Deutsche und europäische Behandlungsleitlinien empfehlen den Einsatz von Methylphenidat (Ritalin®) und anderen Medikamenten nur im Rahmen einer therapeutischen Gesamtstrategie oder einer multimodalen Behandlung und nicht als alleinige Maßnahme.
Nur in schweren Fällen mit sehr starker ADHS-Symptomatik wird geraten, eine medikamentöse Therapie bereits nach ausführlicher Beratung der Eltern einzuleiten. Bei Kindern mit weniger stark ausgeprägtem Beschwerdebild sollten erst verhaltenstherapeutische Interventionen erfolgen, bevor an eine Pharmakotherapie gedacht wird.
Dient Ritalin bei ADHS nur dem Ruhigstellen von Kindern?
Ein vorschnelles, auf das Unterbinden von störendem kindlichem Verhalten gerichtetes Verabreichen von Ritalin® (Wirkstoff: Methylphenidat) würde diesem häufig geäußerten Vorurteil Recht geben. Es ist nicht auszuschließen, dass solcher Missbrauch auch tatsächlich stattfindet.
In den Händen von verantwortungsvollen Ärzten und Eltern aber kann sich der Medikationsversuch mit Methylphenidat und anderen Psychostimulanzien als segensreiche Hilfe erweisen. Dies macht gerade auch die Behandlung von vorwiegend aufmerksamkeitsgestörten, motorisch ruhigen bzw. „braven“ Mädchen deutlich, bei der es von vornherein nicht darum gehen kann, ein störendes Verhalten zu beseitigen, sondern nur darum, die Informationsverarbeitung zu verbessern.
Was ist über die langfristigen Folgen des Ritalin-Gebrauchs bekannt?
Bislang wenig. Von Befürwortern des Einsatzes von Methylphenidat (Ritalin®) wird auf die langjährige Anwendung seit über einem halben Jahrhundert (1959) verwiesen. Wissenschaftlich aufgearbeitet wurde diese Fragestellung bisher aber nicht wirklich.
Angesichts des mittlerweile hohen und weiter ansteigenden Verbrauchs des Psychopharmakons erscheint das fehlende Interesse an weiteren Untersuchungen seitens Industrie und Wissenschaft erstaunlich bis bedenklich.
Quellen:
- Leitlinie „ADHS bei Kindern und Jugendlichen (Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitäts-Störung)“ der Arbeitsgemeinschaft ADHS der Kinder- und Jugendärzte e.V., aktualisierte Fassung vom Januar 2007 / 2009.
- ADHS – Einfach nur viel Energie oder schon hyperaktiv? 2019. Herausgeber: Bundesärztekammer. Online auf: www.bundesaerztekammer.de.
- Multimodales Behandlungskonzept und Therapieziel bei ADHS. Berufsverbände für Psychiatrie, Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychotherapie, Psychosomatik, Nervenheilkunde und Neurologie aus Deutschland. Online auf: www.neurologen-und-psychiater-im-netz.org.
- Greenhill L et al. Guidelines and algorithms for the use of methylphenidate in children with Attention-Deficit/ Hyperactivity Disorder. J Atten Disord. 2002;6 Suppl 1:S89-100. doi: 10.1177/070674370200601s11. PMID: 12685523.
Und noch etwas: Medikamente machen krank auf Langzeit. Für eine Überbrückung ist es lebensrettend.