Nehmen psychische Erkrankungen in unserer Wohlstandsgesellschaft zu? Welche sind am häufigsten. Um diese und weitere Fragen geht es im folgenden Beitrag, der noch weiter ausgebaut wird.
Häufigkeit
Hat die Häufigkeit psychischer Störungen tatsächlich zugenommen?
Überall ist von steigenden Zahlen für psychische Störungen zu lesen. Dabei gibt es unter den Experten durchaus gegensätzliche Ansichten, ob es sich um eine reale Zunahme der Krankheitsfälle handelt oder lediglich um statistische Effekte aufgrund einer höheren Entdeckungsrate durch gestiegene (haus-)ärztliche Kompetenz und größere Bereitschaft der Patienten, psychische Beschwerden von sich aus zu äußern.
Erstaunlicherweise gibt es keine repräsentative epidemiologische Langzeitstudie, die diese Entwicklung verfolgt. Eine eindeutige, wissenschaftlich fundierte Antwort auf die Frage ist daher zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht möglich. Eine ganze Reihe von Indizien und Fachbeiträgen weist aber darauf hin, dass von einem tatsächlichen Anstieg psychischer Krankheitsbilder auszugehen ist.
Die Datenlage ist heterogen und unvollständig, die gestiegene Erkennungsrate wird offenbar auch von einer Zunahme an falschpositiven (fälschlicherweise gestellten) Diagnosen begleitet. Die (zunehmenden) Diagnosen in der Rentenzugangsstatistik sind allerdings kaum anzuzweifeln, da die Anträge auf Erwerbsminderungsrente ein sehr aufwändiges Prüf- und Bewilligungsverfahren nach sich ziehen.
Was sind die häufigsten psychischen Störungen bei 18- bis 65-Jährigen in der EU?
Fast jeder zweite EU-Bürger erkrankt während seines Lebens an einer psychischen Störung. In der Altersgruppe der 18- bis 65-jährigen Europäer sind es nach vorsichtigen Schätzungen 27% pro Jahr und damit etwa 93 Millionen Menschen. Am häufigsten handelt es sich um Depressionen und Angststörungen.
Aus wissenschaftlicher Sicht gibt es offenbar keine Hinweise auf größere Unterschiede zwischen den EU-Ländern, was die Häufigkeit psychischer Störungen betrifft. Eine traurige Übereinstimmung wird auch bei der mangelhaften Versorgungssituation beklagt: Gerade einmal 26% der betroffenen Europäer erhalten irgendeine Form von professioneller Behandlung.
Symptome
Sind psychische Erkrankungen schlimmer als körperliche?
Die meisten psychischen Krankheiten sind ebenso wie körperliche Krankheiten behandelbar, Depressionen sogar besonders gut. Auch bei seelischen Erkrankungen spielen organische Prozesse eine wichtige Rolle und können durch entsprechende Maßnahmen wie beispielsweise eine medikamentöse Behandlung positiv beeinflusst werden.
Der Hauptunterschied scheint vielmehr in der öffentlichen und der persönlichen Wahrnehmung und den immer noch im Bewusstsein verankerten Ressentiments zu liegen.
Die Enttabuisierung und Entstigmatisierung von psychischen Krankheiten und derer, die damit zu tun haben, hat in jüngster Zeit Aufwind erhalten durch vielfältige Aufklärungsarbeit und vor allem durch medienwirksame Coming-outs prominenter Persönlichkeiten. Dennoch behindern Angst und Unwissenheit bei Betroffenen, Angehörigen, Arbeitgebern und nicht zuletzt auch nichtpsychiatrischen Ärzten immer noch einen offeneren, selbstverständlicheren und damit auch erfolgreicheren Umgang mit den Krankheiten der Seele.