Was genau ist ein Herz-Bypass? Aus welchem Material besteht er? Und stimmt es, dass man nach dem Eingriff vergesslich wird? Mehr dazu in diesem Beitrag.
Basiswissen
Was ist eine Bypass-Operation am Herzen?
Leiden Sie an ausgeprägter koronarer Herzkrankheit (KHK) oder haben einen Herzinfarkt hinter sich, wird Ihr Arzt möglicherweise eine Bypass-OP empfehlen. Dieser Eingriff am Herzen soll sicher stellen, dass die Durchblutung des Organs verbessert wird und es nicht zu einem (erneuten) Infarkt kommt.
Operation
Was passiert bei einer Bypass-Operation am Herzen?
Bei einer Bypass-Operation wird eine Umleitung um ein verstopftes Blutgefäß gebaut. Statt also die Verengung auszudehnen und mit einem kleinen Gerüst zu stützen (Stent-Operation, PTCA) wird beim Bypass der Blutstrom um die Engstelle herumgeführt. Dafür entnimmt man von einer anderen Körperstelle ein Stück Arterie oder Vene und setzt dieses Gefäß am Herzen als Umgehungskreislauf wieder ein.
Überlebensrate liegt bei 99%
Eine Bypass-Operation ist zwar für erfahrene Herzchirurgen Routine, gleichwohl handelt es sich um einen schweren Eingriff. In der Regel wird am offenen Herzen operiert, eine Herz-Lungen-Maschine übernimmt während des Eingriffs die Versorgung des Körpers. Das für den Bypass verwendete Blutgefäß wird entweder direkt aus dem benachbarten Brustraum entnommen (eine der Brustwandarterien) oder von einer weiter entfernten Körperregion, zum Beispiel dem Bein. Dann muss das Gefäß noch zurechtgeschnitten und danach an das verstopfte Herzkranzgefäß angenäht werden (vor und hinter der Engstelle).
Eine Bypass-Operation ist nicht risikolos, so kann es während des Eingriffs zu einem weiteren Herzinfarkt oder durch losgelöste Blutgerinnsel zu einem Schlaganfall kommen. Das ist zwar während der Operation einfacher zu kontrollieren als außerhalb der Klinik. Dennoch besteht bei einer Bypass-Operation ein Sterberisiko von 1%. Allerdings muss man sich dabei immer klar machen, dass ohne eine Reparatur des verstopften Blutgefäßes die Lebensgefahr noch weitaus höher ist.
Woraus wird bei einem Bypass die Umleitung gebaut?
Häufig aus einer körpereigenen Arterie. Früher wurden zur Überbrückung immer Venen verwendet, meist aus dem Oberschenkel. Das ist heute immer noch eine Option, aber nicht die erste. Die Entscheidung, aus welchem Blutgefäß die Umleitung gebaut wird, hängt aber letztlich immer von der individuellen Situation ab. Vom Zustand der Arterien und Venen, aber auch von der Lokalisation des Engpasses am Herzen.
Erste Wahl unter den Arterien ist die linke Brustwandarterie. Die entspringt in Höhe des linken Schlüsselbeins oberhalb des Herzens und zieht von dort aus in Richtung Bauchraum. Wegen der Nähe zum Herzen ist es relativ leicht, das Gefäß zum Herzen umzuleiten und dort die Engstelle zu überbrücken. Dafür kann man sogar den Ursprung der Arterie (sie entspringt der Schlüsselbein-Arterie) belassen und muss "nur" den weiteren Gefäßstrang mit seinen Verästelungen verlegen. Einer der größeren Äste wird dann direkt mit dem Herzgefäß vernäht.
Eine Nahtstelle ist günstiger als zwei
Es entsteht hierbei also nur eine Nahtstelle und nicht zwei wie bei Blutgefäßen aus weiter entfernten Körperregionen, die zusätzlich auch noch an die Brust-Aorta angenäht werden müssen. Das ist ein Vorteil, da insbesondere die Nahtstellen der zusammengeflickten Blutgefäße auf Dauer wieder verengen können.
Eine mögliche Alternative ist eine Handarterie oder eben auch eine Vene aus dem Bein. Letztere haben den Nachteil, dass bei ihnen der Bypass eine im Schnitt kürzere Lebensdauer hat als das bei Arterien der Fall ist. Das hängt mit der Wandbeschaffenheit der Venen zusammen, die für den druckintensiven Durchfluss im arteriellen System weniger gut geeignet ist.
