Disease-Management-Programm (Punkt 3) kann in Bezug auf die Skoliose mit nein beantwortet werden. Als behandelnde(n) Arzt / Ärztin (Punkt 5) tragen Sie am besten denjenigen Arzt ein, der am ehesten etwas zur Entwicklung der Skoliose sagen kann. Im Normalfall ist das der Orthopäde, nicht der Kinderarzt. Bei Bedarf, z. B. bei Vorliegen von Begleiterkrankungen, können Sie mit einem Hinweis auf ein zusätzliches Blatt formlos weitere Ärzte benennen, deren Meinung bei der Beantragung von Reha-Leistungen von Nutzen sein könnte. Bei Unklarheiten zu den Fragen 6.1 - 6.6 können Sie sich an den Versicherungsträger wenden, da entsprechende Angaben dort hinterlegt sein sollten. Ein Antrag auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation hat meist nur Erfolg, wenn das Ende der letzten Leistung mindestens 4 Jahre zurückliegt (Punkt 6.6). Für Rehabilitationen in kürzeren Zeitabständen muss ärztlicherseits eine gute Begründung vorliegen. Mit Ihrer Unterschrift entbinden Sie die genannten Ärzte / Einrichtungen von Ihrer Schweigepflicht, soweit dies für die Entscheidung über den Antrag nötig ist.
Falls Sozialversicherungs-Beiträge im Ausland gezahlt werden, benötigen Sie das Formular G0205 und weitere, dort benannte, Bescheinigungen.
Den ärztlichen Befundbericht (G0612), die Honorarabrechnung zum ärztlichen Befundbericht (G0600) und das Informationsblatt für Ärzte (G0611) drucken Sie für jeden genannten Arzt / Einrichtung zum Ausfüllen aus. Fehlt die Honorarabrechnung, können die Praxen und Einrichtungen Ihnen die Kosten für Kopie / Versand von Unterlagen bzw. das Erstellen von Befunden in Rechnung stellen. Fehlen wichtige Befundberichte, verzögert das die Bearbeitung Ihres Reha-Antrages.
Im Informationsblatt G0103 finden Sie weitere interessante Informationen zu verschiedenen Aspekten der Rehabilitation.
Dem Reha-Antrag fügen Sie ein formloses Schreiben bei, welche Klinik Sie für Ihr Kind bevorzugen, und begründen Ihre Entscheidung. Dafür bieten sich Informationsmaterialien der Einrichtung genauso an, wie deren Fallzahlen und die Anzahl an skoliosespezifischen Therapieeinheiten pro Woche oder persönliche positive Erfahrungen (beispielsweise durch die Reha erzielte Ergebnisse in der Vergangenheit oder bei einem ebenfalls betroffenen Geschwisterkind). Soweit Ihre Begründungen belegbar sind, können Sie hier ruhig etwas Kreativität an den Tag legen. Wenn nötig, beantragen Sie für sich selbst eine Mit-Aufnahme als Begleitperson. Zumeist wird das bis etwa zum 12. Lebensjahr oder bei erschwerten Bedingungen (z. B. vorliegende Behinderung) genehmigt.
Sie werden nach kurzer Zeit ein Schreiben über den Eingang Ihres Antrages erhalten. Bis zur Genehmigung oder Ablehnung dauert es meist zwischen einigen Wochen und einem Vierteljahr. Sollten Sie ein Ablehnungsschreiben erhalten, legen Sie innerhalb der genannten Frist (oder innerhalb von vier Wochen) formlos Widerspruch ein. Sie haben dann Zeit, zusammen mit den behandelnden Ärzten einen ausführlichen Widerspruch zu formulieren und einzureichen. Die entsprechenden Fristen erfragen Sie bitte beim jeweiligen Kostenträger.
Wird dem Antrag stattgegeben, bekommen Sie schriftlich mitgeteilt, in welche Klinik Ihr Kind fahren wird. Sind Sie mit der Wahl nicht einverstanden, können Sie Widerspruch einlegen (siehe oben). Sie erhalten eventuell eine Bescheinigung für die Schule, da diese über die Abwesenheit Ihres Kindes informiert werden muss. Den Zeitraum der Rehabilitation erfahren Sie meistens von der Klinik selbst. In geringem Rahmen sind Terminabsprachen möglich. Stellen Sie sich aber darauf ein, dass Sie den drei- bis sechswöchigen Klinikaufenthalt nicht genau in die Sommerferien legen können. Zum einen gibt es Fristen zwischen Genehmigung und Antritt der Reha, die nicht überschritten werden dürfen, da sonst der Anspruch auf den Platz verfällt. Zum anderen benötigen weit mehr Kinder und Jugendliche eine stationäre Reha, als man denkt. Die Kliniken sind daher das ganze Jahr über gut ausgelastet.
