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Was ist das Mikrobiom? Welche Aufgaben hat es? Was passiert, wenn es gestört ist? Bei welchen Erkrankungen spielt es eine Rolle? Im folgenden Beitrag finden Sie Fragen und Antworten rund um unsere Mitbewohner im Darm.

Die Bedeutung des Mikrobioms

Mikrobiom und Mikrobiota: Was bedeutet das?

Wir kennen sie zum großen Teil überhaupt nicht. Ihre tägliche Arbeit bekommen wir in der Regel nicht mit. Und doch tummeln sich in unserem Körper unzählige Mikroorganismen wie Bakterien und Viren, die ganze Ökosysteme ausbilden. Die enorme Bedeutung dieser fleißigen Mitarbeiter wird in der Forschung erst in Ansätzen verstanden.

Im Fokus der Wissenschaft

Im Jahr 2007 starteten jeweils ein groß angelegtes amerikanisches und ein europäisches Projekt zur Entschlüsselung des menschlichen Mikrobioms. Ziel ist es, ausgehend von der Besiedelung gesunder Menschen den Einfluss dieser Zellen und Kleinstlebewesen auch auf unterschiedliche Erkrankungen zu beleuchten. Denn viele Beobachtungen und Studien legen bereits jetzt die Vermutung nahe, dass unsere kleinen Mitbewohner an sämtlichen Prozessen im Körper beteiligt sind.

Eigentlich verwundert das auch nicht. Denn es handelt sich um eine schier unendliche Zahl an verschiedensten Mikroorganismen, die sämtliche inneren und äußeren Oberflächen besiedeln. Es lohnt sich also, einen genaueren Blick auf diese Vielfalt zu werfen.

Für Interessierte: noch mehr Wissenswertes zum Mikrobiom

Was versteht man unter „Mikrobiom“?

Das sogenannte "Mikrobiom" meint die Gesamtheit aller Gene, d.h. die Erbinformation der "Mikrobiota", wie wiederum die Mikroorganismen selbst bezeichnet werden.

Wo im Körper befinden sich diese Kleinstlebewesen?

Sie lassen nahezu keine Stelle in unserem Körper aus, sind jedoch vor allem im Darm in einer unglaublichen Anzahl und Vielfalt anzufinden. Zur Veranschaulichung:

Es handelt sich allein im Darm um eine Masse von ca. 1,5 kg unterschiedlichster Bakterien und Viren, aber auch Pilze und Einzeller. Deren Genom übersteigt das menschliche an Informationen um ein Vielfaches. Außerdem sind die individuellen Abweichungen des Mikrobioms von Mensch zu Mensch viel größer als die des menschlichen Genoms selbst. Während wir uns in der Gesamtheit unserer Erbinformation nur zu etwa 0,1% unterscheiden, weichen die Mikroorganismen eines Menschen in ihrer Art und Zusammensetzung um bis zu 50% von denen seines Nachbarn ab.

Kein Wunder also, dass dieses stille Volk bei den Vorgängen in unserem Körper eifrig mitmischt. Man weiß inzwischen, dass die Mikrobiota im Darm eine wichtige Rolle für die Barriere nach außen und die Abwehr schädlicher Einflüsse spielen. Außerdem sind sie entscheidend am Stoffwechsel und an der Energieversorgung beteiligt.

Mensch und Mikrobiom – eine symbiotische Beziehung?

Die Bakterien und Viren, von denen hier die Rede ist, sind also keineswegs schädlich, sondern leben in friedlicher Koexistenz mit uns. In unserem Körper finden sie passende Bedingungen und Lebensräume vor. Im Gegenzug sorgen sie für den reibungslosen Ablauf wichtiger Körperfunktionen, an deren Erhalt sie natürlich brennend interessiert sind. Ein solches gegenseitiges Geben und Nehmen wird auch als Symbiose bezeichnet.

Störungen des Mikrobioms

Welche Rolle spielt das Mikrobiom bei Erkrankungen?

Fragiles Gleichgewicht

Bei vielen Erkrankungen haben Wissenschaftler eine empfindliche Störung der individuellen mikrobiellen Ökosysteme beobachtet. So vielfältig und genau aufeinander abgestimmt sie nämlich sind, so leicht sind sie durch äußeres Zutun auch aus dem Gleichgewicht zu bringen.

Das Mikrobiom entwickelt sich erst nach der Geburt. In den ersten Lebensjahren bildet sich bei jedem neuen Erdbewohner ein ihm eigenes Milieu aus, das genau auf ihn zugeschnitten ist. Dabei spielen Umwelteinflüsse, Lebensumstände und die Ernährung eine entscheidende Rolle. Je nach dem, wie ein Kind aufwächst und was auf es einwirkt, entwickelt es mit der Zeit seine eigene, recht stabile Zusammensetzung der verschiedenen Organismen. Aber auch später noch können äußere Einflüsse die innere Balance verschieben. Die Folge sind unterschiedlichste Störungen und Erkrankungen.