Jahrzehntelange Erfahrung mit venösen Bypässen
Allerdings ist das kein Grund, nun in Riesensorgen zu verfallen, wenn für den Bypass eine entferntere Arterie oder eine Vene verwendet wurde. Es werden dann möglicherweise einfach etwas häufigere Kontrolltermine notwendig und vielleicht irgendwann auch ein Ersatz, aber die akute Gefahr ist auch damit genauso gut gebannt. Immerhin waren Venen jahrzehntelang Standard bei der Bypass-Operation.
Indikation
Verengte Herzgefäße: Wann ist ein Bypass die beste Option?
Bei verengten Herzkranzgefäßen gibt es im Prinzip immer drei Möglichkeiten, die Gefahr eines Herzinfarkts zu bannen:
- eine rein medikamentöse Behandlung
- eine künstliche Aufweitung der Engstellen (PTCA: über einen Herzkatheter Einführung eines aufblasbaren Ballons, Einbau eines Stützgerüstes bzw. Stents)
- Bypass-Operation
Unter diesen drei Optionen gibt es keine, die eindeutig und immer die beste ist. Vielmehr hängt es sehr stark von der individuellen Situation ab, welches Vorgehen das jeweils empfehlenswerteste ist. Die Faktoren, die diese Entscheidung beeinflussen, sind vielfältig. Dazu zählen unter anderem die genaue Lokalisation der Gefäßverengung, das Alter und der Gesundheitszustand.
Argumente für den Bypass
Allerdings gibt es schon ein paar definierte Situationen, in denen die Bypass-Operation insbesondere in Betracht kommt:
- Gefäßverengung sitzt im linken Hauptstamm direkt hinter dem Ursprung an der Aorta.
- In allen drei Herzkranzgefäßen gibt es Engstellen und mit einer medikamentösen Behandlung gelingt keine ausreichende Linderung der Herzbeschwerden. Bei einer zusätzlich bestehenden Herzschwäche ist das ein weiteres Argument für einen Bypass.
- Alter über 75 Jahre, wenn mit einer medikamentösen Behandlung keine ausreichende Linderung der Herzbeschwerden gelingt.
Komplikationen
Kann man durch eine Bypass-Operation Gedächtnisprobleme bekommen?
Ja. Allerdings ist bis heute unklar, warum das so ist. Es gibt zahlreiche Vermutungen, aber keine davon ist bewiesen. Die Gedächtnisprobleme nach einer Bypass-Operation treten auch nicht bei jedem Behandelten auf, allerdings schon deutlich gehäuft.
Herz-Lungen-Maschine doch nicht schuld?
Lange Zeit glaubte man, die Gedächtnis- und Konzentrationsprobleme in den Wochen nach dem Eingriff seien eine Folge der Herz-Lungen-Maschine. So könnten sich kleine Blutgerinnsel im Herzen bilden, während es nicht arbeiten muss, die dann später ins Gehirn wandern. Mittlerweile hat man aber festgestellt, dass auch bei einer alternativen Operationsmethode, die ohne Herz-Lungen-Maschine auskommt, bei der das Herz also weiterschlägt, diese Gedächtnisstörungen auftreten.
Möglicherweise hat es einfach mit den veränderten Durchblutungsbedingungen während des Eingriffs zu tun, die ja auch das Gehirn betreffen. So kommt es während der Operation in der Regel zu einem relevanten Blutdruckabfall.
Wie lange halten die Konzentrationsstörungen an?
Konzentrationsstörungen tauchen Jahre später oft erneut auf
In der Regel besteht das Problem mit dem Gedächtnis und der Konzentration zwar nur vorübergehend. Nach etwa einem halben Jahr ist bei den meisten Patienten alles wieder im Lot. Allerdings taucht es dann bei vielen Betroffenen nach ca. 5 Jahren erneut auf. Vor allem ältere Patienten jenseits der 70 Jahre scheinen hier gefährdeter zu sein.
Inwieweit die ebenfalls gehäuft beobachtete depressive Verstimmung nach der Bypass-Operation etwas damit zu tun hat oder ob das ein separates Problem ist, ist ebenfalls nicht eindeutig geklärt.
Quellen:
- Pocket-Leitlinie: Therapie des akuten Herzinfarktes bei Patienten mit ST-Streckenhebung (STEMI) (Version 2017). Herausgeber: Deutsche Gesellschaft für Kardiologie – Herz-und Kreislaufforschung e.V. www.leitlinien.dgk.org.