Skoliose: Was ist eine Schroth-Reha und was passiert dort?
Erlauben Sie mir vorab eine Klarstellung: Mit „Schroth-Reha“ ist nicht das Naturheilverfahren mit Trink- und Trockentagen zur Entgiftung des Körpers gemeint, dass Ihnen vielleicht aus Großmutters Zeiten bekannt ist. Damit wäre Ihrem Kind und seiner Skoliose nicht geholfen.
Wobei genug trinken auch nicht verkehrt ist - die Bandscheiben, die als Puffer zwischen den Wirbeln liegen, speichern Flüssigkeit und tragen damit auch ein wenig zur Aufrichtung der Wirbelsäule bei.
Rehabilitationsklinik
Vielmehr ist ein stationärer Aufenthalt in einer auf Skoliose spezialisierten Rehabilitationsklinik gemeint. Ihr Kind lernt dort nicht nur Vieles über den Aufbau der Wirbelsäule, sondern auch zu den Ursachen und Formen der Skoliose. Auch das Konzept der Schroth-Therapie wird erläutert. Schroth ist eine Form der Physiotherapie (Krankengymnastik), die den Körper mit seiner Skoliose dreidimensional sieht. Dementsprechend gibt es eine bestimmte dreidimensionale Atemtechnik, die bei den Übungen zur Anwendung kommt und im Vorfeld in „Trockenübungen“ erlernt wird. Einfach gesagt sollen die Patienten dabei in einer bestimmten Reihenfolge in die Rumpfanteile hineinatmen, die aufgrund der Skoliose „flacher“ sind. Dadurch soll eine „Aufdehnung“ dieser Bereiche erfolgen, die durch Muskelkraft gehalten werden muss. So werden diejenigen Muskelgruppen gestärkt, die einseitig zu schwach ausgeprägt sind. Diese theoretischen Inhalte werden von den Physiotherapeuten in der ersten Woche des Aufenthaltes altersgerecht in sogenannten „Anfängergruppen“ vermittelt.
Die verschiedenen Übungen können im Liegen, im Sitzen sowie im Stehen und Gehen durchgeführt werden. Im Liegen gibt es Übungen für Bauch-, Rücken- und Seitenlage. Im Gegensatz zu manchen anderen Arten der Physiotherapie benötigt Schroth diverse Hilfsmittel - vom einfachen Hocker, über Fußbänkchen und Holzstangen bis hin zur Regenrinne findet alles Verwendung. Im Vorfeld werden Sie gebeten, für das Kind vier bis fünf Reissäckchen zu nähen (ein Waschhandschuh wird dafür mit dem ungekochten Inhalt eines Reisbeutels gefüllt und zugenäht). Diese Reissäckchen werden bei den Übungen im Liegen als Druckpolster eingesetzt.
Die ersten Tage
In den ersten Tagen der Reha erfolgen die orthopädische und physiotherapeutische Aufnahmeuntersuchung. Außerdem werden Parameter wie Größe, Gewicht, Blutdruck, Herzfrequenz, Armspannweite, Sitzgröße und die Lungenfunktion überprüft und dokumentiert. Zur Orientierung gibt es in manchen Kliniken am Anreisetag eine Hausführung.
Ab der zweiten Woche kommen die Kinder und Jugendlichen in ihre endgültige Gruppe. Die Zuordnung erfolgt dabei anhand des Krümmungsmusters der Skoliose. Das hat den Hintergrund, dass nicht jede Übung für jede Skoliose geeignet ist, sondern die Patienten erhalten ein auf sie zugeschnittenes Übungsprogramm.