Wenn das Mikrobiom gestört wird

Ärzte kennen das Problem schon lange: Nach einer längeren Behandlung mit Antibiotika besteht die Gefahr einer sogenannten "pseudomembranösen Kolitis". Das ist eine Darmentzündung, bei der die Darmschleimhaut mit einem aggressiven Keim überwuchert wird. Antibiotika zerstören nämlich leider auch einen Teil der gesunden Darmflora, wodurch schädliche Eindringlinge leichtes Spiel haben.

Aber nicht nur im Darm selbst kann die Verschiebung des mikrobiellen Gleichgewichts dramatische Konsequenzen haben. Man geht inzwischen davon aus, dass Störungen des Mikrobioms auch das Immunsystem betreffen. So wurden beispielsweise Krankheiten, bei denen sich die Körperabwehrzellen gegen den eigenen Organismus richten (sogenannte Autoimmunerkrankungen), gehäuft bei Kindern beobachtet, die in den ersten Lebensjahren Antibiotika erhielten.

Vermutlich verändern die Medikamente auch langfristig die Zusammensetzung und Vielfalt des Mikrobioms, was wiederum eine spätere Entwicklung von Asthma und anderen allergischen Erkrankungen begünstigen könnte.

Wenn das Mikrobiom aus dem Gleichgewicht kommt

Mikrobiota bei Darmentzündungen: Welche Rolle spielt die Darmflora?

Bei Menschen mit einer chronisch-entzündlichen Darmerkrankung (dazu gehören der Morbus Crohn und die Colitis ulcerosa) hat man Störungen der Darmflora sowie ein Ungleichgewicht verschiedener Bakterienstämme beobachtet. Man geht davon aus, dass eine fehlgeleitete Immunantwort gegen die Mikrobiota dafür verantwortlich ist. Diese Abwehrreaktion wiederum könnte durch Umweltfaktoren und genetische Veranlagung bedingt sein.

Was haben Mikrobiota mit Krebs zu tun?

Noch viele weitere Erkrankungen werden inzwischen mit unseren inneren Oberflächenbewohnern in Verbindung gebracht. So können zum Beispiel Krebserkrankungen durch die Mikroorganismen beeinflusst werden – positiv wie negativ.

Man kennt bereits einige Erreger wie Hepatitis- oder Papillomviren, die eine Entartung von Zellen direkt auslösen können. Aber auch die körpereigene individuelle Mikrobiomkonstellation kann an der Entstehung, aber auch der Vermeidung von Krebs mitwirken.

Die Zusammensetzung unserer Mitbewohner scheint auch den Therapieerfolg mitzubestimmen. So konnte in aktuellen tierexperimentellen Studien gezeigt werden, dass das Ansprechen auf bestimmte Medikamente beim Haut- und beim Lungenkrebs abhängig vom jeweiligen Mikromilieu im Darm der Tiere war.

Mikrobiota und psychische Erkrankungen: Gibt es einen Zusammenhang?

Wenn die Zellen und Kleinstlebewesen praktisch überall im Körper mitmischen, verwundert es nicht, dass sie auch zunehmend in Zusammenhang mit psychischen Erkrankungen gebracht werden. Ein Beispiel:

Bei Menschen mit Autismus zeigte sich in mehreren Untersuchungen eine auffallend veränderte Mikrobiomkonstellation. In Tierversuchen wiederum konnten bestimmte Darmbakterien typische autistische Verhaltensweisen verhindern.

Auch die Depression scheint mit dem Darm in Verbindung zu stehen. In Studien zeigten depressiv Erkrankte ebenfalls eine veränderte Darmbesiedelung. Mit Übertragung dieser Bakterien auf Mäuse ließen sich wiederum depressive Verhaltensweisen bei den Tieren hervorrufen.

Wenn die Depression auf den Magen schlägt

Diese Zusammenhänge könnten auch die Magen-Darm-Beschwerden erklären, die psychische Erkrankungen oft begleiten. Umgekehrt gibt es Erkrankungen wie das Reizdarm-Syndrom, die sich primär körperlich äußern, aber auch auf die Psyche einwirken. An all diesen verschlungenen Wechselwirkungen hat das Mikrobiom vermutlich einen entscheidenden Anteil.

Welchen Einfluss hat das Mikrobiom auf Diabetes?

Auch Stoffwechselerkrankungen können mit einer veränderten Darmbesiedelung einhergehen. Bei Diabetes ist dieses Phänomen schon länger bekannt. Allerdings wurde für das gestörte Mikrobiom bei Diabetikern bislang hauptsächlich Metformin verantwortlich gemacht. Ob auch der Diabetes an sich die mikrobielle Vielfalt stören kann, wurde nun an Menschen mit einem sogenannten Prädiabetes untersucht, die grenzwertige HbA1c-Werte aufwiesen, aber noch nicht medikamentös behandelt wurden.

Die 268 Teilnehmer wurden in zwei Gruppen aufgeteilt, wobei die eine normale Blutwerte aufwies und als reine Kontrollgruppe diente. Die Forscher sammelten neben diversen Laborwerten von jedem Probanden auch eine Stuhlprobe und werteten sie genau aus.

Unterschiede zwischen Gesunden und Prädiabetikern

Tatsächlich unterschieden sich Verteilung und Vielfalt der Darmbewohner bei den Prädiabetikern im Vergleich zur gesunden Kontrollgruppe deutlich.

Fazit:

Das Mikrobiom ist ein breites Forschungsfeld und wird die Wissenschaftler noch lange auf Trab halten. Studien wie diese zeigen aber bereits jetzt, dass der Darm nicht nur ein reges Eigenleben führt, sondern wichtige Funktionen für den gesamten Körper ausübt.

Unterstützen Sie Ihre Mitbewohner

Es lohnt sich also, unsere wackeren Mitstreiter im Darm mit einer gesunden, ausgewogenen Ernährung, viel Frische und reichlich Ballaststoffen zu verwöhnen. Vielleicht pendelt sich dann auch der HbA1c wieder ein.

Therapeutische Ansätze

Welche therapeutischen Möglichkeiten bietet das Mikrobiom?

Angesichts der Bedeutung und der vielfältigen möglichen Einflüsse des Mikrobioms auf unsere Gesundheit steckt die Forschung dazu noch in den Kinderschuhen. Wenn sich die Vermutungen der Forscher allerdings bestätigen und weitere Zusammenhänge zwischen den fleißigen Helfern in unserem Körper und der Entstehung diverser Krankheiten entdeckt werden, könnte sich daraus ein enormes therapeutisches Potential ergeben.

Beeinflussung mittels Prä- und Probiotika

Bereits jetzt werden neue Therapien zur gezielten Beeinflussung der inneren Flora entwickelt. Mit sogenannten Präbiotika, die die Aktivität der Darmbakterien beeinflussen, wie auch mit lebenden Bakterien direkt (sogenannte Probiotika) wird versucht, das Mikrobiom zu modulieren und damit Krankheiten zu heilen oder zumindest günstig zu beeinflussen. Bei einer Darmsanierung werden sogar die gesamten Mikrobiota ausgetauscht und von gesunden Spendern auf erkrankte Menschen übertragen.

Es wird sich zeigen, was die Forschung in Zukunft im Bereich des menschlichen Mikrobioms noch so alles herausfindet und inwiefern sich daraus therapeutische Möglichkeiten ergeben. Fest steht jedenfalls schon jetzt: Die unzähligen Organismen, die unseren gesamten Körper besiedeln, sind nicht reines Beiwerk, sondern tragen entscheidend zu einem gesunden inneren Gleichgewicht bei. Mit unserer Lebensweise sind nicht zuletzt wir selbst dafür verantwortlich, es intakt und stabil zu halten.

Noch ein Extra-Tipp:
Mit den richtigen Mikronährstoffen können Sie viel für Ihre Gesundheit tun.
Unsere Empfehlungen dazu finden Sie hier.

Quellen:

  • Allin KH et al. Aberrant intestinal microbiota in individuals with prediabetes. Diabetologia 2018; 61: 810-820. doi: 10.1007/s00125-018-4550-1.

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Autorin unseres Artikels
 

Eva Bauer
Ärztin / medizinische Fachautorin

    Studium:
  • Universitätsklinik Erlangen
    Berufliche Stationen:
  • Universitätsklinik Freiburg
  • Amtsärztin im Gesundheitsamt Haßberge

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Medizinische Prüfung
des Artikels
Dr. med. Monika Steiner, Ärztin / Gutachterin für medizinische Fortbildung

Medizinisch geprüft von
Dr. med. Monika Steiner
Ärztin / Gutachterin für medizinische Fortbildung

    Studium:
  • Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität, Bonn
    Berufliche Stationen:
  • Leitung Medizin-Online / Chefredakteurin Springer Nature
  • Medizinische Gutachterin für ärztliche CME-Fortbildung bei esanum.de

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