Von Montag bis Samstag Mittag gibt es täglich (bei vollem Reha-Programm) zwei Einheiten Gruppentherapie und zwei Einheiten „freies Üben“, wobei eine Einheit 90 Minuten dauert. In der Gruppentherapie werden neue Übungen erlernt bzw. solche durchgeführt, die einer genaueren Beobachtung durch die Physiotherapeuten bedürfen. Im freien Üben werden die Übungen eigenständig durchgeführt. Die beaufsichtigenden Therapeuten korrigieren, wenn nötig, und sind bei Fragen und Problemen immer ansprechbar. Zusätzlich kommen – je nach Altersgruppe unterschiedliche – weitere Therapie- und Entspannungsangebote dazu: Massage, Fango, Muskelaufbau an Geräten, Trainingseinheiten für Ausdauer und Gleichgewicht (beides kann durch die Skoliose gestört sein), Einzel-Physiotherapie, Atemtherapie, Atemmassage (durch eine verminderte Atemmechanik entstehen über die Jahre Verklebungen von Rippen- und Lungenfell, die mit speziellen Griffen gelöst werden), Therapien im Wasser, usw. Zum Teil werden außerdem psychologisch begleitete Gesprächsgruppen für Patienten mit einem Korsett angeboten. Hier treffen die Kinder und Jugendlichen auf Leidensgenossen, mit denen sie sich in geschütztem Rahmen über ihre Probleme austauschen und sich gegenseitig Tipps geben können. Von Gleichgesinnten werden viele Vorschläge und Hinweise erfahrungsgemäß besser angenommen, als wenn sie von den eigenen Eltern kommen. Auch ergänzende Sportprogramme, wie beispielsweise therapeutisches Klettern oder Reiten werden unter Aufsicht entsprechend ausgebildeter Therapeuten angeboten. Sämtliche Termine inclusive Raumnummern und sonstige Informationen erhält das Kind in einem Wochenplan, der in seinem Postfach deponiert wird. Es sollte also regelmäßig ein Blick hineingeworfen werden.
Bis zu einem Alter von etwa zwölf Jahren oder bei erschwerten Bedingungen, wie bei Vorliegen einer Behinderung, können Sie als Begleitperson mit aufgenommen werden. Sie nehmen dann zusammen mit Ihrem Kind an den Gruppenstunden teil. Dort lernen Sie, wie Sie das Kind bei den Übungen unterstützen und korrigieren können. Im freien Üben setzen Sie das Gelernte zusammen in die Praxis um. Manchmal ist es sinnvoll, dass Eltern bei den ärztlichen Zwischen- und Abschlussuntersuchungen anwesend sind. Die Termine erhält Ihr Kind mit dem Wochenplan.
Da die Kinder und Jugendlichen je nach Termin und Dauer der Reha bis zu sechs Wochen die Schule nicht besuchen können, wird in manchen Kliniken eine Art Stützunterricht angeboten. So kann das Entstehen größerer Lücken vermieden werden. Nach Rücksprache können ggf. auch Klausuren unter Aufsicht geschrieben werden. Nehmen Sie als Eltern am besten Kontakt mit der Schule Ihres Kindes auf um zu klären, welcher Lernstoff in der Zeit des Klinikaufenthaltes behandelt werden soll. Oft werden Lern- und Arbeitsmaterialien im Vorfeld ausgegeben und können dann mit in die Klinik genommen werden.
Keine Angst vor der Reha-Klink
Ihr Kind muss keine Angst vor der Reha-Klinik haben. Es sieht dort nicht aus wie in einem Krankenhaus, sondern eher wie in einem Hotel. Die Mahlzeiten finden in einer Art Kantine statt. Beim Mittagessen kann (ggf. bereits am Vortag) aus mehreren Gerichten gewählt werden, beim Frühstück und Abendbrot gibt es ein Buffet. Die Tische sind oft mit Patienten aus den verschiedenen Therapiegruppen belegt und die Unterbringung erfolgt zumeist in Zweibettzimmern, so dass Ihr Kind von Anfang an Kontakt zu den anderen Patienten hat. Auch für ein abwechslungsreiches Freizeitprogramm ist gesorgt: In den Kliniken gibt es Sport-, Spiel- und Bastelangebote. Immer wieder werden von den Jugendbetreuern auch gemeinsame Ausflüge organisiert. Eventuelle Sorgen und Heimweh sind meistens also bald kein Thema mehr, da sich in den Gruppen, beim Essen oder in der Freizeit viele Freundschaften knüpfen lassen. Vielmehr gibt es an den Abreisetagen oft Tränen, weil man sich schon wieder trennen muss.
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Quellen:
- Skoliose. Herausgeber: Kinder- und Jugendärzte im Netz (2018). www.kinderaerzte-im-netz.de
- Skoliose. Herausgeber: Bundesverband Skoliose-Selbsthilfe e.V. www.bundesverband-skoliose.de.